Heute haben Franziska von Reventlow * 1871 Bertrand Russell * 1872 Ernst Wiechert * 1887 Gunnar Gunnarsson * 1889 W.G.Sebald * 1944 Geburtstag _________________________________________
Rainer Maria Rilke Erste Rosen erwachen
Erste Rosen erwachen, und ihr Duften ist zag wie ein leisleises Lachen; flüchtig mit schwalbenflachen Flügeln streift es den Tag;
und wohin du langst, da ist alles noch Angst.
Jeder Schimmer ist scheu, und kein Klang ist noch zahm, und die Nacht ist zu neu, und die Schönheit ist Scham. _____________________________________
Genau vor einem Jahr, am 18.5.2022 haben wir hier auf dem Blog das Buch „Brauchbare Menschen“ von Magdalena Schrefel vorgestellt, in dem es um Arbeits- und Lebensbedingungen im Niedriglohnsektor geht. Und gestern ist mir diese Neuerscheinung in die Hände gefallen. Das Thema ist also immer noch mehr als aktuell.
Jana Costas: „Im Minus-Bereich“ Reinigungskräfte und ihr Kampf um Würde Aus dem Englischen von Richard Barth, Stephan Gebauer und Michael Müller Edition Suhrkamp € 20,00
Jana Costas hat sich einem Reinigungsteam am Potsdamer Platz angeschlossen. Unter dem glitzernden Komplex liegt der Minus-Bereich: vier Stockwerke mit labyrinthischen Gängen und fensterlosen Räumen. Dort ziehen sich Alex, Ali, Luisa und Marcel um, bevor sie Büros und Luxusapartments putzen. Jenseits aller Klischees ist diese Arbeit für sie auch eine Quelle des Stolzes. Costas schildert ihre Kämpfe um Würde, porträtiert eine expandierende Branche und holt so die oft unsichtbaren Beschäftigten in die Sichtbarkeit. Sie schreibt über das, was wir nicht sehen, denn morgens sind die Schreibtische in den Büros wieder sauber, die Toiletten wie von Zauberhand geputzt. Diese Unterwelt, dieser Minus-Bereich ist ein sehr lukrativer Industriezweig, der hauptsächlich in Deutschland möglichst unsichtbar auftritt. Jana Costas hat sich mit der Reinigungsfirma abgesprochen, ihren Mitmenschen gesagt, woher sie kommt und was sie vorhat und dann selbst Hand angelegt. „Watt, du bist Professorin? Steht das in deinem Perso? Zeich ma!“
Jana Costas, geboren 1982 studierte an der London School of Economics und promovierte an der Cambridge University. Seit 2014 hat sie eine Professur für Personal, Arbeit und Management an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder inne.
Heute haben Alphonse Daudet * 1840 Daphne du Maurier * 1907 Gregor von Rezzori * 1914 Adolf Muschg * 1934 Bruce Chatwin * 1940 Arminstead Maupin * 1944 Christopher Reid * 1949 Geburtstag. _________________________________________
„Proust, more perspicaciously than any other writer, reminds us that the ‚walks‘ of childhood form the raw material of our intelligence.“ Bruce Chatwin aus „Songlines“ _________________________________________
Also falls die Bahn mal wieder fährt und Sie entspannt mit der richtigen Wagenreihung und ohne Lokschaden in Berlin ankommen, dann nehmen Sie sich vielleicht dieses Taschenbuch mit und entdecken damit viel Unbekanntes in der großen Stadt. Mehr als 50 Inseln und fast 60 km² Wasserfläche besitzt Berlin, (grüne) Strände finden sich in allen Himmelsrichtungen und fast jedem Bezirk. Die Insel der Jugend, der Sandstrand von Valentinswerder, Inseln im Seddinsee und natürlich die Pfaueninsel. Die Autor:innen dieses Buches stellen auch die unzugänglichen Inseln vor, denn die vielen unter Naturschutz stehenden Bereiche sind trotz Zutrittsverbot alles andere als unbewohnt: Wildschweine rotten sich zum Insel-Hopping zusammen, Vogelchöre veranstalten Gesangswettbewerbe, und Fledermäuse besetzen in Berliner Manier leerstehende Gemäuer.
Montag, 15.Mai, 19 Uhr Dorthin gehen, wo die Parallelen sich schneiden Hotel Kleber Post, Die Gruppe 47 in Saulgau Texte & Resonanzen Mit der Herausgeberin Katrin Seglitz Bei uns in der Buchhandlung __________________________________________
Danke an alle Mitradelnde im Jastram-Team. Super viele Kilometer sind da schon zusammengekommen. Ich hänge mächtig hinterher, da ich zwei Wochen ohne Rad im Urlaub war. Aber: Ich strample ab jetzt hinterher. Und für alle anderen: Sie können immer noch mitmachen.
Heute haben Werner Bräuning * 1934 und Eva Demski * 1944 Geburtstag und Helene Weigel, Katherine Hepburn, Joseph Beuys ________________________________________
Theodor Körner
Ich denke dein im Morgenlicht des Maien, Im Sonnenglanz; Ich denke dein, wenn mich die Sterne freuen Am Himmelskranz.
Ich sorg‘ um dich, wenn in des Berges Wettern Der Donner lauscht; Du schwebst mir vor, wenn in den dunkeln Blättern Der Zephir rauscht.
Ich höre dich, wenn bei des Abends Gluten Die Lerche schwirrt; Ich denke dein, wenn durch des Deiches Fluten Der Nachen irrt.
