Dienstag, 31.Oktober


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Heute Feiertag und morgen auch noch einer in Baden-Württemberg.
Deshalb gibt es einige Tage keine Buchtipps.
Ich wünsche Ihnen gemütliche freie Tage.
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Freitag, 3.November um 19:00 Uhr
Im Rahmen der Woche der unabhängigen Buchhandlungen

„Vom Dachzimmer zum Kurt Wolff Preis“
Ein Abend mit Benno Käsmayr und seinem Maro Verlag

Freitag, 27.Oktober

Heute haben
Dylan Thomas * 1914
Sylvia Plath * 1932
Gerd Brantenberg * 1941
Margaret Mazzantini * 1961
Zadie Smith * 1975
Geburtstag
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Heute am 27.10.auf dem Duden Gedichtekalender

Ferdinand Raimund
Das Hobellied

Da streiten sich die Leut herum
oft um den Wert des Glücks,
der eine heißt den andern dumm,
am End weiß keiner nix!
Da ist der allerärmste Mann
dem andern viel zu reich,
das Schicksal setzt den Hobel an
und hobelt alle gleich!

Die Jugend will halt stets mit Gwalt
in allem glücklich sein.
Doch wird man nur ein bisserl alt,
da findt man sich schon drein!
Oft zankt mein Weib mit mir, o Graus! –
Das bringt mich nicht in Wut.
Da klopf ich meinen Hobel aus
und denk, du brummst mir gut!

Zeigt sich der Tod einst mit Verlaub
und zupft mich: „Brüderl, kumm!“
Da stell ich mich am Anfang taub
und schau mich gar nicht um!
Doch sagt er: „Lieber Valentin,
mach keine Umständ, geh!“
Da leg ich meinen Hobel hin
und sag der Welt ade.
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Charles Bukowski:Keinem schlägt die Stunde“
Stories
Aus dem Amerikanischen von Malte Krutzsch
S.Fischer Klassik  € 25,00

Wie es so ist, wenn bei verstorbenen Schirftstellern geplündert wird. Alle Schubladen werden geöffnet, Zeitschriftentexte veröffentlicht und Bücher mit Briefen auf den Markt gebracht. Vor einem halben Jahr veröffentlichte der Verlag Kiepenheuer & Witsch „Briefe an meine Weggefährten und Gönner“, jetzt bringt der S.Fischer in seiner Klassik-Reihe einen weiteren Band von Bukowski-Erzählungen.
Der Titel ist frech und zielt natürlich auf den berühmten Hemingway-Text und frech und derbe geht es auch in vielen seiner Erzählungen zu. Über 40 Jahre seines Schaffens können wir hier nachlesen und entdecken immer wieder Persönliches und Intimes und zwischen Zeilen auch Zärtliches.
Er schreibt über das Alleinsein und die Suche nach Nähe und Geborgenheit, was in der in der us-amerikanischen Gesellschaft nicht immer einfach ist und somit immer wieder zu Abstürzen führt. Ein Leben außerhalb der Norm, ein Leben als Deutsch-Amerikaner, als Schriftsteller ohne geregelter Arbeit, war in den biederen 50er Jahren mehr als schwierig.
In dieser Sammlung finden wir in diesen kurzen Geschichten strahlende Perlen, aber auch Texte, die nicht unbedingt veröffentlicht werden müssen.
Trotzdem: Ein Buch nicht nur für Bukowski-Fans, sondern ein Buch, aus dem wir immer wieder ein Geschichte herauspicken können und damit kurze Zeit aus unserem geregelten Alltag verschwinden können.
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Passend dazu dieser Abend bei uns in der Buchhandlung:
Benno Käsmayr war der erste Bukowski-Verleger in Deutschland und hat sicher einige Geschichten zu diesem Autoren parat.

Freitag, 3.November um 19:00 Uhr
Im Rahmen der Woche der unabhängigen Buchhandlungen:
„Vom Dachzimmer zum Kurt Wolff Preis“
Ein Abend mit Benno Käsmayr und seinem Maro Verlag
Eintritt frei

Donnerstag, 26.Oktober

Heute haben
Andrej Belyi * 1880
Karin Boye * 1900
John Arden * 1930
Ulrich Plenzdorf * 1934
Carlo Lucarelli * 1960
Geburtstag
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Heute auf dem Gedichte Kalender 2018 gefunden:

Hugo von Hofmannsthal
Terzinen über die Vergänglichkeit I

Noch spür ich ihren Atem auf den Wangen:
Wie kann das sein, daß diese nahen Tage
Fort sind, für immer fort, und ganz vergangen?

