Donnerstag, 9.Februar

Heute haben
Felix Dahn * 1834
Amy Lowell * 1874
Brendan Behan * 1923
Thomas Bernhard * 1931
John Maxwell Coetzee * 1940
Alice Walker * 1944
Geburtstag
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Frank Wedekind ( 1864-1918)
Morgenstimmung

Leise schleich ich wie auf Eiern
Mich aus Liebchens Paradies,
Wo ich hinter dichten Schleiern,
Meine besten Kräfte ließ.

Traurig spiegelt sich der bleiche
Mond in meinem alten Frack;
Ach die Wirkung bleibt die gleiche,
Wie das Kind auch heißen mag.

Wilhelmine, Karoline,
’s ist gesprungen wie gehupft,
Nur daß hier die Unschuldsmiene,
Dort dich die Routine rupft.
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Zum 100.Geburtstag von Brendan Behan hat der Wagenbach einen Salto-Band mit Erzählungen herausgebracht.


Brendan Behan: „Frau ohne Rang und Namen
Herausgegeben sowie aus dem Englischen und Irischen übersetzt
und mit einem Nachwort von Hans-Christian Oeser
Wagenbach Verlag € 22,00

Oh, was hätte da noch alles erscheinen können, wenn Brendan Behan nicht schon mit knapp über 40 Jahren gestorben wäre. War er doch der literarische Star der damaligen Zeit und viele seiner Bücher sind auch ins Deutsche übersetzt worden. Jetzt also einen Leinenbändchen zum 100. mit Erzählungen, die nur so strotzen vom prallen Leben der Arbeiterklasse. Hier wir gestritten und gesoffen und die Texte sind gespickt mit Liedern und Redewendungen und voller Respektlosigkeit gegenüber der Obrigkeit. Und wenn die Großmutter wieder aus dem Altersheim abgeholt werden muss, weil sie dort schwer angetrunken abgeliefert worden ist, dann macht das auch nichts. Sie stirbt dann friedlich daheim.
Vielen Dank an den Wagenbach Verlag und allen Leser:innen viel Vergnügen bei der Lektüre.
Vielleicht sollten Sie sich doch vorher noch n Bierchen, oder besser noch, einen Whisky eingießen.

Das Nachwort des Übersetzers Hans-Christian Oeser ist so erhellend und erfrischend, dass ich es hier abdrucke, mit der freundlichen Genehmigung des Wagenbach Verlages.

