Freitag

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Heute haben
John Keats * 1795
Nadeschda Mandelstam * 1899
Jean Améry * 1912
Dick Francis * 1920
Ernst Augustin * 1927
Geburtstag
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John Keats
Give Me Women, Wine, and Snuff

Give me women, wine, and snuff
Untill I cry out „hold, enough!“
You may do so sans objection
Till the day of resurrection:
For, bless my beard, they aye shall be
My beloved Trinity.


Ode To Autumn

Season of mists and mellow fruitfulness,
Close bosom-friend of the maturing sun;
Conspiring with him how to load and bless
With fruit the vines that round the thatch-eaves run;
To bend with apples the mossed cottage-trees,
And fill all fruit with ripeness to the core;
To swell the gourd, and plump the hazel shells
With a sweet kernel; to set budding more,
And still more, later flowers for the bees,
Until they think warm days will never cease,
For Summer has o’er-brimmed their clammy cell.

Who hath not seen thee oft amid thy store?
Sometimes whoever seeks abroad may find
Thee sitting careless on a granary floor,
Thy hair soft-lifted by the winnowing wind;
Or on a half-reaped furrow sound asleep,
Drowsed with the fume of poppies, while thy hook
Spares the next swath and all its twined flowers;
And sometimes like a gleaner thou dost keep
Steady thy laden head across a brook;
Or by a cider-press, with patient look,
Thou watchest the last oozings, hours by hours.

Where are the songs of Spring? Ay, where are they?
Think not of them, thou hast thy music too,—
While barred clouds bloom the soft-dying day,
And touch the stubble-plains with rosy hue;
Then in a wailful choir, the small gnats mourn
Among the river sallows, borne aloft
Or sinking as the light wind lives or dies;
And full-grown lambs loud bleat from hilly bourn;
Hedge-crickets sing; and now with treble soft
The redbreast whistles from a garden-croft,
And gathering swallows twitter in the skies.
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Heute sind wir sehr poetisch aufgestellt. Schaumermal, ob das den Tag über anhält.

November

„November“
Gedichte
Zusammengestellt von Evelyne Polt-Heinzl und Christine Schmidjell
Umschlaggestaltung von Nikolaus Heidelbach
Reclam Verlag € 5,00

Eigentlich brauche ich gar nicht mehr erwähnen, dass der Reclam Verlag für jeden Monat ein kleines Gedichtbändchen auf den Markt wirft. Nun sind alle Monate erschienen, Sie können alle zusammen in einem Schuber kaufen und sich an der riesigen Auswahl ergötzen. Es ist schon grandios, was die Damen zusammengetragen haben.
Schauen Sie mal ins Inhaltsverzeichnis und suchen Sie nach Goethe.
??? Wie jeden Monat!

 Inhaltsverzeichnis

Eugen Roth: Reiner Novembertag
Klaus Demus: November am Berg
C. F. Meyer: Novembersonne
Martin Greif: An die Novembersonne
Ferdinand von Saar: Landschaft im Spätherbst
Rainer Maria Rilke: Ende des Herbstes
Reinhold Schneider: November
Gerhard Fritsch: Der Morgen
Günter Bruno Fuchs: Zeilen im Herbst

Rose Ausländer: Die novembernen Menschen

Heinrich Heine: Im traurigen Monat November war’s
Peter Huchel: Die Reise
Peter Härtling: Novembergedichte 1–6
Erich Kästner: Nasser November
Theodor Fontane: Rum-Lied
Ernst Jandl: November
Nicolas Born: Zuhausegedicht
Eugen Roth: Einer Frau
Theodor Däubler: Sahst du noch nie den Fall der Leoniden?

Jürgen Becker: Draußen, Stadtgrenze

Reinhold Schneider: Allerheiligen – Allerseelen
Mascha Kaléko: Allerseelen
Marie Luise Kaschnitz: November
Heinrich Hoffmann: Aller Seelen
Georg Heym: Allerseelen
Georg Trakl: Allerseelen
Theodor Storm: Gräber an der Küste
Elisabeth Borchers: martinszug
Albrecht Goes: Sankt Martin und der Bettler
Erich Kästner: Totensonntag

Nikolaus Lenau: Herbstlied

Rose Ausländer: November
Walter Buchebner: November in Wien
Christian Morgenstern: Novembertag
Bruno Hillebrand: November
Franz Werfel: Novembergesang
Theodor Kramer: November

Christine Busta: Rauhreif

Karl Wolfskehl: Herbst
H. C. Artmann: Du harter november
Paul Boldt: Novemberabend
Franz Werfel: Madonna mit den Krähen
Peter Salomon: Dieser November
Ferdinand von Saar: Novemberlied
Henriette Hardenberg: Wie hat die Seele sich mit Hast
Günter Grass: Wer kommt?

Theodor Däubler: Herbst

Gerhart Hauptmann: Falter im Schnee
Theodor Fontane: Der erste Schnee
Christian Morgenstern: Erster Schnee
Norbert C. Kaser: schnee
Gottfried Keller: Erster Schnee
Erich Fried: Die Tiere
Adelbert Von Chamisso: Der erste Schnee
Ernst Jandl: spätherbst
Mascha Kaléko: Betrifft: Erster Schnee

Adelbert von Chamisso
Der erste Schnee

Der leise schleichend euch umsponnen
Mit argem Trug, eh‘ ihr’s gedacht,
Seht, seht den Unhold! über Nacht
Hat er sich andern Rat ersonnen.
Seht, seht den Schneenmantel wallen!
Das ist des Winters Herrscherkleid;
Die Larve läßt der Grimme fallen; –
Nun wißt ihr doch, woran ihr seid.

Er hat der Furcht euch überhoben,
Lebt auf zur Hoffnung und seid stark;
Schon zehrt der Lenz an seinem Mark.
Geduld! und mag der Wütrich toben
Geduld! schon ruft der Lenz die Sonne,
Bald weben sie ein Blumenkleid,
Die Erde träumet neue Wonne, –
Dann aber träum‘ ich neues Leid!

Theodor Fontane
Der erste Schnee

Herbstsonnenschein; des Winters Näh‘
verrät ein Flockenpaar,
es gleicht das erste Flöckchen Schnee
dem ersten weißen Haar.

Noch wird, wie wohl von lieber Hand
der erste Schnee dem Haupt,
so auch der erste Schnee dem Land
vom Sonnenstrahl geraubt.

Doch habe acht! Mit einemmal
ist Haupt und Erde weiß,
und Liebeshand und Sonnenstrahl
sich nicht zu helfen weiß.