Dies ist ein Ding, das keiner voll aussinnt,
Und viel zu grauenvoll, als daß man klage:
Daß alles gleitet und vorüberrinnt.

Und daß mein eignes Ich, durch nichts gehemmt,
Herüberglitt aus einem kleinen Kind
Mir wie ein Hund unheimlich stumm und fremd.

Dann: daß ich auch vor hundert Jahren war
Und meine Ahnen, die im Totenhemd,
Mit mir verwandt sind wie mein eignes Haar,

So eins mit mir als wie mein eignes Haar.
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„Nachtschwärmer“
Geschichten und Gedichte über die besten Stunden des Tages
Zusammengestellt von Martha Schoknecht
Diogenes Verlag € 5,00

Der Diogenes Verlag bringt seit ein paar Jahren im Herbst ein kleines Büchlein mit einer Anthologie heraus. Dieses Jahr sind die Nachtschwärmer dran. Es geht natürlich um den Mond und um heimliche und unheimliche Treffen unter ihm. Schlaf spielt eine wichtige Rolle und natürlich die Schlaflosigkeit. Gute und schlechte Träume kommen darin vor, wie auch große und kleine Grübeleien über Gott und die Welt.
Das alles in Kurzgeschichten, Liedtexten, Gedichten, Romanauszügen und Zitaten.

Jeder Tag hat seine Plage, und die Nacht hat ihre Lust
Johann Wolfgang von Goethe

Der Schweizer Diogenes Verlag hat nicht nur seine Bestände geplündert, sondern die Weltliteratur durchforstet und alte und neue Texte zu einer schwärmerischen Anthologie zusammengestellt.

Rainer Maria Rilke
Menschen bei Nacht
1899, Berlin-Schmargendorf

Die Nächte sind nicht für die Menge gemacht.
Von deinem Nachbar trennt dich die Nacht,
und du sollst ihn nicht suchen trotzdem.
Und machst du nachts deine Stube licht,
um Menschen zu schauen ins Angesicht,
so musst du bedenken: wem.

Die Menschen sind furchtbar vom Licht entstellt,
das von ihren Gesichtern träuft,
und haben sie nachts sich zusammengesellt,
so schaust du eine wankende Welt
durcheinandergehäuft.
Auf ihren Stirnen hat gelber Schein
alle Gedanken verdrängt,
in ihren Blicken flackert der Wein,
an ihren Händen hängt
die schwere Gebärde, mit der sie sich
bei ihren Gesprächen verstehn;
und dabei sagen sie: Ich und Ich
und meinen: Irgendwen.

Das kleine Format ist ideal für alle Taschen und vielleicht auch für unters Kopfkissen.
Aber Achtung: Keine Garantie, wenn Sie dann nicht mehr Einschlafen können.

Patti Smith

Because the night belongs to lovers
Because the night belongs to lust
Because the night belongs to lovers
Because the night belongs to us

(diese Zeilen sind nicht im Büchle enthalten, sind mir aber gerade eingefallen.)

Mittwoch, 25.Oktober

Dorothea „Doro“ Rechenberg lebt nicht mehr.
Sie war ein Freundin der besonderen Art. Sie war einfach da, obwohl sie weit weg war.
Sie umsorgte, beschickte mich und uns. Sie sprudelte vor Lebensfreude. Hatte Freude, anderen eine Freude zu bereiten. Bücher, Garten, ihr Fahrrad Traudl, die Fahrten mit ihrem Mann im Bulli und immer wieder Menschen, Menschen, Menschen.
Sie schrieb Briefe auf Papier, verschickte Weihnachtsgebäck und plötzlich lag wieder ein Umschlag im Briefkasten. Doro war eine Wortakrobatin und Worterfinderin.
Das Schicksal nimmt merkwürdige Wendungen und jetzt ist Doro nicht mehr da.
„Tschakka, du schaffst das!“ würde sie mir schreiben.
Ja, ich versuche es, ich versuch’s.
Vielen Dank.
Gruß von Süd Sam an Nord Doro.

Dienstag, 24.Oktober

Heute haben
Dorothea von Schlegel * 1764
August von Platen * 1796
Zsuzsa Bánk * 1965
Geburtstag.
Herzlich Glückwunsch zum Festtag, liebe Zsuzusa Bánk
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Gerrit Engelke
Herbst

Um die Großstadt sinkt die Welt in Schlaf.
Felder gilben, Wälder ächzen überall.
Wie Blätter fallen draußen alle Tage,
Vom Zeitwind weggeweht.

