Freitag

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Heute haben
Selma Lagerlöf * 1858
Nadine Gordimer * 1923
Don DeLillo * 1936
Rachid Mimouni * 1045
Jürgen Seidel * 1948
Geburtstag
und es ist der Weltkindertag.
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Zu diesem oben genannten Weltkindertag können wir doch auch etwas beitragen. Dieses Bilderbuch hat schon über zehn Jahre auf dem Buckel und ist aktueller denn je.

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Rafik Schami und Ole Könnecke: „Wie ich Papa die Angst vor Fremden nahm
Hanser Verlag € 14,90
Bilderbuch ab 5 Jahren

„Ich erzähle euch jetzt was,
das werdet ihr nicht glauben“.

So beginnt dieses Buch und so beginnen, in leicht veränderten Form auch Märchen und wundersame Geschichten. Ein solcher Geschichtenerzähler ist Rafik Schami, der hier für den Text zuständig ist. Ohne die Illustrationen von Ole Könnecke wäre das Bilderbuch nicht annähernd so gut, wie es hier vor uns liegt. Könnecke verstärkt die skurilen Situationen, überdreht und bringt Personen ins Spiel, die im Text nicht vorkommen und dennoch in ihrer Nebelrolle dem Ganzen die richtige Würze geben.

Ein Mädchen erzählt uns eine Geschichte, die wir nicht glauben werden. Oder doch?
Ihr Papa war schon immer groß und stark und klug, geduldig, lustig und sehr tapfer. Dabei sehen wir ihn beim Einkaufen mit ihr, beim Schnippeln und Kochen, Blödsinnmachen und Vorlesen. Und er kann sogar zaubern. Nur mit einem ist die kleine Tochter nicht einverstanden. Er fürchtet sich vor Fremden, vor dunkelhäutigen Menschen. Gerade war er noch mutig auf dem Zahnarztstuhl gelegen, im Fahrstuhl stehen sie jedoch mit einem großen Afrikaner zusammen und ihr Papa guckt dabei ganz komisch. Sie sind ihm unheimlich, sagt er zu seiner Tochter. Sie sind so viele, sie sind überall, schmutzig und laut. Wir verstehen ihre Sprachen nicht und überhaupt das Schwarze, das Dunkle. Davor fürchtet er sich schon immer. Diese Aussagen untermalt Könnecke mit sehr witzigen Bildern, die genau das Gegenteil ausdrücken.
Die beste Freundin des Mädchens ist Banja, kommt aus Tansania und sie möchte das Mädchen gerne zu ihrem Geburtstag einladen. Sie freut sich und denkt, dass es doch toll wäre, wenn ihr Papa auch mitkommen würde und Banja und ihrer Familie etwas vorzaubern könnte. Aber wie soll das gehen, wo er doch so eine komische Einstellung zu Fremden hat? Aber sie lässt sich nicht entmutigen (sie ist überhaupt ein tapferes Mädchen, die viel lacht in den Illustrationen), ist daheim ganz brav, erfüllt ihrem Papa jeden Wunsch und bekommt es sogar hin, dass er zusagt auf dem Geburtstag der Schulfreundin eine kleine Aufführung zu machen. Er weiss allerdings nicht, was auf ihn zukommt, mit wem er es zu tun hat und welche Überraschung am kommenden Samstag auf ihn warten.
Der Vater wird in Banjas Erzählung an ihre Mutter immer größer,stärker und mutiger. Übermenschliche Kräfte soll er besitzen und der größte Zauberer der Welt sein. Die Mutter erzählt eine noch schärfere Variante ihrem Mann. Das Staunen wird immer größer und Banjas Familie will diesen großen Mann gebührend empfangen. Sehr witzig und überdreht. Das Buch bricht während der Geburtstagsfeier ab, wir wissen nicht, wie sie weitergeht, aber es kann keinen Zweifel geben: Es geht gut aus!
Das Bilderbuch spielt mit der unterschiedlichen Wahrnehmung. Sagt der Papa, dass die Fremden schmutzig seinen, sehen wir einen schwarzen Mann mit Rastalocken, der vor seinem Plattenladen, die Straße kehrt. Bei fremden Sprachen sehen wir die vielen Jazz-LPs im Laden liegen und einen schwarzen Politiker im Fernsehen reden. Alle Vorurteile werden somit gleich zurecht gerückt.
Und das ist genau das Tolle an dieser Geschichte, dass wir als Betrachter (sowohl die Vorleser, als auch die Kleinen) genau hinschauen sollten. Und was mir zu Beginn zu beginnt gar nicht aufgefiel, ist das das Titelbild. Hier sehen wir nämlich das Mädchen und ihren Papa, wie sie gerade vom Einkaufen kommen und Banja und ihrem Papa begegnen. Beide Väter haben braune Schuhe, schwarze Hosen, einen grünen Pulli und ein weisses Hemd. Der eine hat eine Zeitung unter dem Arm, der andere liest die gleiche gerade. In der gleichen Einkaufstasche sind die gleichen Markteinkäufe. Der eine Papa schaut kritisch auf den „fremden“ schwarzen Mann und die beiden Mädchen lächeln sich an.
Das sagt schon alles und wird erst so richtig klar, wenn wir beim fulminanten Ende angekommen sind und das Bilderbuch noch einmal von vorne durchblättern.
Ein kluges, lustiges Buch zum Thema Alltagsrassismus, das in seiner übersteigernden Form und überraschenden Pointen komplett überzeugt.

Ach noch ne kleine Randbemerkung, die sich Ole Könnecke nicht hat nehmen lassen.
Als der Papa die Praxis des Zahnarztes verlässt und auf der Straße steht, sehen wir das Klingelschild des Arztes: „Dr. Desoto / Zahnarzt/ 1.Stock“. Doctor De Soto ist wiederum der Titel eines sehr berühmten amerikanischen Bilderbuchklassikers von William Steig, den Könnecke sehr verehrt.