Christian Morgenstern
Erster Schnee

Aus silbergrauen Gründen tritt
ein schlankes Reh
im winterlichen Wald
und prüft vorsichtig Schritt für Schritt,
den reinen, kühlen, frischgefallenen Schnee.

Und Deiner denk ich, zierlichste Gestalt.

Gottfried Keller
Wie nun alles stirbt und endet

Und das letzte Lindenblatt
Müd sich an die Erde wendet
In die warme Ruhestatt,
So auch unser Tun und Lassen,
Was uns zügellos erregt,
Unser Lieben, unser Hassen
Sei zum welken Laub gelegt.

Reiner weisser Schnee, o schneie,
Decke beide Gräber zu,
Dass die Seele uns gedeihe
Still und kühl in Wintersruh!
Bald kommt jene Frühlingswende,
Die allein die Liebe weckt,
Wo der Hass umsonst die Hände
Dräuend aus dem Grabe streckt.

Und zum Abschluss ein Gedicht, das sich eher für den Abend eignet, aber gleichzeitig ein großes Loblied das gute Buch ist. Unter anderem.

Theodor Fontane
Rum-Lied

Mit einer Rumflasche zum 14.November 1866

Und ist auch noch so dünn der Tee
Und tut dir irgendwo was weh, –
Rum, Rum,
Und alle Schmerzen werden stumm.

Und liest du ein „sensations“-Buch
Voll Gift und Mord und Vaterfluch, –
‚rum, ‚rum,
Nicht alle Bücher sind so dumm.

Und geht im Leben etwas schief
Und steht der Barometer tief, –
‚rum, ‚rum,
Ein Tag gestaltet alles um.

Und ärgert dich ein Blick, ein Wort,
Tu’s rasch deiner Seele fort; –
„‚rum, ‚rum“
Ist aller Weisheit Satz und Summ‘.

Und ist man endlich worden alt
Und wird es öd und wird es kalt, –
‚rum, ‚rum,
Wir wechseln unser Publikum.
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Ich wünsche Ihnen ein gutes, langes Wochenende.
Nicht vergessen:
Kommenden Dienstag um 19 Uhr stellen wir wieder vier neue Bücher vor.
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Donnerstag

Heute haben
Lena Christ * 1881
Paul Valéry *1871
Etra Pound * 1885
Georg Heym * 1887
Kostas Karyotakis * 1896
Agota Kristof * 1935
Geburtstag.
Aber auch die Filmemacher Louis Malle, Claude Lelouch und auch Maradonna.
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[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=YzugVhOmX_U]
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Unser Sommerwettbewerb mit den blauen Tischsets ist beendet. Was nicht heisst, dass sie immer noch Unterlagen von uns haben können. Für den eigenen Bedarf, für das Sonntagsfrühstück, oder den Kindergeburtstag, oder auch wieder zum Ausarbeiten. Wir haben Gewinner gezogen und Buchgutscheine verteilt. Vielen Dank für’s Mitmachen. Es hat uns großen Spaß gemacht, die kleinen, großen Kunstwerk entgegenzunehmen. Ein paar wenige sind in einem Schaufenster zu sehen.

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Alle Einsendungen können Sue unter: jastrammeinbuch.tumblr.com anschauen.
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„Einer der originellsten Köpfe der amerikanischen Literatur heute.“ (The New Yorker)

Die amerikanische Autorin Lydia Davis ist hier noch relativ unbekannt. Für ihr Gesamtwerk, das meist aus Kurzgeschichten besteht, hat sie 2013 den Man Booker International Prize bekommen. Gleichzeitig arbeitet sie als Übersetzerin und hat u.a. Marcel Prousts Mamutwerk: „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ ins Englische übertragen. Alle Achtung!
Im Österreischischen Droschl Verlag ist nun ihr aktueller Kurzgeschichtenband erschienen.

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Lydia Davis: „Kanns nicht und wills nicht“
Aus dem Amerikanischen von Klaus Hoffer
Droschl Verlag € 23,00
Im Original „Can’t and Won’t“ € 21,90

Hier in Deutschland steht das Buch auf der sogenannten Hotlist 2014. Dort kommen Bücher aus unabhängigen Verlage zum Zuge.

Bei Marcel Proust braucht sie für die 4.000 Seiten einen langen Atem und Marathonqualitäten. In ihren Erzählungen ist es oft das Gegenteil. Wie eine Sprinterin auf dem Basketballfeld zieht sie kurz an und ist schon am Ende der Geschichte angekommen. Es sind kleine Betrachtungen, die ähnlich wie Schnappschüsse beim Fotografieren mit einer Polaroidkamera, festgehalten werden. Die Szenen sind zu Beginn banal und sehr alltäglich, bekommen aber durch Wendungen am Ende eine explosive Wirkung. Es sind geduldige Beobachtungen von Kühen im Laufe eines Winters vom Küchenfenster eines Landhauses aus, aber auch ein Beschwerdebrief an einen Tiefkühlerbsenproduzenten. Sie schreibt über einen Hund und verwendet Texte von Flaubert und webt daraus etwas Neues. Diese kurze Form verlangt ein hohes Maß an Präzision und eine messerscharfe Auffassungsgabe. Dazu kommt bei Lydia Davis noch eine ordentliche Portion Witz und Humor, der die Beschreibungen unseres, oft nicht erfreulichen Lebens, zu kleinen Feuerwerken werden lässt. Wir bemerken bei ihr das Neurotische eines Woody Allens, aber auch die Art, Beziehungen zu beschreiben, wie wir sie bei Alice Munro lesen können. Ihr Spektrum ist auch in diesen Kürzesformes sehr groß. Und somit weitet sich auch unser Horizont und wir schauen nach der Lektüre der Texte sicherlich anders auf Kleinigkeitenauf der Straße und in den eigenen vier Wänden.

Kontingenz (versus Notwendigkeit)

Es könnte unser Hund sein.
Aver ist nicht unser Hund.
Also bellt er uns an.

„Sie ist ganz sicher eine Meisterin der Komposition. Sie mischt lange und kurze Stücke mit einer berauschenden Wirkung, wie ein Koch, der eine Speisenabfolge von grenzenloser Geschmacksvielfalt verabreicht.“
(The New York Times)

„Mit der Intensität und Klarheit ihrer Aufmerksamkeit verwandelt Lydia Davis triviale Probleme und transformiert sie zu fundamentalen Macken in der Ordnung der Welt.“
(Times Literary Supplement)

„Einige Schriftsteller besitzen die unheimliche Fähigkeit, deine Erfahrungen zu kippen. Lies genug Lydia Davis und ihre Stories beginnen dir zu widerfahren.“
(The New York Times Book Review)

Das Hundehaar

Der Hund ist weg. Er fehlt uns. Wenn die Türglocke läutet, bellt keiner. Wenn wir spät nach Hause kommen, erwartet uns keiner. Wir finden im Haus und an unseren Kleidern immer noch hier und da seine weißen Haare. Wir zupfen sie ab. Wir sollten sie wegwerfen. Aber sie sind alles, was uns von ihm geblieben ist. Wir werfen sie nicht weg. Wir haben eine unsinnige Hoffnung – wenn wir bloß ausreichend von ihnen aufsammeln, können wir den Hund wieder zusammensetzen.

