Samstag, 5.März

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Heute haben
Pier Paolo Pasolini * 1922
Mo Yan * 1955 (Nobelpreis 2012)
Geburtstag.
Aber auch Rosa Luxemburg.
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Unser Tipp des Tages:

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Jenny Valentine:Durchs Feuer
Aus dem Englischen von Klaus Fritz
dtv € 14,95
E-Book € 12,99
Fire Colour One“ € 11,99

Lange musste ich auf den neuen Jugendroman von Jenny Valentine warten. Das hat wohl auch den Grund, dass sie und ihr Vater ein Jahr lang schwer krank waren. Er ist gestorben, sie hat überlebt. Am Grab bemerkte sie, wie gut sie ihren Vater kannte und wie fremd er ihr doch in vielen Dingen war. Sie wollte kein Buch über ihn schreiben, ein Junge sollte im Mittelpunkt stehen. Aber immer mehr drängelte sich Iris in den Mittelpunkt und dann taucht auch noch ein unbekannter, schwer kranker Vater auf, der im Sterben liegt.
Jenny Valentines Vater beschwerte sich, dass in ihren Romanen keine Väter vorkämen. „Womit haben ich das verdient.“, pflegte er zu sagen. „Für meinen Vater“, schreibt Jenny Valentine als Widmung ins neue Buch.

Jenny Valentine ist bekannt durch ihre frechen, witzigen Jugendbücher. Herzhaft lachen kann man auch über die Kiki-Reihe für Kleinere. Auch hier legt sie sofort los, bastelt ihre Personen zu einer gute Mischung zusammen. Im Mittelpunkt steht Iris, die mit sich und ihrer Umgebung nicht wirklich im Reinen ist. Ihre leibliche Mutter ist eine Barbiepuppe, äußerlich und auch im Kopf. Ihr Stiefvater ein verkrachter TV-Serien-Darsteller. Iris zündelt gerne und hat dadurch auch immer wieder Probleme mit der Feuerwehr, der Polizei und stellt sich damit selbst ins Abseits. Als sie von ihrem leiblichen Vater Ernest erfährt, nimmt die Geschichte so richtig Fahrt auf.
Den Eltern möchte man gerne eine scheuern, aber wir lachen beim Lesen lieber über sie. Iris‘ Vater dagegen ist aus ganz anderem Holz geschnitzt und steht als Gegenpol zu diesen hohlen Fassaden. Hier übertreibt Jenny ein wenig, zeichnet zu klischeehaft und ich dachte schon, …. jetzt aber. Doch genau in diesem Moment, wie wenn sie es gespürt hätte, dreht sie an der Einstellschraube und lässt diesen Roman in einem fulminanten Show Down enden. Selten so einen Schluss gelesen. Immer wenn wir meinen, ja, jetzt bekommt ihre geldgierige Mutter noch eins drauf, zieht Jenny Valentine eine weitere Schublade auf und zündet ein nächstes Feuerwerk. Aber damit nicht genug.
Lassen Sie sich überraschen.
Ein ideales Lesefutter, das Kinder wahrscheinlich in einem Rutsch durchlesen und, ich vermute schwer, gleich noch einmal durchblöättern, weil sie beim schnellen Reinfressen, das eine oder andere übersehen haben.

Der dtv Verlag veröffentlichte auf seiner Homepage ein Interview mit der Autorin, das ich hier wiedergebe.

Interview

Frau Valentine, wie sieht für Sie der perfekte Platz zum Schreiben aus?

Das Gute beim Schreiben ist, dass man es überall machen kann. Zu Hause habe ich ein wunderbares Arbeitszimmer mit Holzofen. Im Sommer arbeite ich oft in einem umfunktionierten Pferdeanhänger im Garten. Manchmal schreibe ich aber auch einfach im Bett. Wenn ich auf Reisen bin, kann ich auch gut im Zug arbeiten. Allerdings ist der Ort für mich gar nicht so wichtig. Vielmehr kommt es auf die richtige Stimmung an. Wenn ich mir über etwas sorgen machen oder wenn ich abgelenkt bin, ist es egal wo ich bin – ich bekomm einfach nichts auf Papier.

Sie sind nicht bekannt für typische Teenager-Lovestorys. Auch Ihr neuer Roman ›Durchs Feuer‹ ist tiefgründig und entwickelt gleichzeitig einen Sog, dem man sich als Leser nicht entziehen kann. Wie schaffen Sie es Themen wie Tod, Verlust, aber auch Lebenslust und Komik in einem Buch unterzubringen?

Stimmt, ich bin Liebesgeschichten bislang aus dem Weg gegangen. Jetzt reizt es mich aber doch, eine zu schreiben. Es ist ziemlich schwierig, dabei nicht zu kitschig zu klingen und nicht ins Klischee von der ewigen Liebe und dem Happy End abzudriften, zumal ich selber gar nicht daran glaube. Davor habe ich wirklich Angst. Ehrlich? Tod, Verlust, Lebensfreude und Humor sind im wahren Leben eng miteinander vereint. Daher ist es eigentlich kein so großer Kunstgriff, sie alle zusammen in einem Buch unterzubringen.

Die Tiefe Ihres Romans entsteht besonders durch die Dialoge zwischen der Hauptprotagonistin Iris und ihrem Vater Ernest. Sie sind oft tieftraurig und komisch zugleich. Ist Trauer und Glück für Sie kein Gegenteil?

Es ist nicht so, dass ich glaube, dass Glück und Trauer keine Unterschiede sind – allein weil sie sich so unterschiedlich anfühlen. Aber ich denke, dass Glück und Trauer für jeden sehr nah beieinander liegen.

Das Element Feuer ist ein wichtiger Eckpfeiler Ihres neuen Romans. Welche Symbolkraft steckt hinter der zündelnden Iris?

Ich denke, Iris ist besessen von Feuer, da sie so viel Wut in sich trägt und gleichzeitig so wenig Kontrolle über die Ereignisse in ihrem Leben hat. Das Zündeln fühlt sich für sie an wie ein inneres Aufräumen und wie ein Neubeginn – ein Ausdruck von Zorn und Neustart zugleich. Ich habe gar nicht so viel darüber nachgedacht, als ich das Buch geschrieben habe. Wir leben in einem relativ kalten Haus und verbringen viel Zeit damit, das Kaminfeuer zu schüren und in die Flammen zuschauen. Daher kam wohl die Idee mit dem Feuer.

Ein anderes wichtiges Thema in Ihrem neuen Buch ist die Kunst. Welche Rolle spielt die Kunst in Ihrem Leben?

Für mich handelt die Geschichte von der Macht der Kunst. Kunst kann uns verändern – manchmal für immer, manchmal für ein paar Sekunden. Es geht um die magische Energie, die die Kunst beim Schaffen und auch beim Betrachten besitzt. Iris Freund Thurston etwa ist Künstler, der genau für diese magische Energie lebt. Er leistet Unmögliches, um Augenblicke wieder greifbar zu machen, er kreiert Szenen und sprayt auf Wände und leerstehende Schwimmbecken.
Kunst bedeutet für mich, im Hier und Jetzt zu leben. Wenn ich schreibe, lese, Filme schaue, Musik höre oder eben vor einem Kunstwerk stehe, versuche ich bewusst nicht zu denken, um einfach in diese Magie einzutauchen. Alles ist fließend und gleichzeitig immer verfügbar – eigentlich genau wie das Leben selbst.