Wir sind vereint, uns raubt der Tod vergebens Der Liebe Lust; O, laß mich ruhn, du Sonne meines Lebens, An deiner Brust! ___________________________________
Unser Buchtipp:
Karina Sainz Borgo: „Das dritte Land„ Aus dem Sapnischen von Angelica Ammar S.Fischer Verlag € 24,00
Angustias Romero flieht mit ihrem Mann und ihren beiden sieben Monate alten Zwillinge aus einem ungenannten Land über die Berge, um der Pest zu entkommen. Die Autorin stammt aus Venezuela und es liegt nahe, dass es sich um dieses Land handelt und die Seuche als Metapher für Willkür, Armut und Aussichtlosigkeit steht. Auf diesem 800 km langem Weg ins rettende Nachbarland sind sie, wie so viele andere, auf sich gestellt und Hitze, Staub, Gewalt, Hunger und Durst überleben viele der Geflüchteten nicht. So auch ihre beiden Kinder. An der Grenze unterhält Visitación Salazar einen illegalen Friedhof (Das dritte Land), in dem sie als Totengräberin diesen Gestorbenen einen Ort der Würde gibt. Hier endlich findet Angustias für die toten Zwillinge einen Ort. Sie beschließt, bei ihnen zu bleiben und die Totengräberin in ihrem Kampf zu unterstützen. Die Autorin schont uns beim Lesen nicht, schreibt über die Hoffnungsloskeit vieler Menschen, die nichts ausser ihr eigenes Leben haben und das wird ihnen oft genug von den wechselnden Machthabern, Todesbrigaden und marodirenden Banden zerstört, oder genommen. Hoffnung auf ein freies Leben, Kraft für Veränderungen kommen einzig und allein von Frauen, deren Lebenswille ein Zeichen für mehr Menschlichkeit ist. Ein Roman ohne Raum und Zeit, aber von einer krachenden Aktualität rund um den Globus.
Eine Buchpräsentation in Kooperation mit dem HfG-Archiv Ulm bei uns in der Buchhandlung. Montag, 15.Mai, 19 Uhr
Dorthin gehen, wo die Parallelen sich schneiden Hotel Kleber Post, Die Gruppe 47 in Saulgau Texte & Resonanzen Herausgeberin: Katrin Seglitz osbert+spenza Verlag € 24,00
Heute haben Claude Mariac * 1914 Albert Uderzo * 1927 José A.Valente * 1929 Per Gunnar Evander * 1933 Elfriede Czurda * 1946 Geburtstag _____________________________________
Adolf Schults (1820-1858) Tief und Hoch
Tief im dunklen Tann Vollbringt sein Werk der Zimmermann: Axtschläge hör ich dröhnen, Die Säge hör ich stöhnen: Wie drückt die Sorge so sehr, Wie ist das Leben so schwer!
Hoch über sonniger Au Jubelt die Lerche im Himmelsblau: Den Fittig seh ich sie schwingen, Ich höre sie jauchzen und singen: Wie herrlich ist’s hier in den Höhn, Das Leben wie leicht, wie schön! ______________________________________
FranziskaGrillmeier: „Die Insel„ Ein Bericht vom Ausnahmezustand an den Rändern Europas C.H.Beck Verlag € 24,00
Franziska Grillmeiers Aufzeichnungen erzählen detailliert und mit großem Einfühlungsvermögen vom Alltag an Europas Grenzen und vergegenwärtigen die systematischen Rechtsbrüche, die dort tagtäglich begangen werden. Ein genauso bewegender wie erschütternder Bericht über jene, deren Ausgrenzung nach ihrer Ankunft in Europa kein Ende nimmt, und über die unmenschliche Realität an den Rändern der Europäischen Union. Die Journalistin Franziska Grillmeier ist 2018 auf die griechische Insel Lesvos gezogen, wo sich zwischenzeitlich das größte Fluchtlager Europas befand. In ihrem Buch nimmt sie auch die Momente zwischen den Schlagzeilen in den Blick, taucht tief in die Lebenswirklichkeit der geflüchteten Menschen ein und zeigt, wie sie sich nach ihrer Ankunft in Europa erneuten Traumatisierungen widersetzen müssen. Grillmeier bewegt sich in Moria, in der Hafenstadt, im Norden der Insel und reist an weitere europäische Grenzorte, an denen die Systematik der Ausgrenzung ähnlich funktioniert. Im Mittelpunkt des Buches stehen die Geflüchteten selbst, die in zahllosen Gesprächen zu Wort kommen und deren Lebenswege erzählt werden. Die Autorin zeigt, was das Lagerleben mit einem Menschen macht – und reflektiert zugleich, wie das Inselleben auf sie selbst zurückwirkt: Während Grillmeier als Beobachterin aus freien Stücken kommen und gehen kann, endet dort für die Geflüchteten die Erzählung des offenen Europas. Auch die Kriminalisierung der humanitären Hilfe, der Abbau der Pressefreiheit, die Überlastung der Inselbewohner:innen und der Zynismus der Politik in Brüssel und Athen spielen eine zentrale Rolle. So zeichnet Grillmeier durch ihre stillen, doch eindringlichen Begegnungen ein erschütterndes Bild der Menschenrechtsverletzungen an den Rändern der Europäischen Union.