Nachwort
Für Brendan Behan (1923–1964), den notorischen Sauf- und Raufbold mit der empfindsamen
Seele, ist >Erzähler< kein hinreichender Begriff. Er war ein begnadeter Raconteur, mündlich
wie schriftlich, in seinem Leben wie in seinem Werk. Seine Romane, Theaterstücke und
autobiographischen Schriften sind von Schnurren, Schoten, Zoten und Anekdoten ebenso
durchzogen wie von Liedern und Balladen. Eigentliche Kurzgeschichten verfasste er nur
wenige und veröffentlichte sie zu Lebzeiten nur in Zeitungen und Zeitschriften oder als Füllsel
in dem Band „Brendan Behan’s Island“. Dabei hätte die kleine epische Form mit ihrem
überschaubaren Personal und ihrem erzählerischen Fokus sein volatiles Temperament in
geordnetere Bahnen lenken können.
In dieser aus Anlass seines 100. Geburtstags am 9. Februar 2023 zusammengestellten
Ausgabe finden sich die Erzählungen, vollzählig versammelt, ergänzt um das Fragment des
Romans „Die Katakomben“, an dem Behan 1958 auf Ibiza arbeitete, ohne ihn jemals
abschließen zu können. Es handelt sich um Kindheitserinnerungen an exzen-trische
Charaktere, skurrile Milieus und groteske Situationen, um Berichte über seine Erfahrungen als
jugendlicher IRA-Kämpfer und Gefängnis-insasse (Behan wurde in Haftanstalten erwachsen:
Von sechzehn bis vierundzwanzig Jahren saß er in Großbritannien wegen eines geplanten
Bombenanschlags auf Kriegsschiffe und in Irland wegen Pistolenschüssen auf
Geheimpolizisten ein) und über eine eher säkulare »Pilgerreise« nach Rom, aber auch um
fiktionale Texte, in denen das erzählende Ich eine weibliche Identität oder die eines
Homosexuellen auf strategischem Verführungs- und Eroberungsfeldzug annimmt.
Behans literarisches Œuvre ist vergleichsweise schmal. Zu undiszipliniert war der Autor, zu
sehr dem Alkohol verfallen, zu sehr drängte seine vitale, anarchische Persönlichkeit ins
Rampenlicht, zu sehr stieg ihm der überwältigende internationale Erfolg zu Kopf, zu früh
verstarb er mit nur knapp zweiundvierzig Jahren an Diabetes. Da sind vor allem die beiden
bekannten Bühnenwerke „The Quare Fellow“ (1956, dt. „Der Mann von morgen früh“ bzw. „Der
Spaßvogel“) und „The Hostage“ (1958, dt. „Die Geisel“) sowie die von Alan Simpson vollendete
Politrevue „Richard’s Cork Leg“ (postum 1973, dt. „Richards Korkbein“), Stücke, die über
Jahrzehnte auch in Deutschland mit großem Echo gespielt wurden – erinnert sei an Peter
Zadeks legendäre Ulmer Inszenierung der „Geisel“, 1962 die »Aufführung des Jahres« (Theater
heute). Nach dem großen Wurf seines autobiographischen Romans „Borstal Boy“(1958, dt. „Borstal Boy“) vermochte Behan kein größeres Prosawerk mehr zu schreiben. Sowohl dessen Nachfolgeband „Confessions of an Irish Rebel“ (postum 1965, dt. „Bekenntnisse eines irischen Rebellen“) als auch „Brendan Behan’s Island“ (1962) und „Brendan Behan’s New York“ (postum 1964) wurden seiner Lektorin und »literarischen Hebamme« Rae Jeffs unter beträchtlichen Qualen auf Tonband diktiert. Ebenfalls postum erschien die Kriminalkömodie „The Scarperer“ (1964, dt. „Der Spanner“).
In allen seinen Werken verlieh Behan der Dubliner Arbeiterklasse, der er selbst entstammte
(wenn auch einem »gehobeneren«, politisch engagierten und literarisch nicht ungebildeten
Segment), mit Warmherzigkeit, Wortwitz, Galgenhumor und respektloser Weltsicht eine
literarische Stimme. Er nahm eine Perspektive »von unten« ein, setzte sich als Republikaner,
Sozialist und »Atheist bei Tage, Katholik bei Nacht« von einem übersteigerten irischen
Nationalismus ebenso ab wie vom Chauvinismus der Kolonialmacht Großbritannien und den
Allüren der Bessergestellten.
Ereilte ihn der Tod auch vor der Zeit, so rang er seinem kurzen Leben doch eine Vielzahl
unterschiedlichster Aktivitäten ab: Bereits im Alter von vier Jahren konnte der frühreife Knabe
lesen, mit acht Jahren wurde er Mitglied von Fianna Éireann, der Jugendorganisation der
IRA, mit zwölf schrieb er ein (später von Mikis Theodorakis vertontes) Gedicht auf den »laughing boy« Michael Collins, Anführer des irischen Unabhängigkeitskrieges 1919–1921, mit dreizehn veröffentlichte er seine erste Erzählung, mit fünfzehn trat er der IRA bei und wollte sich den
im Spanischen Bürgerkrieg kämpfenden Internationalen Brigaden anschließen, und in
Mountjoy Prison, Arbour Hill und The Curragh erlernte er die irische Sprache mit solcher
Perfektion, dass er seine Gedichte und die Vorstufen zu seinen Bühnenstücken auf Gälisch
verfasste.
In Behans Erzählungen voller Zeit- und Lokalkolorit ist der Tod omnipräsent: ob Mrs Murphy
»in berrauschtem Zustand« ins Sterbeasyl eingeliefert wird, ob es Miss McCann, die Näherin​
von Totenhemden, selbst bald hinwegrafft, ob zwei IRA-Kämpfer den Tod durch den Strang
erleiden, ob der »ausgelassenste kleine Ex-Füsilier in Dublins Straßen« im Sanatorium an
Tuberkulose stirbt, ob in einer weiteren Dreiecksgeschichte die Ehefrau des vom Erzähler
begehrten Mannes dem Krebs erliegt, stets bildet der Tod die Folie, vor der sich die Ereignisse
entfalten.
Aus dem gesteckten Rahmen fällt die drastischste Erzählung, »Die Hinrichtung«, nicht nur
deshalb heraus, weil Behan weder an einer Exekution beteiligt noch Zeuge einer solchen war,
sondern auch, weil der Erzählton ein anderer ist: äußerste Verknappung, Dialogarmut,
Absätze, die sich am Ende meist auf nur einen Satz beschränken. Man meint geradezu, einen
anderen Autor vor sich zu haben, der sich jede Bramarbasie, jede Selbst-inszenierung versagt,
sich vielmehr ganz auf den ungeheuerlichen Akt der Tötung eines Verräters durch seine
Kampfgenossen beschränkt – ein moralisches Dilemma zwischen militärischer Disziplin und
menschlichem Mitgefühl, das thematisch von ferne an Bertolt Brechts Lehrstück „Die
Maßnahme“, in seinem lakonischen Stil jedoch eher an Ernest Hemingway erinnert.
Vielleicht war das unablässige Reden und Singen, für das Behan bekannt und berühmt war,
immer auch ein Anreden und Ansingen gegen den Tod. Norman Mailer jedenfalls schrieb über
diesen Dubliner Rebellen und Rabauken in seinen letzten Lebensjahren: »Er war wie eine
Dampfmaschine: peng, peng, peng in dein Ohr. Nahe dem Ende hatte er das Bedürfnis, mit
jemandem zu reden. Er wollte dich erreichen, als wüsste er, dass er sterben werde. […] Ich
habe eine Theorie: Wenn ein Mensch im Sterben liegt und ein Gespräch mit dir führen kann,
wird er nicht sterben. Behan wusste, dass er den Tod in sich trug – er wusste, dass er krank
war.«
Hans-Christian Oeser

