Vergessene und übergangene Geburtstage vom vergangenen Wochenende:
Am Samstag hatte Jochen Schmidt,
am Sonntag
Friedrich Schiller * 1759
und
Arnold Zweig * 1887
Geburtstag.
Heute gibt es folgende Namen zu feiern:
Dostojewski * 1821
Kurt Vonnegut * 1922
Luigi Malerba * 1927
Carlos Fuentes * 1928
HM Enzensberger * 1929
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Friedrich Schiller
Macht des Weibes
Mächtig seid ihr, ihr seids durch der Gegenwart ruhigen Zauber,
Was die stille nicht wirkt, wirket die rauschende nie.
Kraft erwart ich vom Mann, des Gesetzes Würde behaupt er,
Aber durch Anmut allein herrschet und herrsche das Weib.
Manche zwar haben geherrscht durch des Geistes Macht und der Taten,
Aber dann haben sie dich, höchste der Kronen, entbehrt.
Wahre Königin ist nur des Weibes weibliche Schönheit,
Wo sie sich zeige, sie herrscht, herrschet bloß, weil sie sich zeigt.
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Robert Seethaler: „Der Trafikant„
Kein & Aber Verlag € 9,90
Österreich 1937: Der 17-jährige Franz Huchel verlässt sein Heimatdorf, um in Wien als Lehrling in einer Trafik – einem Tabak-und Zeitungsgeschäft – sein Glück zu suchen. Bisher hat er im Salzkammergut glücklich gelebt, da er, dank einer Liebschaft seiner Mutter, keine Geldsorgen hatte. Der reiche Liebhaber ertrinkt bei einem Gewitter im See und er wird nach Wien zu einem Bekannten (ehemaligen Liebhaber) der Mutter geschickt. Das Eintreffen dort ist, nach dem Schock der Grossstadt, sehr ernüchternd. Beim Trafikanten Otto Trsnjek ist alles alt, eng und muffig und dann soll er auch noch alle Tageszeitung durchlesen, so möchte es der Besitzer. So langsam bekommt Franz immer mehr Sicherheit und lernt die Stammkunden kennen. Dabei ist auch ein wirklicher Herr Doktor, ein „Deppendoktor“, der Herr Dr. Freud.
Bis dahin hat Seethaler einen luftig leichten, mit Sparchwitz gefütterten Roman geschrieben. Als aber das Thema „Juden“ aus Tablett kommt, der Nachbar, ein Metzger, die Trafik vollschmiert, ändert sich auch der Ton. Parallel dazu ändert sich auch Franz. Er hat sich nämlich in ein Mädchen verliebt, mit dem er ein paar Bier getrunken hat, deren Namen und Adresse er nicht kennt. So ist ein gang zum Herrn Doktor unvermeidlich, da er ihn im Rat bitten will. Den bekommt er auch und Franz ist ein guter Frager, was wiederum Freud angenehm auffällt.
„‚Hm‘, meinte Franz und legte eine Hand an seine Stirn, um das wilde Durcheinander seiner Gedanken dahinter ein wenig einzudämmen. ‚Könnte es vielleicht sein, dass Ihre Couchmethode nichts anderes macht, als die Leute von ihren ausgelatschten, aber gemütlichen Wegen abzudrängeln, um sie auf einen völlig unbekannten Steinacker zu schicken, wo sie sich mühselig ihren Weg suchen müssen, von dem sie nicht die geringste Ahnung haben, wie er aussieht, wie weit er geht und ob er überhaupt zu irgendeinem Ziel führt?‘ Freud hob die Augenbrauen und öffnete langsam den Mund. ‚Könnte das sein? Habe ich etwas unglaublich Blödsinniges gesagt?‘ wiederholte Franz. Freud schluckte. ‚Nein, das hast du nicht. Das hast du ganz und gar nicht.'“
Er bekommt Ratschläge, die er nach und nach umsetzt. Sogar den, dass er seine Träume aufschreiben soll. Franz ändert das gegen später in sofern, dass er die Zettelchen mit diesen Aufschreiben täglich ins Fenster hängt.
Franz trifft seine gesuchte, geliebte Frau wieder und es entwickelt sich eine wilde Liebesgeschichte, die aber nur sporadisch anhält, da sie ihm immer wieder aus den Händen gleitet. Gleichzeitig ändert sich die Stimmung in der Stadt drastisch. Das Aufkommen der Nazis ist nicht mehr zu übersehen, die Schikanen gegenüber den Juden und Sozialisten nicht mehr zu übersehen. Dies merken auch die beiden Trafikler Otto und Franz.
„Die Stadt brodelte wie der Gemüsetopf auf Mutters Herd. Alles war in ununterbrochener Bewegung, selbst die Mauern und die Straßen schienen zu leben, atmeten, wölbten sich. Es war, als könnte man das Ächzen der Pflastersteine und das Knirschen der Ziegel hören. Überhaupt der Lärm: Ein unaufhörliches Brausen lag in der Luft, ein unfassbares Durcheinander von Tönen, Klängen und Rhythmen, die sich ablösten ineinander flossen, sich gegenseitig übertönten, überschien. Dazu das Licht. Überall ein Flimmern, Glänzen, Blitzen und Leuchten. Eine Frau kreischte wie ein Schlachthuhn.“
Hier ändert sich auch der Ton im Roman. Er hat trotz allem immer noch eine große Leichtigkeit, bald wie ein Tagtraum, aber es ist alles brutale Realität. Vielleicht passt das auch geade jetzt wieder, da der 9.11. und das Andenken an die Programnacht gerade vorbei ist.
Bevor ich Ihnen jetzt den ganzen Roman nacherzähle, höre ich hier auf und hoffe, Sie ein wenig angefixt zu haben, damit Sie Lust bekommen die 250 Seiten zu lesen. Es lohnt sich.
Robert Seethaler liest aus „Der Trafikant“
http://www.zeit.de/video/2012-12/2029624672001/videolesung-robert-seethaler-liest-aus-der-trafikant
„Der Trafikant“ im Schweizer Literaturclub vom 29.01.2013