Bei der Lektüre des Buch steigt bei mir Wut auf. Wut über die Arbeit von PolitikerInnen in Berlin und in Brüssel, die mit Menschenleben spielen.
Dieser Zynismus wird mal wieder vom FDP Minister Wissing auf die Spitze getrieben.
Mehr als 25.000 Menschen sind in den vergangenen zehn Jahren im Mittelmeer ertrunken. Allein in diesem Jahr 2.400. Nicht zu vergessen die mehr als 60 Menschen, die vergangenen Sonntag vor der Küste Süd-Italiens gestorben sind. Die Ampel-Koalition will die zivile Seenotrettung stärken. Insgesamt erhält sie acht Millionnen Euro. Doch Verkehrsministerium Volker Wissing, der den Koalitionsvertrag mitunterschrieben hat, plant eine Änderung der Schiffsicherheitsverordnung. Damit wird die Arbeit der Ampel torpediert. Denn die damit einhergehenden Sicherheitsauflagen können Seenotrettungsschiffe kaum erfüllen. Sie bedeuten Umbauten, Versicherungshürden und erhebliche Mehrkosten. Im Koalitionsvertrag heißt es: „Die zivile Seenotrettung darf nicht behindert werden.“ Doch nichts anderes tut das Verkehrsministerium. Die Schiffe von Sea Watch, SOS Humanity und Sea Eye retten jedes Jahr Hunderte von Menschen und Volker Wissing arbeitet dagegen. Sein Arbeiten gegen Maßnahmen, um die anrollendes Klimakatastrophe abzumildern, sind ja schon schlimm genug. Dies jedoch ist menschenverachtend. Wie können Sie noch schlafen, Herr Wissing? Was sagen Sie Ihren Kindern und Enkelkindern? „How dare you!“, sagte Grete Thunberg und ich wiederhole dies gerne. „Wie können Sie es wagen!“
Hier geht es zu einem weiteren Bericht zu diesem Vorgehen und zu einer Petition:
Heute haben Karl Leberecht Immermann * 1796 Anthony Trollope * 1815 Sue Grafton * 1940 Geburtstag _______________________________________
Joseph von Eichendorff
Es steht ein Berg in Feuer In feurigem Morgenbrand, Und auf des Berges Spitze Ein Tannbaum überm Land.
Und auf dem höchsten Wipfel Steh ich und schau vom Baum, O Welt, du schöne Welt, du, Man sieht dich vor Blüten kaum! _________________________________________
Eine Entdeckung:
Michaela Vieser, Isaac Yuen: „Atlas der ungewöhnlichen Klänge„ Eine Reise zu den akustischen Wundern der Erde Knesebeck Verlag € 22,00
Was für eine Überraschung. Ich wollte nur mal eben kurz durch das Buch blättern und blieb hängen. Nebendran mein Telefon, um auf youtube die besprochenen Klänge zu finden. Unglaublich. So etwas habe ich noch ne gelesen und gehört. Erst jetzt entdecke ich, dass es einen Link zu Isaac Yuens Seite gibt, auf der viele Bild- und Hörbeispiel zu hören sind, verbunden mit einer Weltkarte, auf der die Orte vermerkt sind. Kann es sein, dass Fische, die nur 20 cm lang sind, so einen Höllenlärm machen? Ja, das klingt wirklich unwirklich. Der Echostein am Kleinen Tornowsee, östlich von Berlin, in dessen Nähe Bertold Brecht wohnte. Das Rauschen eines Weltraumteleskop, das Singen eines Gletschers, die Töne aus einem 12 km tiefen Loches. Klänge aus der Wüste und aus den Tiefen des Meeres. Und unglaublich viele Orte auf dieser Erde mehr. Mit diesem „Reiseführer“ lernen wir nicht nur die Augen auzumachen, sondern auch die Ohren zu spitzen. Gerne würde ich die Autorin nach Ulm holen. Ich denke, das würde ein ganz besonderer Abend werden.
Eine Übersicht über alle Orte und Hörbeispiele finden Sie hier.
Michaela Viesers Bücher, Dokumentarfilme und Radiofeatures erhielten zahlreiche Preise, u.a. 2019 Nature Writer bei der Jan-Michalski-Foundation, 2021 Stipendium Deutscher Preis für Nature Writing, seit 2022 Wave Writer bei der Okeanos Stiftung für das Meer. Sie verbindet in ihren Texten wissenschaftliche Fakten mit der eigenen Sinneswahrnehmung, spricht Japanisch und paddelt gerne durchs Oderschilf.
Isaac Yuens Kurzgeschichten und Essays erscheinen in Literaturmagazinen in den USA, Kanda und UK, als auch auf seinem Blog ekostories, der von über 600.000 Lesern besucht wird. Er war 2019 Writer-in-Residence der Jan Michalski Foundation und wurde 2022 mit dem Pushcart Prize ausgezeichnet. Seine Essaysammlung „Utter, Earth“ kombiniert Wort- und Weltspiele und erscheint 2023 bei West Virginia University Press.
