Donnerstag, 30.November

Heute haben
Jonathan Swift * 1667
Theodor Mommsen * 1817
Ippolito Nievo * 1831
Mark Twain * 1835
Winston Churchill * 1874
Thomas Hettche * 1964
Geburtstag
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Theodor Storm
An Theodor Mommsen

Die Welt ist voll von Sommerlüften,
Und ich plädiere im Gericht;
In Aktenstaub und Moderdüften
Versinkt das liebe Sonnenlicht.

So scheidet mich allaugenblicklich
Mein Amt aus dieser Sommerzeit –
Nicht jeder ist, mein Freund, so glücklich
Wie Sie in seiner Tätigkeit.

Wenn Sie in Bummelsehnsuchtsstillung
Sich wärmen nicht im Sonnenlicht,
So schaun Sie als Berufserfüllung
Den schmucken Dirnen ins Gesicht.
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Claudia Wiltschek empfiehlt:

Norman Ohler:Die Gleichung des Lebens
Kiepenheuer & Witsch Verlag € 22,00

Es ist der Sommer 1747, der Oderbruch, nur von Fischern bewohnt und immer wieder von Überschwemmungen heimgesucht, ist Schauplatz dieses tollen spannenden Romanes. Friedrich der Große hat große Pläne, möchte dieses Sumpfgebiet östlich von Berlin trockenlegen, um Flüchtlinge anzusiedeln. Wo noch Fische, Schildkröten und Wasservögel in überwältigender Artenvielfalt leben, sollen Kühe grasen und Kartoffeln wachsen. Aber unter den wendischen Fischer herrscht Unruhe, die Einen fürchten um ihr täglich Brot, andere befürworten diesen Plan und sehen eine Segen im Deichbau, der die großen Überschwemmungen im Zaum halten soll.
Der für den Deichbau beauftragte Ingenieur wird tot aufgefunden, was die Sache nur noch heikler macht, da er mit einem Speer umgebracht wurde, der nur im Besitz von zwei wendischen Fischern ist. Friedrich der Große beauftragt den Mathematiker Euler, die Berechnungen und Ermittlungen zu übernehmen und dieser gerät immer mehr in den Strudel der Ereignisse.
Ein historischer Roman, der fast ein Spiegelbild unserer Gegenwart ist: Angst vor den Fremden, wirtschaftliche Interessen und viele Intrigen.
Viel Spaß macht die Episode, wenn Friedrich seinen hochkarätigen Gästen ein komplettes Menu nur aus Kartoffeln servieren lässt. Keiner hat je dieses unbekannte Gemüse gegessen, es wird ganz vorsichtig probiert und Erstaunen über diesen köstlichen Geschmack breitet sich aus. Sogar das Dessert besteht aus Kartoffeln mit Quark und nun ist auch der letzte Skeptiker, der sich einstmals mit dem Genuss von Kartoffelkraut den Magen verdorben hatte, von der Notwendigkeit des Kartoffelanbaus überzeugt.
Unvorstellbar ist doch für uns ein Leben ohne Kartoffeln … auch wenn wir unsere Spätzle haben!

Norman Ohler wurde 1970 im pfälzischen Zweibrücken geboren. Nach dem Abitur schrieb er 1990 seine erste Novelle „Der Reporter“. Mit 22 Jahren besuchte er die renommierte Hamburger Journalistenschule, es folgten Arbeiten für die Zeitschriften „Spiegel“, „Stern“ und „Geo“.

