Heute haben
Truman Capote + 1921
Dorothee Sölle * 1929
Jurek Becker * 1937
Geburtstag
__________________________
Mein Buchtipp für den Wochenanfang, der Sie noch länger
nach dem Lesen beschäftigen wird.
Carl Nixon: „Settlers Creek„
Weidle Verlag € 23,00
Das sind noch schöne Bücher. Stefan Weidle hat den Roman aus dem Englischen übersetzt und Friedrich Forssmann ist für den Satz zuständig. Zu Beginn gibt es noch ein paar farbige Fotos von Stephanie Nixon. Dazu noch gutes Papier, festgebunden und Schutzumschlag, der matt sehr prima in der Hand liegt.
„Settlers Creek“ ist Carl Nixons dritter Roman. Carl Nixon lebt und arbeitet in Christchurch in Neuseeland und hat sich mit seinen Arbeiten diesem Land und seinen Menschen verschrieben. In seinem Vorgängerbuch: „Rocking Horse Road“ ging es auch schon um den Verlust von Illusionen von Jugendlichen. Der Roman stand vier Monate auf der KrimiZEIT-Bestenliste und führte sie auch an.
Diesmal geht es um den Kampf zwischen den Maori und den weißen Nachkommen der Siedler. Carl Nixon zeigt dies exemplarischen an Box Saxton (ja wirklich Box, wie die Schachtel. Dieser Gag kommt mehrfach im Buch), der schon bessere Zeiten gesehen hat. Er war Immobilienmakler, Bauunternehmer. Besaß Häuser, hatte Angestellte und gute Autos. Die Wirtschaftskrise in Neuseeland hat auch ihn und seine Familie erfasst. Sie wohnen in einem ärmlichen Haus, seine Frau arbeitet und er ist auf Montage und nagelt Dächer auf Schulen. Die Familie Nixon hat zwei Kinder. Mark, aus erster Ehe seiner Frau, und Esther. Beide Kinder mussten die bessere Schule, aus Geldmangel, verlassen und sie sind nun auf einer normalen Regelschule. Der Roman beginnt damit, dass ein alter Mann früh morgens die Leiche von Mark in einem Baum hängend findet. Fein säuberlich hat er seine Kleider auf dem Boden gefaltet und gestapelt. Nackt dreht er sich im Wind wie eine Schaufensterpuppe. Als Box die Nachricht am Handy erreicht, bricht eine Welt für ihn zusammen. Mark ist nicht sein leiblicher Sohn, ist halb Maori und Box liebt ihn mit allem, was er hat. Sein leiblicher Vater Tipene Pitama hat Mark seit dessen zweitem Lebensjahr nicht mehr gesehen und besucht. Carl Nixon schildert sehr feinfühlig und warmherzig diese Restfamilie und wie sie sich auf die Beerdigung ihres Sohnes vorbereiten. Schön ist die Szene, als sie Mark im Leichenschauhaus besuchen, ihn waschen und ankleiden. Es kommt zu einer witzigen Situation, in der beide beginnen Tränen zu lachen. Kurz darauf ist das Wohnzimmer der Nixons voll mit Maori. Tipene ist mit 17 anderen gekommen, um den Tod des Stammesangehörigen zu betrauern. Es kommt zum Treffen der beiden Männer, der beiden Kontrahenten, der beiden Welten. Ein kräftiger Händedruck scheint die Dinge zu klären. Nun passiert das Unbegreifliche: Maori rauben den Leichman um ihn auf Stammesgelände nach ihren eigenen Ritualen zu beerdigen und ihn nicht hier auf dem Friedhof bei all den anderen Nixons zu wissen. Aus dem Trauerbuch wird ein Einemannfeldzug. Clint Eastwood wird erwähnt und so kann man sich das auch vorstellen. Aber bitte, betrachten Sie das Buch nicht als Krimi, obwohl das schon ein paar mal so behauptet worden ist. Carl Nixon hat dafür für sein Personal viel zu viel Empathie. Box zieht also seinerseits los, um seinen Sohn wieder zurückzuholen. Aber sein Leben ist schon ordentlich in Schräglage. Der Tod des Sohnes machte dies nicht besser und auf dieser Tour führt er sich auf, wie ein typischer weisser Siedler, der auf sein Recht pocht, der Gewalt in die friedliche Maorigemeinschaft bringt und für ordentlich Unruhe sorgt. Die Maori haben, im Gegensatz zu ihm die wirtschaftlcihe Krise gut überstanden, organisieren Delphin-Ausfahrten und stehen wirtschaftlich auf soliden Beinen. Box bricht in diese Welt ein, eckt überall an, säuft, provoziert, prügelt und wird verprügelt. Er ist auf der Suche nach seinem Sohn, dies ist sein einziges Ziel. Der Rest ist ihm egal. Er findet ihn und es beginnt eine weitere Odyssee auf den Straßen durch die Nacht. Irgendwie hält Carl Nixon seine schützende Hand über Box und uns bleibt nur zu hoffen, dass er ihn gut ausstaffiert, und er seinen Sturz gut überlebt. Ich mag gar nicht mehr über den Roman schreiben, der nach gut 300 Seiten ein sehr besonderes Ende findet.
Was überhaupt keine Rolle spielt ist: Warum hat sich Mark überhaupt umgebracht? Was waren seine Beweggründe? Dies wird mit keiner Zeile erwähnt. In einem Gespräch zwischen den beiden Männern, erwähnt Tipene einmal, dass die Mutter des Jungen ihm nie erlaubt hat seinen Sohn zu treffen, zu besuchen. Dies überhört Box jedoch und es findet auch keine Weiterführung im Roman. Diese wichtigen Punkte allein wären einen Roman wert. Carl Nixon ist dies jedoch nicht wichtig. Es geht nur um die Beerdigung des Jungen und das eigene Rechthaben. Ein sehr starker Roman, der aufgebaut ist wie ein krimi, sich Zitate aus Clint Eastwood-Filmen erlaubt, und doch voller Liebe dem Absturz eines Mannes widmet. Ich wünsche ihm viele LeserInnen.
___________________________
Nicht vergessen.
Morgen, Dienstag 19 Uhr.
Jastrams „Erste Seite“ mit Clemens Grote.
Eine Stunde, vier neue Romane.
Eintritt frei.
___________________________