Dienstag

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Heute haben
Francois Villon * 1431
Alexandra Kollontai * 1872
Octavio Paz * 1914
John Robert Fowles* 1926
Hartmut Lange * 1937
Geburtstag.
Und es ist der Todestag von Christian Morgenstern.
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Weil draußen der Wind um’s Holzhaus pfeift:

Christian Morgenstern
Nein

Pfeift der Sturm?
Keift ein Wurm?
Heulen
Eulen
hoch vom Turm?

Nein!

Es ist des Galgenstrickes
dickes
Ende, welches ächzte,
gleich als ob
im Galopp
eine müdgehetzte Mähre
nach dem nächsten Brunnen lechzte
(der vielleicht noch ferne wäre).
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Eugène Dabit: „Hotel du Nord“
Neu übersetzt aus dem Französischen von Julia Schoch
Schöffling Verlag € 19,95
Als E-Book € 15,99

Dieser Roman hat eine tolle Geschichte hinter sich.
Zuerst erschienen 1929, wollten ihn zuerst niemand veröffentlichen. Erst als Dabit dem Verleger zusagte, dass er Illustrationen für Sonderausgaben herstellen will, kam es auf den Markt. Das Lob war groß, auch von Schriftsteller Kollegen, wie Gide und Dabit erhielt 1931 den Prix du Roman populiste, der 2012 nach ihm umbenannt worden ist. 1938 wurde der Roman, mit damals sehr bekannten SchauspielerInnen verfilmt, wobei sich der Film vom Roman sehr stark entfernt hat. Zu diesem Zeitpunkt war der 1898 geborene Eugène Dabit schon zwei Jahre tot. Er starb unter nicht ganz geklärten Umständen bei einer Russlandreise. Dabit veröffentlichte noch zwei weitere Romane, die alle das normale Leben, das Leben der kleinen Leute beschreibt.
So auch hier.
Das Hôtel du Nord, ein sogenanntes Wohnhotel, liegt jenseits der großen Boulevards am Quai de Jemmapes im 10. Arrondissement von Paris. Emile und Louise Lecouvreur haben es gepachtet. Genauso, wie Dabits Eltern das im Jahre 1923 gemacht haben. Er selbst wuchs sozusagen in diesem Hotel für kleine Leute auf, übernahm oft den Nachtdienst und hatte dabei viel Zeit über die einfachen Bewohner zu schreiben.
Es beginnt mit der Übernahme des Hotel durch das Ehepaar Lecouvreur und damit, dass Emile auf dem Dach des Hauses steht und ausruft, dass es ja aussieht, wie am Meer. Das Hotel liegt direkt an einem Kanal, den Napoleon bauen ließ, damit die Innenstadt von Paris von Lastkänen angefahren werden kann. Dabit schreibt nun, wie das Familienhotel aufgebaut ist, wer in welchen Zimmern wohnt und wie sich das Pächterehepaar langsam in ihre Rolle eingewöhnen. Im Hotel leben Arbeiter, die ein günstiges Zimmer brauchen, Pärchen, die auf engem Raum ein Zuhause für sich suchen und alte Menschen, die kaum mehr die Miete bezahlen können. Es wird geredet, getrunken, gerauft, geliebt und gestorben. Eine junge Frau kommt vom Land, verliebt sich in einen ungehobelten Arbeiter, verdient ihr Geld als Putzhilfe im Hotel, wird schwanger, gibt ihr Kind einer Amme, bis von dort ein Telegramm kommt, dass ihr Kind gestorben ist. Danach findet sie nicht mehr ins bisherige Leben zurück und trifft sich mit vielen Männern in ihrem Zimmer, bis sie aus dem Hotel geworfen wird. Es gibt den alten Mann, der die Miete nicht mehr bezahlen kann und ins Armenhaus kommt. Dort erhält er von Louise einmal die Woche ein warmes Essen und erinnert sich an die Zeit im Hotel. Es ziehen neue Leute ein und andere verschwinden für immer. Die Nachbarsleute kommen zu einem Glas Wein, spielen Karten und Emile und Louise sind der Mittelpunkt dieses kleinen Kosmos, weit ab der schillernden Boulevards in der Pariser Innenstadt. So bekommen wir Lebensabschnitte vieler Mitbewohner mit und damit auch gleich einen intesiven Einblick in dieses Quartier zwischen den Weltkriegen.
Dabit schreibt über seine Erfahrungen, so, wie er diese Menschen kennengelernt hat. Es ist die Zeit, als Marcel Proust für seinen zweiten Band „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ den Prix Goncourt erhielt und auchhier wird eine verschwundene Zeit beschrieben. Eine Welt, die abseits der goldenen 20er Jahre, das Miteinander der einfachen Menschen zeigt. Die Arbeiter, Seelaute, Putzfrauen können nur überleben, wenn sie zusammenhalten und trotz vieler Streitereien eine Gemeinschaft bilden. Das Buch endet damit, dass das Hotel abgerissen wird. Das Ehepaar zieht sich in eine Wohnung zurück und versucht sich an den anderen Alltag zu gewöhnen. Die Geschichte des Hauses geht jedoch weiter. Mehrfach hätte das Gebiet um das Hotel abgerissen, umgebaut, neu geplant werden sollen. Und immer regte sich Widerstand im Viertel. Heute steht das Hotel wieder an der alten Stelle, beherbergt ein Resutaurant und die Fassade steht unter Denkmalschutz. Falls ich also wirklich einmal den Weg nach Paris finde, …

Die Homepage des jetzigen Hotel du Nord

Unbedingt lesenswert das sehr informative Nachwort von Julia Schoch.

