Heute haben
de Sade * 1740
Thomas Hardy * 1840
Max Aub * 1903
Marcel Reich-Ranicki * 1920
Sibylle Berg * 1962
Geburtstag und auch noch Lotte Reininger.
______________________________
Weiter geht es mit Film. Unser heutiger Filmtipp ist schräg,liebenswert und anrührend gleichzeitig.
„Ich und Earl und das Mädchen„
Regie: Alfonso Gomez-Rejon,
USA 2015, FSK ab 6, € 14,99
Wir alle kennen das Buch und/oder den Film „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ von John Green. Die Geschichte mit den krebskranken Jugendlichen. Im ersten Moment erscheint der heutige Filmtipp auch in diese Richtung zu gehen und doch hat der Regisseur Gomez-Rejon eine ganz andere Intension. Er nimmt das Thema mit dem sterbenden Mädchen (so wird das Mädchen im amerikanischen Original genannt) als Aufhänger für seine Coming-of-Age-Geschichte. Er nutzt die Situation mit der an Leukämie erkrankten Rachel um seine drei Jugendlichen durch alle Höhen und Tiefen ihres Erwachsenwerdens zu begleiten.

Greg ist ein unscheinbarer Mittelstands Weißer, sieht so aus und verhält sich auch so. Er weiß, wie er in den jeweiligen Cliquen zu grüßen hat, wie er sich zu bewegen hat und wie er wann und wo den passenden Spruch los wird. Eigentlich möchte er jedoch verschwinden, unsichtbar sein, sich verkriechen und nichts von der Welt, seinem Umfeld, seiner Familie, seiner Mutter wissen. Dies bemerkt seine Mutter auch und zwingt ihn, da er es mal wieder verpennt hat, sich rechtzeitig für ein College anzumelden, Kontakt mit seiner Mitschülerin Rachel aufzunehmen, bei der Leukämie im Endstadium diagnostiziert worden ist. Mit im Dreierteam ist Earl, ein schwarzer Junge, der aus einem ganzen anderen Stadtteil kommt und eine komplett andere Sozialisation hinter sich hat.

Gomez-Rejon lässt kein Klischee aus, kein Fettnäpfchen, nimmt alle Arten von Situationskomik mit behält trotzdem die Balance, um nicht ins Banale abzutriften. Greg und Earl treffen sich zum Beispiel in ihren Mittagspausen im Zimmer ihres tätowierten Geschichtslehrer und schauen sich hochintellektuelle Filme an. Eigentlich unmöglich in dieser Konstellation, aber die dauernde Wiederholung dieser Szene trägt den Film und lässt uns ins Innenleben von Erl und Greg schauen. Denn beide drehen in ihrer Freizeit kleine Filmchen, in denen sie Filmklassiker persiflieren. So einen Film wollen/sollen sie auch für Rachel drehen. Dies gestaltet sich jedoch nicht so leicht. Doch ganz am Ende können wir ihn gemeinsam mit Greg und Rachel anschauen.

Die Handlung des Filmes wird immer wieder unterbrochen mit Gedankensequenzen, die dann z.B. mit Knetfiguren nachgestellt werden. Auch gibt das Drehbuch seinen drei Figuren Zeit, sich über sich selbst Gedanken zu machen, spielt gekonnt mit dem Thema Tod und was wir von unseren Nächsten nicht wissen und erst nach ihrem Ableben entdecken. So auch bei Rachel. Denn Greg sagt bei seinem ersten Besuch bei Rachel zur Waldtapete in ihrem Zimmer nur: „Waldtapete. Cool.“, bemerkt aber erst nach ihrem Tod, was sich zwischen den Bäumen und Blättern alles bewegt.
Ein Film, der zum Lachen, Nachdenken anregt und gleichzeitig zum Heulen bringt. Wenn auch nur ganz kurz.
Nicht vergessen sollten wir auch den sehr passenden Soundtrack.
Alles zusammen eine gelungene Unterhaltung ab 12 Jahren und für die ganze Familie.
Interview mit dem Regisseur Alfonso Gomez-Rejon
_________________________
Unsere nächsten Termine:
Montag, 6.Juni um 20 Uhr
Stefan Siller von SWR 1 im Ulmer Roxy
Dienstag, 7.Juni um 19 Uhr
Die erste Seite
Wir stellen vier neue Bücher vor
Donnerstag, 16.Juni um 20 Uhr
Judith Hermann im Ulmer Roxy
Der Inder hat seinen und Elenas gemeinsamen Einkauf bezahlt. Auf eine Weise, als gingen sie schon ihr ganzes Leben zusammen einkaufen, als bezahle er für sich und Elena schon immer. Paul wirft die Zeitung auf den Stapel zurück und kommt zur Kasse rüber. Die Kassiererin ist blond und jung, sie nimmt die Erdbeeren hoch und schaut Rose ausdruckslos in die Augen. Paul wird sie fragen, was sie eigentlich macht, er fragt das jede junge Kassiererin. Rose fällt der Lettipark ein. Pages Geschenk für Elena, und sie kann sich nicht daran erinnern, ob Elena ihn da schon verlassen hatte oder ob sie
ihn nach diesem Geschenk verließ. Mit oder wegen dieses Geschenkes verließ. Elena hatte ihre Kindheit im Lettipark verbracht, sie hatte Page davon erzählt. Und Page war losgegangen und hatte den Lettipark für Elena fotografiert. Im Winter. Ein gewöhnlicher, trostloser Park am Stadtrand, eine Brache, und es gab gar nichts zu sehen, verschneite Wege, ein verlassenes Rondell, Bänke und eine leere Wiese. Kahle Bäume, grauer Himmel, das war auch schon alles gewesen. Aber Page war der Spur von Elenas Kindheit mit Andacht hinterhergegangen.
aus: Judith Hermann: „Lettipark“