Leseprobe
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ACQUA & RECORTES

Choreografien von Roberto Scafati und Gustavo Ramírez Sansano
Musik von und mit Jürgen Grözinger
Mit zwei neuen Choreografien beginnt die Ballettsaison im Großen Haus. Nach der Uraufführung vergangene Spielzeit in Münster erarbeitet Gustavo Ramírez Sansono nun für das Theater Ulm RECORTES (Erinnerungen). Sansano – hoch angesehen in der internationalen Tanz-Szene – entwirft nach seiner umjubelten Premiere mit EL BESO in der letzten Spielzeit nun eine Choreografie, die Identität und Erinnerung in eine spannungsreiche Beziehung setzt. Als Bezugspunkt dient dem spanischen Meisterchoreografen dabei ein Gedanke von Jorge Luis Borges: „Wir sind unsere Erinnerungen, wir sind dies schimärische Museum wechselnder Formen, ein Gebilde zerbrochener Spiegel.“
Ballettdirektor Roberto Scafati zeigt eine Uraufführung unter dem Titel ACQUA (Wasser). Das nur scheinbar so vertraute Element birgt für ihn Geheimnisse und Energien, die im praktischen Umgang dem Betrachter verschlossen bleiben und sich nur dem künstlerischen Blick öffnen. Unterstützt wird Scafati und die Ulmer Compagnie dabei vom Komponisten Jürgen Grözinger, der eigens für diese Choreografie eine neue Komposition konzipiert hat, die er live bei den Vorstellungen spielen wird.

Mittwoch, 29.November

Heute haben
Wilhelm Hauff * 1802
Carlo Levi * 1902
Gerti Tetzner * 1936
Geburtstag
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Wilhelm Hauff
Amor der Räuber

Nach dem Italienischen

Die Unschuld saß in grüner Laube,
Sie hielt ein Täubchen in dem Schoß;
Und Amor kam: »Gib mir die Taube;
Ein Weilchen nur gib deine Taube«,
Die Unschuld ließ sie lächelnd los,
Doch hielt sie Täubchen an dem Band,
Das sich um Täubchens Flügel wand.

Doch kaum hat er die weiße Taube;
So schneidet er den Faden ab;
Und höhnisch lachend mit dem Raube
Entflieht der Räuber aus der Laube
Und nimmer kehrt der lose Knab.
Und als ihr Täubchen nimmer kam,
Ward sie dem Räuber ewig gram.
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Julie Völk:Stille Nacht, fröhliche Nacht
Gerstenberg Verlag € 16,95
Bilderbuch ab 4 Jahren

Ein Bilderbuch ohne Worte, das so viel zu erzählen hat.
Und vielleicht sollte ich gar nicht so viel darüber schreiben, sondern die Bilder für sich sprechen lassen. In ihrer ganz eigenen Art hat Julie Völk dieses anrührende „Weihnachts“-Buch gestaltet. Ganz anders als die allermeisten knallbunten Bilderbücher. Doch bin ich fest davon überzeugt, dass wir mit den Kleinen einen großen Spaß beim Entdecken haben werden.
In einer funkelnden Schneelandschaft nähert sich am Horizont eine bunte, fröhliche Karawane. Ein Zirkus! Will er in die Stadt, in der die Menschen in emsiger Vorfreude auf Weihnachten die letzten Dinge erledigen? Nein, die Wagen ziehen weiter, denn sie werden schon sehnlichst erwartet: Vor einem hell erleuchteten gemütlichen Haus warten Mutter und Kind auf ihre Lieben, um ein wunderschönes Weihnachtsfest vorzubereiten und zu feiern. Julie Völk erzählt in ihrer ganz eigenen Bildsprache und ohne ein einziges Wort von dem, was Weihnachten ausmacht: Von Vorfreude, vom Zusammenkommen, von gemeinsam erlebter glücklicher Zeit, die nachklingt, wenn die stille und fröhliche Nacht vorbei ist.
Das hat mich immer wieder an „Die hellen Tage“ von Zsuzsa Bánk erinnert. Das kleine Haus mit der schiefen Gartentür, der Zirkus-Papá, der nur selten zu Hause war. Dann aber von seinen Reisen berichtete.
Lassen Sie sich gefangennehmen von den Bildern und lassen Sie Ihren eigenen, eigenen Bildern freien Lauf.