Leseprobe

Ein kleiner Ausschnitt aus der Verfilmung

Und der komplette Film
https://www.youtube.com/watch?v=VsH6iBThxR0
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2

Heute abend ab 19 Uhr
LiteraLotto mit Florian Arnold und Rasmus Schöll

Montag

Heute haben
Paul Verlaine * 1844
Sean O’Casey * 1880
Jean Giono * 1895
Uwe Timm * 1940
Gert Heidenreich * 1944
Geburtstag
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Rasmus Gabriel Schöll empfiehlt:

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Rachel Kuschner: „Flammenwerfer“
Rowohlt Verlag € 22,95
als E-Book 19,99
„The Flamethrowers“ als TB € 14,99
als amerikanisches E-Book € 13,95

Cool, coolness, grandios am coolsten!
Ungefähr so lässt sich Rachel Kushners Roman: „Flammenwerfer“ zusammenfassen.
Das Cover Bild des Buches, hat Rachel Kushner, bevor auch nur ein Wort geschrieben war, an ihre Wand gepinnt und es hat sie dazu inspiriert, die Geschichte von Reno, der schnellsten Frau der Welt zu schreiben.
„Ich war, kaum zu fassen, die schnnellste Frau der Welt, 496,493 Stundenkilometer. Ein offizieller Rekord für das Jahr 1976…“
Es ist schon merkwürdig, dass so verdammt viele und so verdammt gute Bücher aus den USA kommen. Aber wir nehmens mit Freuden hin.
Zunächst, wir haben es mit keiner stringent durcherzählten Geschichte zu tun. Das Buch lebt und wird durchlebt in Vor- und Rückblenden, deren Bedeutung erst im Laufe der steigenden Seitenzahl ersichtlich wird. Also nicht unbedingt, die “ Ich lese noch fünf Seiten Bettlesegeschichte“.
Reno, so der Name der Hauptperson, ist jung und schön, nicht das Rachel Kushner dies erwähnen würde, nur man bekommt als Leser mit der Zeit so eine Ahnung. Sie liebt das Motorradfahren, sie liebt die Geschwindigkeit und ein freies Leben. Sie rast über Salzseen, verliebt sich in einen New Yorker Künstler, Sandro Valera, der ganz nebenbei Spross einer italienischen Reifen- und Motorrad-Dynastie ist. Sie braust durch die New Yorker Kunstszene der 70er Jahre, voller Leidenschaft und Feuer. Reno, auf der Suche nach ihrer eigenen künstlerischen Identität, nach ihrem eigenen Ausdruck. Um es so richtig krachen zu lassen, besucht sie mit Sandro zusammen dessen aristokratische Familie am Comer See und gerät mitten in die römischen Unruhen des Jahres 1977.
Die ganze Zeit dachte ich beim Lesen, oh mann, das ist ja wie wenn Godard und Fellini zusammen einen Film gemacht hätten.
Das Buch ist sicher nicht für jedermann und knapp 600 Seiten eignen sich nicht als Versuch. Und dennoch, allein die Geschichten in der Geschichte sind richtig gut.
„Es war ein Desaster. Ich hätte nicht fahren sollen. Aber er rief mich irgendwann an und klagt verzweifelt. Drei Uhr nachts, und er beklagt sich … Saul, hab ich gesagt, möchtest du, dass ich das Kaninchen hole und es dir bringe? Soll ich das tun? – Mensch, Ronnie, sagt er, ich will dir das nicht zumuten. Aber wenn ich ehrlich bin, würde es mir unheimlich viel bedeuten. Du könntest meinen Jaguar nehemen. Und ich dachte, scheiß drauf, warum nicht? …“

Ein Mann soll für einen anderen Mann ein Kaninchen durch halb Amerika fahren. Der Mann gibt sich sehr viel Mühe. Aber als er endlich ankommt, hört er ein Jaulen des anderen Mannes. Das Kaninchen ist tot!
Diese Geschichte ist mit soviel Humor, Witz und Charme erzählt. Vielleicht ist es auch Godard, Fellini und Tarantino, die da zusammen ein Buch geschrieben haben.
Sicher, es sind die 70er Jahre und man muss schon ein gutes Pfund geschichtliches Interesse mitbringen, Aber hey: Godard, Fellini und Tarantino!

Leseprobe

Ein kleiner Nachtrag:
In der Autobiografie von Kim Gordon, der Gründerin, Sängerin und Bassistin von „Sonic Youth“, einer unabhängigängen Alternativ-Rock-Punk-Band aus New York, steht folgender Satz:

„Als ich Rachel Kushners Roman „The Flamethrowers“ las, konnte ich das darin beschriebene Gefühl, jung zu sein in New York und am Rande der Kunstszene zu leben, sehr gut nachvollziehen. Und das U-Bahn-Foto bildete diese Ungewissheit und auch diese Zeit sehr ghenau ab. Ich liebe es.“

Gordon
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UNGEREIMTHEIT DER WOCHE (… aus der Tierwelt)
 
DIE LACHSFORELLE – CCLCXXXII
 
An eines Flusses Quelle
schoss die Lachsforelle
weit übers Ziel hinaus.
 
… aus!
SOMMERZEIT
 
Eingeführt vor vielen Jahren,
hat man dich, o Sommerzeit,
um damit Energie zu sparen.
Diese Idee schien blitzgescheit!
 
Längst ist inzwischen allen klar,
dass jener Spareffekt blieb aus.
Trotzdem heißt es auch dieses Jahr:
man muss ’ne Stunde früher raus.
 
Ein paar gibt’s, die es nie kapieren,
und die kommen am Montag dann,
weil sie vergaßen zu justieren
die Uhr, ’ne Stunde später an.
 
© Werner Färber

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Morgen abend um 19 Uhr:
Literalotto
Spaß und Literatur mit Florian Arnold und Rasmus Schöll

Samstag

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Heute haben
Maxim Gorki * 1868
Bohumil Hrabal * 1914
Marianne Fredrikssen * 1927
Mario Vargas Llosa * 1936
Tilman Röhrig * 1945
Geburtstag
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Im letzten Jahr hatte ich den Roman „Theoda“ der wallisischen Autorin Corinne S.Bille hier vorgestellt. Jetzt bleiben wir beim gleichen Verlag, sind aber im Unterengadin gelandet. Eine sehr abgelegende Alpengegend, die bekannt für ihren Baumbestand ist.

