Samstag

Am kommenden Dienstag stellen wir wieder vier neue Bücher vor.
Diesmal geht es um eine verworrene Liebesgeschichte, um einen Brief, der von Libyen in den Irak transportiert wird und um einen alten Japaner, der in der Welt der Zahlen(kombinationen) lebt. Dazu stellt der Ulmer Stefan Plöger seinen neuen Roman vor.
Beginn ist 19 Uhr, der Eintritt, wie immer frei.
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Da war ich mal wieder zu schnell und habe die heutigen Geburtstagskinder schon gestern veröffentlich.
Am Freitag, den 30.8.1945 hatte Libuse Monikova Geburtstag, die leider schon lange tot ist.
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Auf das Buch, das ich heute vorstelle, haben viele gewartet und verwundert im Buchladen nachgefragt, warum überall schon Besprechungen auftauchen, warum das Buch schon der SWR-Bestenliste im September steht und warum es noch nicht im Buchladen steht. So langsam wurde mir dann auch mulmig. Vielleicht hat der Verlag mich vergessen, vielleicht ist beim Versand etwas schief gegangen. Doch gestern war es dann soweit. In einem großen Rowohlt-Paket lagen die bestellten Exemplare von Daniel Kehlmanns neuem Roman. Wir haben ihn sofort ins Fenster gestapelt, an die Kasse gelegt, die resevierten Exemplare zur Seite gelegt und da ich nachmittags nach Hause durfte, waren die 380 Seiten gelesen.

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Daniel Kehlmann: „F
Rowohlt Verlag € 22,95
als eBook € 19,99

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„Jahre später, sie waren längst erwachsen und ein jeder verstrickt in sein eigenes Unglück, wusste keiner von Arthur Friedlands Söhnen mehr, wessen Idee es eigentlich gewesen war, an jenem Nachmittag zum Hypnotiseur zu gehen.“ Dies ist der erste Satz, mit dem Daniel Kehlmann uns auf eine litarerische Reise durch das Deutschland während des letzten Wirtschaftsabsturzes an der Börse mitnimmt.
F wie Familienbande. F wie Fälschung. F wie Fiktion. F wie Arthur Friedland, F wie Finanzkrise. Oder was weiss ich, was Kehlmann noch hinter diesem Buchstaben versteckt hält. Wenn wir die einzelnen Fs durchgehen, bekommen Sie einen kleinen Eiblick in das Werk, wenn Sie nicht schon diverse Besprechungen in den Zeitungen gelesen haben.
F wie Familienbande:
Arthur Friedland ist ein Schriftsteller, der nichts verkauft und vom Geld seiner Frau lebt. Von der ersten hat er einen Sohn, Martin, von der zweiten zwei eineiige Zwillinge, Eric und Iwan. Nach dem Besuch des Hynpothiseurs bekommt er vom Magier (F wie Fälschung) den Tip, sich zu trauen und endlich etwas zu wagen. Arthur verschwindet auf längere Zeit, lässt seine Familien im Ungewissen und seine Söhne werden ihn erst wieder sehen, wenn sie erwachsen sind. Diese drei Söhne sind, genau wie Vater und Hypnotiseur, Betrüger, Schwindler. Eigentlich haftet allen Personen dieser Makel an. Martin, der älteste ist katholischer Pfarrer, glaubt nicht (mehr) an Gott und hat auf schwierige Fragen seiner Zöglingen die Antwort: „Es ist ein Mirakel“ parat. Während der Beichte kaut er Schokoriegel, da er durch sein Übergewicht ständig Hunger hat. Auch während dieses Beichtvorganges lügt sowohl der Beichtling, als auch er, als er verneint, dass er gerade am Kauen ist. Sein Stiefbrüder Eric ist ein Finanzjongleur, der das Geld eines Kunden in den Sand gesetzt hat und nicht mehr zurückzahlen kann. Seit Jahren schon legt er ihm fingierte Bilanzen vor, obwohl kein Cent mehr von den Millionen vorhanden ist. Iwan wollte Künstler/Maler werden, stellt nun aber in einem abgeschiedenen Atelier Bilder her, die er für die Werke eines alten Künstlers ausgibt und versucht, damit Geld zu verdienen. Sie merken schon, überall ist das Sand im Getriebe. Aber auch Nebenpersonen, wie Erics Chauffeur ist nur am Schimpfen und Rumfluchen, wenn er die Limouse durch den Verkehr fährt. Ein Jugendlicher, der den Pfarrer Martin besucht und mit ihm über eine Messerstecherei redet, bei der er aber nicht das Messer gezückt haben will, steht später als Messdiener in der Kirche. Dass das mit der Messerstecherei so aber auch nicht war, stellt sich später heraus. Damit sind wir eigentlich schon bei dem Punkt, was mir an dem Roman am Besten gefallen hat. Kehlmann verknüpft seinen einzelnen Kapitel, bei denen immer einer der Brüder zu Wort kommt so wunderbar, dass wir Situationen aus zwei unterschiedlichen Perspektiven lesen können und dann erst klar wird, wie es wohl wirklich war (siehe Messerstecherei). Auch bei einem Gespräch zwischen zweien der Brüder wird nicht klar, warum sich Eric so komisch verhält. Erst als seine Version zu lesen ist, bekommen wir die andere, klärende Seite. Kehlmann zeigt uns die Personen von verschiedenen Blickwinkeln, auch deren Veränderungen durch die Jahre. Ein gekonntes Spiel, das Kehlmannschon bei seinem letzten Erzählband vorgeführt hat. Alles ist ein Spiel mit verdeckten Karten. Das Schiksal (F wie Fatum) spielt eine weitere Rolle und wie wir damit umgehen (wollen).
Was die Rezensenten aber nicht erwähnt haben, dass Kehlmann einige Grossstädte wie London, Paris, New York, München einfließen lässt, dass aber (komischerwiese) zweimal Ulm darin vorkommt. Wie kommt er denn darauf? Aber es stützt meine These, dass Ulm in der Literatur nur als Beiwerk dient und so im Vorüberfahren wahrgenommen wird.
„Bei Ulm bezichtigte ihn ein Kaufmann, er haben ihm Geld gestohlen, …“
„Aber ich bin kein Aristrikrat. Mein Vater hatte eine kleine Fabrik in Ulm. Die habe ich verkauft, als ich zwanzig war.“
Insgesamt ein literarisches Vergnügen, ein Verwirrspiel, eine Varietenummer mit etwa Suspense und bestens geeignet für ein paar angenehme Lesestunden.