Brendan Behan: a mural of the writer in Summerhill in Dublin captures just one of the incarnations of the great Irish writer.
Photograph: Nick Bradshaw

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Nächsten Dienstag, 14.Februar, 19 Uhr
ist Jana Bürgers bei uns zu Gast in der Buchhandlung und berichtet über ihre Zeit in der Ukraine.

Kvartyrka oder Fortotschka heißen im Osten Europas die kleinen Lüftungsfensterchen, die wärmesparendes Lüften ermöglichen sollen. Fenster sind auch immer Verbindungen, durch sie kann man raus- und reinschauen, sie sorgen für Luftaustausch, aber auch für Informationsaustausch. Eine solche ukrainische kvartyrka wollen wir öffnen, Einblicke geben in geschichtliche Epochen und Ereignisse, die bis heute wichtig sind für die nationale Identität der Ukraine – gerade auch in Abgrenzung zum Russischen Reich.
Garniert mit Lyrik und kleinen Häppchen Prosa auf ukrainisch und deutsch, was in einer Küche eben so gereicht wird: privat, politisch, literarisch.
Jana Bürgers

Der Eintritt ist frei.
Wir stellen eine Spendenkasse auf und wollen, im Rahmen der Aktion: „Winterhilfe für die Ukraine“ des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, sammeln.

Donnerstag, 2.Februar

Heute haben
Johann Christoph Gottsched * 1700
James Joyce * 1882
Aldo Palazzeschi * 1885
Ayn Rand * 1905
Hella Haasse * 1918
Joanna Bator * 1968
Geburtstag
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Kurt Tucholsky

Ich gucke freundlich um die Oecke
und greife voller Seelenruh
der Muse unter ihre Röcke . . .
Und dabei, Leser, siehst du zu –?