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Auch das kam von ihr in diesem Herbst auf den Markt:

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Julie Völk, geb. 1985 in Wien, wuchs im ländlichen Niedersachsen auf. Sie studierte an der HAW in Hamburg Illustration. Ihr Debüt „Das Löwenmädchen“ ist gleich mit dem Nachwuchspreis Serafina und dem Troisdorfer Bilderbuchpreis 2015 ausgezeichnet worden. Für ihr zweites Bilderbuch „Guten Morgen, kleine Straßenbahn!“ erhält sie den Österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreis 2017. Die Künstlerin lebt mit ihrer Familie in Niederösterreich.

www.julievoelk.de

Dienstag, 28.November

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Heute haben
William Blake * 1757
Alexander Blok * 1880
Stefan Zweig * 1881
Alberto Moravia * 1907
Geburtstag
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William Blake

Never seek to tell thy love,
Love that never told can be;
For the gentle wind does move
Silently, invisibly.

I told my love, I told my love,
I told her all my heart;
Trembling, cold, in ghastly fears,
Ah! she did depart!

Soon as she was gone from me,
A traveler came by,
Silently, invisibly
He took her with a sigh.
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Vilde Frang: „Homage“
Vilde Frang: Geige
Jose Gallardo: Klavier
Warner Classics CD € 19,99

Ries: La Capricciosa
Schumann: Widmung op. 25 Nr. 1
Wieniawski: Mazurka op. 19 Nr. 1 „Obertass“
Gluck: Reigen seliger Geister aus Orfeo ed Euricide
Poldowski: Tango
Debussy: Valse aus La plus que lente
Wieniawski: Caprice Es-Dur „Alla Saltarella“
Scriabin: Etüde op. 8 Nr. 10
Kreisler: Rondino nach Beethoven; Gypsy Caprice
Dvorak: Slawischer Tanz op. 46 Nr. 2
Prokofieff: Masken aus Romeo & Julia
Mendelssohn: Lied ohne Worte op. 62 Nr. 1
Albeniz: Sevilla aus Suite espanola
Ponce: Estrellita
Bazzini: Calabrese op. 34

„Ich stelle mir einen Fiedler auf der Straße vor, der mit seiner Geige Geschichten erzählt. Die können aus Russland kommen oder aus Italien. Jedes Stückchen entwickelt auf kleinstem Raum eine ganz eigene Stimmung.“

Was Vilde Frang hier eingespielt hat, sind Zugaben. Aber auch gleichzeitig Lieblingsstücke berühmter Geiger des 20.Jahrhunderts und sie werden hier in den Mittelpunkt gerückt.

„Die Stücke stehen in einer viele Generationen zurückreichenden Tradition, die es zu bewahren gilt. Sie gehören zum Erbe der Geige wie Solosonaten und Violinkonzerte.“

Die junge norwegische Geigerin Vilde Frang zeigt uns in dieser Zusammenstellung, dass diese kurzen Stücke eine große, weite Welt eröffnen können und lange Geschichten erzählen. Sehr unterschiedlich sind diese Musikstücke: Capricen, Tänze, Etüden oder Opernmelodien von Schumann, Debussy, Gluck, Mendelssohn, Dvorak oder Beethoven.

„Ich fühlte mich wie in einem Bonbonladen!“, sagt sie, als sie bei ihren Recherchen auf solche musikalischen Süßigkeiten gestoßen ist.
Und wir dürfen nun naschen und ohne Zähneputzen genießen.

Detlef Surreys Sonntagsskizzen

Flohmarkt im „Kerngehäuse“
Flohmarkt auf dem Hof des „Kerngehäuse“ Fabrikhofs in Berlin-Kreuzberg.
Der 1980 durch „Instand-Besetzung“ vor dem Abriss bewahrte Gebäudekomplex ist noch heute ein selbstverwaltetes Wohn- und Gewerbeensemble das 80 Bewohnern verschiedener Generationen ebenso Raum gibt, wie verschiedenen selbstverwalteten Gewerbebetrieben, u.A. zwei Tischlereien, der Druckerei „Albdruck“, einer Metallwerkstatt, der Sprachenschule „Babylonia“ und dem „Ratibor-Theater“.

Hier gibt es noch mehr Berlinskizzen.