„Ich lebe in der Nähe des Ortes, wo ich aufgewachsen bin. Die Geschichten sind da. Die Großmutter, der Großvater. Die Mutter, der Vater. Das Dorf. Sie brauchen jetzt Platz.“, schreibt die Autorin Leta Semadeni über ihr Schreiben und über ihr schmales Buch, das diese Woche erschienen ist.

1

Leta Semadeni: „Tamangur“
Rotpunkt Verlag € 19,90

Hier ist allerdings derGrossvater in Tamangur. Dies ist ein sehr ferner und ganz naher Ort. Der Grossvater war ein begeisterter Jäger und hatte Füsse wie Seide. Deshalb hat ihm die Grossmutter viele ganz besondere Socken gestrickt. Dazu hat sie nun keine Lust mehr und sitzt lieber auf dem Strickbänkchen mit ihrer Enkelin, die ihren Geschichten zuhört.
Beide leben in einem Dorf im Tal. Ein Dorf voller Schatten mit einem Fluss, umringt von Bergen. Im Dorf gibt es alles, was dazugehört: Eine Kirche, ein Schule und ein Dorfplatz, auf dem der neueste Tratsch ausgetauscht wird und auf dem eine Lügenbank steht. Die Grossmutter ist viel gereist. Das beweisen die Stecknadeln in der Weltkarte, die in der Küche aufgehängt ist: Venezia, Tumbaco, Havanna, Paris. Doch jetzt bleibt sie im Dorf und der dritte Stuhl am Tisch bleibt leer. Denn der gehört dem Grossvater. Die beiden Frauen bilden eine Symbiose und ergänzen sich auf wunderbarer Weise.
Leta Semadeni erzählt in einer einfachen, warmen Sprache voller Bilder, diesen schönen, kleinen Roman. Und da sie von der Lyrik herkommt, verwundert mich das auch gar nicht. Ich habe oben den Roman „Theoda“ erwähnt, da er mich stark an ihn erinnert, obwohl er doch von Inhalt und Art der Erzählung sehr unterscheidet. Aber diese unglaubliche Nähe zu den Personen, dieses Hineinfühlen in die beiden Frauen hat etwas Gemeinsames. Und wer sich an die Lesung mit Silvia Trummer erinnert, wer ihre Bücher gelesen hat, bemerkt die Besonderheit der Sprache, da beide Frauen viel Gedichte schreiben.
Nicht dass Sie meinen, „Tamangur“ ist ein vergeistigter schweizer Bergroman. Nein, es geht hier sehr direkt und auch oft lustig zu. Wenn die Grossmutter Besuch von ihren skurilen Freunden bekommt und Schallplatten von Elvis aufgelegt werden. Oder wenn die Schneiderin auftaucht, die Erinnerungen klaut. Hier werden Liebes- und Abenteuergeschichten am Küchentisch erzählt und das Kind ist mitten drin und hört gebannt zu. Dann wird es mir beim Lesen ganz warm ums Herz. Dieses Feingespür der Autorin, der Humor macht den Reiz des Buches aus und lässt die Personen ihren Alltag lebenswert erscheinen, der nicht (mehr) viel Abwechslung bietet. Jetzt sowieso, da der Grossvater in Tamangur ist und obwohl das Leben nicht wirklich so ganz einfach ist.
Vielleicht ist es das Buch für ein ruhiges Wochenende und für die Karwoche, bevor es an Ostern wieder bunt und rummelig und laut wird. Ich werde das Buch allerdings nicht nur jetzt, sondern zu allen Jahreszeiten empfehlen.

Die Autorin Leta Semadeni, geboren 1944 in Scuol, Engadin, studierte Sprachen an der Universität Zürich. Lehrtätigkeit an verschiedenen Schulen in Zürich und im Engadin. Arbeitsaufenthalte in Lateinamerika, in Paris, Zug, Berlin und auf Elba. Seit 2005 lebt und arbeitet sie freischaffend in Lavin. Leta Semadeni schreibt vorwiegend Lyrik, romanisch oder deutsch, die sie selbst in die jeweils andere Sprache überträgt, zuletzt „In meinem Leben als Fuchs“ (2010). Ihr Werk wurde mehrfach ausgezeichnet, 2011 mit dem Literaturpreis des Kantons Graubünden und mit dem Preis der Schweizerischen Schillerstiftung. „Tamangur“ (2015) ist ihr erster Roman.

Leseprobe

Auf der Seite des Deutschen Hauses in New York finden Sie ein Interview mit der Autorin (das dritte in der Liste), in dem sie über sich, ihr Schreiben, ihr Leben in ihrem kleinen Dorf erzählt, das „ein Fliegendreck auf der Karte ist“, wie sie in „Tamangur“ schreibt und ihren Aufenthalt in New York.

Freitag

Heute haben Geburtstag:
Heinrich Mann * 1871
Hansjörg Schneider * 1938
Harry Rowohlt * 1945
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Und mit einem Filmchen geht es gleich weiter:

1

Chris Haughton: „Pssst, wir haben einen Vogel“
Aus dem Englischen von Stephanie Menge
Sauerlönder/S.Fischer Verlag € 14,99
Bilderbuch ab 4 Jahren