Zirkuläre Geschichte

In den frühen Morgenstunden des Mittwoch gibt es draußen auf der Straße immer ein Spektakel. Ich wache davon auf und frage mich jedes Mal, was los ist. Es ist immer der Müllwagen,der den Müll abholt. Der Wagen kommt jeden Mittwoch in den frühen Morgenstunden. Immer weckt er mich auf. Immer frage ich mich, was es ist.

(Alle Textrechte sind beim Droschl Verlag)

Mittwoch

James Boswell * 1740
Otto Flake  * 1880
Jean Giraudoux *1882
Claire Goll * 1890
Zbigniew Herbert * 1924
Matthias Zschokke * 1954
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Otto Flake
Wer mit den Menschen auskommen will, darf nicht zu genau hinsehen.
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Gestern abend gab es wieder magische Momente beim Vortrag von Silivia Trummer. Sie begann mit Gedichten und musste ihr Quitten-Gedicht, auf Wunsch, gleich nochmals lesen. Danach gab es die Erzählung „Silvester“, da sie einen großen Silvestertick hat und Übergänge, sowohl zeitlich, als auch räumlich, bei ihr eine große Rolle spielen. Dabei gab es bei den Monoploy-Passagen einige herzliche Lacher. Übergänge gab es auch beim Text „Vierhändig“ herauszuhören, die Aufzeichnungen über ihre Großmutter und ihre „Dienerin“ Alma. Im Mittelpunkt, als wirkliche Person, deren großes Haus, das mittlerweile unbewohnt ist und verfällt.
Als Abschluss gab es dann ein Gedicht auf Schwizerdytsch, das wir hier in Ulm wohl auch gut verstehen würden. So meinte sie lachend.
Vielen Dank, liebe Silvia Trummer, für diesen herrlichen Abend und für dich weiterhin alles Gute.

Und so sah es dann nach der Lesung aus:

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Wir bleiben mit unserem heutigen Buchtipp in der Schweiz:

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Rolf Dobelli: „Fragen an das Leben“
Diogenes Verlag € 16,90

Wir kennen Dobelli von seinen Romanen im Diogenes Verlag und seinen Bestellern bei Hanser „Die Kunst des klaren Denkens“ und „Die Kunst des klugen Handelns“. Jetzt hat er eine Zwischenlandung in der Schweiz gemacht und veröffentlicht seine Stern-Kolumnen wieder bei Diogenes.
Diese nachdenklichen,  kleinen, kurzen Texte gehen spielerisch, ironisch mit den Themen unseres Lebens unseres Alltages um. Es geht um das, was uns alle bewegt: Glück, Liebe, Politik, sozialem Verhalten, Erfolg, Karriere, Buchstaben, Gedanken, Mode, Alter, Gott, Jenseits und Tod. Aber u.a. auch Sport.

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Die Seiten sind in einer schönen Typographie gesetzt, zweifarbig gedruckt und es ist eine kleine Freude, ein etwas anderes Buch in Händen halten zu dürfen. Gut, Dobelli agiert hier nicht als großer Philosoph, Lebensretter und Alleserklärer, aber seine kurzen prägnanten Texte regen in ihrer Heiterkeit zum schnellen Nachdenken an und bleiben vielleicht auch länger im Hirn bestehen. So auch der Satz im „Sportteil“
Die Bibel schweigt zum Sport. Warum?
Unter dem Stiwort „Wörter“ findet sich dieser hier:
Wie „small“ darf Smalltalk sein, damit Sie noch mitmachen?
Die Überschrift zum Stichwort „Gewissen“lautet:
Ist Ihr Gewissen noch sauber, oder haben Sie es schon gebraucht?
„Gäste“ beginnt mit:
Wie oft kommt es vor, dass Sie jemanden einladen und hoffen, dass er absagt?

Sie merken, wohin die Reise mit Dobelli geht und Sie finden sicherlich denen einen oder anderen Satz, den Sie Ihren Lieben zukommenlassen wollen.
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Ich wünsche Ihnen einen guten Tag und genießen Sie ihn, auch ohne viele Hintergedanken.

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Dienstag

Heute haben
Evelyn Waugh * 1903
Anne Perry * 1938
Uwe Tellkamp * 1968
Geburtstag.
Aber auch Erasmus von Rotterdam, Danton und Bill Gates.
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„Erst spät habe ich begriffen, wie sehr mich die Erinnerungen an Alma und die
Großmutter geprägt haben. Das zerfallene Haus hat sie wachgehalten und ich
beginne mir seltsame Fragen zu stellen:

Aber auch das Haus gibt mir keine Antworten.“

aus: Silvia Trummer: „Vierhändig“

Heute abend ab 19 Uhr wird die Schweizer Autorin bei uns in der Buchhandlung lesen.
Wir beginnen pünktlich und verlangen € 8,00 Eintritt.
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Denken Sie schon an 2015?
Haben Sie schon erste Termine für das neue Jahr vereinbart?
Gibt es schon einen neuen Wandkalender als Ersatz für den jetzigen?
Ja? Wirklich?
Aber haben Sie auch einen Gedichtekalender?
Nein? Na dann bin ich mit meinem Tipp ja goldrichtig.

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„Fliegende Wörter 2015“
53 Qualitätsgedichte zum Verschreiben und Verbleiben.
Im 21. Jahrgang
Herausgegeben von Andrea Grewe, Hiltrud Herbst und Doris Mendlewitsch
56 Blatt, durchg. vierfarbig
16 x 18 cm, Spiralbindung, mit Aufhänger
Daedalus Verlag € 16,95

Klassisch oder modern, besinnlich oder heiter – auf jeden Fall überraschend: 53 Gedichte aus vielen Ländern und Epochen, jedes für sich typografisch einfallsreich gestaltet. Und: Sie können jedes Gedicht an der perforierter Linie herausbrechen und weiterverschicken. Praktisch eine win-win-Situation. Wenn nicht sogar noch mehr.

