Sonntag, 30.August

Heute nachmittag, Jürgen Grözingers CITY CALLS (Fanfare), aus Fenstern heraus gespielt von Größen der internationalen experimentellen Musikkszene.
https://itinerantinterludes.com/upcoming/

 

 

WDR 3 Klassik 30. August 2020 16:04-17:45
Klassik Klub mit Jürgen Grözinger


Modest Mussorgsky: Bilder einer Ausstellung: Promenade I (1:32) Fauré-Quartett
Antonio Vivaldi: Farnace, RV 711, Act II, Szene 5: Gelido in ogni vena (9:54)
Simone Kermes, Sopran; Amici Veneziani
Henry Purcell: O solitude, my sweetest choice; Z. 406 (aus „Improvisationen über Purcell“;
arrangiert von C.Pluhar) (5:24)
Philippe Jaroussky, Counterte-nor; L’Arpeggiata; Leitung und Theorbe: Christina Pluhar
Sven Helbig: Gone (2:48) Clemens Christian Poetzsch, Klavier
Modest Mussorgsky: Bilder einer Ausstellung: Gnomus (2:36 )Fauré-Quartett
Guillaume Lekeu: Trois Poèmes: III. Nocturne (4:52)Véronique Gens, Sopran; I Giardini
Kayhan Kalhor: Parvaz (6:23) Kayhan Kalhor, Kamantsche; Brooklyn Rider
Claude Debussy: Sonate für Violoncello und Klavier; L.135; I.Prologue:Lent sostenuto e molto risoluto Isang Enders, Cello; Sun-Wook Kim, Klavier
Teho Teardo: I’ll Be So Glad When the Sun Goes Down (aus der Musik zum Film „Diaz“) (6:53) Teho Teardo, Gitarre, Bass, Keyboards; The Balanescu Quartet, Studioensemble
Joseph-Guy Ropartz: Quatre Poèmes: Ceux Qui, Parmi Les Morts D’amour (2:37)
Véronique Gens, Sopran; I Giardini
Claude Debussy: Streichquartett in g-Moll, Op 10: I. Animé Et Très Décidé (6:39)
The Juilliard String Quartet
Modest Mussorgsky: Bilder einer Ausstellung: Il vecchio castello (Das alte Schloss) (4:27) Fauré-Quartett
Georg Friedrich Händel: Il trionfo del tempo e del disinganno, HWV 46a, Part II: Tu del ciel ministro eletto (6:16) Simone Kermes, Sopran; Amici Veneziani
Claude Debussy: Sonate für Violoncello und Klavier; L.135; III. Final. Anim leger et nerveux (3:52) Isang Enders, Cello; Sun-Wook Kim, Klavier
Modest Mussorgsky: Bilder einer Ausstellung: Tuileries (Disput Between Children At Play) (1:08) Fauré-Quartett
David Chaillou: Blocs (4:29) Laura Mikkola, Klavier
Henry Purcell: A prince of glorious race descended, Z. 342 No. 3 (arr. C. Pluhar) (4:40)
Raquel Andueza, Sopran
Modest Mussorgsky: Bilder einer Ausstellung: Tuileries: Bydlo / Der Ochesenkarren (3:00) Fauré-Quartett
Ernest ChaussonChanson: Perpétuelle (6:26) Véronique Gens, Sopran; I Giardini

Freitag, 28.August

Heute haben
Johann Wolfgang Goethe * 1749
Ernst Weiß * 1884
Liam O´Flaherty * 1896
Janet Frame * 1924
Jurij Trifonow * 1925
Arkadi Strugatzki * 1925
Mian Mian * 1970
Geburtstag
____________________________________

Johann Wolfgang Goethe
Dem aufgehenden Vollmonde

Willst du mich sogleich verlassen?
Warst im Augenblick so nah!
Dich umfinstern Wolkenmassen,
Und nun bist du gar nicht da.

Doch du fühlst, wie ich betrübt bin,
Blickt dein Rand herauf als Stern!
Zeugest mir, daß ich geliebt bin,
Sei das Liebchen noch so fern.