Sie quietscht. Ich grinse. Sie verstehen:
Nicht immer gilt der Klassik Maß.
Denn was wir im Verborgnen drehen,
macht uns am allermeisten Spaß –!

(aus: Fromme Gesänge)
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Unser Bilderbuchtipp:


Franz Hohler (Text) und Kathrin Schärer (Illustrationen):
Das kleine Wildschwein und die Krähen
Hanser Kinderbuchverlag € 16,00
Bilderbuch ab 3 Jahren

Das Wildschwein-Ehepaar bringt ihren Kindern bei, wie sie die Erde aufwühlen, um an Wurzeln zu kommen, oder Stängel abknicken, um Maiskolben essen zu können.
Das kleinste Wildschwein hört jedoch lieber den Vögeln zu und grunzt im Bass mit. das gelingt so gut, dass es in den Vogelchor aufgenommmen wird. Großes Kopschütteln bei den verwirrten Eltern. Das kleine Wildschwein teilt sogar seine Maiskolben mit den Vögeln. Das geht so lange gut, bis es krank wird und auch Kastanien, die der Vater extra jenseits des Gotthardpasses holt nichts mehr helfen. Immer dünner wird das Kleine. Auch der Gesang der Vögel nützt nichts mehr. Nur Kastanien aus Paris würden es retten, meint der Wildschweindoktor. Aber so weit kann kein Wildschwein rennen. Wie gut, wenn man Freunde hat, die fliegen können …

Eine herrliche Tiergeschichte von Franz Hohler und in ihrer gekonnten Art passend illustriert von Kathrin Schärer.

Leseprobe
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Hier eine kleine Vorschau unserer Veranstaltungen:

Dienstag, 7.Februar, 19 Uhr
„Die 1.Seite“

Wir stellen folgende Bücher vor:
Claire Keegan: „Das dritte Licht“
H. W. Richter: „Geschichten aus Bansin“
Milena Michiko Flasar: „Oben Erde, unten Himmel“
Adi Hübel & Dietmar Herzog präsentieren ihr Buch: „Bei Anruf Wort“

Bei uns in der Buchhandlung
Eintritt frei

Die „1.Seite“ gibt es immer am 1.Dienstag im Monat um 19 Uhr.
Also am 7.3., 4.4. … Im Mai fällt die „1.Seite“ aus.

Dienstag, 14.Februar, 19 Uhr
Jana Bürgers und ihre Zeit in der Ukraine

Im Rahmen der „Winterhilfe für die Ukraine“
des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels.
Im Anschluß Lyrik auf ukrainisch und deutsch
Bei uns in der Buchhandlung
Eine Spendenkasse steht bereit

Dienstag, 28.Februar, 19 Uhr
SüdwestPresse Forum
Elisabeth Zoll: „Wir bleiben!“

Warum sich Frauen aus der katholischen
Kirche nicht vertreiben lassen.
Im Stadthaus Ulm
Eintritt € 6,50

Mittwoch, 19.April, 19 oder 20 Uhr
Janina Hecht: „In diesen Sommern“

Sparkasse Ulm, Neue Mitte

Freitag, 28.April, 19 Uhr
Milena Michiko Flasar: „Oben Erde, unten Himmel“

Bei uns in der Buchhandlung
Eintritt € 10,00

Mittwoch, 25.Oktober, 19 Uhr
Judith Hermann: „Wir hätten uns alles gesagt“

Ort noch nicht bekannt
Eintritt € 10,00
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Konferenz Arctic Frontiers
„Die Arktis verliert ihren Schutzschild“

Das arktische Eis schmilzt schneller als gedacht. Über die Folgen debattieren Experten auf einer Konferenz im norwegischen Tromsö. Warum die Lage trotzdem nicht ausweglos ist, erklärt Meeresbiologin Boetius im Interview.

tagesschau.de: Bei der Konferenz geht es darum, wie der Klimawandel die Arktis verändert. Wie sehen die Auswirkungen aus?