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Nach den beiden vorangegangenen Bilderbüchern gibt es jetzt ein drittes von dem in London lebenden Illustrator und Autor Chris Haughton. Na endlich. Das Eulen- und das Hunde-Buch haben wir hir auf dem Blog auch beschrieben und uns sehr dafür begeistern können. Nun geht es also mit irgendwelchen schwarzblauen Gestalten weiter, die bunte, farbige Vögel fangen wollen. Aber so einfach ist das nicht, wenn hinter den ersten dreien mit den Käschern in den Händen ein Kleiner herspaziert, der den unbedarften Vogel laut und kräftig begrüßt. Wo doch die anderen ihn fangen wollen. „Pssst“, heisst es dann auch mehrfach. Denn irgendwie scheint es mit dem Vögelfangen nicht so einfach zu sein. Immer gefährlicher und abenteuerlicher werden die Anstrengungen der drei Fänger und sie scheitern jedes Mal. Vögel sind ja auch nicht blöde. Aber was passiert, wenn man Vögel füttert? Was passiert mit dem Kleinen, der plötzlich von bunten Vögeln umringt ist? Ja, das müssen Sie dann schon selbst nachlesen, nachschauen. Und was machen die vielen bunten, großen und kleinen Vögel mit unseren Dreien? Das Buch liegt bei uns auf dem Neuerscheinungstisch.
Ein Buch über Miteinanderreden und etwas daraus lernen. In diesem Falle klappt das eher nicht bei den drei Großen. Der Kleine macht sich am Schluss schon heftig Gedanken, ob die neuerliche Idee auf Eichhörnchenjagd zu gehen, eine wirklich gute Idee istund kratzt sich verdutzt den Kopf. Wir auch!

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Heute abend ab 19 Uhr bei uns in der Buchhandlung.
Thomals Thiel berichtet über seine Monate als Militärpfarrer in Afghanistan.

Donnerstag

Die Römer wissen, wie es geht
Die Römer wissen, wie es geht

Heute haben
Robert Frost * 1874
Tennessee Williams * 1911
Erica Jong * 1942
Patrick Süskind * 1949
Geburtstag
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Robert Frost
A Minor Bird

I have wished a bird would fly away,
And not sing by my house all day;

Have clapped my hands at him from the door
When it seemed as if I could bear no more.

The fault must partly have been in me.
The bird was not to blame for his key.

And of course there must be something wrong
In wanting to silence any song.


A Boundless Moment

He halted in the wind, and – what was that
Far in the maples, pale, but not a ghost?
He stood there bringing March against his thought,
And yet too ready to believe the most.

‚Oh, that’s the Paradise-in-bloom,‘ I said;
And truly it was fair enough for flowers
had we but in us to assume in march
Such white luxuriance of May for ours.

We stood a moment so in a strange world,
Myself as one his own pretense deceives;
And then I said the truth (and we moved on) .
A young beech clinging to its last year’s leaves.
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Heute kommt der Buchtipp von Mitarbeiter Rasmus Gabriel Schöll:

1

Matthew Thomas: „Wir sind nicht wir“
Aus dem Amerikanischen von Astrid Becker und Karin Betz
Berlin Verlag € 24,99
als EBook € 18,99
Im Original: „We Are Not Ourselves“ € 16,00

Bei diesem Buchtipp gibt es eine Gebrauchsanweisung.
1. Sie vertrauen mir, lesen die ersten Zeilen des Blogeintrags bis zur Inhaltsangabe, kaufen das Buch, lesen es ohne den Klappentext und das Drumherum zu beachten. Und haben sicherlich ein Leseerlebnis, wie es der Autor wollte.
Oder, 2., Sie machen einfach, was Sie wollen.
Also, am liebsten würde ich bei diesem Buch gar nicht verraten, um was geht. Aber als Buchhändler ist das wahrscheinlich keine so gute Idee. Als ich vor einigen Monaten das Leseexemplar mit nach Hause genommen hatte, habe ich gar nicht groß hinten und vorne rumgelesen, sondern mich einfach in die ersten Seiten gestürzt.
Und das war gut so.
Denn es ist eines dieser Bücher, die einen zu überraschen vermögen, wenn man nicht weiß, was kommt. Mich hat es sofort in den Bann geschlagen, wenn auch zu Beginn etwas schleichend, beginnt es schnell an Fahrt zu gewinnen und lässt einen bis
zur letzten Seite nicht mehr los.
Mit „Wir sind nicht wir“ hat Matthew Thomas in den USA sein Erstling vorgelegt und hat sogleich für ordentliches Aufsehen gesorgt. Er wird mit Jonathan Franzen verglichen und das sicherlich nicht zu Unrecht. “ Wir sind nicht wir“ ist ein fulminantes drei Generationen umspannendes Familienepos. Zu Beginn wird die Geschichte von Eileen erzählt. Sie kommt aus einer Familie irischer Einwanderer und wächst im New York der 1940er-50er Jahre auf. Ihre Mutter ist eine Trinkerin und Ihr Vater der stärkste Mann von ganz Queens. Doch schon mit 10 Jahren ist für Eileen nichts wichtiger als ein besseres, angeseheneres Leben, als das ihrer Eltern zu erreichen. Sie heiratet den jungen Wissenschaftler Ed. So langsam beginnt Sie auf der Gesellschaftsleiter nach oben zu steigen. Das junge Ehepaar zieht in eine bessere Gegend und in ein schöneres Haus. Aber Eileens Träume wachsen und wachsen. Wir kennen das, von Dingen, die wir uns lange gewünscht haben und wenn wir sie endlich haben, ist ihr Zauber bald auch wieder verflogen. Wa,s wenn unsere Träume sich erfüllen, aber wir nicht glücklich werden? Doch für Eileen ist diese Suche nach dem Zauber, nach dem Glück eine Art materalistischer Traum; es müssen immer bessere Wohngegenden und Häuser her. Sie zieht stundenlang mit einer Immobilienmaklerin umher, um sich Häuser anzusehen, die sie nicht braucht und auch nicht leisten kann. Langsam, beinahe unmerklich verdunkelt sich der Himmel und Eds scheinbarer Burnout entpuppt sich mehr und mehr als eine sehr schwere Erkrankung. Mit existenzieller Gewalt, wie ein Hammer splittert die Frage ins Buch: Was ist wirklich wichtig im Leben? Wer sind wir, wenn wir nicht mehr wir sind?
Eileen, Ed und ihr Sohn Connell wachsen mit zunehmender Seitenzahl an ihren Aufgaben und dem Leben. Obwohl eine große Zeitspanne über 900 Seiten an uns vorüber zieht, 2. Weltkrieg, Irakkrieg, 11. September und was sonst noch alles in den letzten 100 Jahren wichtiges in der Menschheit passiert ist, spielen diese Ereignisse kaum eine Rolle. Der Roman erreicht eine schier physisch greifbare Intensität, indem er sich auf die drei Hauptpersonen konzentriert. Und geht es uns nicht auch so? Die Weltgeschichte ist der mal lauter, mal leiser rauschende Hintergrund unseres ureigensten Kosmos, der nur von Bedeutung wird, wenn er uns höchstperönlich betrifft. Oft werden Geschichten von schwer erkrankten Menschen als Ausschnitt dieser Krankheit erzählt, als sei die Zeit der Kranheit das Leben dieser Menschen. Doch Matthew Thomas erzählt die ganze Geschichte, das ganze Leben. Wir leben ein normales Leben, meist weit entfernt von dem, was tatsächlich wichtig wäre und auf einmal stürzt uns ein Ergeinis aus unseren Tagträumen und wir wachen auf, erkennen, spüren, was wirklich zählt.
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Morgen Abend um 19 Uhr berichtet Thomas Thiel über seine Zeit als Militärpfarrer in Afghanistan