Weitere Informationen zu Isaac Yuen finden Sie unter: https://ekostories.com/ ________________________________
Studie über Tempo 130 Tempolimit könnte der Wirtschaft nutzen
Ein Tempolimit auch auf deutschen Autobahnen käme einer neuen Studie zufolge nicht nur dem Klima zugute. Wissenschaftler haben ausgerechnet, welcher ökonomische Nutzen zu erwarten wäre. Ein Tempolimit von 130 Kilometern pro Stunde in Deutschland würde einer neuen Studie zufolge nicht nur dem Klimaschutz zugutekommen, sondern hätte auch einen erheblichen wirtschaftlichen Nutzen. Eine internationale Forschergruppe ermittelte sogenannte Wohlfahrtsgewinne von mindestens 950 Millionen Euro pro Jahr. Besonders ins Gewicht fallen würden – neben dem Klimaschutzeffekt und den damit verbundenen Einsparungen – der eingesparte Kraftstoff, weniger Unfälle, geringere Lieferketten-Kosten und Einsparungen bei der Infrastruktur, heißt es in der heute bekanntgewordenen Studie, die im Fachjournal „Ecological Economics“ veröffentlicht wurde. „Wir werden als Gesellschaft Kosten vermeiden können, die aufgrund eines gebremsten Klimawandels einfach nicht entstehen werden“, sagte Stefan Gössling, Mobilitätsforscher an der Linnaeus Universität in Kalmar in Schweden und Mitautor der Studie, im Interview mit tagesschau24 . …
Heute haben Kenneth Grahame * 1859 Heinar Kipphardt * 1922 Walter Jens * 1923 Juri Rytcheu * 1930 Jeffrey Eugenides * 1960 Geburtstag ___________________________________________
„Es gibt Leute, die bereit sind, die Freiheit zu schützen, bis nichts mehr von ihr übrig ist.“ Heinar Kipphardt ____________________________________________
Platz 1 der SWR Bestenliste März 2023
Friedrich Christian Delius: «Darling, it’s Dilius!» Erinnerungen mit großem A Rowohlt Verlag € 24,00
F.C.Delius war immer für eine Überraschung gut. Politisch, gesellschaftlich hat er sich mit seinen Texten eingemischt und das in seiner literarisch ruhigen, oft auch ironischen Art aufnotiert. Frühe Werkreportagen, wie bei Siemens, seine SPD Zeit mit Willy Brandt, das Erlebnis Fußball-Weltmeister zu werden und das am Sonntagnachmittag am Radio verfolgen zu können, die Flucht eines Mannes aus der DDR und seine Rückkehr, das Zittern des Papst beim Gebet in einer römischen Kirche und vieles vieles mehr, hat er in seinen (meist schmalen) Romanen veröffentlicht. 80 Jahre wäre er im Februar diesen Jahres geworden. Gestorben ist er im Frühjahr davor. Hinerlassen hat er uns eine Biographie in 300 Kapiteln, die alle mit einem Wort mit A in der Überschrift beginnen. Von „Abbey Road“, „Abendrot“, „Adorf“, „Adorno“, „Akte“, „Aktien“, „Altkanzler“, „Abstand“, „Anstand“, „Aufstand“ bis zu „Arroganz“ und „Azzurro“ geht die Reihe und dahinter verstecken sich poetische, gedankenscharfe, sehr perönliche Erinnerungen aus seinem Leben. Rom, Berlin, New York, Kindheit, Familie, Arbeit und Mitmenschen sind u.a. Themen darin und zeigen einen sehr klugen, zurückhaltenden Menschen und Autor, der versteht, uns zu unterhalten. Hi, Dilius, schade, dass es beim A geblieben ist. Was wäre es wohl für ein Buch geworden, wenn Sie den Buchstaben D ausgesucht hätten? Vielen Dank für diese Lebenserinnerung und Auf Wiedersehen.
Illustrationen von Demonstrierenden der Revolution im Iran vom 11.3.- 21.4.2023 täglich 9-18 Uhr, Sonntag bis 16 Uhr im Haus der Begegnung
Herzlich willkommen zur Vernissage: 11. März um 18.00 Uhr im Haus der Begegnung Bei der Vernissage wird es eine Liveschaltung zu der Künstlerin Naghmeh Jah aus Kanada geben und die Schauspielerin Jasmin Tabatabai spricht per Videobotschaft zur Situation im Iran.
Unter den politischen Slogans des Jahres 2022 dürfte jener aus dem Iran der bekannteste sein: „Frau, Leben, Freiheit“ riefen Tausende in den Straßen der Islamischen Republik. Auslöser der landesweiten Massendemonstrationen in Iran war der Tod der 22-jährigen iranischen Kurdin JînaMahsa Amini. Mittlerweile sind es Proteste von enormem Ausmaß, angeführt von Frauen, die unter Einsatz ihres Lebens ihre Stimme erheben gegen brutale Menschenrechtsverletzungen. Es ist demographisch die jüngste Widerstandsbewegung, die auch von mutigen Männern unterstützt wird. Mittlerweile gibt es ca. 19000 inhaftierte Demonstrierende und unzählige Ermordungen und Hinrichtungen. Die im Exil lebende iranische Künstlerin Frau Naghmeh Jah möchte diese mutigen Menschen, die entweder hingerichtet, ermordet, gefoltert oder inhaftiert wurden und werden ein unvergessliches Gesicht geben, indem sie tagesaktuell auf social Media kunstvolle Grafiken von ihnen veröffentlicht.