Haben Sie beim Schreiben einen bestimmten Leser im Hinterkopf oder konzentrieren Sie sich ganz auf die Story?

NIE! Ich denke nicht an den Leser oder das ich die Schriftstellerin bin. Ich versuche einfach in der Geschichte zu verschwinden.

Was wollen Sie mit dem Buch Ihren Leserinnen und Leser mit auf den Weg geben?

Keine Message. Einfach eine gute Geschichte.

Leseprobe
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Ein halbes Jahr Sonntagsskizzen von Detlef Surrey.
Tätäääää!

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Die 26sten Sonntagsskizzen führen nach Bremen.
Die Stadt mag ich sehr gerne.
Am Wochenende werde ich auch dort sein.

samstag

Das 23.Türchen vom Besten das Beste

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Heute haben
Martin Opitz * 1597
Albert Ehrenstein * 1886
Friedrich Wolf * 1888
Giuseppe Tomasi di Lampedusa * 1896
Donna Tartt * 1963
Geburtstag
und Helmut Schmidt wäre heute 97 geworden.

„Natürlich hat Kernkraft ihre Risiken. Es gibt aber keine Energie und nichts auf der Welt ohne Risiken, nicht einmal die Liebe.“
Helmut Schmidt
(Da gebe ich dem alten Herren nur zur Hälfte recht.)

Martin Opitz: Ach liebste laß uns eilen

Ach liebste laß uns eilen
Wir haben Zeit
Es schadet das verweilen
Uns beyderseit.
Der Edlen Schönheit Gaben
Fliehen fuß für fuß:
Daß alles was wir haben
Verschwinden muß.
Der Wangen Ziehr verbleichet
Das Haar wird greiß
Der Augen Feuer weichet
Die Brunst wird Eiß.
Das Mündlein von Corallen
Wird umgestalt
Die Händ’ als Schnee verfallen
Und du wirst alt.
Drumb laß uns jetzt geniessen
Der Jugend Frucht
Eh’ wir folgen müssen
Der Jahre Flucht.
Wo du dich selber liebest
So liebe mich
Gieb mir das wann du giebest
Verlier auch ich.

An diß Buch

So wiltu dennoch jetzt auß meinen Händen scheiden
Du kleines Buch vnnd auch mit andern seyn veracht?
Gewiß du weissest nicht wie hönisch man jetzt lacht /
Wie schwerlich sey der Welt Spitzfindigkeit zu meiden.
Es muß ein jeglich Ding der Menschen Vrtheil leiden /
Vnd / ob es tauglich sey / steht nicht in seiner Macht;
Der meiste Theil ist doch auff schmähen nur bedacht /
Vnd denckt was er nicht kan / dasselbe muß’ er neiden.
Noch dennoch (daß du nicht so offt’ vnd viel von mir
Auffs newe dulden dürffst daß ich dich nehme für)
Muß ich dir loß zu seyn vnd außzugehn erleuben.
So ziehe nun nur hin / weils ja dir so gefellt /
Vnd nimb dein Vrtheil an / zieh’ hin / zieh’ in die Welt;
Du hettest aber wol zu Hause können bleiben.

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Für alle Kurzentschlossenen eine kleine Auswahl aus Büchern, die in unserem Buchladen vorrätig sind.
Heute noch bis 18 Uhr, morgen bis 13 Uhr und dann ist Schluss.
Wir freuen uns alle auf die freien Tage, die folgen, um uns zu erholen und bei nächster Gelegenheit (Montag, 28.12.) sind wir wieder für Sie da.
Vielen Dank, dass Sie bei uns einkaufen und den unabhängigen, lokalen (Buch)handel unterstützen.

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Niklas Maak: “Wohnkomplex”
Warum wir ander Häuser brauchen
Hanser Verlag € 21,90

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Andreas Maier: “Der Ort”
Suhrkamp Verlag € 17,95

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Davide Longo: “Der Fall Bramard”
Aus dem Italienischen von Barbara Kleiner
Rowohlt Verlag € 19,95
eBook € 16,99

glück

Bobbie Pyron: “Plötzlich Glückspilz”
Aus dem Amerikanischen von Gerda Bean
Thienemann Verlag € 12,99
als eBook € 9,99
Kinderbuch ab 10 Jahren

Rheinpfalz neu 700

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Ralf Rothmann: “Im Frühling sterben”
Suhrkamp Verlag € 19,95
Auch als eBook erhältlich
Hörbuch 6 CDs, 450 Minuten € 19,99
Gelesen von Thomas Sarbacher

Nacht

Matthias Morgenroth: “Freunde der Nacht”
Mit Illustrationen von Regina Kehn
dtv, fest gebundenen € 14,95
Kinderbuch ab 10 Jahren

1 food
“Food Trucks” herausgegeben von Toby Binder, Gabriela Herpell,
Birthe Steinbeck, Nicola von Velsen

Kreative Küche auf Rädern
Prestel Verlag € 29,95

Einband

Rian Visser, Noëlle Smit: “Theodor trödelt”
Aus dem Niederländischen von Meike Blatnik
Tulipan Verlag 12,90
Bilderbuch ab 4 Jahren

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Wolfgang Herrndorf: “Gesamtausgabe”
Rowohlt Verlag € 49,95

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810 Minuten auf 11 CDs für € 29,95
oder auf 2 MP3-CDs für € 16,95

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Buecher_ueber_Nacht

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Linda Sarah / Benji Davies: “Beste Freunde”
Aus dem Englischen von Johanna Hohnhold
Aladin Verlag € 12,90
Bilderbuch ab 4 Jahren

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Thilo Bode: “Die Freihandelslüge”
Warum TTIP nur den Konzernen nützt – und uns allen schadet
Mitarbeit von Stefan Scheytt
DVA € 14,99
als eBook € 11,99

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Jami Attenberg: “Saint Mazie”
Grand Central Publ. / Hachette

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Montag

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Die Kröten sind wieder da und im Teich wimmelt es von ihnen.
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Heute haben
Alexander Roda Roda * 1872
Samuel Beckett * 1906
Stephan Hermlin * 1915
Seamus Heaney * 1939
Zeruya Shalev * 1959
Geburtstag
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Barbara Honigmann: „Chronik meiner Straße“
Hanser Verlag € 16,69
Als eBook € 12,99