Ob Ebene und Wald in welkes Sterben fallen,
Ob draußen tost Vergänglichkeit,
Im Stadtberg brüllen Straßen, Hämmer hallen:
Die Stadt dampft heiß in Unrast ohne Zeit.
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Unser Musiktipp der Woche:

Avital Meets Avital
Deutsche Grammophon CD € 19,99

Nicht verwandt und nicht verschwägert, spielen die beiden Namensvetter Avi und Omar Avita, der eine aus Israel, der andere aus den USA, eine gelungene, kurzweilige Melange unterschiedlicher Stile und Kulturen ein. Avi mit der Mandoline und Omer am Bass wandeln zwischen Klassik und Jazz. Westliche Musik verbindet sich mit marrokanischen Beats. Tradition und Moderne fügen die Beiden zu einem großen Ganzen zusammen. Kennen wir Avi Avital bisher als Interpret klassiker Musik, so können wir ihn nun auch von seiner anderen Seite kennen.
Aber warum so viele Worte verwenden, wenn wir so tolle Musikbeispiele haben.
Buon divertimento.

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Morgen ist es so weit:

Mittwoch, 25.Oktober um 19 Uhr
Gabriele Glang: Göttertage
Moderation: Christiane Wachsmann
Bei uns in der Buchhandlung
Der Eintritt ist frei.

Mit einem Vorwort von Sibylle Knauss
»Paula Modersohn-Becker oder Das Ringen einer großartigen jungen Künstlerin um ihre Anerkennung in der von Männern geprägten Kunstwelt. In diesen fiktionalen lyrischen Monologen findet es seinen Ausdruck. Heute ist ihr Weltrang längst offenbar und unbestritten. Den Rang der Lyrikerin Gabriele Glang gilt es jetzt zu entdecken.«
Sibylle Knauss

Paris, Februar 1906: Die wenig erfolgreiche Malerin Paula Modersohn-Becker verlässt mit Anfang 30 ihren Künstlergatten Otto Modersohn, um sich in der flirrenden französischen Kunstmetropole neu zu erfinden. Nach sechs Jahren unbefriedigender Ehe ist sie der engstirnigen Worpsweder Künstlerkollegen überdrüssig. In der großen Freiheit soll endlich etwas aus ihr werden …

Mit ihren fiktionalen Monologen schlüpft die Lyrikerin und Malerin Gabriele Glang in die Haut der Paula Modersohn-Becker während ihres letzten Paris-Aufenthalts – ein halbes Jahr voller Höhen und Tiefen, in dem sie vollendete Bilder schafft. Ein Jahr später, drei Wochen nach der Geburt ihrer Tochter, stirbt sie.

Freitag, 20.Oktober

Heute haben
Arthur Rimbaud * 1854
Paul Valery * 1871
Peter Bamm * 1897
Otfried Preußler * 1923
Oskar Pastior * 1927
Elfriede Jelinek * 1946
Geburtstag
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„Optimisten haben gar keine Ahnung von den freudigen Überraschungen, die Pessimisten erleben.“
Peter Bamm
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Petri Tamminen:Meeresroman
Aus dem Finnischen von Stefan Moster
Mare Verlag € 18,00

Was ist Glück, was ist Unglück? Wie gehe ich damit um und wie mache ich nach einem Schicksalsschlag weiter? Das hört sich viel trauriger an, als es in dem schmalen Roman des jungen finnischen Autoren zu lesen ist. Vilhelm Huurna versenkt fünf Handelsschiffe in seinem Leben, macht trotzdem weiter. Jedes Mal bezahlen seine Autraggeber ein neues Segelschiff und beauftragen ihn als Kapitän durch die Nordsee zu fahren. Es ist die Zeit, als schon Dampfschiffe schneller termingerechter unterwegs sind, während er mit den verschiedenen Wettern zu kämpfen hat.
Vilhelm Huurna ist eine ehrliche Haut, etwas blaß, dem das Leben nicht sonderlich gut mitspielt. Für alle seine Schiffsunfälle kann er nichts. Mal wird er gerammt, mal gerät er in ein sagenhaftes Unwetter. Auch privat läuft es nicht so, wie er sich es vorgestellt hat. Er sucht das kleine Glück, etwas Zufriedenheit und das bekommt er auch – in klitzekleinen Portionen. Er ist zufrieden mit dem, was passiert, akzeptiert seine Niederlagen, die eigentlich gar nicht seine sind. Die Schiffe sind untergegangen, er nicht. Er lebt weiter. Ruhig, still, bescheiden.
Petri Tamminen, 1966 in Helsinki geboren, ist Autor und freier Journalist. Er gilt als Meister der kurzen Prosa und des lakonischen Humors; seine Werke wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Auf Deutsch erschien zuletzt sein Roman „Mein Onkel und ich“ (2007), der auf der Shortlist für den Finlandia-Preis stand.

