Freitag, 28.April

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Geburtstag
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Karl Kraus
In diesem Land

In diesem Land wird niemand lächerlich,
als der die Wahrheit sagte. Völig wehrlos
zieht er den grinsend flachen Hohn auf sich.
Nichts macht in diesem Lande ehrlos.

In diesem Land münzt jede Schlechtigkeit,
die anderswo der Haft verfallen wäre,
das purste Gold und wirkt ein Würdenkleid
und scheffelt immer neue Ehre.

In diesem Land gehst du durch ein Spalier
von Beutelschneidern, die dich tief verachten
und mindestens nach deinem Beutel dir,
wenn nicht nach deinem Gruße trachten.

In diesem Land schließt du dich nicht aus,
fliehst du gleich ängstlich die verseuchten Räume.
Es kommt die Pest dir auch per Post ins Haus
und sie erwürgt dir deine Träume.

In diesem Land triffst du in leer Luft,
willst treffen du die ausgefeimte Bande,
und es begrinst gemütlich jeder Schuft
als Landsmann dich in diesem Lande.
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Text & Zeichnung: Marcello Quintanilha: „Tungstênio
Übersetzung aus dem brasilianischen Portugiesisch von Lea Hübner
Avant Verlag € 24,95

Durch einen scheinbar unbedeutenden Zwischenfall vor der Küste von Salvador de Bahia kreuzen sich die Wege von vier Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Caju, schlitzohriger Kleindealer, Seu Ney, autoritärer Ex-Militär, Richard, abgebrühter Undercover-Polizist. Dazu kommt noch Keira, die an der Beziehung zu ihrem Mann Richard, dem oben erwähnten Polizisten verzweifelt. Während die Männer sich am Strand aufhalten, erzählt sie ihr Leid ihrer Freundin im Bus. Aus dem heraus hat sie ihren Mann auch mit einer kleinen Hübschen im Café sitzen sehen. Und während diese Männer sich prügeln, sich verfolgen und die großen Machos geben, sind die Frauen nach innen gekehrt und machen sich Gedanken.
Diese Männergruppen treffen sich zufälig und hängen plötzlich sehr eng miteinander zusammen. Alles spielt an einem Tag. Es gibt Zeitverschiebungen und Schnitte, wie in einem Krimi. Und ein Krimi ist es auch. Hard boilded. schwarz weiß, noir. Es gibt zwar keine Leichen. Marcello Quintanilha läßt seine Protagonisten am Leben und daran erkennt man auch, daß sich Spannung, Action auch ohne Toten bewerkstelligen läßt.
Die Schrift ist etwas klein und zu Beginn gewöhnungsbedürftig zu lesen. Die Dialoge sind schnell und knallen hin und her. Die architektonischen Zeichungen sind großartig, genau platziert und zeigen das Können des Autoren und Zeichners Marcello Quintanilha.
Ich habe diese Graphic Novel bei den Krimis stehen. Da gehört sie auch hin.
Ein Happy End? Kann es das geben in einem Krimi, wie diesem? Na irgendwie schon. Oder zumindest: Das Leben geht weiter. Das kleine Leben,das wenige Leben.

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