So hinan denn! hell und heller,
Reiner Bahn, in voller Pracht!
Schlägt mein Herz auch schmerzlich schneller,
Überselig ist die Nacht.
_________________________________________

Sarah Wiltschek empfiehlt:

Rutger Bregman: „Im Grunde gut „
Einen neue Geschichte der Menschheit
Rowohlt Verlag € 24,00

Im Zweifel für das Gute. Auch so könnte das neue Buch von Rutger Bregman heißen. Darin behauptet der niederländischen Historiker, dass wir im Grunde nichts lieber tun, als einander zu helfen, zu teilen und ein sozialverträgliches Leben zu führen. Die bisher geltende Annahme, dass wir, einmal in eine Konflikt- oder Krisensituation gekommen, nur die eigenen Bedürfnisse befriedigen, hamstern, rauben und töten, stellt Bregman radikal in Frage. Und findet dafür allerorts anschauliche Beweise. Etwa mit dem Phänomen der Solidaritätswelle nach den Wirbelsturm Katrina 2005 oder der zutiefst humanen Geste während der Twin Tower-Katastrophe: Hier ließen sich die Menschen in den Treppenhäusern gegenseitig den Vortritt.

Bregman ruft dazu auf, uns von einem grundsätzlich negativen Menschenbild zu verabschieden. Was zur Folge hätte, dass wir auch unsere zivilen Institutionen wie Schulen, Gefängnisse und Sozialämter in einer ganz anderen Weise strukturieren und gestalten müssten: Gefängnisse, die den Insass*innen mit Respekt und Wohlwollen begegneten und damit die Rückfallquote überdurchschnittlich senkten, Schulen, die den Schüler*innen ein eigenständiges Lernen (fürs Leben) zutrauten, ohne Repressalien und Leistungsdruck und sie damit leistungsfähiger und krisensicherer machten, Jobcenter, die sich wirklich um das Wohl und die gesellschaftliche Wiedereingliederung seiner Klient*innen kümmerten und darum auch ein bedingungsloses Grundeinkommen befürworten würden.

Schließlich kommt er immer wieder auf seine Kernthese zurück: wir bekommen das, wovon wir ausgehen. Begegnen wir unseren Mitmenschen stets mit Argwohn und Misstrauen, werden wir weiter zu einer Gesellschaft beitragen, die genau dieses Gegeneinander fördert. Unterstellen wir unseren Mitmenschen jedoch gegenseitige Solidarität und Mitgefühl, kann daraus eine Gesellschaft erwachsen, in der das Sorgen füreinander und das Teilen unserer sozialen Ressourcen und materiellen Gemeingüter zum höchsten Gut werden.

Anhand wissenschaftlicher und historischer Belege, zeigt Bregman, dass kein Mensch aus eigenem Antrieb töten oder anderen Leid zufügen will. Dazu schaut er sich vergangene Kriegszenarien an und stellt fest, dass Soldat*innen stets ihr Mögliches tun, um nicht schießen zu müssen. Anhand einer wahren Geschichte wiederlegt er denn auch die „Herr der Fliegen“-These, laut der selbst Kinder und Jugendliche niederträchtig, brutal und zu Mördern werden, wenn sie die Zivilisation hinter sich lassen. Die echten Schiffbrüchigen, auf deren Geschichte Bregmann stößt, haben sich hingegen vom ersten Tag an solidarisch und demokratisch organisiert. Nur so konnten sie überleben, bis sie nach über einem Jahr gerettet wurden.

Der Autor bezieht die Leser*innen in den eigenen Erkenntnisprozess mit ein. Er veranschaulicht zunächst die geltenden Erkenntnisse wissenschaftlicher Studien, um anschließend hinter die Kulissen der Versuchsanordnungen und der tatsächlichen Situationen zu schauen. Was dann zum Vorschein kommt sind oftmals von Medien verzerrte Bilder, denen die tatsächlichen Ereignisse zu sensationsarm sind. Menschen, die sich friedlich und einvernehmlich arrangieren, sind weniger medienrelevant als solche, die sich bekriegen und beleidigen. Hier macht der Autor gleichsam eine Bestandaufnahme unserer Medienkultur, die sich überproportional auf Katastrophen und Dystopien fokussiert und den Menschen stets als potentiell böswillig zeigt.