Freitag, 24.November

Heute haben
Lawrence Sterne * 1713
Carlo Collodi * 1826
Arundhati Roy * 1961
Geburtstag
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Am 24.11.2018 im Deutsche Gedichte Kalender von Harenberg.

Georg Heym
Letzte Wache

Wie dunkel sind deine Schläfen
Und deine Hände so schwer,
Bist du schon weit von dannen
Und hörst mich nicht mehr?

Unter dem flackenden Lichte
Bist du so traurig und alt,
Und deine Lippen sind grausam
In ewiger Starre gekrallt.

Morgen schon ist hier das Schweigen,
Und vielleicht in der Luft
Noch das Rascheln von Kränzen
Und ein verwesender Duft.

Aber die Nächte werden
Leerer nun, Jahr um Jahr,
Hier, wo dein Haupt lag und leise
Immer dein Atem war.
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2018 steht im Zeichen der Farbe rot. Zumindest bei unseren Jastramplanern.

Unsere Wandkalender sind gerollt und für Sie zur kostenlose Mitnahme bereitgestellt. Wir selbst haben uns schon so an diese Planer gewöhnt, dass wir sie nicht mehr missen wollen.

Also: Mitnehmen, bevor der Vorrat zu Ende geht und Sie planlos ins neue Jahr taumeln.

Aufbau, oder Arche? Das ist jedes Jahr die Frage.
Für viele allerdings auch gar nicht, weil sie seit Jahren immer die literarischen Kalender von dem einen oder anderen Verlag nehmen.

Oder vielleicht doch den Kinder-, oder den Musikkalender?

Es können aber auch wilde Tiere Afrikas sein.

Für ganz Verwegene gibt es auch diesen.
Ob man das allerdings schon morgens an der Wand zu hängen sehen mag?

Donnerstag, 23.November

Heute haben
Marieluise Fleißer * 1901
Paul Celan * 1920
Herbert Achternbusch * 1938
Geburtstag
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Ernst von Feuchterleben
Bacchisch

1.
Hast in wonnevollen Tagen,
Über Lust und Pein getragen,
Du die Erde überschwebt?
Lustdurchschauert? Darfst du’s sagen?
Qualberauscht? — Du hast gelebt!
Hat dir’s nie im Taumelschweben,
Im Erlangen, Kühner-streben,
Selig durch die Brust gebebt?
Nur der Übermut ist Leben!
Kennst ihn nicht? – Hast nicht gelebt!

2.
Ihr müht euch fruchtlos!
Was schöpft ihr Weisheit
Aus dem Gefäße
Der Danaiden?
Ein Dithyrambos
Ist unser Leben:
Wir wandeln rhythmisch
Ums Licht der Schönheit
In heil’gen Kreisen;
Die Götter sehn uns
Und nicken freundlich.
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Unser Buchtipp:

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Haruki Murakami: „Birthday Girl
vierfarbig illustrierte Ausgabe von Kat Menschik
aus dem Japanischen von Ursula Gräfe
DuMont Verlag € 16,00