Barbara Honigmann verließ mit ihrer Familie 1984 die DDR und zog Richtung Westen. Und zwar gleich soweit, dass sie zwar aus Deutschland rausging und in Frankreich landete. Allerdings dort ganz im Osten, in Straßburg und da auch im Osten, wiederum in Richtung Deutschland. Sie fanden eine Bleibe in der Rue Edel, eigentlich ein Profisorium, wie sie immer wieder im Buch betont, eine Straße für den Anfang. Wenn dann mal alle Koffer ausgepackt sind, dann würden sie sich etwas Besseres suchen. Mittweile leben sie seit 30 Jahren in der gleichen Straße, im gleichen Haus, dem Zweithäßlichsten. Das Hässlichste steht gegenüber und gehört der Telekom. Es sind immer noch nicht alle Koffer ausgepackt, die Kinder sind längst aus dem Haus, aber das Ehepaar Honigmann zieht wohl nicht mehr aus. Obwohl? Eine Grabstätte haben sie sich schon gekauft. Es war ein Schnäppchen, wie ihr Mann meinte. 30 Jahre sind eine lange Zeit, eine Generation und Barbara Honigmann kann viel berichten über die Straße des Anfangs, die eingezwängt zwischen Schulen und großen Alleen liegt und an der man sicherlich nicht vorbeikommt, wenn man Straßburg einen Besuch abstattet. Naja, jetzt vielleicht.
Sie berichtet über die Menschen auf der Straße, die sie von ihrem Schreibtisch aus beobachtet. Sie erzählt Begebenheiten mit Menschen, die aufgetaucht und wieder verschwunden sind. Von Menschen, mit denen sie eine enge Beziehung einging und sie dann tragischerweise wieder verlor. Es gab drei jüdische Witwen, denen sie half Eingaben zur Wiedergutmachung zu schreiben, mit denen sie zu Anwälten und Behörden ging. Es gibt die Jungen auf der Straßen, mit den Kapuzen, die trinken und laute Musik hören. Es gibt die komplett verschleierten Frauen, die meist im Pulk auftreten und den gesamten Gehweg beanspruchen, so dass ihr nur die Flucht auf die Straße bleibt. Kommt jedoch ein dazugehörender Mann, bilden sie schnell eine Gasse, durch die er elegant gleiten kann. Es gibt den Verrückten, der sein nacktes Hinterteil zum Balkon hinaushängt und die Besitzer, der kleinen Läden, die eröffnen und plötzlich wieder geschlossen, oder weiterverkauft sind. Jahrelang trifft sie einen grantigen, stillen Mann, der oft stundenlang an einem alten Mercedes schraubt. Mit laufenden Motor und lauter Musik. Erst als ihr Mann ihn provozierend oft grüßt, fängt er an seine traurige Geschichte zu erzählen. Barbara Honigmann erzählt die Geschichten der einfachen Menschen aus verschiedenen Nationalitäten, ohne auf dem Begriff Multikulti herumzureiten, der auch hier in ihrer Straße nicht existent ist. Neu dazugekommen ist eine neue Nationalität, die sie nicht zuordnen kann. Sie tauchen mit fetten Autos auf, die sie nicht einparken, sondern auf der Straße abstellen. Die Motoren laufen, die Radios brüllen. Die dazugehörenden Typen könnten einem Mafiafilm entsprungen sein und die Damen stolzieren geschickt mit ihren High-Heels zu den passenden Schlitten. So plötzlich, wie er aufgetaucht ist, verschwindet der Convoi und es herrscht wieder Ruhe in der Straße.
Ich könnte noch viele Episoden aus dem Roman erzählen, möchte aber, dass Sie das Buch lesen und sich dabei genau so wohlfühlen, unterhaltenlassen, wie es mir ergangen ist.
Die „Chronik meiner Straße“ ist sicherlich nicht die große Literatur, aber eine gekonnte literarische Verarbeitung ihrer 30 Jahre in Frankreich, im gleichen Haus, in der selben Straße, in der Hoffnungen auftauchen, Träume verfliegen und Enttäuschungen zwangsläufig sind.

Leseprobe

Barbara Honigmann, 1949 in Ost-Berlin geboren, arbeitete als Dramaturgin und Regisseurin. 1984 emigrierte sie mit der Familie nach Straßburg, wo sie noch heute lebt. Honigmanns Werk wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. dem Kleist-Preis und dem Max-Frisch-Preis der Stadt Zürich.

Die Rue Edel auf google maps.

Dienstag

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Heute haben
Katherine Mansfield * 1890
E.E.Cummings * 1894
Péter Nádas * 1942
Geburtstag
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E. E. Cummings
I Like My Body When It Is With Your

i like my body when it is with your
body. It is so quite new a thing.
Muscles better and nerves more.
i like your body. i like what it does,
i like its hows. i like to feel the spine
of your body and its bones, and the trembling
-firm-smooth ness and which i will
again and again and again
kiss, i like kissing this and that of you,
i like, slowly stroking the,shocking fuzz
of your electric furr,and what-is-it comes
over parting flesh….And eyes big love-crumbs,

and possibly i like the thrill

of under me you so quite new
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Wolfgang Herrndorf: „Bilder deiner großen Liebe“

Rowowhlt Verlag € 16,95
E-Book €14,99

Verrückt sein heißt ja auch nur, dass man verrückt ist, und nicht bescheuert.

Vieles ist über den neuen, den letzten, den unvollendeten Roman von Wolfgang Herrndorf geschrieben und geredet worden. Jetzt taucht sein neues Buch auch noch hier auf. Das zurecht. Ich hatte bisher keine Zeit, das Buch zu lesen, habe immer die Ohren gespitzt, wenn im Laden darüber geredet wurde und war sehr gespannt, wie es denn nun wirklich ist. Grossartig kann ich nur sagen. Das, was uns Herrndorf hier hinterlassen hat, ist ein riesiger Grundstein für eine gekonnt komponierte Geschichte. Vieles hängt noch lose im Raum, es gibt jedoch jede Menge Formulierungen, Abschnitte und ganze Kapitel, die seine große Können zeigen.

Weil das viele Leute denken, dass die superkomplett be­scheuert sind, die Verrückten, nur weil sie komisch rum­laufen und schreien und auf den Gehweg kacken und was nicht alles. Und das ist ja auch so. Aber so fühlt es sich nicht an, jedenfalls nicht von innen, jedenfalls nicht immer.

Isa kann die Sonne stoppen und Zeit anhalten (und das mit ihrem rechten Daumen), sie kann das Tor der Anstalt in Gedanken öffnen und schlüpft neben einem Laster in die Freiheit, die allerdangs genau gleich, wie innerhalb der Anstalt aussieht und nicht etwa schwarz und dunkel. Isa ist verrückt, aber nur manchmal und in Schüben. Aber was heisst schon verrückt. Wir kennen Isa als das Müllhaldenmädchen aus „tschick“ in die sich Maik verlieben wird. Auch in diesem Roman kommt es zu einem Treffen der drei Jugendlichen, jedoch aus einer anderen Sicht erzählt. Herrdorf schickt Isa auf eine (romantische) Wanderung durch Wälder und Siedlungen und an der Autobahn entlang. Sie springt auf einen Lastkahn und weiss nicht, ob der Kapitän wirklich ein Bankräuber ist. Sie trifft einen Schriftsteller mit grüner Trainingsjacke (= Herrndorf) auf einem Friedhof. Sie mäht gekonnt den Rasen, obwohl sie das noch nie gemacht hat. Wie in „tschick“ ist die Reise ein Vehikel, um Menschen zu treffen. Ging es bei den Jungs darum, in die Walachei zu fahren, erhofft sich hier Isa ein Stück eigenes Glück. Diese Treffen sind sehr unterschiedlich. Es gibt einen Fernfahrer auf Abwegen, einen Jugendlichen, der die Klappe nicht aufbekommt, eine totkranke Frau im Schlafzimmer eines Hauses, in dem sie sich Kleider heraussuchen kann. Isa trifft auf sie, wie ein Meteoriteneinschlag, sie wird mit ihnen konfrontiert und könnte sich nun bei ihnen einschmeicheln, sich verbiegen und einen großen Nutzen daraus ziehen. Isa bleibt sich jedoch treu, hat eine große Klappe und immer einen rotzigen, frechen lauten Spruch auf den Lippen. Lieber verschwindet sie im Wald, als dass sie zu den Angepassetn gehören will.