Rutger Bregmann wichtigste Erkenntnis: bis zum Beginn der Zivilisation hat stets das Solidarische unser Überleben gesichert. Seine eigene Evolutionstheorie bezeichnet Bregman daher auch folgerichtig als „Survival of the Friendliest“.

Im Grunde gut ist ein leicht und humorvoll zu lesendes Sachbuch und eine großartige Einladung an uns alle: glaubt an das Gute und handelt danach!

Donnerstag, 27.August

Heute haben
Kerstin Ekman * 1933
Undine Gruenter * 1952
Jeannette Winterson * 1959
Catalin Dorian Florescu * 1967
Geburtstag
_______________________________________________________

Selma Meerbaum-Eisinger
Sonne im August

Gleich einer Symphonie in Grün
durchpulst von Licht und Duft und Glanz
ziehn Wiesen sich und Hügel hin
erfüllt von buntem Blumentanz.

Die Wege liegen lang im Wind,
und alle Birken neigen sich.
Und wenn die Gärten verlassen sind,
dann sind sie es nur für mich.

Die Bänke stehen wartend da,
die Gräser wiegen her und hin,
und manchmal scheint der Himmel nah,
und lange Vogelschwärme ziehn.

Und alles ist tief eingetaucht
in Lächeln und in Einsamkeit.
Mit Gold ist alles angehaucht,
und eine Elster schreit.
_______________________________________________________

Vanessa Güntzel empfiehlt

Kasie West: „Du bist der Liebe nicht egal“
Harper Collins Verlag € 16,99

Mit anderen Menschen zu sprechen, zählt nicht zu Kates Lieblingsbeschäftigungen. Daher ist sie auch nicht begeistert, dass sie die Podcast-Sendung in ihrer Highschool moderieren soll. Plötzlich sitzt sie hinter dem Mikrofon und gibt anderen Ratschläge. Überraschenderweise ist sie sehr gut darin, anderen bei ihren Problemen zu helfen. Doch als ‚Mr. Looking for Love‘ sich in der Show meldet und nach Tipps in Herzensdingen fragt, wird es kompliziert. Denn auf einmal steckt Kate mittendrin im Liebeschaos und merkt, wie schwer es ist, die eigenen Ratschläge zu befolgen und vor allem, auf sein Herz zu hören.
Kasie West ist definitiv eine meiner Lieblings-Jugendbuchautoren. Schade nur, dass viele Bücher nur oder nur noch auf Englisch erhältlich sind. Trotzdem kann ich sie euch nur ans Herz legen. Frische, tolle abwechslungsreiche Romane, mit ganz viel Herzblut und Witz.
Auch hier gilt: Perfekte Sommerlektüre.

Eure Vanessa

Mittwoch, 26.August

Heute haben
Guillaume Apollinaire * 1880
Jules Romains * 1885
Christopher Isherwood * 1904
Julio Cortázar * 1914
Walter Helmut Fritz * 1929
Steinunn Sigurdardóttir * 1950
Geburtstag
und es ist der Todestag von Wolfgang Herrndorf
___________________________________________________

„In 80 Liebesgedichten um die Welt“
Ausgewählt von Clara Paul
Insel Verlag € 10,00

Clara Paul ist bei Insel/Suhrkamp die Fachfrau für Gedichtsanthologien. Jede Menge von ihr zusammengestellte Bücher finden sich dort. Lyrik ist ja ein weites Feld und so unterschiedlich, wie Literatur insgesamt. Dass es Gedichte auch auf der ganzen Welt, rund um den Erdball gibt, ist auch klar. Aber mit Gedichten um die Welt reisen, habe ich noch nicht gemacht. Von der Antarktis bis nach Feuerland, von der Tundra ins tiefste Asien. Clara Paul sortiert ihre Gedichtsauswahl allerdings nicht nach Ländern, sondern nach Situationen.