Am darauffolgenden Dienstag gibt es ab 19 Uhr eine weite Ausgabe von „Literalotto„.
Spass und Literatur mit Florian Arnold und Rasmus Schöll.

2

Mittwoch

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Heute haben
Flannery O’Connor * 1925
Mohammed Choukri * 1935
Alessandro Piperno * 1972
Geburtstag
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1

Ali Graham: „99 Problems“
Superstars Have Bad Days, Too
Workman Publishing € 9,90

Sie haben schon alle Geschenke für Ostern? Brauchen Sie noch etwas für einen Geburtstag, für ein Einladungsmitbringsel? Oder wollen Sie das kleine Buch nur für sich genießen, oder zusammen auf dem Sofa schmunzeln?
Na dann sind Sie hier richtig.
Der Illustrator Ali Graham machte sich Gedanken, dass Superstars auch nur Menschen sind, sicherlich auch ganz menschliche Bedürfnisse haben und ihre täglichen Probleme. Er fing an auf tumblr ein Blog zugestalten „prob99.tumblr.com„, der jetzt auch noch mit anderen Persönlichkeiten gefüllt ist. Und daraus entstand dann dieses Buch, das Sie auch als EBook bekommen.
So sehen wir unseren Superstars mit 99 Problemen auf 99 Bildern. Auch er hat mal einen schlechten Tag. Nicht nur wir. Das beruhigt ungemein, wenn wir im Wartezimmer des Arztes die Gala durchblättern und die vielen schönen und reichen Menschen sehen. Auch denen geht mal das Klopapapier aus, wie unserem Superstar.

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Ihm fällt das Eis aus der Tüte, er bekommt Kopfweh und hat schlechte Träume. Er verliert Schlüssel und hat Tage, an denen die Frisur nicht stimmt. Die Milch ist sauer, wenn er vor der vollen Müslischüssel sitzt und es ist mal wieder keine CD in der Hülle. Er verliert bei Monopoly, das Sektglas läuft über und es gibt keinen Wind zum Drachen steigen lassen. Sie merken schon, das ist uns auch schon alles passiert. Alles sehr menschlich und man möchte unseren Superstar gerne in den Arm nehmen und sagen, dass dies alles doch halb so schlimm ist und er kann sich alles auf der Welt wieder neu kaufen. Und trotzdem gibt es auch für ihn Tage an denen etwas schief geht. Das beruhigt.

Where Brooklyn at?
Problem # 5 Where Brooklyn at?
Problem # 7 Rolley don't ticktock
Problem # 7
Rolley don’t ticktock
Problem # 19 Stepped in gum
Problem # 19
Stepped in gum
Problem # 51 Blood stains the Colosseum doors
Problem # 51
Blood stains the Colosseum doors
Problem # 66 Dropped ice cream
Problem # 66
Dropped ice cream

Dienstag

Heute haben
C.F.D.Schubart * 1739
William Morris * 1834
Dario Fo * 1926
Martin Walser * 1927
Peter Bichsel * 1935
Geburtstag
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Robert Macfarlane: „Karte der Wildnis“
Herausgegeben von Judith Schalansky
Aus dem Englischen von Andreas Jandl und Frank Sievers
Matthes&Seitz Verlag € 34,00

