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Geburtstag
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Ausgezeichnet als Hörbuch des Jahres 2008

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Peter Kurzeck:Ein Sommer, der bleibt
Peter Kurzeck erzählt das Dorf seiner Kindheit
Konzeption und Regie: Klaus Sander
Erzähler: Peter Kurzeck
Aufnahmen: Klaus Sander
Schnitt und Mastering: Michael Schlappa
Produktion: supposé 2007
4 CDs , 290 Minuten und einem kleinen Booklet
Supposé Verlag € 34,80

Letzte Woche habe ich das Hörbuch „Da fährt mein Zug“ von Peter Kurzeck vorgestellt und schwer gelobt. Mittlerweile liegen Exemplare dieser CD neben der Kasse. In der Zwischenzeit hörte ich die vier CDs von „Ein Sommer, der bleibt“ und die Fahrten im Auto waren oft voller Schnunzeln und Lachen.
Wie in der „Zug“-CD erzählt Peter Kurzeck hier ohne Manuskript. Die Produktion entstand aus Gesprächen zwischen dem Autoren und seinem Verleger. In einer Art Klausur wurde gefragt, geredet, aufgenommen und später dann nur die Erzählungen von Kurzeck auf CD gebrannt. Und dass diese Kindheitserinnungen, in der Art wie Peter Kurzeck erzählt, den Preis für das beste Hörbuch des Jahres 2008 bekommen, ist mehr als berechtigt. Selten habe ich so etwas Gutes gehört. Irgendwie beseelt stieg ich aus dem Auto und war fast traurig, etwas wehmütig, dass ich zur Arbet musste und nicht noch eine Stunde durch die Gegend kurven konnte.
Kurzeck kam als Flüchtlingskind mit seiner älteren Schwester und seiner Mutter 1946 ins hessische Staufenberg in der Nähe von Gießen. Der Autor war zu diesem Zeitpunkt drei Jahre alt. Diese Zeit in diesem Dorf, in dem Kurzeck aufgewachsen ist und das er erst als Jugendlicher, als junger Erwachsener, verließ hat ihn geprägt und nie verlassen. Und so wie er im Plauderton die Situation beschreibt, dass ihm in Strassburg der Zug mit seinen Koffern vor der Nase wegfährt („Da fährt mein Zug“), so erzählt er hier eine Geschichte nach der anderen über seine Kindheit in diesem Dorf, in dem die Straßen noch nicht geteert waren, in dem man zwei Kilometer mit dem Schlitten vom Berg ins Tal rodeln konnte. Allerdings nur wenn die Dorfkreuzung frei war. („Bahn frei, Kartoffelbrei! A Stück Worschd dabei!“. Das mit der Wurst kam aber erst nach der Währungsreform. Bewegend auch die Geschichte mit dem Bücherbus des Amerikahauses, der eines Tages auf dem Schulhof auftauchte und noch eine Schleife drehte, von der Kurzeck nicht wusste warum er dies machte. Wahrscheinlich nur als Lust am Busfahren. Er lässt sich wieder einen Ausweis ausstellen, staunt, liest, leiht aus und taucht ein in eine neue Art der Kinderliteratur. Da gibt es Bücher, in denen Kinder die Helden sind. Ungewohnt für ihn, der bisher nur Bücher kannte, in denen das Lob des edlen deutschen Helden gesungen wurde. Kurzeck erzählt dies so intensiv, dass mir als Büchermensch fast die Tränen gekommen sind. Schön auch, dass ich immer die Möglichkeit habe in den Ulmer Bücherbus zu schauen. Ein Traum, das kann ich Ihnen flüstern. Ein riesiger Bus, voll mit Büchern. In Kurzecks Bücherbus sitzt eine Dame in einer grauen Strickjacke, die ganz speziell duftet. Dieser Duft der Bücher und der Dame haben ihn nie wieder losgelassen. Und so, wie der Sommer, der dann doch vergeht, bekommen die Kinder irgendwann mitgeteilt, dass der Bücherbus jetzt nur noch einmal kommt und sie alle Bücher abgeben müssen. Der Bus fährt nun andere Dörfer an und lässt den Leser Peter verwirrt zurück, der sich nicht hat träumen lassen, dass es zu so einem Abschied kommen wird.
Kurzeck erzählt, dass er für seinen Hund keine Hundesteuer bezahlte, er aber im gleichen Haus wie der Bürgermeister wohnte und der Bürgermeister ihn und den Hund täglich grüßte und nie etwas sagte. Er erzählt, wie er versuchte den kleinen Hund „wild“ zu machen. Mit frischem Blut vom Metzger. Dabei galt es immer 30 Pfennige in der Hosentasche zu haben. Vom Metzger bekam er das frische Blut umsonst. War aber die Metzgersfrau im Laden, dann kostete es diese obengenannten 30 Pfennige. Dieser Betrag war genau das, was man grundsätzlich für etwas bezahlen musste, das eigentlich nichts kostete. So ist das immer, sagt Kurzeck. Wenn Frauen hinter der Theke stehen, kosteten viele Dinge 30 Pfennige, die man vom Meister umsonst bekam.
Sie merken, ich könnte noch seitenlang weiterschreiben. Kurzeck erzählt in seinem warmen, leicht hessichen Ton, leichtfüssig und melancholisch über seine Kindheit, umklammert dies mit einem Sommer, der eigentlich nie vergehen darf und dann doch endet, als die Dreschmaschinen auf den Äckern stehen.
Er lässt uns besselt zurück, erzählt von vergangenen Dingen, von einer verschwundenen Zeit. Und obwohl er 15 Jahre älter ist als ich, habe ich mich in vielen Episoden wiedergefunden.

„Ein literaturhistorisches Ereignis hat stattgefunden: ein kunstreicher, verblüffender Akt, die Geburt einer neuen Gattung in Form einer CD-Box“ (Hubert Winkels, DIE ZEIT)

„Das beste Buch des Monats ist überhaupt kein Buch, sondern ist eine CD: Ein unkonventionelles Hörbuch aus Deutschlands unkonventionellstem Hörbuchverlag. Diese CD enthält nicht einfach die Lesung eines Buchs, sie ist selbst der Roman. Peter Kurzeck entwickelt und erzählt seinen Roman vor dem Mikrofon ­ Papier und Tinte braucht er dazu nicht. Ein Literaturerlebenis nur für die Ohren! Toller Erzähler, tolle CD!“ (Denis Scheck, ARD druckfrisch)

Wolfgang Werth hielt im Staatstheater Wiesbaden, 25. Januar 2009 eine Laudatio auf Peter Kurzeck und Klaus Sander, die für diese Produktion den Preis für das beste Hörbuch des Jahres 2008 erhielten.
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Nicht vergessen:
Heute abend in der vh Ulm.
Karl-Heinz Ott leist auss einem neuen Roman „Auferstehung“
Beginn ist 20 Uhr