Wer bist du
Herzklopfen
Das Licht, das in dir lebt
Nacht, ganz verrückt
Gib mir ein Wiedersehn
Glückliche Liebe

Darunter finden sich dann sinnlich, heitere Gedichte über Sehnsucht, Herzensverwirrungen und Leidenschaft. Mal als Haiku, mal als langes Gedicht u.a. von Anna Achmatowa, Gioconda Belli, Raymond Carver, Mascha Kaléko, Wladimir Majakowski, Pablo Neruda, Alfonsina Storni, Wisława Szymborska, Shu Ting, Idea Vilariño, Derek Walcott, William Carlos Williams u. v. a.

Ledier kann ich Ihnen hier kein Gedicht vorstellen, da die Rechte noch bei den VerfasserInnen und bei den ÜbersetzerInnen sind. Schauen Sie doch bitte in die Leseprobe.
Viel Vergnügen.

Dienstag, 25.August

Heute haben
Apollinaire, Jules Romains, Isherwood, Julia Cortazar und W.H.Fritz Geburtstag.

____________________________________________________________________________

Andreas Gryphius
Betrachtung der Zeit

Mein sind die Jahre nicht,
Die mir die Zeit genommen;
Mein sind die Jahre nicht,
Die etwa möchten kommen;

Der Augenblick ist mein,
Und nehm ich den in acht
So ist der mein,
Der Jahr und Ewigkeit gemacht.

__________________________________________________________________________

Vanesse Güntzel empfiehlt:

Ali Novak: „Ich und die Heartbreakers“

cbj Verlag € 9,99

Ali Novak habe ich euch bereits mit ihrem Buch „Ich und die Walter Boys“ vorgestellt.
Da mich das Buch so sehr gepackt hatte, und es mir so viel Spaß gemacht hatte, wollte ich mich natürlich auf an diesem hier versuchen.
Anfangs war ich skeptisch, doch Stella und Oliver sind einfach zu süß.
Stella tut alles für ihre kranke Schwester. Sogar bis nach Chicago fahren und sich stundenlang die Füße platt stehen, um ein Autogramm von Caras Lieblings-Boygroup zu ergattern, den Heartbreakers. Würg! Aber da muss Stella durch – ihr Geburtstagsgeschenk für Cara soll so richtig krachen. Kurioserweise läuft es dann komplett anders als gedacht: Stella kommt nicht nur mit einem Autogramm zurück, sondern verliebt bis über beide Ohren. In wen? OMG! In DEN Oliver Perry von den Heartbreakers! Aber darf Stella das? Flirten, Glücklichsein und mit der Band abhängen – während ihre Schwester daheim ums Leben kämpft?
Dramatisch, witzig, kitschig. Perfekt für den Sommer.
Eure Vanessa

Freitag, 21.August

Heute haben
Emilio Salgari * 1862
Mary M.Kaye * 1908
Ali Mitgutsch * 1935
Geburtstag

________________________________________________

Rainer Maria Rilke

Lied vom Meer
Capri, Piccola Marina

Uraltes Wehn vom Meer,
Meerwind bei Nacht:
du kommst zu keinem her;
wenn einer wacht,
so muß er sehn, wie er
dich übersteht:
uraltes Wehn vom Meer
welches weht
nur wie für Urgestein,
lauter Raum
reißend von weit herein.

O wie fühlt dich ein
treibender Feigenbaum
oben im Mondschein.

________________________________________________________

Kim Fupz Aakeson und Rasmus Bregnhøi: „Hugo & Hassan“

Klett Kinderbuch Verlag € 15,00

Ab 8 Jahren

Im Dänischen heissen die beiden Jungs Mogens und Mahdi und dieses Wortspiel ist doch prima ins Deutsche umgesetzt worden.

