Montag

Heute haben
Leo Tostoj * 1828
Cesare Pavese * 1908
Geburtstag
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Theodor Fontane
Im Garten

Die hohen Himbeerwände
Trennten dich und mich,
Doch im Laubwerk unsre Hände
Fanden von selber sich.
Die Hecke konnt` es nicht wehren,
Wie hoch sie immer stund.
Ich reichte dir die Beeren
Und du reichtest mir deinen Mund.
Ach, schrittest du durch den Garten
Noch einmal im raschen Gang,
Wie gerne wollt` ich warten,
Warten stundenlang.
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Hier kommt der 5. Lesehappen aus Stefan Plögers Roman: „Der Klang der Hingabe„, den es bei uns im Buchladen für € 12,50 zu kaufen gibt.

V
Niemand hätte auch nur im Entferntesten geahnt, dass dieser Abend der Beginn einer Entwicklung war, aus der keiner der Beteiligten unverändert hervorgehen würde.
Es war nicht das erste Mal, dass sich Claus und Jan zum Musizieren verabredeten. Immer wieder hatten sie sich mehr oder weniger spontan getroffen und genossen es, ohne große Vorbereitung in anspruchsvolle Literatur einsteigen zu können. Es brauchte keine Vorbereitung, dass sie etwas vom Blatt spielen konnten – und noch dazu so, dass sie ihren Spaß daran hatten.
Jan hatte seine Geige ausgepackt und gestimmt. Sie hielten einen Moment inne, nahmen Blickkontakt auf und begannen mit dem Ausatmen. Claus lauschte beim Spielen der Geigenkantilene. Es waren Nuancen, die ihm mitteilten, in welcher Stimmung Jan gerade war. Sie hatten gelernt, aufeinander zu hören. Es gab ein unausgesprochenes Einverständnis zwischen ihnen. Sie kannten die Gefühlsbewegungen des Anderen und konnten sich ihm mitteilen. Sie bewegten sich durch die Fülle des musikalischen Materials. Wie Kinder, die sich staunend in einer ihnen ganz neuen Welt bewegen. Sie hatten den ersten Satz ohne Unterbrechung durchgespielt. Es gab Stellen, die ihnen mit ihren gegensätzlichen Rhythmen alles abverlangten. Sie freuten sich daran, gut im Kontakt zu sein oder sich immer wieder zu finden und schwierige Passagen zu bewältigen. Natürlich war es undenkbar, gleich alle Verbindungen und Nuancen zu verstehen. Da war noch viel Arbeit zu tun. Das wussten beide.
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Was es auch noch gibt, ist das neue Büchle von Tanja Hanser.
„Ich bin wichtig“ gibt es ab dieser Woche für € 15,00.
Mehr oder weniger exklusiv bei uns im Laden.

Tanja1

Tanja Hanser lädt im Rahmen der Ulmer Kulturnacht wieder ein.

Tanja 2

Mehr von Tanja Hanser gibt es hier und bei uns im Laden.

Tanja3
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Mein Buchtipp für den Montag ist etwas gewagt, da der Philosoph Byung-Chul Han ein großer Kritiker des Internets ist und ich doch Sie als LeserIn meines Blogs einfangen will. Ein klarer Fall eines Dilemmas.
Trotzdem, hier kommt die Buchvorstellung, so wie wir die anderen Bücher von ihm hier schon erwähnt haben.

Han

Byung-Chul Han: „Im Schwarm
Ansichten des Digitalen
Matthes & Seitz Verlag € 12,80

Der Berliner Verlag packt in seiner Reihe „Fröhliche Wissenschaft“ immer wieder heisse, aktuelle Themen an. Und in Herrn Han hat er einen fundierten Gegner des Internets. Nicht dass er es komplett verteufelt, er stellt jedoch die Folgen dieses umwälzenden Erneuerung in vielen seiner Bücher vor.
Müdigkeitsgesellschaft„, „Transparenzgesellschaft„, „Agonie des Eros„, „Digitale Rationalität und das Ende des kommunikativen Handelns“ seien hier genannt. Alle sind in dieser schmalen Reihe erschienen, die ausgezeichnet in fast jede Hosen-, Manteltasche passt.
Hans Bücher drehen sich, wie schon erwähnt, oft um das Thema, wie wir uns durch die Digitalisierung unserer Welt verändern. Dem einen oder anderen mag dies vielleicht zuviel sein. Ich finde, dass er in jedem seiner Bücher neue Fasetten aufdeckt. So auch auf diesen 100 Seiten. Es sind seine Worterläuterungen, die mir dieses Mal gut gefallen haben.
Er beginnt mit dem Wort „Respekt“, das „zurückblicken“ heisst. Also auch etwas mit Rücksicht zu tun hat. Respekt ist an Namen und Personen gebunden, schreibt er. Damit ist die Welt des Internets, die Welt des Anonymen respektlos. Deshalb sind diese shitstorm auch respektlos. Er führt weiter aus, dass solche shitstorms im Netz oft sehr spontan erzeugt werden und sich Menschen schnell und voller Emotionen anschließen. Dagegen gibt es in New York eine Regel, nach der man nach einem Theaterabend erst einmal ein paar Häuserblocks zu Fuß gehen soll, bevor man sich zu einem Urteil hinreissen lässt. Also erst einmal darüber schlafen, könnte man auch dazu sagen.
Er zitiert Michel Butor, einen wichtigen Vertreter des Nouveau Roman, der meint, dass die europäische Literatur auf der Stelle tritt. Es gäbe nichts Neues mehr, dass der Geist in der Stille groß wird. Und im Lärm des Internets und seiner Kommunikationsmittel gibt es keine Stille mehr. Er zitiert Kafka, der meinte, dass man nur nahe Personen wirklich fassen kann. Alles andere gehe über die Menschenkraft. Geschriebene Küsse kämen nicht an ihren Bestimmungsort, sie würden von Gespenstern gefressen. (Ha, der gute alte Franz). Nun ist jedoch die Zeit der Briefe und Depeschen längst vorbei und wir meinen, wir sind uns durch die viele Techniken über große Entfernungen hinweg wieder sehr nahe. Oder geht uns damit nicht die wirkliche Nähe verloren?
Sie merken schon, Han polarisiert und macht sich angreifbar. Er erwähnt große Internetkonzerne, ohne näher auf sie einzugehen. Er erwähnt Google Glass, von dem ich ausgehe, dass es viele Menschen (incl. mir) nicht kennen. Wie würde mein Alltag aussehen, hätte ich diese ganzen digitalen Möglichkeiten nicht? Und wie sieht er dann aus, wenn sie ausfallen. Han stellt Thesen in den Raum, über die man nächtelang diskutieren kann.Und das macht es doch gerade sehr spannend.