Antje Boetius: Die sind recht dramatisch, so sagen es alle hier. Ob es die Vereinigung der Bürgermeister der Arktis ist, ob es die Vertreterinnen und Vertreter der indigenen Völker sind, ob Wissenschaft oder Politik – alle sind sich einig: Keine andere Region der Erde steht vor solchen Herausforderungen, denn die Erderwärmung schreitet hier drei- bis viermal so schnell voran wie im Rest des Planeten.

Und das merkt man bei Eis und Schnee, bei Extremwettern oder bei der Frage nach den Chancen der jungen Generation. Die Frage ist: Wie geht man damit um, dass diese Krise überall zu merken ist und alle betrifft?

.

Das komplette Interview finden Sie hier auf tagesschau.de vom 1.2.2023

Mittwoch, 1.Februar


Heute haben
Hugo von Hofmannsthal * 1874
Jewgeni Samjatin * 1884
Günter Eich * 1907
Muriel Spark * 1918
Dieter Kühn * 1935
Horst Bosetzky (-ky) * 1938
Monika Felten * 1965
Geburtstag
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Maria von Ebner-Eschenbach
Einen Menschen wissen

Einen Menschen wissen,
der dich ganz versteht,
der in Bitternissen
immer zu dir steht,
der auch deine Schwächen liebt
weil du bist sein;
dann mag alles brechen
du bist nie allein.
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Gerade erst erschienen:


Milena Michiko Flasar: „Oben Erde, unten Himmel
Wagenbuch Verlag € 26,00

Suzu lebt in einer japanischen Grossstadt. „Alleinstehend. Mit Hamster.“ Sie ist eine von vielen Menschen, die unsichtbar, ohne viele Kontakte, zur Arbeit gehen und sich abends in ihre Einzimmer-Wohnungen zurückziehen. Im Restaurant wird ihr gekündigt, da sie zwar sehr zuverlässig ist, sich aber nie ihre Kund*innen anlächelt. Aber putzen können sie perfekt, sagt ihr Chef.
Als sie über eine Anzeige stolpert, in der eine Reinigungskraft gesucht wird, ist ihr erst gar nicht klar, um was für eine Art von Reinigung es sich handelt. Herr Sakais Firma ist spezialisiert auf Kodokushi-Fälle. Das sind im Japanischen sogenannte „unbemerkte Todesfälle“. So ist z.B. Herr Ono vor Wochen schon gestorben, seine Nachbarn habe das lange nicht bemerkt. Die Polizei hat den Toten abgeholt und dann kommt Herrn Sakais Putztrupp, um die Wohnung wieder sauber zubekommen.
Herr Sakai begegnet den nicht mehr vorhandenen Gestorbenen mit größter Achtung und Respekt und was für Suzu zuerst eine große Überwindung ist, erfüllt sie immer mehr mit großer Freude, auch gegenüber ihren Nachbarn, die sie zuvor kaum beachtet hat.
Milena Michiko Flasar beschreibt mit „Oben Erde, unten Himmel“ wieder etwas Besonderes aus Japan, wie schon in „Ich nannte ihn Krawatte“ und „Herr Kato spielt Familie“, hat eine Reihe skuriler Personen im Repertoire und erzählt so freundlich, liebenswert, witzig und ernst, dass es eine wahre Freude ist, diese Menschen kennengelernt zu haben.
Und wenn Doris Dörrie diesen Romman verfilmen würde, wäre es ein Klassenschlager.