Als wir anlegen, wirft der Käpt`n mir ein Tau zu, dasichum einen Poller legen soll. Ich lege es im den Poller und laufe davon, in die warme Nacht hinein.

Sie schläft viel am Tage und geht bei Nacht. Sie verletzt sich an den Füssen, da sie ohne Schuhe aus der Anstalt geflohen ist und nun barfuß unterwegs ist. Die Schmerzen bleiben, die Schmerzen in ihrem Kopf kommen und gehen. Es sind keine wirklichen Schmerzen, es ist das andauernde Hoffen, irgendetwas zu finden, was vielleicht ein zuhause sein könnte.

Ich halte das Tagebuch wie einen Kompass vor mich hin. Pappelsamen schneien um mich herum, und der süße Duft der Lichtnelken strömt durch die Nächte. Ich sehe einen Wald, aus dem vier hohe Masten aufragen über die Baumwipfel. Am Waldrand steht eine kleine Hütte, die Teil eines Wanderwegs ist, wie drei eingekastelte Zeichen verraten. Ein schwarzer Gedankenstrich, eine gelbe Schlange, ein rotes Dreieck. Mein Name.

Bei einem Supermarktdiebstahl wird sie festgehalten, kann sich losreissen und rennt wieder weg. Weg, einfach nur weg und befindet sich dann inmitten des Autoverkehrs. Sie dreht sich weg, damit niemand sie weinen sieht.

Ich steige über elektrische Zäune und Stacheldrahtzäu­ne oder krieche unter ihnen hindurch. Ich verdrille die Drähte oben und unten und steige durch die Raute. Ich gehe immer genau geradeaus. Wenn drei Meter neben mir ein Gatter ist, gehe ich da hindurch. Wenn es dreißig Meterentfernt ist, steige ich über den Zaun. Ich halte inne undsehe in einer Pfütze die Sterne sich spiegeln. Sie tanzenund zittern und kommen zur Ruhe. Regulus steht im Wes­ten, später steht Arktur im Westen, dann Gemma, M13 undWega. Ich gehe zwischen den stummen Schatten der Kühe und Pferde hindurch, im Kreis der Gespenster, im Heer derNamenlosen. Ich fühle scharfen Kies unter den Sohlen. Ich sehe keinen Mond. Wenn ich Lichter sehe, laufe ich einengroßen Halbkreis. Die meisten Dörfer sind dunkel.

Wolfgang Herrndorf hat einen sehr warmherzigen Roman geschrieben. Einen Roman über Menschen und die Menschlickeit. Aber auch über das Ausgegrenzsein, das Nichtverstandenwerden und Weggesperrtwerden.
Einige Passagen kennen wir aus seinem Buchblog und aus seiner Biografie. So auch auch die Schlusszene, als Isa mit einer Pistole hantiert. Was ihr dabei gelingt, ist wahre Magie.
Marion Braschs Roman: „Herr Wunderlich fährt nach Norden“ ist ein Seelenverwandter und beide Bücher würden sich sehr gut im Bücherregal vertragen. Die beiden hätten allein schon deshalb genug Gesprächstoff, da Herrndorf über Isa schreibt und Frau Brasch über Herrn Wunderlich. Verdrehte Rollen und zwei Reisen die sich ähneln, wenn auch die Sprache eine ganz andere ist.
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Mehr von schreibenden Frauen gibt es am kommenden Freitag ab 19 Uhr bei uns in der Buchhandlung.
Sicher Sie sich eingutes Plätzle. Der Eintritt ist frei.

Montag

Heute haben
Miguel de Cervantes * 1547
Miguel de Unamuno * 1864
Nikolai Ostrowski * 1904
Ingrid Noll * 1935
Gaston Salvatore * 1941
Geburtstag.
Aber auch Silvio Berlusconi und Lech Walesa.
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Rainer Maria Rilke
Herbsttag

Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
Und auf den Fluren lass die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
Gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
Dränge sie zur Vollendung hin und jage
Die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
Wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
Und wird in den Alleen hin und her
Unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.
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duve

Karen Duve: „Warum die Sache schiefgeht“
Wie Egoisten, Hohlköpfe und Psychopathen uns um die Zukunft bringen
Velag Galiani Berlin € 12,00
als ebook € 9,99
als Hörbuch € 14,99
(von der Autorin gelesen)

Karen Duve nimmt kein Blatt vor den Mund und schreibt in ihrem furiosen Essay, dass es 5 vor 12 ist. Eigentlich schon nach 12 Uhr, wenn wir das Buch gelesen haben. Höchste Zeit etwas daran zu ändern, bevor wir uns selber abschaffen. Der globale Kollaps steht bevor und unsere Kinder sind nicht zu beneiden. Auch wir haben schon die Anhäufung von Katastrophen mitbekommen, leben aber auf Kosten vieler Menschen auf einem unglaublichen Niveau. Die täglichen Tageschauen bringen zwar mehrfach die Woche Meldungen von Naturkatastrophen, diese werden jedoch meist wie in einer Hitparade präsentiert. Der höchste, der größte, das gewaltigste …. seit … Es wird nicht auf die Hintergründe eingegangen.
Karen Duve ärgert sich maßlos, dass immer noch die Egoisten, Hohlköpfe und Psyhopathen das Sagen haben und nicht die Besonneren, die Ruhigeren, die Gemäßigten, die nicht nur auf ihr eigenes Wohl schauen.
Einsatzbereitschaft
Risikobereitschaft
Selbstvertrauen
Durchsetzungsvermögen
Frauen?
Sintflut!

