Heute haben
Irmgard Keun * 1909
Lothar-Günther Buchheim * 1918
Felix Mitterer * 1948
Emilia * 2006
Geburtstag
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Gertraud Klemm: „Aberland“
Droschl Verlag € 19,00
Der Umschlag ist ein richtiger Hingucker und der Titel „Aberland“ hat doch auch etwas. Google hat mich bei meiner Suche irgendwie nicht richtig verstanden und wollte mich mit „Arberland“ vermitteln. Ja, Frau Google, ich meinte aber den neuen Roman von Gertraud Klemm, die mit einem Abschnitt aus dem Roman beim Bachmann Wettbewerb 2014 den Publikumspreis gewonnen hat. Das glaube ich gerne, denn der Text ist so ein richtiger Vorlesetext. Ein Text zum lautlesen, so schön sind die endlosen Abrechnungen der beiden Damen.
Letzte Woche war die Vertreterin des Droschl Verlages im Laden und ließ mir ein Exemplar hier, das ich dann an einem Abend verschlungen habe. Es war ein Lesegenuss zwischen Schmunzeln und Lachen, das mir im Halse stecken blieb. Gleichzeitig ist dieses bitterböse Porträt zweier Frauengenerationen mit so einer gekonnten Sprachwucht geschrieben, dass die Vergleiche mit Streeruwitz und Bernhard nicht weit hergeholt sind.
Da ist zum einen Elisabeth, 58 Jahre alt, deren Mann kurz vor der Pensionierung steht und es mit allen Mittel versucht in Würde zu altern. Das heisst: Morgens raus zum Walken, dann etwas Sonnenbaden, damit die alte Haut nicht gar so weiss aussieht. Die Gespräche auf der Liegewiese, die sie wahrscheinlich mit geschlossenen Augen mitbekommt, sind ein Spiegel unserer Gesellschaft. Gertraud Klemm hat genau hingehört, wenn sie unterwegs ist, wenn sie auf Partys steht, wenn Menschen zusammenstehen. Elisabeth hat keinen Beruf erlernt, hat den Haushalt geführt, die Kinder großgezogen, meist die Augen vor den Liebschaften des Ehemanns verschlossen und will auch nicht ins Erbbuch der Schwiegermutter eingetragen werden, mit der sie ein Lebenlang nicht klar gekommen ist. Gertraud Klemm beschreibt dies mit einem gekonnt eingesetzten Zynismus, der messerscharf eingesetzt ist. Elisabeth beobachtet auch ihre Kinder; hauptsächlich Franziska, 35 Jahre, die mit ihrem kleinen Sohn heillos überfordert ist. Sie hat studiert, eine Doktorarbeit dem Kinderwunsch hintenangestellt und da ihr Mann gut verdient, diesen Luxus auch genossen. Somit gehen ihre Anschuldigungen auch immer auf sie selbst zurück.Und das weiss sie auch. Das Leben des Kleinen bestimmt ihren Alltag. Kindergeburtstage, Muttertagsbrunch und Weihnachtsfeiern durchbrechen den Trott, was an ihrer Situatuion als Mutter nichts ändert. Sie nimmt sich zumindest die Freiheit heraus, mit Männern ins Bett zugehen. Ein klein wenig Ausbruch aus dem Alltag und der Familienplanung. Auch hier schaute Gertraud Klemm genau hin. Wenn der kleine Sohn zur Mama sagt, dass es doch so sei, dass nur Frauen die Spülmaschine einräumen, dann entspricht dies wohl der Wirklichkeit in vielen Haushalten. Diese Mutter-Kind-Situationen könnte man wirklich verfilmen. Dieser Sprachwitz, die ungewollte Komik, die Wutausbrüche der Mutter – das einfach großartig geschrieben.
Ein großes, unterhaltsames, gnadenlos, bissig, komisches Lesevergnügen, das manchmal richtig wehtut, wenn wir uns selbst in Sätzen und Passagen wiederekennen und gleichzeitig eine böse Abbrechnung mit dem Thema Emanzipation und was Frauen aus zwei Generationen daraus gemacht haben.
Hier können Sie Gertraud Klemms Lesung beim Bachmann Wettbewerb und die Diskussion zu ihrem Text anschauen.
Hier gibt es den vorgelesenen Text zum Nachlesen.
Und hier ein langes Interview in der taz zum Roman: „Aberland“, das sehr viele Hingergründe zum Roman preisgibt.