Petri Tamminen schafft hier ein kleines Meisterwerk. Ein Roman, der strahlt und leuchtet. Sein Buch erinnert an die finnischen Filme. Auch hier wechselt sich Melancholie mit feinem Witz ab. Die Erzählweise ist unaufgeregt und warmherzig. Vilhelm Huurnas Sicht auf die Welt ist naiv positiv und grundehrlich. Ein schönes Vorbild in unseren großmauligen, unehrlichen Zeiten.
Ach, was ich vergessen habe: Das Buch ist so richtig schön hergestellt. Passt!

Heute haben
Miguel Angel Asturias * 1899 (Nobelpreis 1967)
Hilde Spiel * 1911
John le Carré * 1931
Philip Pullman * 1946
Rudolf Herfurtner * 1947
Geburtstag.
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Im Gedichtekalender vom 19.10.2017

Theodor Däubler
Weg

Mit dem Monde will ich wandeln:
Schlangenwege über Berge
Führen Träume, bringen Schritte
Durch den Wald dem Monde zu.

Durch Zypressen staunt er plötzlich,
Daß ich ihm entgegengeh.
Aus dem Ölbaum blaut er lächelnd,
Wenn michs friedlich talwärts zieht.

Schlangenwege durch die Wälder
Bringen mich zum Silbersee:
Nur ein Nachen auf dem Wasser,
Heilig oben unser Mond.

Schlangenwege durch die Wälder
Führen mich zu einem Berg.
Oben steht der Mond und wartet,
Und ich steige leicht empor.
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Eine Weihnachtsbescherung im Oktober

Andreas Steinhöfel:Rico, Oskar und das Vomhimmelhoch
Mit Bildern von Peter Schössow
Carlsen Verlag € 14,99

Rico und Oskar marschieren auf dem Buchumschlag durch das winterliche Berlin. Beide haben Geschenktüten in der Hand. Ja, so könnte es sein. Es ist der 24.12. und demnächst gibt es Geschenke, Geschenke, Geschenke. Aber das wäre in der Dieffe, im Haus der Beiden, zu einfach. Natürlich herrscht großes Chaos. Der Baum ist zu groß, der Stiefvater liegt eingeklemmt darunter. In der Küche wird russisch gekocht, Oskar ist plötzlich richtig sauer und verschnupft. Eine Schneekugel findet den Weg nicht zurück und ein herrlicher Sommer in einem Hinterhof ist nur noch Vergangenheit, während draußen ein Schneesturm heult.
Andreas Steinhöfel legt sein ganzes Herz und Können in diesen vierten Band seiner beiden Helden. Es geht um Freundschaft, um neues Kennenlernen und sich Neuorientieren. Riso läuft mit offenen Augen und Ohren durch Kreuzberg und notiert für uns wichtige Begriffe, wie „Romantik“ oder „Profilneurose“. Natürlich auf seine Art. Es ist auch seine eigene Art, seine etwas langsamere, tiefenbegabtere Art, die Welt zu sehen und uns zu erzählen. Und gerade das macht die Bücher so speziell.
Andreas Steinhöfel zeigt uns, dass seine Hauptpersonen eines ganz besonderen Schutzes bedürfen. Auch die Kinder aus dem Hinterhof. Besonders Checker, der immer viel zu essen dabei hat. Er sitzt an Weihnachten bei Rico auf dem Sofa und sie schauen „Der Zauberer von Oz“. Seine Mutter denkt, er ist beim Vater. Sein Vater denkt, er ist bei der Mutter. Wie traurig. Gerade auch an diesem besonderen Abend, an dem es dann plötzlich zwei Geburten gibt. Vom wem? Das verrate ich natürlich nicht.
Freuen Sie sich auf diesen vierten Band und wir können nur hoffen, dass die geplante Trilogie nicht nur um einen Band erweitert wird. Denn Steinhöfel hat es drauf und schreibt Bücher für Kinder und Erwachsene. Lesen Sie dieses Buch selbst, verschenken Sie es an die Kinder in Ihrer Familie und in Ihrer Nachbarschaft. Sie bereiten große Freude. Es gibt viel zu Lachen, noch mehr zum Wundern und für uns Erwachsene sehr sehr viel zwischen den Zeilen zu lesen.