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Im 21. Jahrgang mit Gedichten u.a. von Ingeborg Bachmann, Bertolt Brecht, Hilde Domin, Annette von Droste-Hülshoff, Erich Fried, Robert Gernhardt, Johann W. L. Gleim, Nora Gomringer, Hanns Dieter Hüsch, Sarah Kirsch, Paul Klee, Reiner Kunze, Else Lasker-Schüler, Ernst Meister, Christian Morgenstern, Ezra Pound, August Stramm, Jan Wagner, W. B. Yeats…

Hier eine kleine Auswahl von älteren, rechtefreien Gedichten. Im Kalender sind deutlich mehr Gedichte aus dem 20.und 21.Jahrhundert, als alten Klassiker. Gut so!

Claudius Matthias
Die Sternseherin Lise

Ich sehe oft um Mitternacht,
Wenn ich mein Werk getan
Und niemand mehr im Hause wacht,
Die Stern‘ am Himmel an.

Sie gehn da, hin und her zerstreut,
Als Lämmer auf der Flur,
In Rudeln auch und aufgereiht
Wie Perlen an der Schnur

Und funkeln alle weit und breit
Und funkeln rein und schön;
Ich seh‘ die große Herrlichkeit
Und kann mich satt nicht sehn…

Dann saget unterm Himmelszelt
Mein Herz mir in der Brust:
„Es gibt was Bessers in der Welt
Als all ihr Schmerz und Lust.“

Ich werf mich auf mein Lager hin
Und liege lange wach
Und suche es in meinem Sinn
Und sehne mich darnach.

Conrad Ferdinand Meyer
Der Reisebecher

Gestern fand ich, räumend eines langvergessnen Schrankes Fächer,
Den vom Vater mir vererbten, meinen ersten Reisebecher.
Währenddes ich, leise singend, reinigt ihn vom Staub der Jahre
Wars, als höbe mir ein Bergwind aus der Stirn die grauen Haare
Wars, als dufteten die Matten, drein ich schlummernd lag versunken,
Wars, als rauschten alle Quelle, draus ich wandernd einst getrunken.

Friedrich Hebbel
Abendgefühl

Friedlich bekämpfen
Nacht sich und Tag.
Wie das zu dämpfen,
Wie das zu lösen vermag!

Der mich bedrückte,
Schläfst du schon, Schmerz?
Was mich beglückte,
Sage, was war’s doch, mein Herz?

Freude, wie Kummer,
Fühl‘ ich, zerrann,
Aber den Schlummer
Führten sie leise heran.

Und im Entschweben,
Immer empor,
Kommt mir das Leben
Ganz, wie ein Schlummerlied vor.

Johann Wolfgang von Goethe
An vollen Büschelzweigen

An vollen Büschelzweigen,
Geliebte, sieh nur hin!
Laß dir die Früchte zeigen,
Umschalet stachlig grün.

Sie hängen längst geballet,
Still, unbekannt mit sich;
Ein Ast, der schaukelnd wallet,
Wiegt sie geduldiglich.

Doch immer reift von innen
Und schwillt der braune Kern,
Er möchte Luft gewinnen
Und säh‘ die Sonne gern.

Die Schale platzt, und nieder
Macht er sich freudig los;
So fallen meine Lieder
Gehäuft in deinen Schoß.

Hier gibt es ein paar Seitenbeispiele.

Montag

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Heute haben
Rudolf Leonard * 1889
Dylan Thomas * 1914
Sylvia Plath * 1932
Gert Brantenberg * 1941
Zadie Smith * 1975
Geburtstag
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Dylan Thomas
Do Not Go Gentle Into That Good Night

Do not go gentle into that good night,
Old age should burn and rave at close of day;
Rage, rage against the dying of the light.

Though wise men at their end know dark is right,
Because their words had forked no lightning they
Do not go gentle into that good night.   …..
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machandel

Regina Scheer: „Machandel“
Knaus Verlag € 22,99
E-Book € 18,90

Clara steht im Mittelpunkt dieses Erstlingswerkes der 64jährigen Autorin. Sie bezieht Mitte der 80er Jahren einen Katen des Gehöfts in Machandel, mit Familie und Bruder. Es ist die Zeit der langsamen, großen Umbrüche und für Clara eine Zeit der großen Entdeckungen. Aus Claras Sicht sind 13 der insgesamt 25 Kapitel erzählt. Zusammen ergeben sie ein komplex konstruiertes multiperspektivisches Zeitmosaik, das von den 30er- bis in die 90er-Jahre des 20. Jahrhunderts reicht. Und in Clara können wir vielleicht etwas von der Autorin selbst erkennen. Weitere Personen wechseln sich mit ihr ab. Ihr Vater, eine russische Zwangsarbeiterin, und noch zwei weitere Menschen in verschiedenen Zeitaltern.

„Das Haus schien lange schon unbewohnt, die Fenster waren ohne Glas, eine Tür knarrte bei jedem Luftzug, sie war nur mit einem Draht verschlossen wie ein altes Stalltor. Zwischen den Dielen einer Stube wuchs eine kleine Birke. Wilde Rosenbüsche drängten sich an die Hauswand, später erfuhr ich, wie Emma sie nannte: Kartoffelrosen. Schwere, duftende Zweige hingen durch die Fenster ins Haus. Wir gingen durch die verlassenen Zimmer wie verzaubert, sprangen durch die Fenster in den verwilderten Garten. Und schon in diesen ersten Stunden in Machandel beschlossen wir, alles zu tun, damit das halb zerfallene Haus unseres würde.“

In ihrer unaufgeregten Sprache erzählt sie uns eine deutsch-deutsche Geschichte vor dem Zweiten Weltkrieg, während und bis in die Gegenwart reichend. Sie lässt alle Personen auf gleicher Höhe erzählen, überlässt uns Bewertungen. Diese Stärke zieht sich durch das ganze Buch und lässt die latente Gewalt, die diesen Menschen entgegenkommt, nicht in den Vordergrund treten. Scheer beschreibt fast nüchtern, doch mit großer Empathie, lässt Clara immer wieder Mythologsches einflechten.