Hugo ist neu in die Siedlung gezogen, hängt auf der Kinderschaukel rum, während seine Mama ihm sein Fahrrad richtet. Auf der Straße darf er nicht fahren, nur im Hof. Mega uncool. So ein Loser-Hof. Auch seine kurze Zwischenfrage, ob er einen Hund bekommt, verneint Mama. Oberkack. Als dann noch ein fremder Junge auftaucht, Hassan, geht der Zoff so richtig los. Wer denn hier der Loser sei, und wer dümmer und wer cooler. Kurz vor einer Prügelei wird Hugo zum Abendessen gerufen. Wer denn der Junge ist, will seine Mama wissen. „Ach, ein neuer Freund“. Ja, genauso ist es. Sie spielen, sie streiten, sie rangeln, sie hecken Streiche aus, erleben Abenteuer im Schwimmbad, wollen reich werden durch Pfandflaschen sammeln, haben super coole Sprüche auf den Lippen, prügeln sich während des Ramadan wegen einer Rosine, spielen Ballerspiele, bis sie rote Augen bekommen und dann das uralte „doofe“ Stöckchenspiel von Opa doch sehr klasse finden. Sobald jedoch Erwachsene ins Spiel kommen halten die beiden natürlich zusammen, wie die dicksten Freunde, die sie ja auch sind.

Das alles als Comic, bestens geeignet für NichtvielleserInnen. Sehr witzig gezeichnet und mit schnellen Dialogen versehen. Jo Mann. Die Geschichten erinnern ein wenig an den kleinen Nick und seine Freunde, Nur dass sie jetzt und heute spielen.

Ein großer Spaß. Nix für Loser.

Donnerstag, 20.August

Das lichte Himmelsauge schaut
nach verlorenen Sätzen
an diesem trägen Sonntag im August.
Wo sind sie hin?
Es waren keine Schwüre,
nicht Visionen,
nur welke Gedanken,
flackernde Erinnerungen,
verirrt im Gestrüpp der Zeit.


Petra Elsner, 16. August 2020

__________________________________________

Das WordPress Programm macht mir nen Strich durch die Rechnung. Es gibt eine neue Version, die ich nicht beherrsche.

Besprechen möchte ich das neue Buch von Max Czollek: „Gegenwartsbewältigung“.

Hanser Verlag € 20,00

Mit der Corona Krise beginnt sein neues Buch und damit, wie unsere Solidarität innerhalb unserer Gesellschaft aussieht. Gibt es eine Gemeinsschaft aller Deutschen, aller, die in Deutschland leben.? Oder sind doch wieder Migranten und Postmigranten ausgeschlossen.? Wie gehen wir mit unserer Geschichte um, damit wie unsere Gegenwart bewältigen können? Gibt es eine Leitkultur in Deutschland? Gibt es überhaupt eine Leitkultur? Oder sollte es nicht lieber ein gegenseitiges voneinander Lernen sein? Ein Miteinander aller Kulturen, die hier leben.? Was bedeutet Demokratie nach den Anschlägen von Hanau und der Wahl eines FDP Politiker zum Ministerpräsidenten mit Hilfe der AFD und des Faschisten Höcke.

Czollek ist polemisch, laut und frech. Er legt jedoch die Finger in die offenen Wunden und streut noch etwas Salz hinein. Das regt zum Nachdenken an. Und so soll es auch sein damit wir unsere Demokratie erweitern können und nicht an rechte Populisten und Schlimmere verlieren.

Mittwoch, 19.August

IMG_0987

Heute haben
Jerzy Andrzejewski * 1909
Frank McCourt * 1930
Geburtstag
________________________________

Christian Morgenstern
Ebenengewitter

So löst sich denn die Spannung schwer.
Erfüllt ist, was wir baten:
Vom Himmel rauscht ein beites Meer
Auf durstig-dürre Saaten.