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Wie es ist, in den Wald zu gehen und auf einen Lieblingsbaum zuklettern, den man schon in der Kindheit kannte? Wie es sich anfühlt, dort oben auf die anderen Bäume herunterzuschauen und zu sehen, wie die Äste sich im Wind, hier sogar Sturm, wiegen. Damit beginnt der Autor seinen Essay-Roman, der im Englischen 2007 herauskam und mit zahlreichen Preisen überschüttet worden ist. W.G.Sebald hätte an dieser Art von Literatur seine große Freude. Die Sprache fließt wie ein großes Gedicht und nimmt uns mit in die Wildnis. Aber wo ist heute noch Wildnis? Unberührte Natur in England vor ca. zehn Jahren? Gar nicht so einfach zu finden. Oder vielleicht doch? Sind es nicht einfach auch nur die Ecken um’s Haus. Der Hinterhof, oder das Tal ein paar Kilometer weit entfernt? Gestern erzählte mir mein Nachbar beim Geburtstagsbier, dass er beim erstmaligen Übertritt der Grenze von der DDR in die BRD vom Grenzer einen Autoatlas ins Auto geworfen bekommen habe. Jedes Auto. Und das war nicht das einzig Verwunderliche. Auf dem Autoatlas waren die BRD, Österreich und die Schweiz zu sehen und nicht nur weisses Niemandsland, wie bisher in seinem Leben. Statt Wildnis also aufgezeichnete Straßen und Städte, Bahnlinien und Küsten. McFarlane sucht diese weissen Flecken und beginnt seine Reise ganz in der Nähe, zieht weiter zu Freunden und Bekannte, die ihm im Norden von England, auf Inseln Unberührtes empfehlen, zeigen, ihn dort hinführen. Und umso mehr er dorthinreist, die Gegenden abwandert, wandelt sich dieses Buch zu eine Reise ins Innere, in die Zeit und aus einem kleinen Flecken wird eine Philosophie des Lebens. Wobei ich wieder bei Sebald bin, der in seinen Erzählungen Biografien aufgreift, aufschreibt und uns einen riesigen Kosmos präsentiert, der Ort und Zeit zu sprengen scheint.
McFarlane zitiert aus einem Brief eines US-amerikanischen Historikers, der 1960 an einen Beamten schrieb, wie wichtig die Wildnis ist. Eine wilde Gegend sei bei Weitem mehr wert, als sich in der Kosten-Nutzen-Rechnung ihre ökonomischen Erholungswertes oder ihre Reichtums an Bodenschätzen errechnen ließe. Wir brauchen die Wildnis, so der Historiker weiter, weil sie uns an eine Natur erinnert, die außerhalb des Menschen liegt. Wälder, Ebenen, Prärien, Wüsten, Berge: Diese Landschaften zu erleben kann dem Menschen eine Ahnung von Größe geben, die über ihn hinausgeht und die wir in gewisser Weise verloren haben.
Am Ende entsteht diese Karte der Wildnis, die im Englischen: „The Wild Places“ heisst. Keine reale Karte, sondern eine Karte im Kopf von jedem von uns, auf der wir erkennen, wie nahe die Fremde und wie wild unsere Städte sind. Wir müssen es nur zulassen und die Wildnis nicht vergessen.
Vergessen sollten wir auch nicht, wie schön dieses Buch gestaltet ist. Die Naturkunden-Reihe, gestaltet von Judith Schalansky, zeigt sich hier wieder von seiner schönsten Seite und die Karte der Wildnis sticht aus dem Einheitsbrei der schnell produzierten Bücher wie ein großer Baum hervor.

Robert Macfarlane, geboren 1976 in Nottinghamshire, studierte Literaturwissenschaft in Cambridge, und begann schon als Kind mit dem Bergsteigen. Sein erstes Buch Mountains of the Mind (2003) erhielt zahlreiche Preise, darunter den Somerset Maugham Award. Nach einer wissenschaftlichen Arbeit über Plagiate im 19. Jahrhundert veröffentlichte er 2007 Karte der Wildnis. Es wurde von Kritik und Publikum gefeiert und zur Grundlage einer BBC-Dokumentation. 2012 erschien die Fortsetzung Old Ways. 2011 wurde Macfarlane, der auch als Essayist und Kritiker für den Guardian tätig ist, zum Mitglied der Royal Society of Literature ernannt.

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Nicht vergessen. Zwei Veranstaltungen, die wir in den nächsten Tagen in unserer Buchhandlung haben.

Freitag, 27.März um 19 Uhr
Thomas Thiel: Als Militärpfarrer in Afghanistan

Dienstag, 31.März um 19 Uhr
Literalotto
Spass und Literatur mit Florian Arnold und Rasmus Schöll

Montag

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Mit einem Knall sind wir wieder in Ulm gelandet. Nicht wie geplant mit dem Flugzeug, sondern wegen eines Streikes schön mit dem Hochgeschwindigkeitszug bis nach Norditalien und dann mit viel Sonne durch die Alpen.
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Heute hat
Federica De Cesco * 1938
Geburtstag
und es ist der Todestag von Stendhal, der ja auch oft in Rom war.
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Gabriele Krone-Schmalz:“Russland verstehen“
Der Kampf um die Ukraine und die Arroganz des Westens
C.H.Beck Verlag € 14,95
auch als Ebook erhältlich

Eigentlich wollte Sie diese Buch „Die Russlandversteherin“ nennen, da die Autorin sich sehr an diesem Begriff reibt. Zurecht. Denn diese Wortschöpfung ist natürlich nagativ gemeint, wie auch „Gutmensch“. Aber um jemanden, oder etwas zu verstehen, man sich mit der Person, oder dem Thema befassen. Am Ende des Buches zitiert Frau Krone-Schmalz einen alten Indianerspruch, in dem es heisst, dass man zuerst in den Schuhen des Anderen gehen sollte, bevor man ihn kritisiert. Das heisst: Zuerst genau hinschauen, sich ein möglich objektives Bild machen, bevor man in die gleiche Kerbe haut, die die deutsche Medienlandschaft sehr grob und heftig vorgeholz hat. Und genau dies tut die Journalistin, die jahrelang für die ARD in Russland unterwegs war.
Was fälst und beim Namen Putin ein?, fragt sie in der Mitte des Buches. Geheimdienstmann, Despot, Muskelprotz mit bloßem Oberkörper, … Genau diese Bilder werden dauernd wiederholt und setzen sich bei uns fest und lassen sich schlecht wieder ausblenden. Die Autorin fragt sich, warum das Russlandbild bei uns so schlecht ist, und ob es sein kann, dass dies die ganze Wahrheit ist. Denn wenn alle das gleiche brüllen, ist immer Vorsicht geboten.

Da würde es sich auch lohnen, mal einen genaueren Blick darauf zu werfen, was Putin in seiner ersten Amtszeit gemacht hat und was dann später daraus geworden ist. Da gibt es ja Riesenunterschiede. Die Signale Richtung Westen in der ersten Amtszeit Putins wären es wert gewesen, aufgenommen zu werden. Aber die hat niemand sehen wollen oder niemand gesehen. Das war ein großer Fehler.

