Mittwoch

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Oh, was für eine Fußballnacht. Sie hat mich doch tatsächlich ein wenig vom Lesen abgehalten.
Live im Radio mit zwei Sprechern. Grossartig, wie die Jungs sich die sprachlichen Bälle zugeworfen haben. Aus dem tickitacka-Spiel der Mannschaft aus Barcelona, wurde dann ein Tackatuckaland, auf das die Bayern die Katalanen geschickt haben.
Das am Welttag des Buches. Sehr passend.
Brot und Spiele, Betrug und großes Geld.
Alles an einem Tag.
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Um ganz ähnliche Themen, wie Betrug, das große Geld, Unterdrückung und Gewalt geht es auch in der Neuerscheinung, die unser Rasmus Vogel heute vorstellt:

Johnson

Adam Johnson: „Das geraubte Leben des Waisen Jun Do
Suhrkamp Verlag € 22,95

Wir haben das Buch vor ein paar Tagen schon erwähnt, weil es den Pulitzer Preis 2013 für den besten Roman erhalten hat. Jetzt eine ausführliche Besprechung.

Mitten im Atomkonflikt mit Nordkorea ist ein US-Roman über das ostasiatische Land mit dem begehrten Pulitzerpreis ausgezeichnet worden. „Das geraubte Leben des Waisen Jun Do“ des US-Schriftstellers Adam Johnson.
Ich habe das Buch sehr gerne gelesen, es ist intensiv, spannend, verstörend und poetisch.
„Pak Jun Do hat noch nie einen Film gesehen, kaum je ein Werbeplakat, er findet es merkwürdig, dass woanders Leute Tiere im Haus halten, und wundert sich über Maschinen, die Geld auswerfen. Er kennt keine Ironie, keine Kunst, keine Mode und keine Magazine. Aufgewachsen im nordkoreanischen Waisenhaus »Frohe Zukunft«, ist er ein winziges Rädchen im großen Getriebe der absurd-grausamen Herrschaft des »Geliebten Führers« Kim Jong Il. Nur ein falsches Wort kann jeden sofort ins Lager bringen. Doch mit der Zeit beginnt Jun Do an etwas zu glauben, was stärker ist als Staatstreue: Freundschaft und Liebe. Als er die Schauspielerin Sun Moon trifft, lernt er das bedingungslose Vertrauen in einen anderen Menschen kennen. Und nur dafür lohnt es sich zu überleben.“
Adam Johnson, schreibt wunderbar fesselnd und spannend, auch wenn dem Leser ab und an Zweifel an Johnsons Psychologie kommen mag, den so manchen Protagonisten hätte man genauso gut irgendwo an die amerikanische Westküste versetzen können.
So verkörpert etwa der junge Held des Romans Jun Do, alle möglichen westlichen Ideal, die er gar nicht kennt und „denkt“ allzu oft wie ein ziemlich normaler Europäer oder Amerikaner.
Adam Johnson ist ein begnadeter Atmosphären Schaffer und Beschreiber des Netzes der Angst, Brutalität und Absurdität Nordkoreas, aber ein miserabler Psychologe und so sind die Nordkoreaner in seinem Buch eigentlich nicht wirklich anders als irgendein Cowboy irgendwo in Texas.
Mit seinen Beschreibungen Nordkoreas, dürfte er allerdings extrem nah der Wirklichkeit kommen. So kann man auf diversen Webseiten, sowie in mancher Zeitschrift (Le Monde diplomatique, Lettre International u.a.) Berichte von Nordkorea -Kennern und Koreaner selbst lesen, die erahnen lassen wie gut Johnson beschreibt, was eigentlich unsagbar bleiben müsste.
Meine Empfehlung, alle die sich für Nordkorea und wie diese Diktatur funktioniert, ein Leben in dauernder Ungewissheit und Angst interessieren , würde ich dieses Buch ans Herz legen.

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=O51xPDh0-20]

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=wFZs6ZSkapw]

Leseprobe
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Noch ne Leseprobe aus der Schneckenmühle von Jochen Schmidt.
Lesung bei uns am kommenden Montag, den 29.4. um 19 Uhr.

„Schon von weitem sehe ich in der Halle die ersten Kinder und ihre Eltern, genau, wie ich es geträumt habe, aber jetzt ist es Wirklichkeit. Den Kleineren gucken die Köpfe von Stofftieren aus den Rucksäcken, manche Kinder weinen schon. Die älteren Mädchen haben Haarlocken vor den Augen und schielen gelangweilt drunter hervor, sie wirken so, als sei jede Bewegung, die sie machen müssen, eine Zumutung für sie, aber warten tun sie auch nicht gerne. Ein Mädchen mit Strumpfhose und einem kleinen Köfferchen streitet sich mit seiner Mutter, die nicht bis zur Abfahrt bleiben soll. Meine Mutter schiebt mich zu einem traurig guckenden Mädchen mit langen, schwarzen Haaren, dessen Eltern sie kennt und mit dem ich deshalb jetzt mal reden soll. Sie ist größer als ich, und ich fürchte, daß die Peinlichkeit ihrer Cordhosen mit Schlag auf mich abfärben könnte. Eine energische, ältere Frau ruft mit einem Megaphon Namen von einer Liste auf, die Kinder werden gruppenweise einem Leiter zugeordnet, der mit seinem Vornamen vorgestellt wird. «Gruppe Wulf», «Gruppe Uschi» … Meine Mutter sagt lachend zu Wulf, er solle ruhig
streng mit mir sein, wenn mir «das Fell juckt». Wulf hat einen Igel, das wirkt, als hätte er eigentlich lange Haare gehabt, die er sich aus irgendwelchen Gründen abschneiden
mußte, wahrscheinlich bei der Armee. Sehr zu meiner Freude hat er eine Nickelbrille. Solche Brillen trägt man bei der Bundeswehr unter der Gasmaske, meine Schwester hat sich so eine zu Weihnachten gewünscht, mit stählernem, grünem Etui, über das ein Panzer rollen kann. Auf einem Zettelchen im Samtfutter notiert man Name und Blutgruppe, falls man dann nicht mehr in der Lage ist zu sprechen. Mit so einer Brille sieht man aus wie John Lennon, und überall, wo man einen wie John Lennon aussehen sieht, lohnt es sich, ein Stück hinterherzulaufen.“