nennt sie ihre Kapitel und haut uns jede Menge Fakten um die Ohren, dass es einem beim Lesen ganz schwindelig wird. Sie schreibt über diese Bewerbungsmarathone, die mittlerweile normal sind, wenn sich junge Menschen für einen Job in der Führungsetage bewerben. Dies hat zur Folge, dass sich nur der durchsetzt, der bereit ist 16 Stunden am Tag zu arbeiten und mit seiner Familie um die Welt zuziehen. Es setzen sich dann die durch, die dies aufsichnehmen und volles Risiko fahren. Was hätten wir aus der Bankenkrise (eher Kollaps) alles lernen können? Was hätte nicht alles geändert werden können. Während jedoch die einzelnen Staaten ihre Banken mit Milliarden wieder retten, zahlen sich die Bankenchefs weiterhin fette Boni aus und lachen sich wahrscheinlich eins. Geändert hat sich wohl aber nichts. Ah doch! Frau Merkel hat die Bonuszahlungen auf ein zweifaches eines Jahresgehalts beschränkt. Kein Problem, erhöhen wir halt das Jahresgehalt. Diese skrupellosen Menschen sind meist Männer und Karen Duve kommt zu Beginn des Buches auf Psychopathen zu sprechen. Wieviel Prozent unserer Bevölkerung zu dieser Kategorie gehören und dass es meist Männer sind. Sie schreibt über die Vorzüge von Autisten in der IT-Branche und dass männliche Gehirne denen der Autisten doch sehr ähnlich seinen. Sie merken schon, von der Spezies Mann, die in Führungsriegen sitzen, hält Frau Duve nichts.
Egal, ob es um Atombombentest geht und die eventuelle Möglichkeit, dass sich die Menschheit damit gleich ganz auslöscht, oder um den massenhaften Einsatz von Medikamenten in der Massentierhaltung, es sind immer Männer, die skrupelos in ihre eigene Tasche wirtschaften und Fakten so hindrehen, dass sie als einzig plausible Möglichkeit dastehen. Risiken werden minimiert, aber rechne ich  von der anderen Seite her, ergeben sich oft ganz andere Phänomene. Die Möglichkeit, dass es zu einem Supergau kommen kann, wurde auf Millionen von Jahren gerechnet. Dass wir jedoch schon einige dieser Kernschmelzen miterlebt haben, müsste uns doch zu denken geben.
Was tun? Frau Duve hat dafür auch die perfekte Lösung, prangert aber unser Führungssytem massiv an und fordert zum Widerstand auf.
Wenn es nämlich mit der Erdaufwärmung so weitergeht, wir die Erde auf Null gefahren. Das grauenhafte Leiden für ein paar Millionen Jahre pausiert und die Erde saust als Todesplanet mit kochenenden Ozeanen durch das Weltall, bis sich eines Tages mit dern ersten Eizellern wiedervöllig Neues entwickelt, die Evolution einen ganz anderen Weg einschlägt. Diesmal eine Schöpfung ohne Intelligenz. Oder Intelligenz gepaart mit Sanftmut. Großäugige, intelligente Weidetiere. Es kann doch eigentlich nur besser werden.

Mittwoch

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Heute haben
Horace Walpole *1717
Charles Ferdinand Ramuz * 1878
Alfons Petzold * 1882
F.Scott Fitzgerald * 1896
Walter Kappacher * 1938
Geburtstag
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Katrin Bauerfeind war im Ulmer ROXY.
Praktisch ein Heimspiel für die in Aalen geborene und aufgewachsene TV-Dame.
Der Saal war gut gefüllt und die Stimmung nach der Lesung war sehr locker und heiter.

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Katrin Bauerfeind: „Mir fehlt ein Tag zwischen Sonntag und Montag“
Geschichten vom schönen Scheitern
S.Fischer Verlag € 14,99
ebook € 12,99
Hör-CDs von ihr selbst gelesen € 16,95

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=PFH2r3uiyp8]

Im Scheitern bin ich richtig gut!

Es wird ja weltweit viel gescheitert. Gucken Sie sich die Nachrichten an, schauen Sie sich um, blicken Sie kurz in den Spiegel. Sehen Sie? Überall wird deutlich mehr gescheitert als gesiegt. Außerdem kaufen hauptsächlich Frauen Bücher, und Frauen scheitern noch mehr als Männer, egal was Ursula von der Leyen sagt. Deswegen ist das Thema auch ein Anbiedern an die Zielgruppe. Außerdem: Übers Gewinnen schreiben Leute wie Carsten Maschmeyer, und da will man ja wohl automatisch lieber das Gegenteil.
Und: Es ist das Thema, mit dem ich mich am besten auskenne. Scheitern kann ich. Wenn alles so läuft wie immer, werde ich das Buch nicht fertig schreiben … Aber selbst wenn das Buch fertig wird, bin ich mir sicher, dass es nicht so erfolgreich ist wie Shades of Grey oder Harry Potter, obwohl ich auch über dominanten Sex schreibe (Seite 662), und über Jungs mit Brille (Seite 923). Zack, bin ich wieder gescheitert! Und selbst wenn dieses Buch ein Weltbesteller werden sollte, werde ich das Gefühl haben, dass ich in dieser Zeit meine Mutter vernachlässigt habe, noch immer nicht in Madrid war und erst recht nicht beim Sport. Sie sehen: Scheitern kann man eigentlich immer und überall. Es ist ein günstiges Hobby für die ganze Familie, und ich als Scheidungskind weiß, wovon ich rede.
Aber keine Angst. Dies ist kein deprimierendes Buch. Im Gegenteil. Selbst wenn Sie eigentlich die Buddenbrooks oder Frank Schätzing, Ulysses oder das letzte Werk von Richard David Precht lesen wollten, aber stattdessen jetzt dieses Buch in der Hand haben, weil es dünner, billiger und lustiger ist, ist es genau das richtige.
Dies ist ein Buch für all die, die sich schon einmal entschlossen an ihren Computer gesetzt haben, um zum Beispiel ihre Diplomarbeit zu Ende zu schreiben, und dann vier Stunden lang bei YouTube-Videos von Haushaltsunfällen, Katzenkindern und romantischen Heiratsanträgen hängen geblieben sind. Für alle, die sich jedes Jahr drei Tage vor dem Urlaub erfolglos in ihre Bikinifigur hungern wollen, alle, die eigentlich große Pläne für ihr Leben hatten und jetzt plötzlich eine Einbauküche abbezahlen und alle, die das Gefühl haben, es fehlt ein Tag zwischen Sonntag und Montag: ein Tag, an dem man endlich mal alles erledigen könnte …

Katrin Bauerfeind macht im Fernsehen (u.a. auf 3sat) alles, was etwas mit Kultur zu tun hat. Sie moderiert, sie führt Interviews und hat zu allem im eine laute Lache und einen schnellen, zackigen, schwarzen Humor.
Angefangen hat es auf dem Internetportal „Ehrensenf“. Da war sie noch sehr jung und durfte so richtig frech sein.
Im Ulmer Roxy zeigte ihr Scheitern in seiner ganzen Größe und wählte die komplette Bandbreite von 60 Brigitte-Ausgaben. Sprich: Haare, Haare, Haare, Yoga, Essen, Trinken, Familie, Beziehungen, Männer, Sex und natürlich Kinder. Sie gibt sich als engagierte Raucherin aus (beim Signieren plauderte sie jedoch aus, dass sie aufgehört hat, nach jahrelang zwei Schachteln am Tag). Alle tolle Frauen hätten ja wohl auch geraucht und solche wie Frau Nahles eben halt nicht. Familie: Auch so ein Thema. Hauptsächlich, wenn man wie sie aus dem Schwäbischen kommt. Und dann noch aus Aalen. Was unsere Gesellschaft zum Thema Single meint, tritt sie sehr breit aus, da sie ja selbst eine ist. Und: Obwohl schon 32, ist sie nicht krank oder irgendwie anders. Sie fühlt sich wohl, obwohl sie von vielen bedauert und komisch angeschaut wird. Da sind wir auch schon beim Thema Männer, die sie von den verschiedensten Seiten beleuchtet. Sie kann es halt nicht brauchen, wenn er schon wippend und trommelnd im Flur steht, während sie noch nach der passenden Garderobe für einen Besuch im Baumarkt schaut. usw usw. Es war vergnüglich, gespickt mit vielen Kalauern und immer einer knackigen, politisch sehr unkorrekten Pointen am Satzende.
Schlangestehen bei Signieren war angesagt und natürlich Fanfotos mit ihr und große Verbrüderungsszenen mit alten Freunden aus der Heimat, die angereist waren.