Veranstalter*innen: Diakonische Bezirksstelle, Iraniansofulm, Haus der Begegnung
Heute haben Johannes Reuchlin * 1355 Arthur Schopenhauer * 1788 Hugo Ball * 1886 Sean O’Faolain * 199 Jane Bowles * 1917 Danilo Kis * 1935 Arnon Grünberg* 1971 Geburtstag ___________________________________
„Mitgefühl ist die Grundlage der Moral.“ Arthur Schopenhauer ___________________________________ Unser Buchtipp:
Antonia Coenen und Philipp Juranek: „Vogel entdeckt – Herz verloren„ Über die Liebe zu Vögeln und wie du sie in dein Leben lässt 13 Vogelarten kennenlernen, beobachten und schützen Kosmos Verlag € 22,00
Bücher über Vögel kamen in den letzten Jahren wirklich viele heraus. Und nicht nur Bestimmungsbücher. Antonia Coenen und Philipp Juranek haben sich als Hobby-Ornithologen kennengelernt und sind mit ihrem Podcast „Gut zu Vögeln“ überaus erfolgreich. In ihrem Buch stellen sie uns ein paar Vogelarten vor, von denen ich die erste, der Ortolan, gar nicht kannte. Sehr liebevoll erzählen sie über ihre Vogelbeobachtungen, verweben diese mit persönlichen Erlebnissen und liefern mit dieser Mischung ein locker lesbares, sehr interessantes Sachbuch ab. Urlaub in Südfrankreich mit Freunden, Besonderheiten in ihrem Berufen als Filmemacher:in, über die Feldlerche auf dem Tempelhofer Feld in Berlin, Vögelbeobachten vom Balkon aus, über den Vogel in Opas Vogelkäfig in der Küche, über die vielen kleinen grünen Papageien in Köln und entlang des Rheins und natürlich darf der Spatz nicht fehlen. Von ihm gibt es sehr viele, so meinen wir, aber auch ihr Bestand hat sich sehr dezimiert. Vogel-Liebe mal etwas anders geschrieben, mit vielen handfesten Tipps, wie wir den Vögeln ein besseres Leben bieten können. Ein großes Lob für die Gestaltung des Buches.
Heute haben Anais Nin* 1903 W.H.Auden * 1907 Ljudmila Ulitzkaja * 1943 Hakan Nesser * 1950 Ha Jin * 1956 David Foster Wallace * 1962 Chuck Palahniuk * 1962 Geburtstag ____________________________________________
Wilhelm Busch
Auch uns, in ehren sei’s gesagt, Hat einst der Karneval behagt, Besonders und zu allermeist In einer Stadt, die München heißt. Wie reizend fand man dazumal Ein menschenwarmes Festlokal, Wie fleißig wurde über nacht Das Glas gefüllt und leer gemacht, Und gingen wir im Schnee zuhaus, War grad die frühe Meße aus, Dann konnten gleich die frömmsten Fraun Sich negativ an uns erbaun. Die Zeit verging, das Alter kam, Wir wurden sittsam, wurden zahm. Nun sehn wir zwar noch ziemlich gern Die Sach uns an, doch nur von fern (Ein Auge zu, Mundwinkel schief) Durch’s umgekehrte Perspektiv. ______________________________________________
Unser Buchtipp:
Claudia Kemfert: „Schockwellen„ Letzte Chance für sichere Energie und Frieden Campus Verlag € 26,00
Claudia Kemfert, Professorin für Energie an der Leuphana Universität in Lüneburg und Abteilungsleiterin für Energie, Verkehr und Umwelt am DIW in Berlin, Beraterin diverser Bundesregierungen, rechnet in ihrem neuen Buch „Schockwellen“ mit der deutschen Energiepolitik der letzten vier Jahrzehnten ab. Dabei lässt sie kein gutes Haar an unseren Politikern und einer Politikerin, die sich zu stark an Russland gebunden haben und gegen Mehrheiten in der EU trotzdem diesen Weg weiter fortgegangen sind. Was die Folgen sind, haben wir jetzt, nach dem Beginn des russichen Überfalls auf die Ukraine, erleben können. Als große Mahnerin auf allen Medienkanälen rechnete sie vor, was passiert, wenn Deutschland diese Energiepolitik weiter betreibt, was uns die Klimakatastrophe kosten wird und welchen Nutzen wir aus einem Ausstieg aus der fossilen Energiewirtschaft ziehen können. Die Politik entschied sich jedoch allermeist für den anderen Weg, der Russland in den letzten Jahren 100 Milliarden Euro eingebracht und für mehr Abhängigkeit gesorgt hat. Wie Wirtschaft, Energiewirtschaft, Politik, Klimakrise und die Gedankenwelt Putins eng miteinander verknüpft sind, dröselt Claudia Kemfert exakt auf, so dass ich aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen bin. Nach Maja Göpels: „Unsere Welt neu denken“ und Ulrike Hermanns „Das Ende des Kapitalismus“ ist es nun eine weitere Wissenschaftlerin, die Fakten auf den Tisch, die mahnt und warnt und von der Politik übergangen wird, wie zuletzt von Olaf Scholz, der in einem TV-Interview, nach dem Beginn des Russland-Überfalls, sich öffentlich gegen die Wissenschaft und für die Wirtschaft entschieden hat. Ein Muss, für alle, die sich für unser Zukunft interessieren und wissen wollen, wie es zu unserer Gegenwart gekommen ist.