(Alle Rechte beim C.H.Beck Verlag)
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Neues aus der New Yorker Untergrund Bibliothek:

“The Catcher in the Rye,” by J. D. Salinger

„The Cather in the Rye“ von J.D.Salinger
(gefunden bei unypl.tumblr.com)

Mittwoch

Heute haben
Tania Blixen * 1885
Thornton Wilder * 1897
Rolf Schneider * 1932
Geburtstag
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Unsere Kinder- und Jugendbuch-Expertin Anja Reiprich empfiehlt heute:

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Jacqueline Kelly:Calpurnias (r)evolutionäre Entdeckungen
Hanser Verlag € 16,90
ab 13 Jahren

Wir schreiben das Jahr 1899. Calpurnia, ein kleiner wissbegieriger Wildfang wächst als einziges Mädchen unter 7 Brüdern auf.
Ihre Mutter möchte aus ihr eine guterzogene junge Frau machen, so wie es sich in 1899 gehört. Doch Calpurnia ist das alles zu langweilig, sie geht viel lieber mit ihrem Großvater auf Entdeckungstour in die Natur. Er zeigt ihr die Geheimnisse der Flora und Fauna, die dem Mädchen viel besser gefallen als strenge Regeln und Klavierunterricht.

Ein Buch, das mit viel Liebe zum Detail geschrieben und illustriert wurde. Einfach eine schöne Geschichte zum Abtauchen, Träumen und allen zu empfehlen, die gerne draussen unterwegs sind.

Hier können Sie im Buch lesen.

Trailer zum Buch. Sehr informativ und lustig.
[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=xcSLHwtQTMk]

Die Autorin Jacqueline Kelly, in Neuseeland geboren, wuchs in Kanada auf und lebt in Texas. Sie studierte Medizin und Jura, arbeitete als Ärztin und Rechtsanwältin, und begann nebenbei das Schreiben. 2009 erschien ihr Debüt „Calpurnia Tate“, das u.a. mit dem Newbery Honor, dem Josette Frank Award und als ALA Best Book for Young Adults ausgezeichnet wurde.
(Quelle: Hanser Verlag, München)
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Pulitzer-Preis 2013 geht an Adam Johnson für seinen Roman:Das geraubte Leben des Waisen Jun Do (Suhrkamp Verlag, € 22,95).
Nachdem es im letzten Jahr keinen Preisträger in der Kategorie „Bester Roman“ gab, hat sich Johnson diesmal gegen zwei andere Favoriten durchgesetzt, wie die Pulitzer-Stiftung an der Columbia-Universität in New York mitteilt. In dem kritischen Nordkorea-Roman geht es um die Geschichte eines Kindes, das in einem Waisenhaus in dem kommunistischen Land aufwächst. Von Johnson, geboren 1967 in South Dakota, erschienen zuvor Kurzgeschichten („Emporium“) und 2003 der Roman „Parasites like us“.
(Quelle: Buchmarkt)
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Noch ein Lesehappen aus Jochen Schmidts: „Schneckenmühle“.
Jochen Schmidt liest bei uns in der Buchhandlung am
Montag, den 29.April um 19 Uhr.
Bitte Karten vorbestellen.

„Meine Mutter will meinen Koffer packen, und dafür muß ich alte Sachen anprobieren, ob sie überhaupt noch passen, die Pullover sind zu eng, es knistert beim Ausziehen, die Haare kleben an den Kunstfasern. «Zum Verlieben!» sagt sie bei allem, was ich ihr präsentiere. Ich weigere mich, kurze Hosen mitzunehmen. Ich bin einmal von einer Kindergartentante nach Hause gebracht worden, weil es so heiß war und ich als einziger lange Hosen trug. Aber ich finde, daß meine Beine von oben gesehen so dünn wirken, während im Sitzen die Oberschenkel auseinanderquellen. Meine Mutter gibt keine Ruhe, bis wir den halben Schrank durchhaben. Welches Nicki ich für die Disko will? Ich tanz doch sowieso nicht, sage ich. «Na, wart mal ab», sagt sie, als wüßte sie schon, was in meinem Leben als nächstes passieren wird. Aber ich tanze wirklich nicht, ich weiß nicht, wie das geht. Ich habe es mir von Roberto zeigen lassen, der seine Mutter zum Abschied immer auf den Mund küßt. Er konnte schon immer tanzen, aber bei mir funktioniert es nicht, ich muß bei jeder Bewegung nachdenken, was ich als
nächstes tun soll, und wenn jemand zusieht, werden meine Glieder steif. Ich habe deshalb immer Angst, daß irgendwo das Licht ausgeht und die Musik laut gestellt wird. Sogar im SEZ gibt es um Mitternacht eine «Badehosen-Disko». Als mir mein Cousin aus Rendsburg einmal verriet, daß man, wenn man heiratet, mit seiner Frau nackt tanzen muß, wußte ich gar nicht, was von beidem schlimmer war, sich nackt ausziehen müssen oder tanzen.“
(Alle Rechte beim C.H.Beck Verlag)
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Neues aus der unypl (Underground New York Public Libary)

“Mastery,” by Robert Greene
„Mastery“ von Robert Greene.