„In diesem ersten Sommer in Machandel verlor ich das Gefühl für die Uhrzeit und auf unseren Streifzügen verschwammen manchmal auch die Jahrhunderte. Eichen wuchsen aus den Stümpfen noch mächtigerer Eichen. Machandelbäume standen in gerader Reihe auf Wegscheiden, die keine mehr waren. An anderen Stellen bildeten Machandelbüsche und Schlehen ein undurchdringliches Gebüsch. Manchmal fand Julia kleine versteinerte Seetiere, Muscheln, Hühnergötter wie am Meer. Und stopfte sie in die Taschen ihrer speckigen Lederhose. Noch vor den Obodriten, noch vor der Bronzezeit, als es hier noch keine Menschen gab, waren gewaltige Eismassen vom Norden her gekommen und hatten sich über diese Landschaft gewälzt, sie für immer geprägt. „Wissen die Bäume, dass hier einmal ein Meer war?“, fragte Julia. „Und das Gras? Und die Blumen? Können sie sich erinnern?“

Dieser Katen ist der Mittelpunkt des Romanes. Hier lebten und leben die verschiedensten Menschen und deren Biografien verknüpfen sich auf den paar wenigen Quadratmetern des einfachen Hauses. Wie Sateliten kreisen sie um das Gebäude und erzählen uns ihre Biografien. Schreckliche Erinnerungen sind es von Hungermärschen und KZ, von Zwangsarbeit und später auch von Bespitzelung zu DDR-Zeiten. Menschen, die den Krieg überlebt haben, werden Jahre danach nach Aufständen in Prag z.B. hingerichtet. Gerechtigkeit scheint es nirgends zu geben.

„1939 war ich 14 und mein Vater und meine Mutter wurden geholt, morgens um drei, sie seien Sowjetfeinde, hieß es. Ich stand im Nachthemd auf dem Korridor, als die Männer meine Eltern wegführten. Was der Vater gesagt hat, wie er aussah, habe ich vergessen. Mama hat mich traurig angeschaut mit ihren schönen Augen, ihr Haar, das sie sonst hochgesteckt trug, hing herunter wie bei einem Mädchen. „Budj silnoi“, hat sie gesagt. Nur diese beiden Worte. Ich habe sie mir immer wieder gesagt, mein ganzes Leben lang. Wenn es schwer war, habe ich die Augen geschlossen und Mamas Gesicht gesehen: Sei stark.“

Und das ist auch wiederum die Stärke der Autorin, die der alles beherrschenden Gewalt und dem Tod Menschenliebe und fraglose Hilfsbereitschaft entgegensetzt.
Ein Roman, den ich gar nicht richtig zusammenfassen kann, da er so viel historisches Material enthält und dies so gekonnt miteinanderverbindet. Märchenhaftes wechselt sich mit der Gegenwart ab und lässt uns Seite für Seite mehr in das Innere der Menschen blicken, die Reisen um die ganze Welt unternehmen um ihre Liebsten wiederzufinden.
Aber die Welt dreht sich weiter. Das Gehöft ist nun eine Hotelanlage, die (natürlich) von Schwaben betrieben wird. Clara kommt immer weniger dorthin, aber der Katen wird wieder neu bewohnt. Und obwohl Clara lukrative Angebote von Immobilienmakler bekommt, lässt sie sich nicht darauf ein und behält unter den neuen „Mietern“ zwei Zimmerchen für sich.
Mit dieser kurzen Besprechung werde ich diesem grossartigen und interessanten Buch nicht gerecht und hoffe, dass es noch viele Besprechungen geben wird.

Leseprobe

Regina Scheer, 1950 in Berlin geboren, studierte Theater- und Kulturwissenschaft an der Humboldt-Universität. Von 1972–1976 arbeitete sie bei der Wochenzeitschrift „Forum“, deren Redaktion wegen „konterrevolutionärer Tendenzen“ aufgelöst wurde. Danach war sie freie Autorin von Reportagen, Essays und Liedtexten und Mitarbeiterin der Literaturzeitschrift „Temperamente“. Nach 1990 arbeitete sie an Ausstellungen, Filmen und Anthologien mit und veröffentlichte mehrere Bücher zu deutsch-jüdischer Geschichte. „Machandel“ ist ihr erster Roman.

Sonntag

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Castagneto Carducci

Es war ein Fehler schon am dritten Tag unseres Aufenthalts hier die Schale mit Milch hinauszustellen, überschwappend auf den ausgetrockneten Boden zwischen den Wurzeln des Kastanienbaums. Immer wieder taucht nun das Rudel der jungen Katzen auf, die vorher ihre Reviergrenze ums halb verfallene Nachbarhaus nie überschritten haben. Sie scharen sich um die Futterstelle, versuchen sich mit aneinandergedrängten Köpfen wegzustossen. Keine Chance für das dreibeinige Kätzchen.

Aus dem Erzählband „Grenzgänge“ von Silvia Trummer, die am Dienstag, ab 19 Uhr
bei uns in der Buchhandlung lesen wird.

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Samstag

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Heute haben
Pablo Picasso * 1884
Peter Rühmkorf * 1929
Harold Brodkey * 1930
Jan Schütting * 1937
Anne Tyler * 1941
Jakob Hein * 1971
Geburtstag.
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[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=tNsiRZjMVZ4]
[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=rigIkOTgpiI]
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„Wenn man zu schnell geht, bekommt man Falten“, sagte eine Nachbarin zu mir. Um mir das mitzuteilen, hatte sie mich mitten auf dem West Broadway angehalten. „Tatsächlich“, sagte ich. „Davon bin ich felsenfest überzeugt“, antwortete sie. Ich sah ihr Gesicht an. Sie ist um die Sechzig. Ihr Gesicht war verhältnismäßig faltenlos. „Ich kenne Sie“, sagte sie. „Sie gehen immer sehr schnell.“ Damit hatte sie recht. Ich gehe gern schnell. Es ist gar nicht so einfach auf den überfüllten Straßen Manhattans schnell zu gehen.“

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Liliy Brett: „Immer noch New York“ und „New York“
Deutsch von Melanie Walz
Suhrkamp Verlag € 19,95
Suhrkamp TB € 6,50

„In Downtown Manhattan sah man oft einen Mann, der mit einem Papagei auf dem Kopf herumspazierte. Ein Papagei weckt in New York kein großes Interesse, ein Papagei auf dem Kopf eines Mannes schon.“