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Leseprobe

Freitag

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Gesehen auf einer Pferdewiese am Nachbardorf

Heute haben
Stanislaw Lem * 1921
Michael Ondaatje * 1943
Geburtstag
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Rasmus Schöll empfiehlt:

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Sofi Oksanen: „Als die Tauben verschwanden“
Aus dem Finnischen von Angela Plöger
Kiepenheuer & Witsch Verlag € 19,99
eBook € 17,99

Achtung: Die Finnen kommen.
Wie allseits bekannt, ist Finnland das diesjährige Gastland auf der Frankfurter
Buchmesse und so nach und nach sind jetzt alle Toptitel dieses Bücherherbstes
im Laden. Hier kommt eines, das mir sehr, sehr gut gefallen hat. Bei so manch einem dürfte Sofi Oksanen einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben, mit ihrem fulminanten Buch „Fegefeuer“.
Und nun druckfrisch ihr neuestes Buch: „Als die Tauben verschwanden“ ist ein starkes, bewegendes und lang nachwirkendes Buch über die 30er und 40er Jahre des letzten Jahrhunderts, mit Vorblenden bis in die 60er Jahre. Für deutsche Leser aus vollkommen neuer Perspektive werden die Kriegswirren und die Einzelschicksale aus estnisch-/finischer Sicht geschildert. Meisterhaft erbaut sich die Handlung an drei Hauptpersonen: Nr.1 Edgar, ein schleimiger Ekeltyp, nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht, gnadenlos – brutal. Genial von Sofi Oksanen gezeichnet, ein überspitzter oder ins extrem getriebener „Untertan“, ganz im „Mannschen Format“.
Nr.2 Roland, ein ehrlicher Widerstandskämpfer, voller Liebe zu Estland, fein
sensibel, von hohen Idealen geleitet, bildet den Antipoden.
Und Nr.3 Judith, die Frau von Ekel Edgar, eine vielschichtige Persönlichkeit,
die Edgar mit einem SS-Offizier betrügt.
Alles zusammen ergibt ein spannungsreiches, erfrischend anders erzähltes Buch
über die Zeit des 2. Weltkrieges und seiner Folgen, über ein Land (Estland)
zwischen den beiden „genoziden“ Ideologien (NS – Kommunismus) des 20.
Jahrhunderts. Das Buch hat mich stark an „Fegefeuer“ erinnert und ist sicherlich nichts für schwache Nerven. Es ist eine Geschichte, die einem noch lange zu denken gibt.
Kein Urlaubsbuch, aber es hat alles, was im Kafka’schen Sinne („Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns.“) ein gutes Buch braucht.

Leseprobe

Über die Autorin:
Sofi Oksanen, geboren 1977, Tochter einer estnischen Mutter und eines finnischen Vaters, studierte Dramaturgie an der Theaterakademie von Helsinki. Ihr dritter Roman, „Fegefeuer“, war monatelang Nummer eins der finnischen Bestsellerliste und wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. dem Finlandia-Preis, dem Literaturpreis des Nordischen Rates und dem Prix Femina. Der Roman erschien in über vierzig Ländern und machte die Autorin auch in Deutschland zu einer der wichtigsten Vertreterinnen der internationalen Gegenwartsliteratur. Ihr erster Roman „Stalins Kühe“ erschien in Deutschland 2012. Sofi Oksanen ist verheiratet und lebt in Helsinki.

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=S_9JJdcz4BU]

 

NDR Podcast

Denis Scheck über das Buch

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Heute abend ist es soweit:
Beim shortlistlesen lesen Marion Weidenfeld und Clemens Grote aus den sechs verbliebenen Büchern für den Deutschen Buchpreis.
Beginn: 19 Uhr
Ort:        In der Buchhandlung
Eintritt:   frei

Montag

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Bestenliste des SWRs – und wir haben alle zehn Bücher im Laden!
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Heute haben
Blaise Cendrars * 1998
Friedrich Georg Jünger * 1898
Andrej Platonow * 1899
August Stramm * 1915
Willems Hermans * 1921
António Lobo Antunes * 1942
Andreas Maier * 1967
Geburtstag
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Passend zum frühen Morgen unser heutiger Buchtipp:

blondel

Jean-Philippe Blondel: „6 Uhr 41“
Aus dem Französischen übersetzt von Anne Braun
Deuticke Verlag € 16,90
als Ebook € 12,99
als Hörbuch auf 3 CDs€ 16,99
gelesen von Andrea Sawatzki und Christian Berkel

Ich liebe Züge. Die Stunden, die an einem vorbeirauschen. Man packt eine Tasche für die Fahrt – ähnlich wie Kinder, wenn sie noch klein sind. Man steckt zwei Bücher ein, Kaugummis, eine Flasche Wasser – am liebsten würde man auch noch seine Schmusedecke mitnehmen. Nur um die Zeit angenehm zu verbringen. Am Bahnhof angekommen, schaut man noch am Kiosk mit den Zeitschriften vorbei und kauft sich eine, vorzugsweise über die Reichen und Schönen. Es ist, als würde man an den Strand gehen – und genau wie am Strand schlägt man keinen der Romane und keine der Zeitschriften auf, isst keine der Süßigkeiten und vergisst sogar, das Wasser zu trinken. Man starrt wie hypnotisiert auf die Landschaft, die am Fenster vorbeigleitet, oder auf die rhythmisch heranrollenden Wellen.

Eine Zugfahrt um 6:41 Richtung Paris steht im Mittelpunkt dieser 120 Seiten. Eine Fahrt ohne Pause, voll mit Menschen, die zur Arbeit gehen. Mit im Zug sind Cécile und Philippe, die vor mehr als 30 Jahren für ein paar Monate gingen und sich seither nicht mehr gesehen haben. Mittlerweile haben beide verschiedene Beziehungen hinter sich, (fast) erwachsene Kinder versuchen immer noch das eigene Leben in Griff zu bekommen. Wie im richtigen Leben halt auch. Es wird kaum etwas gesprochen in diesem schmalen Roman. Das allermeiste sind Gedanken der beiden Personen, die sich kapitelweise abwechseln.
Cécile hat das Wochenende bei den Eltern verbracht. Jetzt sitzt sie erschöpft hier und ärgert sich, dass sie nicht doch schon am Vorabend zurück zu Mann und Kind gereist ist. Der Platz neben ihr ist frei, ein Mann setzt sich. Cécile erkennt ihn sofort: Philippe Leduc. Auch Philippe hat Cécile gleich erkannt.
Aber statt sich vielleicht um den Hals zu fallen und ein dreifaches, französosisches Küsschen folgen lassen, schweigen beide und verharren in einer Art Schockhaltung. Philippe wollte eigentlich schon in einen anderen Wagen weitergehen, als er sie erkannt hat, setzt sich dann aber doch. Nun rattert es in den Köpfen der beiden, wie in einer alten Eisenbahn. Beide erinnern sich an ein gemeinsam verbrachtes Wochenende in London, das dann so richtig in die Hose ging und die kurze Beziehung zum Verplatzen brachte.
Die Durchsage im Zug kündigt schon Paris an, als es zu einem unfreiwilligen Dtop auf freier Strecke kommt. Wenn Sie nun meinen, ja,  jetzt passiert es, dann haben Sie sich geschnitten. Aber beiden reden tatsächlich die ersten Worte miteinander, nachdem sie sich minutenlang überlegt haben, wie sich denn überhaupt ansprechen sollen, ob sie das überhaupt wollen und nicht lieber „unerkannt“ in der großen Stadt zu verschwinden. Es bleiben noch ein paar Minuten und ein paar wenige Seiten und es scheint nicht so, dass Cécile, die immer noch sauer auf Philippe ist, eine Bewegung auf ihn zu macht.
Wenn Sie jedoch hoffen, dass ich Ihnen die letzte Seite hier verrate, dann haben Sie sich geschnitten.
Selber lesen. Aber nicht nur den Schluss.
In Frankreich ein großer Erfolg (so schreibt der Verlag), macht es richtig Spass, die Gedanken der beiden zu lesen. Wir finden immer wieder Fetzen, die wir selbst gut kennen und selbst erlebt haben. Blondel schafft es, die Spannung bis auf die letzten Zeilen hochzuhalten und das obwohl das Allermeiste sich in den Köpfen des ehemaligen Pärchens abspielt.