Über Murakami muss ich nichts mehr schreiben. So oft, wie er als möglicher Kandidat für den Literatur Nobelpreis genannt wird, kennt ihn jeder. Der Name Kat Menschik ist nicht so geläufig. Wenn wir jedoch ihre Illustrationen sehen, erinnern wir uns sofort an sie. Sie arbeitet für die FAZ am Sonntag, für den DuMont Verlag und hat u.a. eine kleine, eigene Reihe mit Weltliteratur gestartet, in der in diesem Jahr nach Kafka und Shakespeare auch die Erzählung „Moabit“ von Volker Kutscher erschienen ist.
Knall rot, mit rotem Lesebändchen liegen die wenigen Seiten von „Birthday Girl“ vor uns. Murakamis Erzählung war natürlich schon veröffentlicht, aber nicht so in dieser Geburtstagsausgabe.
Die Ich-Erzählerin möchte ihren zwanzigsten Geburtstag mit Freunden verbingen, muss aber kurzfristig doch zur Arbeit. Sie arbeitet in einem italienischen Restaurant und bedient dort drei mal die Woche. Als auch noch der Geschäftsführer kurzfristig ausfällt, überträgt er ihr seine tägliche Aufgabe. Pünktlich zur abendlichen Stunde muss sie nun ein warmes Abendessen, Wein und Kaffe in den fünften Stock in die Wohnung des Restaurantbesitzers bringen. Anders als erwartet, bitte der höfliche, alte Mann sie hinein und verwickelt sie in ein Gespräch. Dabei erfährt er, dass sie heute Geburtstag hat und erfüllt ihr im Gegenzug einen Wunsch. Aber nur einen.
Wie im Märchen, so scheint es.
Zehn Jahre später erzählt sie diesen Vorfall einem Freund, verrät aber immer noch nicht, was sie sich damals gewünscht hat. Auch wir Leser wissen ihn nicht.
Murakami erzählt diese kleine Märchengeschichte in seiner einfachen Sprache und sagt uns damit, dass wir nur dieses eine Leben haben. Mit oder ohne Wunsch.
Das ist nicht viel, aber auch nicht zu wenig, zumal wir immer wieder an den Illustrationen von Kat Menschik hängenbleiben. Wir wundern uns über bestimmte Atribute in den Bildern und finden dann meist die Erklärung, wenn wir im Text weiterlesen. Des öfteren assoziiert Menschik weiter und dann wird es richtig spannend.
Ein Buch, das sich prima als Geburtstaggeschenk eignet.

Mittwoch, 22.November

Heute haben
George Eliot * 1819
André Gide * 1869
William Kotzwinkle * 1943
Viktor Pelewin * 1962
Geburtstag.
Und auch noch Benjamin Britten und Charles de Gaulle.
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George Eliot
Roses

You love the roses – so do I. I wish
The sky would rain down roses, as they rain
From off the shaken bush. Why will it not?
Then all the valley would be pink and white
And soft to tread on. They would fall as light
As feathers, smelling sweet; and it would be
Like sleeping and like waking, all at once!
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Erling Kagge: „Stille“
Ein Wegweiser
Aus dem Norwegischen von Ulrich Sonnenberg
Insel Verlag € 14,00

„Die Natur sprach zu mir, indem sie sich als Stille präsentierte. Je stiller es wurde, desto mehr hörte ich … eine ohrenbetäubende Stille.“

Was ist Stille? Wo ist sie? Warum ist sie heute so wichtig?
Lärm macht uns krank, Hektik verführt uns zu schlechtem Essen aus der Hand. Stress lässt uns nicht schlafen.
Erling Kagge hat ein weisses Stille-Buch geschrieben und versucht uns in ca. 30 Kapiteln seine Thesen plausibel zu machen. Es dreht sich nicht um die Stille um uns herum. Es geht um die Stille in einem drin. Stille unter der Dusche, wenn das heisse Wasser über den Kopf läuft. Stille beim Durchschwimmen eines Waldsees.
Kagge hat aber keinen Ratgeber geschrieben, der verspricht, dass wir nach der Lektüre alles besser können. Nein. Im Prinzip sind es autobiographische Aufzeichnungen, in denen er uns an Hand eigener Ereignisse zeigt, wo er Stille gefunden hat.
Er hat den Mount Everest bestiegen, ist zum Süd- und Nordpol gewandert (alleine versteht sich, ohne Batterien im Funkgerät), er segelte über den Atlantik und durchquerte New York unter der Erde in deren Tunnelsystemen.
Er ist Autor, Rechtsanwalt, Verlager, Kunstsammler und Selbstvermarkter. Und wahrscheinlich kann er keine Sekunde still sitzen.
Aber wir. Wir können dieses schmale, schöne Buch genießen, die Fotos betrachten und auch mal den Schutzumschlag abnehmen.

Ein kleiner Ruhepol in den hektischen Tagen, die jetzt anrollen.
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Sonntag, 10.Dezember um 19 Uhr Im Foyer des Theaters Ulm.