Und herrlich stürzt ein Donnerkeil
Sein Siegel auf all den Segen.
O Frucht, nun reifst du wieder heil
Dem hohen Herbst entgegen.
_________________________________

coversteinbacher108_v-podcast

Vivaldi & Piazolla:“Four Seasons“
Arabella Steinbacher (Violine)

und das Müchener Kammerorchester
Pentatone CD € 19,99

Mendelssohn, Tschaikowsky, Bruch, Prokofjew hat Arabella Steinbacher schon eingespielt.  Muss jetzt auch noch Vivaldi mit seinen „Vier Jahreszeiten“ kommen? Gibt es nicht schon (zu) viele Einspielungen?  Die 38-Jährige Geigerein spielt diesen Zyklus, zusammen mit dem Münchner Kammerorchester, jedoch mit so einer Lust und Laune, als gäbe es keine Vergleiche zu anderen Einspielungen. Im Frühling singen die Vögel auf ihrer Geige und im Winter spürt man förmlich die Kälte.
Das Besondere der CD ist, dass Arabella Steinbacher zu den jeweiligen Jahreszeiten von Vivaldi, die „Vier Jahreszeiten für Buenos Aires“ von Piazolla hinzufügt. Piazolla hat seine Musik für Quintett mit Bandoneon komponiert. Für diese Aufnahme wurden sie umgeschrieben und Steinbacher greift hier deutlich anderes in die Saiten. Eben ein wenig Tango und argentinisches Lebensgefühl.
Die Verzahnung gelingt ihr ausgezeichnet und wenn der Winter verklungen ist und Ruhe herrscht, möchte man fast wieder von vorne anfangen.
Warum auch nicht?

 

Dienstag, 18.August

IMG_0944

Heute haben
Elsa Morante * 1912
Alain Robbe-Grillet * 1922
Ulrich Woelk * 1960
Geburtstag.
Aber auch Roman Polanski, Robert Redford und Harald Schmidt
_____________________________________

Friedrich Hölderlin
Hälfte des Lebens

Mit gelben Birnen hänget
Und voll mit wilden Rosen
Das Land in den See,
Ihr holden Schwäne,
Und trunken von Küssen
Tunkt ihr das Haupt
Ins heilignüchterne Wasser.

Weh mir, wo nehm ich, wenn
Es Winter ist, die Blumen, und wo
Den Sonnenschein,
Und Schatten der Erde ?
Die Mauern stehn
Sprachlos und kalt, im Winde
Klirren die Fahnen.
_______________________________________

Besuch bei Friedrich Hölderlin in seinem „neuen Turm“ und Gedichten in der Stadt.

IMG_0971

IMG_0950 IMG_0953

IMG_0951 IMG_0952

IMG_0956

IMG_0958 IMG_0959

IMG_0960

[wpvideo jad8qGyy]

IMG_0969

IMG_0972

IMG_0973

IMG_0974

IMG_0975

Montag, 17.August

IMG_0936

Heute haben
Theodor Däubler * 1876
Ted Hughes * 1930
VS Naipaul * 1932 (Nobelpreis 2001)
Herta Müller * 1953
Jonathan Franzen * 1959
Geburtstag.
_____________________________________________

Theodor Däubler
Weg

Mit dem Monde will ich wandeln:
Schlangenwege über Berge
Führen Träume, bringen Schritte
Durch den Wald dem Monde zu.

Durch Zypressen staunt er plötzlich,
Daß ich ihm entgegengeh.
Aus dem Ölbaum blaut er lächelnd,
Wenn michs friedlich talwärts zieht.

Schlangenwege durch die Wälder
Bringen mich zum Silbersee:
Nur ein Nachen auf dem Wasser,
Heilig oben unser Mond.