Heute haben Annette Kolb * 1870 Gertrude Stein * 1874 Georg Trakl * 1887 Johannes Urzidil * 1896 Simone Weil * 1909 Richard Yates * 1926 Andrzej Szczypiorski * 1928 Paul Auster * 1947 Henning Mankell * 1948 Sarah Kane * 1971 Geburtstag _____________________________________
„Mit den Romanen ist es wie mit den Mahlzeiten: Wenn man sieht, wie sie zubereitet werden, kann einem der Appetit vergehen.“ Annette Kolb (1870-1967) _____________________________________
Unser Kinderbuchtipp:
Frank Schwieger (Text) und Friederike Ablang (Illustrationen): „Kinder unterm Hakenkreuz„ Wie wir den Nationalsozialismus erlebten dtv € 18,00 Kinderbuch ab 9 Jahren
Frank Schwieger hat schon eine ganze Reihe von Büchern über Helden der griechischen Mythologie geschrieben. Jetzt hat er sich zehn Biographien von Kindern herausgesucht, die das Dritte Reich und den Zweiten Weltkrieg ganz unterschiedlich erlebt haben. Diese Lebensgeschichten sind zwar von ihm ausgedacht, lehnen sich aber sehr stark an wahre Personen an. So beginnt er im Jahr 1933 mit Erna Opitz, die zu diesem Zeitpunkt 11 Jahre alt ist. Überschrieben ist die Geschichte mit: „Ein mutiges Kind“. Schwieger geht die Jahre durch, bis ins Frühjahr 1945. Hier stellt er uns Jana Svobodá vor, die zu Beginn des Kapitels 11 und am Ende 14 Jahre alt ist. Jana war in Auschwitz und Ravensbrück und spielt am Ende vor amerikanischen und russichen Soldaten zum Tanz auf ihrem Akkordeon. Flankiert werden diese Geschichten von Illustrationen, Fotos und vielen ausführlichen Sachtexten, die die historischen Hintergründe und wichtige Begriffe auf behutsame Art und Weise erklären. Wir können daraus lernen, wie wichtig Zivilcourage, Mut und gemeinsames Handeln gegen undemokratische Veränderungen sind.
Wale in Kasachstan? – Unterwegs als internationale Wahlbeobachterin Ökumenischer Abend mit Jana Bürgers Donnerstag, 09. Februar, 19 Uhr Gemeindehaus der Auferstehungskirche, Haslacher Weg 72
Gibt es Wale in Kasachstan? Nein, aber Wahlen. Und wenn die Regierung das möchte, dann kommen internationale Wahlbeobachterinnen und Wahlbeobachter, um zu schauen, ob die Abläufe mit eigenen Gesetzen und internationalen Standards übereinstimmen. Das geschieht nicht nur in Zentralasien, sondern fast auf der ganzen Welt, auch in Deutschland oder den USA. Jana Bürgers ist seit über 20 Jahren als Wahlbeobachterin im Einsatz, vor allem im Auftrag der OSZE in Russland, der Ukraine, auf dem Balkan, im Kaukasus, aber auch in den USA und für die EU in Kenia. Sie erzählt, was sie da während einer Woche als Kurzzeitbeobachterin macht und womit sechs bis acht Wochen ausgefüllt sind, wenn sie als LTO (Long term observer) unterwegs ist, wer das bezahlt und wo die Herausforderungen liegen.
Dienstag, 14.Februar, 19 Uhr bei uns in der Buchhandlung Jana Bürgers und ihre Zeit in der Ukraine Im Rahmen der „Winterhilfe für die Ukraine“ des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Im Anschluß Lyrik auf ukrainisch und deutsch
Gestern Abend im Stadthaus Ulm ________________________________________
Heute haben Daniel Casper von Lohenstein * 1635 William Somerset Maugham * 1874 Virginia Woolf * 1882 Eva Zeller * 1923 Silvio Blatter * 1946 Dzevad Karahasan * 1953 David Grossman * 1954 Alessandro Baricco * 1958 Geburtstag __________________________________________
Jung sein ist Glück und vergeht wie Dunst, jung bleiben ist mehr und ist eine Kunst. Friedrich Theodor Vischer __________________________________________
Jetzt neu als Taschenbuch:
Lana Bastašić: „Fang den Hasen„ Aus dem Bosnischen von Rebekka Zeinzinger Fischer Taschenbuch € 14,00
„Eine europäische Literatur, [die] vollbringt, was hervorragende Literatur vollbringen sollte – uns hoffen lassen, dass sich Wunder erfüllen. Lana Bastašićs Geschichten müssen erzählt werden.“ Saša Stanišić
Ausgezeichnet mit dem Literaturpreis der Europäischen Union 2020.
Eigentlich wollte ich hier schreiben, wie gut mir der Roman gefallen hat, wie er mich überrascht, überrollt und auf falsche Fährten gebracht hat. Ihnen die vielen tollen Besprechnungen zeigen, die es gab, als der Roman neu erschienen ist. Dann fällt mir auf der Seite des S.Fischer Verlages dieses Interview auf. Na, besser kann ich es doch gar nicht schreiben. Nehmen Sie sich die Zeit. Es lohnt sich.
Roadtrip ins Identitätskuddelmuddel
Lana Bastašić steht ihrer Lektorin Teresa Pütz Rede und Antwort zu ihrem international gefeierten Debütroman „Fang den Hasen“, der Bedeutung weiblicher Solidarität und ihrem Verhältnis zur zersplitterten jugoslawischen Heimat.
Wovon handelt dein Roman, welcher Hase will da gefangen werden – oder eben nicht? Und ohne das Ende vorwegzunehmen, was hat Dürers berühmte Hasenradierung damit zu tun?