TINI PRÜFERT SINGT TWISTED TANGOS

Tini Prüfert singt Tango? Das gab’s ja noch nie. Doch: 2012 war es eines der Lieder aus Joshua Sobols Musical GHETTO, der Tango FRÜHLING, ein ursprünglich jiddisches Lied, das durch die Sängerin Luiba Levickaim im Ghetto von Vilnius zum Symbol für den Überlebenskampf der jüdischen Bevölkerung gegen die Nazis wurde. Arrangiert und auskomponiert hatte das Musical am Theater Ulm damals Wolfgang Lackerschmid. Die beiden verbindet seitdem eine Freundschaft und Zusammenarbeit. Ermöglicht durch die großzügige Unterstützung der GÜNTER STEINLE FONDATION haben sich die beiden nun daran gemacht, argentinische Tangos, Piazzolla, französische Walzer, Kurt Weill, Tom Waits, Ladino und den ein oder anderen Jazz- und Musicalsong in ein neues Tangogewand zu stecken.
 
DONAUTANGO und das Theater Ulm laden am Sonntag, den 10. Dezember um 19 Uhr ins Foyer des Theaters Ulm ein. Tini Prüfert singt, begleitet von Veit Hübner (b) und Philipp Solle (p). Dazu wird der Schwingboden ausgerollt: Tanzen ist ausdrücklich erwünscht – die Milonga kann beginnen. Im Anschluss an das Konzert legt Alexander Wetzig, MR. DONAUTANGO persönlich, auf. Das Foyer verwandelt sich an diesem Abend in ein (schwäbisch-)argentinisches Tanzcafé. Die Bar ist während der gesamten Veranstaltung selbstverständlich geöffnet.

Dienstag, 21.November

Heute haben
Voltaire * 1694
Franz Hessel * 1880
Veza Canetti * 1897
Margriet de Moor * 1941
Geburtstag
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Albin Zollinger
Musik hörend

Und in die Traurigkeit der Sinfonie’n
Ganz eingegangen, lebst du mir unnennbar,
Im dunklen Unvergänglichen erkennbar
Durch alle Herbste meines Herzens hin.
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Matthew Weiner: „Alles über Heather
Aus dem Amerikanischen von Bernhard Robben
Rowohlt Verlag € 16,00

Auf gerade mal 144 Seiten spielt der Roman von Matthew Weiner. Aber die haben es in sich. Dass der Autor vor seinem Erstling weltweit Erfolge mit Serien wie „Mad Men“ und „Die Sopranos“ hatte, wird überall erwähnt. Mehr kann nicht nicht dazu sagen, da ich sie noch nie gesehen habe. Aber: Man merkt dem Roman an, dass Weiner schreiben kann. Knapp, pointiert, präzise und messerscharf.

Eigentlich hatte sie die Hoffnung auf ein normales Familienleben schon aufgegeben. «Karen war schon fast vierzig und jenseits aller Hoffnung, jemanden zu finden, der es mit ihrem Vater aufnehmen konnte.» Bis Mark kam. Mark, Sohn eines Lehrers und Footballtrainers aus Newton, Massachusetts, kann ihr dank seines lukrativen Jobs im Finanzdistrikt von Manhattan zumindest materielle Sicherheit bieten: eine repräsentative Wohnung (auch wenn es nur die Gegend jenseits der Park Avenue ist, und nicht die 5th Avenue), ein ordentlich gefülltes Bankkonto, ein ruhiges, Leben.

Ein ruhiges Leben könnten die Breakstones in ihrem Appartment in Manhattan haben. Erfolg, eine glückliche Ehe und eine liebreizende Tochter. Heather ist der Mittelpunkt dieses kleinen Kosmos. Karen entwickelt sich zur Helikopter Mutter, beobachtet, bewacht und stellt ihre Tochter auf einen hohen Sockel. Doch diese Vater-Mutter-Kind-Beziehung ist instabil und als Heather in die Pubertät kommt bricht dieses selbst konstruiertes Kartenhaus zusammen.