 

Heute haben
Heinrich von Kleist * 1777
Henri Bergson * 1859 (Nobelpreis 1927)
Tibor Déry * 1894
und auch Klaus Kinski * 1926
und Lotte Lenya * 1898
Geburtstag.
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Heinrich von Kleist
Freund, versäume nicht zu leben…

Freund, versäume nicht zu leben,
Denn die Jahre fliehn;
Und es wird der Saft der Reben
Uns nicht lange glühn!
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Das Oktober-Heft aus dem Reclam Verlag stellen wir diesen Monat viel zu spät vor. Vielleicht liegt es daran, dass wir so unglaublich schönes, warmes Wetter haben und gar nicht wahrhaben wollen, dass der Oktober auch seine andere Seiten hat. Die werden schon noch kommen.
Das November-Heft liegt bereit, für den Fall, dass jemand reinspickeln will.

Oktober
Gedichte
Ausgewählt von Evelyne Polt-Heinzl und Christine Schmidjell
Reclam Verlag € 5,00

Robert Walser, Carl Zuckmayer, Rose Ausländer, Ingeborg Bachmann, Christoph Meckel, Friederike Mayröcker, Kaschnitz, Kunze, Jandl, Artmann, Rilke, Gernhardt, und und und.
In gewohnter Art führen uns die beiden Herausgeberinnen durch den Monat Oktober. Vom Spätsommer, bis zum kalten Herbst ist alles dabei. Nur kein Goethe. Den mögen die beiden wohl nicht. Oder sie brauchen ihn nicht, weil sie so viele andere AutorInnen haben.
Hier eine kleine Auswahl:

Detlev von Liliencron
Herbst

Astern blühen schon im Garten;
Schwächer trifft der Sonnenpfeil
Blumen die den Tod erwarten
Durch des Frostes Henkerbeil.

Brauner dunkelt längst die Haide,
Blätter zittern durch die Luft.
Und es liegen Wald und Weide
Unbewegt im blauen Duft.

Pfirsich an der Gartenmauer,
Kranich auf der Winterflucht.
Herbstes Freuden, Herbstes Trauer,
Welke Rosen, reife Frucht.

Theodor Fontane
Spätherbs
t

Schon mischt sich Rot in der Blätter Grün,
Reseden und Astern sind im Verblühn,
Die Trauben geschnitten, der Hafer gemäht,
Der Herbst ist da, das Jahr wird spät.

Und doch (ob Herbst auch) die Sonne glüht, –
Weg drum mit der Schwermut aus deinem Gemüt!
Banne die Sorge, genieße, was frommt,
Eh’ Stille, Schnee und Winter kommt.

Nikolaus von Lenau
Herbstgefühl

Mürrisch braust der Eichenwald,
Aller Himmel ist umzogen,
Und dem Wandrer, rauh und kalt,
Kommt der Herbstwind nachgeflogen.

Wie der Wind zu Herbsteszeit
Mordend hinsaust in den Wäldern,
Weht mir die Vergangenheit
Von des Glückes Stoppelfeldern.

An den Bäumen, welk und matt,
Schwebt des Laubes letzte Neige,
Niedertaumelt Blatt auf Blatt
Und verhüllt die Waldessteige;

Immer dichter fällt es, will
mir den Reisepfad verderben,
Daß ich lieber halte still,
Gleich am Orte hier zu sterben.

Christian Morgenstern
Oktobersturm

Schwankende Bäume
im Abendrot –
Lebenssturmträume
vor purpurnem Tod –

Blättergeplauder –
wirbelnder Hauf –
nachtkalte Schauder
rauschen herauf.

Friedrich Rückert
Herbsthauch

Herz, nun so alt und noch immer nicht klug,
Hoffst du von Tagen zu Tagen,
Was dir der blühende Frühling nicht trug,
Werde der Herbst dir noch tragen!

Läßt doch der spielende Wind nicht vom Strauch,
Immer zu schmeicheln, zu kosen.
Rosen entfaltet am Morgen sein Hauch,
Abends verstreut er die Rosen.

Läßt doch der spielende Wind nicht vom Strauch,
Bis er ihn völlig gelichtet.
Alles, o Herz, ist ein Wind und ein Hauch,
Was wir geliebt und gedichtet.