Für uns ist Lily Brett die Autorin aus New York. Ihre Romane über ihre jüdische Familie im Großstadtgewühl von Manhatten sind legendär. Dass sie aus Australien kommt, von dort, wohin ihre Eltern vor der Ermordung durch die Nazis geflohen sind, wird uns gar nicht klar. In New York hört das jeder. „Sie reden immer so langsam“ und „Sie mit ihrem Dialekt“ hört sie des öfteren, wenn sie mit Menschen redet. Das langsam reden hat sie sich in New York angewöhnt,  wo die Hektik den Menschen schon in den Genen steckt. Und dass man sich dort auch nicht immer gleich versteht, erklärt sich, das 40 % der Einwohner ursprünglich nicht aus dieser Stadt kommen. Dies alles sagt uns Lily Brett in ihrem neuen Buch mit gesammelten New York Betrachtungen. Sie zeigt uns stille Orte, nimmt uns mit in ihre Lieblingscafés, zu ihren Bäckern mit dem besten Schokoladenbrot. Sie schreibt, dass sie gerne Besorgungen zu Fuß macht und dabei schon mal 50 Minuten zum Bäcker in Kauf nimmt. Sie schwärmt allerdings auch von der U-Bahn, in der sie es genießt, die Menschen zu betrachten. Dem Bahnhof Grand Central widmet sie ein ganzes Kapitel. Sie ist fasziniert von den vielen Menschen, die dort dort täglich aus- und eingehen. Er gilt als der größte Bahnhof der Welt und vielleicht auch als der schönste und sie weiß genau wieviel Gleise er besitzt. Lily Brett rät uns ins Untergeschoss in die Essabteilung zu gehen. Dort empfiehlt sie die Oyster Bar mit ihrem riesigen Angebot an Meeresfrüchten, aber auch zu Käsekuchen und und und. Aber wussten Sie vom Tennisclub im Bahnhof. Dort, wo die Stunde über 100 $ kostet? Sie schreibt darüber, dass in Manhattan niemand regelmäßig kocht und listet dann auch gleich mal alle verschiedenen Nationen auf, aus deren Küche sie sich in ihrem Viertel Essen bestellen kann. Sie schreibt über ihre Manie wahnsinnige Mengen zu kochen und meint, dass ihr Gefrierschrank jetzt noch voll von Produkten ist, die sie vor Jahren gekocht hat. Ihr alter Vater (weit über 90 Jahre) taucht immer wider auf, genauso wie ihre Kinder und Enkel. Sie schreibt über den Kauf zweier Büstenhalter und über Schoßhündchen und die Gespräche mit ihrer Kosmetikerin. Dass New York am Meer liegt, ist Inhalt ihrer letzten Betrachtung. Sie meint, dass das Meer, das Wasser die Menschen prägt und erzählt von ihrer Kindheit, wie sie in einem ganz bestimmten Ritual mit der Familie ans Meer ging. Wie die Mutter Brote schmierte und Wasser in Flaschen abfüllte. Wie sie sich immer einen Platz im Schatten suchten und den Sonntagmittag in der Hitze genossen. Dabei fällt ihr ganz zum Schluss ein, dass sie dort am Meer in Australien, damals in ihrer Kindheit, nie ins Wasser gingen.
Lily Bretts Kolumnen sind grossartig und zeigen in ihrer kurzen Form die biografischen Themen, die sie in Romane verpackt.

Leseprobe

Freitag

Heute haben
Dorothea von Schlegel * 1764
August von Platen * 1796
Alexandra David-Neel * 1868
Wenedikt Jerofjew * 1938
Walter Kappacher * 1938
Zsuzsa Bánk * 1965
Geburtstag.
Aber auch Gilbert Bécaud.
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[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=sizoMv4RZ3A]

Tolle Inszenierung, noch bessere Frisuren!
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Rainer Maria Rilke
Wie die Vögel

Wie die Vögel, welche an den großen
Glocken wohnen in den Glockenstühlen,
plötzlich von erdröhnenden Gefühlen
in die Morgenluft gestoßen
und verdrängt in ihre Flüge
Namenszüge
ihrer schönen
Schrecken um die Türme schreiben:

können wir bei diesem Tönen
nicht in unsern Herzen bleiben
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Dieses Gedicht fand sich gestern in der Frankfurter Anthologie, die gerade meine Tageslektüre ist. Jochen Jung, der zu diesen Zeilen von Rilke etwas schreibt, beginnt mit den Sätze, ob man bei Rilke an Alfred Hitchcock denken darf. Ja, meint, bei Lyrik ist alles erlaubt.
In diesem Sinne: Genießen Sie die auffliegenden Vögel von Rilke.
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Hara

Nino Haratischwili: „Das achte Leben (für Brilka)“
Frankfurter Verlagsanstalt € 34,00

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Gestern abend waren wir im Literaturhaus Stuttgart, in dem Nino Haratischwili ihren neuen Roman: „Das achte Leben (für Brilka)“ vorgestellt und daraus vorgelesen hat.
Schön an der Präsentation war, dass es nicht nur eine Lesung gab, sondern dass die Autorin vorgestellt, interviewt wurde, dass Fragen zu ihrem Werk gestellt wurden und dazwischen bekamen wir dann Textpassagen von ihr. So haben wir erfahren, dass sie 1983 in Georgien geboren wurde, dort in eine Schule mit Deutsch als Fremdsprache kam, dass sie als Mädchen mit ihrer Mutter nach Deutschland ging, sich hier nicht wohlfühlte und dass sie zurück nach Tiflis ging, ihr Abitur machte und an der Universität begann, Theaterarbeit zu studieren. Dies war ihr jedoch zu eng, zu streng, so dass sie sich in Deutschland für einen Studienplatz bewarb, in Hamburg hängenblieb, wo sie auch jetzt noch wohnt. Sie stellte klar heraus, dass sie nicht als junge, weibliche Autorin gesehen werden will, die über Georgien schreibt. Dies meinte sie zumindest vor ein paar Jahren, nach Erscheinen ihres ersten Buches. „Das achte Leben“ ist nun ihr dritter Roman (Theaterstücke schreibt sie zwischendurch auch) und sie ist mitten in Georgien gelandet. 100 Jahre Georgien. 100 Jahre Familiengeschichte im schönsten Land der Welt, so sagt es der Entstehungsmythos, den sie zu Beginn des Abends vorgetragen hat. Die Hauptperson (Jahrgang 1973) erzählt die Geschichte ihres Ur-Ur-Grossvaters bis zur Gegenwart. Und dies auf über 1.200 Seiten.
Dass dieses Buch nicht auf der Shortlist zum Deutschen Buchpreis landete, ist schon ein kleiner Skanadal. Nino Haratischwili kann erzählen, wie keine zweite. Sie nimmt uns mit auf eine Reise durch die Geschichte(n) des Landes, der Familie, unterhält uns aufs Beste und wer einmal angefangen hat zu lesen, wird gefesselt, wird süchtig, wie die Personen im Roman von der wunderbaren Schokolade, die als Geheimrezept durchs Buch geistert.
Ich kann hier auf die Schnelle die vielen Erzählstränge gar nicht wiedergeben. Sie meinte gestern abend auch, dass es ihr wichtig war, dass die Personen immer präsent im Roman waren, dass es nicht ein dauerndes Kommen und Verschwinden geben sollte. Somit fühlen wir uns in diesem dicken Wälzer richtig gborgen, dürfen mit den Hauptpersonen mitleben und mitleiden. Denn Leiden, Sterben und Trennungen, der ganze Horror des Stalinismus steckt natürlich genuso im Roman, wie die Lebensfreude. Und dass Nino Haratischwili dies in einem lakonischen Ton aufschreibt, rettet uns vor der großen Depression. Es erinnert ein wenig an die Art wie Lemaitre an sein grausliges Thema herangegangen ist, dessen Buch ich hier vorgestellt habe.