Schlangenwege durch die Wälder
Führen mich zu einem Berg.
Oben steht der Mond und wartet,
Und ich steige leicht empor.
____________________________________________

Claudia Wiltschek empfiehlt:

ARTK_CT0_9783446267527_0001

David Grossman: „Was Nina wusste“
übersetzt aus dem Hebräischen von Anne Birkenhauer
Hanser Verlag € 25,00

Vera, ist neunzig, Nina um die Sechzig, Gili Mitte dreißig.
Großmutter, Tochter und Enkelin.
Veras Geburtstag wird im Kibbuz groß gefeiert, Lobesreden über die alte Dame gehalten und auch Vera selbst erklärt ihre große Dankbarkeit einer Familie, die ihr trotz ihrer Herkunft und Anderssein damals eine Heimat gegeben haben. Vera kam aus Jugoslawien, ohne Mann mit ihrer Tochter Nina, heiratet wieder und wird Stiefmutter dreier Kinder. Vera hat eine sehr schwere Zeit hinter sich. Ihr damaliger Mann wurde als Verräter verhaftet, beging Selbstmord und sie wurde auf einer Gefängnisinsel interniert.
Nina, ihre Tochter heiratet Rafael, den Stiefsohn Veras, verlässt Mann und Kind. Sie geht nach New York, da ist Nina gerade mal zwei Jahre alt.
Gili ist Filmemacherin, wie ihr Vater und am Abend des Geburtstages beschließen sie einen Film über das Leben der Großmutter zu drehen und gemeinsam nach Kroatien auf die ehemalige Gefängnisinsel Goli Otok zu fahren. Dort soll Vera endlich einmal alles vollständig erzählen.
Es ist die Geschichte dreier Frauen. Jede von ihnen trägt Wunden des Verlassenseins und des Verrats in der Seele. Jede ist unfähig darüber zu reden und zwischen den drei Frauen stehen unsichtbare Mauern, die während dieser Reise ganz langsam zu bröckeln beginnen.
Im Klappentext des Buches steht: Ein Roman, der unter die Haut geht. Nicht oft kann ich dazu ja sagen, aber bei diesem Buch ist es tatsächlich so. Ich habe es nicht mehr weggelegt, ergriffen und beeindruckt von Sprache und Inhalt.

Leseprobe

Auf der Verlagsseite gefunden:

5 Fragen an David Grossman

Wie ist der Stoff für diesen Roman zu Ihnen gekommen? Was Nina wusste beruht ja auf einer realen Lebensgeschichte …

Die Geschichte hat Eva Panic-Nahir mir selbst erzählt – langsam, nach und nach, während der zwanzig Jahre, in denen wir eng befreundet waren. Schon als sie mit der eigenen Hartnäckigkeit, stürmisch und emotional in mein Leben platzte, wusste ich, sie hat eine Lebensgeschichte zu erzählen und die Geschichte einer Liebe, wie ich sie bisher nicht gehört habe. Trotzdem sind zwanzig Jahre vergangen, bis ich das Gefühl hatte, dass ich darüber schreiben kann.
„Liebe Eva“, sagte ich ihr jedesmal, wenn sie mich fragte, ob ich schon angefangen hätte zu schreiben, „ich werde die Geschichte nicht genauso schreiben, wie du sie mir erzählt hast. Ich dokumentiere ja nicht, ich bin ein Schriftsteller, der Fiktion schreibt. Ich muss das, was existiert, selbst erfinden. Ich werde mir deine Geschichte, dich und Nina und Gili, deine Enkelin, vorstellen. Und dann werde ich die Geschichte von einem Punkt aus schreiben, an dem du, die Heldin der Geschichte, nicht sein kannst.“
Das Buch erschien erst, nachdem Eva im Alter von siebenundneunzig Jahren gestorben war. Ich hoffe, ich bin ihr, ihrer Komplexität und den Widersprüchen in ihrer Person treu geblieben.

Es geht um drei Frauen, drei Generationen: Vera, die Großmutter, Nina, die Tochter, und Gili, die Enkelin. Wie wichtig ist die Idee der Familie für Ihren Roman?
Fast alle meine Bücher handeln von Familien und der Wucht ihrer Geschichten. Ich denke, die größten Dramen der Menschheit finden in der Familie statt. In diesem Buch ist die Familie der Ort, an dem wir die ursprünglichsten und stärksten Gefühle von drei Frauen ganz nah erleben, von drei Generationen, die kaum anders können als einander zu verletzen, doch die Beziehung zwischen ihnen ist auch der Ort, an dem der Prozess der Heilung und der Genesung beginnen wird.