Anhand des Krieges in der Ukraine, dem Flugzeugabschusses dort, des Bosnienkrieges, den Anschlägen am 11.9.2001 in New York und vielen anderen weltpolitisch sehr brisanten Themen, präsentiert sie uns Fakten und Zitate, die die jeweiligen Situationen in einem anderen Licht zeigen. Sie will uns nicht die Winterolympiade in Sotschi schönreden, zeigt jedoch, dass Bundpräsident Gauck nicht zu diesen Spielen gereist ist, jedoch zu den Spielen in China und Brasilien. In Russland war es der Protest gegen die Diskriminierung von Homosexuellen (wobei sie aufzeigt, dass die  Reform auf Gesetzesebene auch in Deutschland noch nicht lange her ist), über die Vertreibung von Menschen und deren Umsiedlung, über Zerstörung der Natur sowohl in China, als auch in Brasilien, hinweggesehen wird. Dies nur als kleines Beispiel am Rande.
Russland wird aus ihrer Sicht in der großen Politik nicht für voll genommen. Es ist zwar oft in großen Gremien mit am Tisch. Wenn es jedoch ernst wird, übergehen die westlichen Staaten die festgesetzten Regeln und handeln entgegen der ausgemachten Statuten. Russland verliert dadurch immer mehr an Ansehen und in den jeweiligen Ländern, in die die westlichen Armeen einmarschieren, an wirtschaftlicher Macht.
Gabriele Krone-Schmalz schreibt einen kurzen Abriss der Geschichte des Ukraine-Konflikts und zeigt an Originalzitaten, an Tagesschaubeiträgen mit Datum und genauer Uhrzeit, wie Fakten bei uns, durch kleine Weglassungen und Umstellungen im Text, einen komplett anderen Sinn geben. Sie zeigt, dass unsere täglichen Nachrichten immer mit einem negativen Unterton gegenüber Russland unterlegt sind. Diese Zitate lassen einem den Mund offenstehen. Und es wird von Seite zu Seite klar, dass es nicht ganze Wahrheit ist, was wir täglich in den Medien zu lesen, hören und sehen bekommen.

Statt sich international mit der Schadensbeseitigung zu beschäftigen, wurden Sanktionen verhängt, über die der US-Vizepräsident Joe Biden am 3. Oktober 2014 in einer launigen Rede sagte: „Die Europäer wollten keine Sanktionen gegen Russland, wir mussten sie wirklich dahin treiben.“

Muss man nicht stutzig werden, erst recht als Journalist, wenn im Umfeld der Maidan-Unruhen der Sohn von Joe Biden zum Direktor einer Firma ernannt wird, die auf Zypern ansässig ist, einem ukrainischen Oligarchen gehört und sich mit Gasgeschäften befasst?

Frau Krone-Schmalz legt jedoch ihre Finger in viele Wunden und will uns die Augen öffnen. Sie fordert einen anderen Journalismus, der nicht Fakten passend zur Stimmung liefert, sondern genau hinschaut, sich selbt ein Bild macht und dies auch so weitergibt.

„Ich denke, das ist auch die Aufgabe von Journalismus: sich nicht auf eine Seite zu stellen – weder auf eine gute, schon gar nicht auf eine böse. Sondern so gut man kann von allen möglichen Blickwinkeln den Punkt, um den es geht, zu beleuchten.“

Das Buch ist mittlerweile in der 6.Auflage und ich wünsche ihm noch viele mehr.
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Werner Färbers Ungereimtheiten:

UNGEREIMTHEIT DER WOCHE (aus der Serie Kurzkrimis)
 
FLEISCHERSFRAU (X)
 
Die Fleischersfrau möcht‘ Witwe sein,
schließt ihren Mann im Kühlraum ein.
Nach etwa 24 Stunden,
wird abgehangen er gefunden.
Dass die Frau ihn ließ vereisen,
kann wohl niemand ihr beweisen.
UNGEREIMTHEIT DER WOCHE (… aus der Tierwelt)
 
DAS GESÄßNY
 
DAS BEUTELTIER
 
Langer Rüssel, dünner Schwanz,
den man aufrollt gar und ganz,
kennzeichnen das Beuteltier,
welches wird beschrieben hier.
 
Als Saugetier steht’s in der Ecke,
wartet, dass man es zum Zwecke
der Reinigung durchs Zimmer schiebt,
weil es nämlich Schmutz sehr liebt.
 
Heulend, johlend frisst es alles
und verschluckt im Fall des Falles,
auch Dinge, die’s nicht fressen soll.
Schwups, schon ist der Beutel voll!
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Sonntag

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Ungewöhnlich, dass Sie von mir Post bekommen. Ich bin die kommende Woche mit einer kleiner Gruppe in Rom und versuche ihnen die Ewige Stadt näherzubringen. Damit ist verbunden, dass ich während dieser Zeit nicht bloggen werde.
Fotos der Reise gibt es auf unserem Jastramfotoblog.

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Gerade rechzzeitig kam das neue „Sinn und Form“ Heft 2/2015, das nicht nur ein Interview mit Jan Wagner beinhaltet, der gerade den Buchpreis der Leipziger Buchmesse bekommen hat („Eine andere Wahrnehmung der Welt“. Ein Gespräch über Gedichte), sondern auch einen Text von Marcel Beyer: „Der Schnitt am Hals der Heiligen Cäcilie“. Diese Marmortote unter dem Altar von S.Cecilia in Trastevere gehört zu meinen Lieblingstoten in Rom und wir werden sie sicherlich besuchen. Zumal in dieser Kirche auch ein sehr altes Fresko von Cavallini zu sehen ist und die Nonnen wunderbare, selbstgemachte Marmelade aus dem Klostergarten nebenan verkaufen.
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Hier noch zwei Termine in der kommenden Woche, die Sie
vielleicht interessieren könnten.


Weltgeschichtentag am Freitag, den 20.März
Von 19 bis 20 Uhr wird bei uns im Buchladen erzählt.

Der Eintritt ist kostenlos.

Kreuzgänge am Samstag, den 21.März von 18 bis 22 Uhr
Ausstellungen, Musik, Filme, Lesungen und einige Überraschungen
bieten die ca. zwanzig Mitmachenden.

Ich wünsche Ihnen eine gute Woche.