Leseprobe
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Werner Färber
UNGEREIMTHEIT DER WOCHE: (aus der Reihe TRAUMBERUFE UND LEIDENSCHAFTEN)

BUCHHÄNDLER

Den Buchhändler stimmt vieles heiter,
was manch einer so von sich gibt.
„Mein Kind ist fünf, aber schon weiter“,
ist unter Eltern höchst beliebt.

„Man hat mir ein Buch empfohlen,
dunkelgrün und ziemlich dick.“
„Ich geh es schnell im Lager holen.
Einen Moment, bin gleich zurück.“

„Das Buch ist noch in Cellophan“,
sagt ein Mann, der Händler reißt es
ab, damit der Kunde blättern kann.
Gekauft wird dann ein eingeschweißtes.

„Ich bräuchte Bücher, die gut passen
zum neuen Schrank, Eiche-Natur.
Kann ich die auch liefern lassen?“
„Es dauert ein, zwei Tage nur.“

„Guten Tag, ich such‘ ein Buch“,
hebt ein andrer an sehr wichtig,
als er im Laden zu Besuch.
„Ich glaub‘, Sie sind hier durchaus richtig.“
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P.S.: Amazon ist KEIN Buchhändler
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UNGEREIMTHEIT DER WOCHE (… aus der Tierwelt):

DIE ACKERSCHOLLE
 
Selbst wenn hoch oben schwere Wellen rollen,
leben am Meeresgrund in aller Ruh’ die Schollen.
Tobt die Naturgewalt jedoch besonders kräftig,
strömt es bisweilen auch dort unten heftig.
 
So kommt es vor, dass eine Scholle wird erfasst
von starkem Sog, weil sie nicht aufgepasst.
Eine Welle wirft sie wuchtig an den Strand
und frisbeegleich geht’s tief ins Binnenland.
 
Laut heult der Sturm, sehr schlecht ist auch die Sicht,
dass sich ein Traktor nähert, merkt die Scholle nicht.
 
So überrollt nichts ahnend Bauer Bolle,
die an Land geworf’ne Ackerscholle.
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Morgen, Dienstag, 2.9. um 19 Uhr
„Die erste Seite“
Clemens Grote liest aus vier neuen Büchern.
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Samstag

Heute haben
Ivan Goll * 1891
Ernst Jünger * 1895
Georg Klein * 1953
Geburtstag
und morgen
Paul Verlaine * 1844
Sean O’Casey * 1880
Jean Giono * 1895
und Uwe Timm * 1940
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Hugendubel schließt sein Flagschiff auf dem Marienplatz in München.
Die Süddeutsche Zeitung berichtet darüber.
Irgendwie kein gutes Zeichen für die Buchhandelskette. Egal, was alles dahintersteckt.
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Mein Buchtipp für Ihr Wochenende:

Ostende

Volker Weidermann:Ostende
1936, Sommer der Freundschaft
Verlag Kiepenheuer & Witsch € 17,99
als eBook € 15,99

Volker Weidermann ist Literaturredakteur, Feuilletonchef der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung und hat in den letzten Jahren interessante und erfolgreiche Bücher über Literatur und Literaten geschrieben. Zu Max Frischs Jahrestag erschien eine Biografie über den Autoren und die Jahre davor gab es die erfolgreichen Bücher zur deutschen Literatur „Das Buch der verbrannten Bücher“ und „Lichtjahre“. Jetzt liegt wieder eines seiner schmalen Bände vor und er nennt es „Ostende“ gefolgt von der Jahreszahl „1936“. Fast möchte man schon nachrechnen, was für ein Jubiläum dahintersteckt, wie bei Illies‘ „1913“, oder all den Bücher zum Jahre 1914, wie z.B. Jean Echenoz‘ „14“, das wir nächsten Dienstag in unserer Buchhandlung vorstellen werden. Weidermann bewegt sich in seinem neuen Werk genau in dieser Zeit zwischen den Weltkriegen, in einer Zeit, in der der Judenhass immer mehr aufflammte, in der Menschen schon ihr Hab und Gut zusammengerafft haben und ausgewandert sind. „Sommer der Freundschaft“ heisst es weiter im Untertitel und jetzt kommen wir der Sache schon näher. Stefan Zweig und Joseph Roth, deren Beziehung, deren Freundschaft steht hier nämlich im Mittelpunkt und wir sind mit diesen beiden jüdischen Autoren mitten drin in der deutschen, europäischen Politik. Weidermann schafft es wieder einmal, dass wir sofort nach ein paar Seiten gefesselt sind und dass wir unsere diversen Büchstapel wegschieben und nur noch Stefan Zweig und hauptsächlich Joseph Roth lesen wollen, Bei mir ging es soweit, dass ich mich auf Irmgard Keun gestürzt habe. Sie taucht nämlich auch im Kurort Ostende auf. Sie ist laut, frech und jung. Zwischen dem „alten“ Joseph Roth, der zu dieser Zeit schon schwerer Alkoholiker, mit allen körperlichen Gebrechen, die dazugehören, ist und der jungen Irmgard Keun funkt es. Beide sitzen zusammen, reden und lachen und trinken und trinken. Die Beschreibung dieser Nebenfigur im Ostende-Buch hat mich so fasziniert, dass ich sofort am PC nachgeschaut haben, was die Stadtbibliothek an Büchern von ihr vorrätig und ausleihbereit hat. Leider nicht das im Buch erwähnte „Um Mitternacht“, aber zwei, drei andere Bücher. Mein Buchwunsch sollte zwar im Regal stehen, die Bibliothekarin konnte es leider nicht finden. Einfach weg. Also habe ich es mir doch das Mitternach-Buch bestellt und warte, bis es im Buchladen eintrifft.
Aber zurück zu Zweig und Roth. Die beiden sehr unterschiedlichen Charaktere haben es dem Autoren sichtlich angetan und diese Liebe bringt er genial rüber. Stefan Zweig, dessen Bücher hohe Auflagen haben, der weltweit gelesen wird, der Geld und Immobilien hat, ist mit Sekretärin (Geliebte) und Lektor unterwegs. Joseph Roth hat kein Geld, seine Bücher verkaufen sich schlecht und er lebt wochenlang von den Zuwendungen seines Freundes Zweig. Erkannt wird Roth nur in seiner Galizischen Heimat. Dort nennen ihn alle einen großen Autoren. Doch davon kann er schlecht leben. Weidermann erzählt u.a., wie Zweig bei einer Erzählung keinen Schluss findet und wie Roth ihm einen liefert, den er verändert übernimmt. Die beiden waren sich sehr nahe, obwohl sie doch unterschiedlich in verschieden Variationen waren.
Die knappen 150 Seiten sind voll von Informationen rund um diesen Sommer. Rund um Ostende, das sich zufälligerweise als Treffpunkt einiger Literaten war und ein Glücksfall für den Autoren, der sie alle beieinander hat und darüber schreiben kann. Weidermann blickt zurück und aber auch weiter. Er erzählt vom Leben in Wien, dem weiteren Exilleben, bis hin zu Zweigs Reise nach Brasilien. Es tauchen in diesem Badeort eine ganze Reihe von Autoren auf, die ebenfalls auf der Flucht sind. Toller, Kisch sollen hier als Beispiel genannt werden. Ich gehe jede Wette ein, dass Sie nach der Lektüre von „Ostende“ vor Ihr Bücherregal stehen und schauen, was Sie von Zweig und Roth zu stehen haben. Bei mir war es (wie gesagt) die Keun, die es mir angetan hat.
Ein großes Lesevergüngen mit einem hohen Informationsgehalt.
Der Verlag wirbt, dass das Buch auf Platz 7 der Spiegel Bestellerliste / Sachbuch steht.