Vera wurde in den Fünfzigerjahren auf die Gefängnisinsel Goli Otok verbannt. Sie ist daran nicht zerbrochen. Wie war das möglich?
Die Insel Goli Otok in Kroatien ist einer der entsetzlichsten Orte auf der Welt. Sie ist hässlich, wie nur Gewalt hässlich sein kann. Nur sehr wenige der Menschen, die dort als Gefangene oder als Aufseher waren, haben ihre Menschlichkeit bewahrt. Eva Pani?-Nahir – die Vera meines Romans – ist bei den Verhören und bei der Zwangsarbeit nicht zerbrochen. Sie hat niemanden denunziert und niemanden ausgeliefert. Mehr noch, als sie mit ihrem Körper, mit dem Schatten, den ihr kleiner Körper warf, eine kleine Pflanze beschützte, die einzige, die auf dieser nackten Insel wuchs, spürte sie in sich einen Quell der Güte, des Beschützens und sogar der Mütterlichkeit, einer Mütterlichkeit, die sie ihrer Tochter nicht entgegengebracht hat. Das große Wunder ihrer Lebensgeschichte und der Geschichte des Lebens ihrer Tochter sind für mich nicht die Jahre, die Eva in dem „Umerziehungslager“ Goli Otok verbrachte, sondern die Jahre danach: ihre Fähigkeit, ins Leben zurückzukehren, mit Kraft und Leidenschaft am Leben festzuhalten und weiterhin an den Menschen zu glauben.

Viele Jahre später reisen die drei Frauen nach Goli Otok, und zum ersten Mal erzählt Vera ihrer Tochter, wie es dazu kam, dass sie Nina als Kind weggegeben hat und selbst in die Verbannung ging. Gibt es im Roman etwas wie eine Versöhnung?

Ich glaube sehr ans Geschichtenerzählen, daran, dass die Kraft der Geschichte den Menschen, der sie erzählt, verändert. Das hängt natürlich auch von dem ab, der sie hört. Der aufmerksame, aktive Zuhörer kann die lebendige, wahre Geschichte aus sich selbst gebären, eine Geschichte, die eben nicht dem Aufsagen eines Textes gleicht, den wir schon dutzende Male gehört haben. Und dann kann es passieren, dass etwas, was hart und erstarrt war, sich aufzuweichen und flexibel zu werden beginnt, und plötzlich spüren wir, dass wir nicht das hilflose Opfer einer Geschichte bleiben müssen, in der wir viele Jahre lang gefangen waren. Einer Geschichte, die auf eine Realität zutraf, in der wir längst nicht mehr leben. Ich habe den Eindruck, genau das passiert in meiner Geschichte, als Vera ihrer Tochter Nina die Geschichte erzählt, die für sie beide Gefängnis und Strafkolonie gewesen ist.

Wie war es für Sie als Mann, aus der Perspektive einer Frau zu schreiben, genauer, aus der Perspektive von drei Frauen?
Jede der drei Frauen in der Geschichte hat nicht nur ihre eigene äußere und innere Welt, sondern auch ihre eigene Sprache und ihren eigenen Ton. Aber ich glaube oder hoffe, dass es in jedem von uns unendlich viele Möglichkeiten gibt, in der Welt zu leben. In jedem Mann gibt es eine Frau oder mehrere Frauen, in jeder Frau gibt es einen Mann oder mehrere Männer … Leider verengen wir die Fülle dieser vielen Möglichkeiten aus Angst oder Scham, aus der Notwendigkeit heraus, als „ein“ Mensch effektiv zu handeln. Für mich ist es eines der wunderbaren Dinge des Schreibens, mich nicht länger gegen diese Fülle zu wehren. Mich nicht vor ihr zu fürchten. Mich den verschiedenen Figuren, die uns bevölkern, hinzugeben … mich mit meinem ganzen Sein ihnen und ihrer Geschichte hinzugeben.

Aus dem Hebräischen von Anne Birkenhauer