Heute haben
Peter Altenberg * 1859
Agnes Miegel * 1879
Umberto Saba * 1883
Vita Sackville-West * 1892
Marie Cardinal * 1929
Ota Filip * 1930
Keri Hulme * 1947
Geburtstag.
Aber auch Peter Scholl-Latour, Juri Gagarin, Juliette Binoche.
Es ist der Todestag von Charles Bukowski.
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Heute im Gedichtekalender:
Christen Morgenstern
Ein Lächeln irrt verflogen
Ein Lächeln irrt verflogen
durch einen lauten Saal,
bis es auf einem Bogen
von schillerndem Opal
sein kleines Leben endet,
den letzten Blick noch matt
zu der herabgewendet,
die es verloren hat.
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Christine Wunnicke: „Katie„
Berenberg Verlag € 22,00
Mit ihrem schmalen Buch „Der Fuchs und Dr. Shimamura“ gelang Christine Wunnicke der Sprung auf die Longlist zum Buchpreis 2015 und 2017 möchte man fast sagen, daß die Shortlist fällig ist, wenn nicht sogar mal ein Sieg. Allemal verdient, würde ich sagen.
Der Ton, der Schreibstil der Autorin ist ihr Markenzeichen. Es wirkt nicht nach Schreibschule, oder Anbiederung an den Publikumsgeschmack. So unter dem Motto: Schreib ich mal ‚was wie „tschick“.
Ihre Themen sind eigenwillig, fliegen ihr zu. Durch Zufall bei einer falschen Google-Suche, oder ganz gezielt, wie hier, als sie ein Radiofeature über „Spiritismus“ für den SWR schrieb. Daraus ergab sich dieser Roman.
Auch hier gab es die Personen wirklich, wie z.B.Florence Cook, das Medium, das den Weg in den Medienmittelpunkt schaffte. Hätte es schon unsere TV- und Internetwelt gegeben, sie wäre das It-Girl schlechthin. Aber die Geschichte spielt Ende des 19.Jahrhunderts in London und Stühlerücken und Geisterheraufbeschwören war der große Renner. Angesagt in allen Schichten und die einzelnen Medien machten sich den Markt streitig.
Wunnicke erzählt von zwei Leben, die sich hier schicksalhaft miteinander verflechten: jenes des leicht mürrischen, etwas verkannten Gelehrten und jenes der ruhmsüchtigen, in andern Sphären schwebenden Florence.
„Die kamen Hand in Hand, die traten in mein Leben, Florence Cook und William Crookes. … der Atomphysiker mit dem Gespenst am Arm, das fand ich einfach zu schön, es war eigentlich hauptsächlich dieses Foto. Es gibt ein Foto, wo Crookes die verschleierte Katie so am Arm präsentiert, als wenn er sie zu einem Debütantinnenball führt. Und da hab ich gedacht, okay, das guck ich mir jetzt mal genauer an“, erzählt Christine Wunnicke.
„An diesem Abend trat Miss Cooks Materialisierung zum ersten Mal aus dem Schrank. Sie war nicht am Hals zu Ende. Sie war kein Gesichtchen. Sie war eine Frau, älter als Florence, auch etwas größer und schwerer als Florence, in einem weißen Hemd, mit hellerem Haar als Florence, halb bedeckt von einem weißen Tuch. Noch hielt sie sich an der Schranktür, als kämpfe sie Schwindel nieder, dann tat sie drei Schritte und lächelte. Selina schrie leise auf. Der Gesang verstummte. Und es gab ein Gewirr, der Mann ohne Namen, der sich später als Spion eines eifersüchtigen Mediums aus Brixton herausstellte, war aufgesprungen und griff zu, griff nach dem Tuch, nach dem Geist, der noch immer lächelte, und Mrs. Cook griff nach dem Mann und der Mann schrie »Miss Florence, ha !«“
Als Florence Cook dann eine längst verstorbene Piratentochter materialisiert, geht die Post richtig ab. Jeder entdeckt in Katie, das, was er selber sehen möchte. Jeder spiegelt in ihr, seine eigenen Sehnsüchte.
Die Autorin schreibt dies alles in einem leichten, feinen, frechen, witzigen Ton. Sie schreibt keine Gespenstergeschichte, vielmehr ein Sittengemälde der damaligen Zeit und auch über den Kampf zwischen Wissenschaft und Übernatürlichem. Aktueller geht es kaum.
Umberto Eco hätte seine wahre Freude daran und wir müßten uns nicht durch das große Wissen des Autors durchwurscheln. Nein, hier fließt es. Wir schmunzeln und blättern weiter, immer in der Hoffnung, daß das schmale Buch nicht so schnell endet.