An der Oberfläche handelt mein Roman von Lejla und Sara, zwei Kindheitsfreundinnen, die sich nach zwölf Jahren plötzlich wiedersehen und gemeinsam auf einen ziemlich verrückten Roadtrip durch den Balkan bis nach Wien gehen – um Armin zu finden, Lejlas Bruder, der damals in den Kriegswirren verschwand.
Tiefergehend handelt er vom Geschichtenerzählen und Erinnerungen: inwiefern wir eine andere Person und ihr Leben jemals verstehen und beschreiben können, und wie unsere Erinnerungen von ihr anders oder irreführend sein können. Den Hasen zu fangen bedeutet für mich die Suche danach, den anderen zu verstehen. Dürers Hase in der Albertina war dafür eine nützlicher Erzählschluss – der symbolhafte Hase in meinem Roman entwickelt sich von etwas Lebendigem zu etwas Starrem, zur Kunst, und damit zum Unsterblichen.
Mit Lejla und Sara begegnen wir zwei Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, und die trotzdem eine ganz besondere Freundschaft verbindet. Was bedeutet Freundschaft für dich persönlich, insbesondere unter Frauen?
Ich empfinde Freundschaft als etwas sehr Schönes, Komplexes und schwer zu Definierendes. Manchmal sind die Grenzen fließend, so dass es schwierig zu sagen ist, was Freundschaft eigentlich ist. In meinem Buch wollte ich einen Blick auf die Beziehung zwischen zwei Frauen werfen, die manchmal wie eine Freundschaft aussieht und dann wiederum sehr toxisch und zerstörerisch sein kann.
Für mich persönlich sind Frauenfreundschaften in der stark patriarchalischen Gesellschaft, in der ich aufgewachsen bin, und die uns gelehrt hat, uns gegenseitig als Konkurrentinnen zu betrachten, immer besonders wichtig gewesen. Ich glaube an weibliche Solidarität und die Praxis der Integration im Gegensatz zum patriarchalischen und kapitalistischen Drang andere zu bekämpfen und auszuschließen.
Wie war es im Bosnien der 90er aufzuwachsen? Warum hast du dein Heimatland verlassen, schreibst aber jetzt darüber – und lässt deine Erzählerin harte Worte dafür finden? An einer Stelle in deinem Roman vergleicht Sara Bosnien mit einer Frau, die von einem Mann vergewaltigt und zurückgelassen wird.
Für uns war es völlig normal, einfach weil wir nichts anderes kannten. Ich darf auch behaupten, dass ich eine privilegierte Kindheit hatte – ich war ein serbisches Mädchen, das in einer Stadt lebte, in der Serben die Mehrheit stellten. Meine Eltern waren zudem Zahnärzte, ich konnte mir Dinge leisten, die manchen meiner Freunde verwehrt blieben. Diese Privilegien wollte ich unter anderem in meinem Roman verdeutlichen. Mir ging es wie Sara, die im Gegensatz zu ihrer Freundin Lejla damals den ›richtigen‹ Nachnamen und die ›richtige‹ Religion hatte. Doch im Unterschied zu meiner Protagonistin habe ich mein Land erst mit 25 Jahren verlassen, um in Barcelona zu leben. Ich ging, weil ich fühlte, dass wenn ich im Nachkriegsbosnien – zerrissen von Nationalismus, Korruption und Hass – bleiben würde, ich zu einer bitteren und zornigen Person werden würde. Und dann wäre ich nicht imstande gewesen zu schreiben. Der jugoslawische Literaturnobelpreisträger Ivo Andrić hat einmal gesagt: Ein Mann, der nicht hassen kann und sich entscheidet, nicht zu hassen, wird immer ein Fremder in Bosnien sein. Dennoch ist meine Beziehung zu Bosnien nicht so düster, nicht so bitter wie die meiner Erzählerin. Ich kehre immer wieder zurück in meine Heimat, schreibe in meiner Muttersprache. Aber ja, ich musste zuerst aus bosnischen Denkmustern ausbrechen. Ich brauchte die Distanz, um meinen Roman zu schreiben.
Dein Roman erschien zuerst in einer bosnischen und kroatischen Ausgabe. Von dir kursieren ganz unterschiedliche Biographieangaben, die alle versuchen, deine Nationalität und Muttersprache einzukreisen: Jugoslawisch, Bosnisch, Serbisch, Kroatisch, Montenegrinisch, Serbokroatisch? Würdest du für uns etwas Licht ins Dunkel bringen?
Meine Freundin und Schriftstellerin Dubravka Ugrešić sagte einmal zu mir, dass ich »die letzte jugoslawische Autorin« sei. Damit meinte sie, dass ich zu einer jüngeren Generation gehöre, aber mein Hintergrund so kompliziert ist, dass nur dieses allumfassende Adjektiv es festnageln kann: jugoslawisch. Meine Familie war serbisch, aber wie viele Serben lebten wir in Kroatien. Die Sprache ist die gleiche, nur die Religion eine andere.
Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre war der Nationalismus überall auf dem Vormarsch, auch in Kroatien. An Kiosken wurden Dosen verkauft, die »reine kroatische Luft« beinhalten (Ugrešić schreibt darüber in einer ihrer Essays). Mein Vater verlor seine Arbeit und auf uns wurde Druck ausgeübt, Zagreb zu verlassen. Das taten wir dann auch. Wir zogen nach Bosnien, und mein Bruder und ich blieben bei unseren Großeltern auf dem Land, bis unsere Eltern Arbeit fanden. Jeder glaubte, dass das Ganze schnell vorbei gehen würde. Dann aber begann der Krieg und wir blieben in Banja Luka. Nur hatte sich das Blatt jetzt gewendet: plötzlich waren wir die Mehrheit und die nicht-serbische Bevölkerung wurde niedergemetzelt, vergewaltigt und ins Exil geschickt.