Lesprobe

Volker Weidermann erzählt auf dem blauen Sofa über sein Buch und die Ideen dahinter
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Nicht vergessen:
Nächsten Dienstag stellen wir wieder vier Bücher vor.
Die erste Seiteab 19 Uhr.
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Die Frage zum Wochenende:
Wie kann man bei Hörbüchern unterstreichen?

Haben Sie eine Lösung?

Montag

Heute haben
C.F.D.Schubart * 1739
Fanny Lewald * 1811
William Morris * 1834
H.W.Longfellow * 1882
John Knittel * 1891
Dario Fo * 1926
Martin Walser * 1927
Peter Bichsel * 1935
Peter Waterhouse * 1956
Geburtstag
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Da es gestern bei uns nachmittags mehrfach irre Schneegestöber gab, passt das Gedicht von Longfellow:

Henry Wadsworth Longfellow
Snow-Flakes

Out of the cloud-folds of her garments shaken,
Over the woodlands brown and bare,
Over the harvest-fields forsaken,
Silent, and soft, and slow
Descends the snow.

Even as our cloudy fancies take
Suddenly shape in some divine expression,
Even as the troubled heart doth make
In the white countenance confession,
The troubled sky reveals
The grief it feels.

This is the poem of the air,
Slowly in silent syllables recorded;
This is the secret of despair,
Long in its cloudy bosom hoarded,
Now whispered and revealed
To wood and field.
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MoonbloomMoonbloom en

Edward Lewis Wallant:Mr Moonbloom

Aus dem Amerikanischen von Barbara Schaden
Berlin Taschenbuch € 9,99
Amerikanische Originalausgabe ca. € 14,00
als E-Book € 8,49
Mit einem Vorwort von Dave Eggers

Jede Woche klappert Norman Moonbloom die vier Mietshäuser in Manhattan ab, um die Miete von den Bewohnern zu kassieren. Moonbloom hat es in seinen über 30 Jahren zu nicht viel gebracht und sein Bruder, dem die Häuser gehören, hat ihm den Job verschafft. Er setzt ihn allerdings auch hier ordentlich unter Druck, lässt sich von Norman aber nicht überzeugen, dass er mehr in die Häuser investieren soll, da sie dringend Sanierungsbedarf haben. Er will von Norman nur den Scheck mit allen Mieten sehen. Norman klingelt sich durch die Mietwohnungen durch und bekommt zusätzlich zum Geld jede Menge Geschichte. Manchmal sind es auch nur Geschichten, die er bekommt. Er hört sich das Gejammer über defekte Wasserleitungen, kaputte Stromversorgung, verstopfte Toilettenspülungen und undichte Decken an. Die Aufzüge funktionieren nicht immer, Scheiben sind eingeworfen und Heizungen defekt. Wir sind im New York der 60er Jahre (1963 kam der Roman zuerst in den USA heraus) und die Adressen, die jetzt zu den teuersten der Stadt gehören, waren da noch heruntergekommene Ecken.
Da ist der 100-jährige Jude Karloff, der bis zur Besinnungslosigkeit Schnaps trinkt und seine Wohnung verkommenlässt, hier wohnen Hipster und Beatniks wie der Jazz-Trompeter Katz oder der homosexuelle Schriftsteller Paxton – aber auch der KZ-Überlebende Lublin, der die Hölle der Lager tief seinem Herzen mit in die Neue Welt getragen hat. Ihre Lebensgeschichten kennt Norman auswendig. Und trotzdem hört er immer wieder zu, setzt sich, trinkt Kaffee, Schnaps und isst mit ihnen. Nicht, dass er das unbedingt will, er wird genötigt dazu und kann sich dem oft nur durch eine panikartige Flucht entziehen. Er sieht, wie diese Menschen leben, die nicht viel besitzen und oft schwierige Biografien haben. Dass alles interessiert sein Bruder jedoch überhaupt nicht. So ist Norman auf seinen Hausmeister Gaylord angewiesen, der zumindest das Notwendigste repariert. Norman wird zum Archivar dieser Geschichten, dieser tragischen Schicksale und bietet immer wieder Hilfe an. Nicht nur für die defkte Wohnungen, sondern auch für die reparaturbedürftigen Seelen. Es passiert aber auch einmal, dass er von einer Mieterin verführt wird, während nebenan der alte Vater schnarcht.
Norman sagt einmal, dass er nicht Norman ist. Es auch nie war. Er ist nicht zufrieden mit sich und mit seinem Job und rafft sich auf, diesen Menschen zu helfen und vielleicht auch seine Seele zu retten. Mit seinen Ersparnissen, Gaylord und einem weiteren Bekannten zieht er los und nimmt sich der Wohnungen an.
Ein Roman mit vielen wilden Geschichten, irren Typen und einem unsichtbaren Menschen, der zum Helden für die Mieter wird.
Dave Eggers, der selbst Schriftsteller und unabhängiger, politisch engagierter Verleger ist, hat ein Vorwort zu dieser Neuausgabe geschrieben. Gut, dieses vor der Lektüre zu lesen. Sie stimmt ein und lässt uns eintauchen in die Atmosphäre der Geschichte.

Hier geht es zur Leseprobe und sie finden eine kurze Biografie über den Autoren, der damals zu den größten Hoffnungen der USA galt, jedoch sehr jung starb und hier völlig unbekannt ist.
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Ein paar Fotos von Indiebookday am Samstag finden Sie auf unserem Fotoblog.