Als Heather sich von Karens erstickender Liebe zu lösen beginnt, gerät das nach außen aggressiv beschworene Familienglück vollends ins Wanken. Während Karen, radikal desillusioniert von ihrem armseligen Leben, am Rande des Nervenzusammenbruchs wandelt, konzentriert sich Mark in obsessiver Weise auf das Glück und die Unversehrtheit seiner Tochter. Deren unbeschwerte Existenz in Gefahr gerät, als plötzlich ein Fremder vor ihrem Haus steht.

Parallel erzählt Matthew Weiner das Schicksal von Bobby Klasky, Kind einer drogensüchtigen Prostituierten, der den Liebhabern seiner Mutter zur Hand geht, um ihnen einen Schuss zu setzen. Als er wegen Vergewaltigung ins Gefängnis kommt, wird er zerbrochen und verliert den letzten Rest von Menschlichkeit.
Ab dem Moment, als sich die Lebenswege von Heather und Bobby kreuzen, wird uns Lesern klar, dass die Katastrophe vorgegeben ist. Die Frage ist nur, wann, wo und bei wem.

Dass ihm das Zufügen von Schmerzen Lust bereitet, zählt für den Jungen zu den aufregendsten Entdeckungen seines Lebens. «Durch Zufall entdeckte er seine eigene Macht, als er einen Vogel fand, der sich in der Air-Condition am Fenster verfangen hatte. Bobby stellte die Anlage an und sah ehrfürchtig zu, wie das Tier von den Rotoren zerhackt wurde, bis Blut aus dem Ventilator spritzte.» Den letzten Rest Mitgefühl für andere Lebewesen verliert Bobby, als er nach der brutalen Misshandlung eines mexikanischen Mädchens aus der Nachbarschaft für dreieinhalb Jahre ins Gefängnis muss. Wie es der Zufall will, findet er seinen ersten Job nach dem Knast mitten in New York, bei der Renovierung eines Hauses im Brownstone-Viertel nahe der Park Avenue. Jenem Haus, in dem Heather mit Mark und Karen das Penthouse im zehnten Stock bewohnt.

Als er das schlaksige Mädchen mit den blauen Augen zum ersten Mal sieht, ist es, als habe ihn ein Blitz getroffen. «Bobby würde Heather besitzen, jeden Teil von ihr; sie beide würden in ihm eins werden, und er wäre der Anfang und das Ende von allem.» Die Kollision zweier Menschen, die sich unter normalen Umständen nie begegnet wären, ist ebenso unausweichlich wie das der beiden Lokomotiven, die auf demselben Gleis aufeinander zurasen. Kein Ausweichen möglich, das Verhängnis nimmt seinen Lauf.

Diese Extreme komponiert Matthew Weiner zu einem beklemmend guten Psycho-Kammerspiel. Wir erkennen Seite für Seite, dass die Breakstones eine Fassade aufgebaut habe, die sie nicht mehr aufrechthalten können. Wir merken, dass Bobby ein Mensch ist, der noch zu Regungen fähig ist. Durch seinen enormen Geruchsinn wird er auf Heather aufmerksam und ihm fällt sein Kaffee aus der Hand. Wie in der griechischen Tragödie gibt es kein Entrinnen mehr.
Matthew Weiners Erstling lebt von diesen engen Verstrickungen, den Verirrungen, Hoffnungen und der Angst vor dem Abgrund. Dazu braucht er nicht die Zutaten eines brutalen Thrillers. Er macht dies viel subtiler und sehr geschickt.
Mehr mag ich nicht verraten.

Leseprobe

Detelf Surreys Sonntagsskizze

Das „Rendez-Vous du Carnet de Voyage“ – die Messe der Reise-Skizzenbücher in Clermont-Ferrand fand dieses Jahr zum 17. Mal statt.
Drei Tage lang stellen Zeichner aus ganz Europa ihre Reiseskizzen im Centre Polydrome aus, Zeichnen zusammen, tauschen sich aus und treffen sich zum abendlichen Drink & Draw im Restaurant „1513“ unterhalb der beeindruckenden schwarzen Kathedrale.

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Hier klicken: Detlef Surreys Skizzenblog.

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