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Seien Sie also nicht geschockt vor dem dicken Buch. Beginnen Sie zu lesen. Es wird sie begleiten, begeistern und nicht mehr loslassen.

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Hier sehen und hören Sie die Autorin auf der Frankfurter Buchmesse. Sie erzählt Ihnen viel besser und aus erster Hand, was es mit ihrem Roman auf sich hat.

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Donnerstag

Heute haben
Adalbert Stifter * 1805
James McNeish * 1931
Wassili Below * 1932
Michael Crichton * 1942
Dagmar Leupold * 1955
Geburtstag
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Adalbert Stifter
In der Ferne

Was kann mich von ihr trennen,
mir ihre Näh‘ entziehn?
Mein Geist flieht aus der Ferne,
verlangend zu ihr hin.

Will leise mit ihr flüstern
in einer Blume Duft;
um ihre Wangen kosen
im Hauch der Abendluft.
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Großer Besuch bei uns in der Buchhandlung.
Lesemaus und ein Olchi wollten unbedingt schauen, wo denn ihre Bücher stehen und haben nebenher Infozettel für die „Kinder- und Jugendliteraturtage Ulm“ verteilt. Ein riesiges Programm, in dem unter anderem Andreas Steinhöfel, dessen neues Buch: „Anders“ ich am Montag vorgestellt habe, im Alten Theater Ulm (Wagnerstr.1 / Scholl Gymnasium) liest.
Mittwoch, 12.11.2014 14:30
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Und wo wir schon bei den Phantasiewesen der Kinderbücher sind, hier der langersehnte zweite Band von Orbi, dem kleinen Roboter.

Orbi

Thomas Christos: „Orbis Abenteuer“
Ein kleiner Roboter lässt es scheppern
Illustrator: Barbara Scholz
S.Fischer Verlag € 9,99
ab 6 Jahren

Es scheppert gleich zu Beginn des Buches. Zuerst knallt Orbi mit seinem Orbikopter, bei dem Versuch ein Murmeltier zu retten, gegen eine Felswand, dann werfen die vier doofen Jungs das Geburtstagsgeschenk  von Frederike an Linus in den Teich, so dass es eingebeult ist und ein krummes Bein hat. Das Geschenk war ein kleiner, aufziehbarer Blechroboter. Beide warteten auf Orbi, der sich für das Geburtstagfest angekündigt hat, aber wegen des Blechschadens im Gebirge nicht rechtzeitig kommen konnte.
Also gleich zu Beginn viel Geschepper und Blechschäden. Und miese Stimmung bei den beiden Freunden. Aber wir haben ja Orbi, der selbst von sich immer in der 3.Person redet. Er rettet natürlich das Murmeltier, repariert natürlich seinen Orbikopter, ersetzt die verstopfte Trompete durch eine alte Plastikflasche, benutzt noch eine herumliegende Plane als Segel und klopft mit einem Tag Verspätung ans Fenster von Linus. Dass jetzt die Freude natürlich riesig ist, könnnen Sie sich vorstellen. Nun kommt Robi an die Reihe. In einer Szene mit Gewitter und Blitz und Donner (Ah: Frankenstein, sagen wir Erwachsene) wird er oper… äh repariert, werden Teile eines Taschenrechners eingebaut und mit einem Blitzkurzschluss macht er die Augen auf und spaziert durch das Zimmer. Da Orbi ihm noch ein paar Solarzellen aufs Blech schraubt, ist er jetzt auch netzunabhängig und muss nicht mehr aufgezogen werden.
So weit so gut. Wären da nicht die blöden Jungs, an denen es sich zu rächen gilt, (klappt wunderbar!) und die Ausbrecher Kralle und Eddy, die wir aus dem ersten Band kennen. Beide sitzen noch im Gefängnis und versuchen zweimal auszubrechen, was aber nie gelingt, das sie es immer in der Nähe des Gefängnisdirektors Herr Hampel… äh Hantelmann versuchen. Dieser wundert sich, warum die beiden so hartnäckig versuchen aus dem Gefängnis zu kommen, da sie eh am nächsten Tag entlassen werden.
Sie merken: eine prima Voraussetzung für eine wilde Verbrechergeschichte. Und das wird es auch. Mit Kronenklauen, Entführungen und Verfolgungsjagden.
Dies alles schreibt Thomas Christos (ein Drehbuchschreiber, der schon sackweise fürs Fernsehen gearbeitet hat) aber sehr brav und lustig für das zweite Lesealter und einfach zum Vorlesen. Hier ist es nie gruselig, sondern sehr lustig. Z.B. wenn der Gangster Kralle seinen tieferbegabten Kollegen Eddy als „Dreiminutenei“ bezeichnet. Da musste ich beim Vorlesen erstmal stoppen, damit die Enkelin sich auslachen konnte. Den Ausdruck hatte die Berlinerin auch noch nie gehört.
Dass die Geschichte gut ausgeht, müsste ich nicht schreiben.
Eine tolle, freche, lustige Geschichte für Jungs und Mädels und sehr zum Vergnügen der VorleserIn, mit vielen passenden Illustration von Barbara Scholz.

Leseprobe
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Neue CDs von Putumayo:

Cafe

Hier können Sie reinhören

Yoga

Hier können Sie reinhören
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Silvester

Nur nichts erwarten diesmal.
Vielleicht einfach das Essen genießen. Einen Wein bestellen, dessen Bodensatz dunkel im Glas hängen bleibt. Nur dasein. Keineswegs auf die Uhr schauen. Keine Überraschungen, keine bedeutungsvolle Worte. Schon gar kein Feuerwerk. Niemandem lästig fallen mit meinem Silvestertrick, auch Silvan nicht.
Zu Hause bleiben, das nicht unbedingt.
Irgendwohin, wo kein großer Rummel stattfindet, diese paar Stunden, diesen schmalen Übergang zwischen den Jahren, hinter mich bringen, ohne etwas Besonderes zu erwarten.