Die Sprache, die in Bosnien, Kroatien, Serbien und Montenegro gesprochen wird, wurde ursprünglich einmal als Serbokroatisch bezeichnet. Serbokroatisch haben meine Eltern in der Schule gelernt. Nach dem Zerfall Jugoslawiens und durch den Krieg wollten diese Länder nichts miteinander zu tun haben. Plötzlich wurden Serbisch und Kroatisch zwei unterschiedliche Sprachen. Vielleicht kann man sich das wie Deutsch, Schweizerdeutsch und Österreichisch vorstellen, wenn diese Länder in den Krieg miteinander gezogen wären? Zur gleichen Zeit tauchten zwei neue Sprachen auf, die vorher nicht existiert hatten: Bosnisch und Montenegrinisch. Für einige von uns war das seltsam, wir waren an diese Namen nicht gewöhnt. Im Grunde passierte es also, dass Politik und Nationalismus wichtiger als Sprache und Verstand wurden. Die Wahrheit ist, niemand braucht einen Übersetzer, wenn Menschen aus diesen vier Ländern miteinander sprechen. Aus diesem Grund bevorzuge ich, meine Sprache Serbokroatisch zu nennen, auch wenn ich weiß, dass sie nicht mehr geführt wird – aber sie verdeutlicht mir einfach, dass Sprache keine nationalen Grenzen kennt.
Was bedeutet Heimat für dich als eine Autorin, die ständig unterwegs ist?
Ich habe nur ein Zuhause und das ist die Literatur. Das klingt schmalzig, ist aber wahr. Es ist meine Republik, die ich mit meinen Schriftstellerkolleg*innen teile. Ich sage das nicht, weil ich romantisch bin. Ich sage das, weil ich in einem Land geboren bin, das nicht länger existiert, ich eine Sprache gelernt habe, die nicht länger existiert, und nun habe ich drei verschiedene Nationalitäten. Ich habe also sehr früh verstanden, dass Nationen recht beliebig sind, und dass meine Heimat etwas Größeres sein muss als ein Reihe Koordinaten. Ich bin sehr oft umgezogen und ich reise viel, aber die eine Konstante in meinem Leben, die nie ihre Bedeutung verliert, ist die Literatur.
Welche Bedeutung hat der Literaturpreis der Europäischen Union für dich, mit dem du letztes Jahr ausgezeichnet wurdest? Welche Erfahrungen machst du generell als Autorin im Literaturbetrieb?
Dieser Preis hat mir sehr viel bedeutet, auch weil ich ihn mit zwölf anderen europäischen Preisträgern teile und das Gefühl hatte, zu einer Gemeinschaft zu gehören, die größer ist als die der serbischen und bosnischen Autor*innen. Frauen werden im Balkan kaum ausgezeichnet, oder überhaupt nominiert. Wir müssen dreimal so hart arbeiten und uns und unseren Platz in der Literaturwelt ständig rechtfertigen. Uns lässt man keine mittelmäßigen oder schlechten Bücher durchgehen – wir müssen Meisterwerke schreiben, um einen Platz an der Tafel zu ergattern. Das ist so ungerecht und leider immer noch allzu sehr Realität. Für mich persönlich bedeutete der Literaturpreis und alle Übersetzungen, die daraus folgten, dass ich woanders akzeptiert werden konnte, dass ich jetzt aufstehen kann und sagen: »Ich bin eine Schriftstellerin«. Ich verstehe heute, dass der sexistische Literaturbetrieb, aus dem ich komme, nur ein winziger Teil einer viel größeren, viel offeneren Gemeinschaft ist.
Was möchtest du Leser*innen zum Schluss mit auf dem Weg geben?
Ich wünsche mir, dass sie sich generell für Bosnien und die Literatur des Balkans interessieren. Mir ist bewusst, dass das, was sie bisher aus Bosnien bekommen, immer nur typische Kriegsgeschichten mit Helden, Bösewichten und Opfern sind. Daher hoffe ich, dass mein Roman sie einen Blick auf die Frauen und jungen Mädchen werfen lässt, die in meiner Heimat aufgewachsen sind und die sich von früh an mit diesem Identitätskuddelmuddel auseinandersetzen mussten. Schlussendlich hoffe ich, sie können sich mit dem ganz universellen Thema identifizieren, dass wir stets bemüht sind, unsere Leben in Geschichten zu verwandeln, dass wir alle versuchen, uns auf die eine oder andere Weise unsterblich zu machen.
Die Bundesregierung soll sich wegen mutmaßlichen Verstoßes gegen die gesetzlichen Klimaziele vor Gericht verantworten. Einem Zeitungsbericht zufolge reichte der Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland Klage gegen die Regierung ein. Er verklagt die Bundesregierung wegen Verfehlung der Klimaziele in den Bereichen Verkehr und Gebäude. Das berichtet unter anderem die „Süddeutsche Zeitung“. Der BUND verlangt in seiner beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingereichten Klage den Beschluss von Sofortprogrammen, wie sie das Klimaschutzgesetz vorsieht. …