Samstag

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Das Frühjahr kommt und wir haben die passenden Bücher dazu.
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Heute haben
Peter Paul Zahl * 1944
Jochen Schimmang * 1948
Christian Dithfurth * 1953
Geburtstag
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Gestern war der Tod im Ulmer Roxy.
Sehr lustig der Kerl.

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1

Richard Yates: „Easter Parade“
aus dem Amerikanischen von Anette Grube
btb € 9,00
als kleines Leinenbändchen bei btb für € 9,99
als eBook für € 7,99

Nach dem Proust-Hör-Marathon war lange Zeit Schluss mit Hörbuch. Zu sehr lebte Marcels Suche nach der verlorenen Zeit bei mir nach. Erst als mir Richard Yates „Easter Parade“ als Hörbuch in die Finger kam, dachte ich, dass das die richtige Mischung ist. Gelesen von Monika Bleibtreu (was sich als nicht so gut erwies), überspielte ich die acht CDs auf meinen alten iPod und los ging es mit den Schwestern Sarah und Emily, die 1921, bzw. 1925 in den USA geboren wurden. Die Eltern ließen sich 1930 scheiden und seit diesem Moment suchen die beiden Schwestern eine solide Grundlage für ihr Leben.
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Ihre Mutter trinkt sehr gerne (eigentlich tun das alle in diesem Roman, inkl. des Autors selber) und stilisiert sich ihre dröge Umwelt als einen heilen Hollywood-Film. Der Vater arbeitet bei einer Zeitung, ist bei diesem Boulevardblatt allerdings nur für die Überschriften zuständig und bleibt während seiner ganzen Arbeitszeit am gleichen Redaktionstisch kleben. Von seiner Ex-Frau wird er allerdings als knapp unter der Chefredaktion angesiedelt, wenn sie nach ihm gefragt wird.
Der Roman erschien im Original 1976 und das dürfte auch mit dem Alter der beiden Schwestern zusammenpassen. Wir erleben also mit ihnen den Zweiten Weltkrieg und die aufkommende Protest- und Hippiebewegung. Allerdings nur so am Rande, dass es schon fast verwundert, in welcher Welt die beiden leben. Mit ihrer Mutter, die Pookie genannt wird, ziehen sie von Vorort zu Vorort, von Wohnung zu Wohnung, aber heimisch werden sie nirgends. Sarah, die ältere der beiden, heiratet früh und bekommt schnell nacheinander drei Söhne, lebt auf dem Land und scheint mehr als glücklich zu sein. Pookie nennt ihr heruntergekommenes, nach Schimmel riechendes Anwesen „Hohen Hecken“ und wir meinen schon in einem Roman der Bronte-Schwestern gelandet zu sein. Emiliy bekommt ein Stipendium an einer New Yorker Universität, studiert Literatur, arbeitet als Buchhändlerin, Journalistin und lange Jahre als Werbetexterin. Nach einem kurzen Intermezzo, in dem sie mit einem an Impotenz leidenden Mann verheiratet war, nimmt viele Männer zu sich mit nach Hause. Ohne dass die Beziehungen von langer Dauer sind. Mit ein, zwei Ausnahmen abgesehen. Auch sie meint, dass sie es gut erwischt hat und nicht in der Vorstadt versumpft, wie ihre Mutter.
Ich mag gar nicht zu viel verraten. Was bei diesem Roman immer erwähnt wird, ist, dass alle Biografien zum Scheitern verurteilt sind. Und das stimmt. Richard Yates gibt keinen der Personen eine große Chance. Er lässt sie arbeiten und werkeln, Hoffnungen aufbauen, aber das Leben meint es nicht gut mit ihnen. Sicherlich hat der eigene Alkoholismus schwer in den Roman mithineingespielt und die Erfahrungen des Autors mit Büchern und Zeitungen erzeugen eine große Authentizität. Wie er jedoch biografische Wendungen einbaut, wie er seine Figuren 180 Grad Kehrwendungen machen lässt, ist schon grossartig. Emily ist dabei diejenige, die am wenigsten einzuordnen ist. Sie spiegelt die große Freiheit. Ihr Neffe sagt ihr auch am Ende, dass er sie als die erste emanzipierte Frau gesehen hat. Hinter dem Spiegel sieht die Realität jedoch anders aus. Das Ende des Romanes ist so verblüffend, dass ich einige Zeit gebraucht habe, dies zu verdauen.
Yates schafft es, seinen Figuren so viel Realität zu unterlegen, dass wir alle Facetten der jeweiligen Biografien mitbekommen und nicht nur plakative Lebensbeschreibungen.
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Ein großartiger Roman, der den „Zeiten des Aufruhr“ in nichts nachsteht.
Auf deutsch in Neuübersetzung 2007 erschienen, längst als Taschenbuch erhältlich, ist das Buch schon wieder in Vergessenheit geraten und Richard Yates kaum jemandem mehr bekannt. Es gilt ihn nochmals zu entdecken.

„Ein geradezu unheimlich aktuelles Buch – und ein berückend schönes, tief trauriges dazu, das nun endlich, endlich die Leser finden sollte, die es verdient.“
Frankfurter Allgemeine Zeitung

„Atemberaubend. Ein wunderbarer Roman.“
Die Zeit

„Easter Parade zeigt erneut Yates‘ Meisterschaft , den Lesern schmerzvolle Biographien auf beklemmende Weise nahe zu bringen. Ein makelloses Werk.“
Die Welt

„Je mehr man von ihm liest, umso rätselhafter und zugleich magnetischer wird diese Trostlosigkeit.“
Süddeutsche Zeitung

Leseprobe
Biografisches zu Richard Yates
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2

Sinn und Form
Heft 2/2015 € 11,00

Das neue Sinn und Form-Heft ist erschienen.
Und aktuell, wie die immer sind, beinhaltet es auch gleich ein Interview mit Jan Wagner, der gerade den Buchpreis der Leipziger Buchmesse erhalten hat.
Hier geht es zum Artikel.