Aus: Silvia Trummer: „Grenzgänge“. Erzählungen
Silvia Trummer liest bei uns am Dienstag, den 28.10. um 19 Uhr

Mittwoch

Heute haben
Iwan Bunin * 1854
Doris Lessing * 1870
Jacques Berndorf * 1936
A.L. Kennedy * 1965
Geburtstag.
Aber auch Franz Liszt und Catherine Deneuve.
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lemaitre

Pierre Lemaitre: „Wir sehen uns dort oben“
Klett-Cotta € 22,95
Als E-Book € 17,99
Als Hörbuch auf zwei mp3-CDs € 24,99
Auf Französisch: „Au revoir là-haut“ € 36,99

Sie werden sich denken, dass der Wiltschek doch allen Büchern, jeglicher literarischen Neuerscheinung hinterherjubelt. Nein, das ist ganz gewiss nicht der Fall. Es erscheinen jedoch so viele neue, gute Romane, dass es mich oft wundert, wie das denn sein kann, wo doch schon alles geschrieben ist. Und passiert so etwas, wie mit diesem Roman von Pierre Lemaitre. Erst bekommt er 2013 den bedeutendsten französischen Literaturpreis, den Prix Goncourt, für diesen Roman, der im Französischen „Au revoir là-haut“ heisst, dann verschickt der Verlag Klett-Cotta Monate später ein Leseexemplar an uns und wiederum Wochen später nehme ich es auch in die Hand. Damit es es auch schon um mich geschehen. Denn obwohl es inhaltlich keine leichte Kost ist, liest sich das Buch, wie in einem Fluss. Pierre Lemaitre hat vor diesem Roman Krimis geschrieben und das merkt man seiner Schreibe an. Mit dieser lockeren Art an so ein gruseliges Thema (traumatisierte Soldaten nach dem Ersten Weltkrieg) heranzugehen, verlangt schon großes Können. Zusätzlich streut er immer wieder eine Prise (schwarzen) Humor ein, der in seiner dosierten Form nie respektlos wirkt.
Aber nun zum Inhalt, damit Sie ein wenig erahnen können, worum es dabei geht.
Albert und Edourad werden kurz vor Endes des Ersten Weltkrieges in eine sinnlose Schlacht gegen die Deutschen geschickt. Alle sitzen in ihren Gräben und warten auf das Ende dieses Grauen. Diese letzte Schlacht dient nur dazu, damit der befehlende Offizier noch ein paar Orden mehr bekommt. Beide überleben diesen letzten Kampf. Albert schwer gedemütigt, da er in einem Kraterloch sitzend das Gemetzel abwartet und dabei verschüttet wird. Dieses Warten im Loch wird ihm vor dem Kriegsgericht schwer angelastet und er entgeht knapp einer Erschießung. Edouard kommt, im Gesicht, schwer missgestaltet, in die Freiheit. Wenn wir nun meinen, dass diese Männern von ihren Familien, von ihren Frauen und Freunden, der Gesellschaft mit offenen Armen empfangen werden, dann werden wir schwer entäuscht. Alberts Freundin hat ihn schon verlassen und Edouard hält sich von seiner reichen Familie fern, da er ihnen mit seinem Aussehen (es fehlt ihm wirklich der komplette Unterkiefer) nicht begegnen will. Sie sind somit Ausseiten, Verstoßene. Helden sind die toten Soldaten und die Offiziere. Dass sich Edouard Schwestern sich auch noch mit dem ehemaligen Offizier, der die beiden in die Schlacht geschickt hat, einlässt, pervertiert diese Situation noch mehr.
Lemaitre genügt dies jedoch nicht für seinen Roman. Zu seiner Sprache passen nämlich auch die Gaunereien, mit denen sich diese drei Männer über Wasserhalten. Der entstellte Edouard nimmt die Identität eines anderen Soldaten an, lässt sich für tot erklären. Der Offizier bekommt dies mit und als Edouards Schwester den Leichnam ihres Bruders ausgräben lässt, damit er im Familiengrab beerdigt werden kann, spielt er mit und entwickelt daraus ein riesiges Geschäft mit Umbettungen dieser Toten in ganz Frankreich. Albert und Edouard wollen sich vorrangig an ihrem ehemaligen Befehlshaber rächen, denken sich jedoch auch eine freche Gaunerei aus, der die ganze französische Nation erschüttert. Dabei entwickeln beide wieder Lebensfreude in dieser sehr grauen und tristen Zeit, in der sie von der Hand in den Mund leben, während die Herren Offiziere sich in der Gesellschaft sonnen.
Am Ende dreht Lemaitre nochmals richtig auf, wie er es als Krimiautor gelernt hat.
Sie merken schon, ich bin wirklich begeistert von diesem Roman und es freut mich umso mehr, dass ich dieses Mal nicht mit Lesen hinterherhecheln musste, sondern, dass ich den Roman schon vor Wochen durchgefressen hatte.

Leseprobe

Das Österreichische Fernsehen empfiehlt:
ORF

Lemaitre am Stand des Verlages Klett-Cotta auf der Frankfurter Buchmesse:
Nachgefragt: Pierre Lemaître, Wir sehen uns dort oben
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Werner Färber

UNGEREIMTHEIT DER WOCHE:

DIE GLÜHBIRNE

Heller als funkelndes Gestirn
glüht in der Lampe eine Birn‘.
Meistens leuchtet sie, wenn’s nachtet.
Wenn jedoch einer missachtet,
dass Energie er sparen kann,
lässt er sie auch des Tages an.

Ein andrer wiederum hat’s satt,
dass jene Birne hat viel Watt.
Die Stromrechnung ist ihm zu groß.

Er macht die Birne fassungslos.

 

UNGEREIMTHEIT DER WOCHE (UNGEREIMTHEITEN AUS DER TIERWELT):

 BÄR – MIT UND OHNE KRAGEN CCCLCXIV
 
Ein hübscher kleiner Kragenbär,
der liebte seinen Kragen sehr.
Und weil er diesen Kragen hatte,
trug er meistens auch Krawatte.
 
Ein and’rer Bär, der kragenlos,
fragte sich: „Was mach ich bloß?
Wie soll ich ohne einen Kragen
jemals ’ne Krawatte tragen?“

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Gegenüber

Das Haus hat nichts mit der Ewigkeit zu tun, es erzählt von der Vergänglichkeit. Wenn ich zurückkehre im März, zeigt es mir seine Wunden. Zeigt, was der Winter ihm angetan hat. Ich steh auf der anderen Straßenseite dem Haus gegenüber wie einer Person. Es schaut mich an, es seufzt, es ist nicht nur Wind und Wetter ausgesetzt.
Dann beginnt es zu erzählen. Von der Großmutter. Von Alma.

Aus: Silivia Trummer: „Vierhändig“ – Ein Mosaik
Silivia Trummer liest bei uns am Dienstag, den 28.10. um 19 Uhr