Milena Michiko Flasar liest bei uns in der Buchhandlung am Freitag, 28.April.
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Heute Nachmittag ist der Künstler Werner Klotz ab 16 Uhr
im Ulmer Münster bei seiner Installation „Candelabro

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Leihladen für Ulm, Neu-Ulm & Region

Dich interessiert das Thema Konsum & Ressourcenverbrauch?
Du willst dich nachhaltig engagieren und in einem neuen Team im Haus der Nachhaltigkeit (HdN) mitarbeiten? Dann komm ganz unverbindlich zum Kick-off Leihladen im HdN.
Wir wollen für unsere Region einen Leihladen aufbauen und eröffnen, um damit CO2 einzusparen,
Müll zu vermeiden uvam.
Mehr dazu findest Du unter: https://www.h-d-n.org/leihladen

Treffpunkt:
Mittwoch, 1. Februar um 19 Uhr
Founders Space der Hochschule Neu-Ulm
John-F.-Kennedy-Straße 7, Neu-Ulm

Dienstag, 3.Januar

Heute haben
J.R.R.Tolkien * 1892
Maxie Wander * 1933
Geburtstag
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Was vorüber ist / ist nicht vorüber /
Es wächst weiter / in deinen Zellen /
ein Baum aus Tränen / oder / vergangenem Glück.

Rose Ausländer (* 11.05.1901 + 3.1.1988)
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Schön, wenn es Buchtipps von KundInnen gibt.
Da habe ich an ein Ehepaar ein italienisches Buch verkauft und im Gespräch sagten die beiden, dass es noch ein viel besseres gäbe. Bei Bibliographieren stellt sich heraus, dass es im Buchladen vorrätig ist und unbeachtet im Klassikerregal steht.
Also schnappte ich mir das Buch und gebe, nach der Lektüre, die Begeisterung des Ehepaares weiter.

Beppe Fenoglio: „Eine Privatsache
Aus dem Italienischen von Heinz Riedt
Mit einem Nachwort von Francesca Melandri
Wagenbuch Verlag € 20,00

Bei uns in Deutschland ist dieser Roman nicht sehr bekannt. In Italien scheint dieser (posthum erschienene) Roman wohl wegweisend zu sein. Italo Calvino nannte ihn das Buch, das eine ganze Generation von Autoren gern geschrieben hätte, und verglich es mit Ariosts ‚Orlando furioso‘. Es wurde dreimal verfilmt, zuletzt 2017 von den Brüdern Taviani. Allerdings hatte das Buch auch dort eine lange Anlaufzeit, da die Geschichte des italienischen Faschismus und der Partisanenguerilla bis dahin nur ansatzweise verarbeitet worden ist.
In einer einfachen Sprache erzählt Beppe Fenoglio wie der Partisan Milton auf die Suche nach seinem Freund und Mitkämpfer Giorgio ist, von dem er gehört hat, dass er ein Verhältnis mit seiner Freundin Fulvia hatte.
Die Suche nach dem Freund und Rivalen wird zu einer wilden Geschichten um Leben und Tod, in der der Autor sehr genau über die Gewaltbereitschaft der Partisanen schreibt.
Francesca Melandri schreibt in ihrem Nachwort, dass es gerade die Suche Miltons ist, was uns nachhaltig bewegt und dass es die Suche ist, auf das unser aller Leben basiert.

Beppe (Giuseppe) Fenoglio wurde als Sohn eines Metzgers 1922 in Alba, Provinz Cuneo, geboren. Er studierte Philologie an der Universität Turin und begann früh, aus dem Englischen zu übersetzen. 1944 schloss er sich den Partisanen an. Nach dem Krieg arbeitete er für eine Weinexportfirma, was ihm Zeit fürs Schreiben ließ. Seine Erfahrungen im Widerstand prägten Fenoglios Texte maßgeblich. Er veröffentlichte in den fünfziger Jahren mehrere Erzählungen und Romane und arbeitete als Übersetzer. 1963 starb er in Turin. Er hinterließ weitere Werke wie beispielsweise ‚Partigiano Johnny‘, die erst postum erschienen und große Verbreitung fanden. Die Bedeutung seiner Texte wurde erst nach seinem Tod erkannt. Fenoglio gilt heute als wichtigster Zeuge der italienischen Resistenza und als einer der größten Autoren der Nachkriegszeit. In Italien gehört er zur Schullektüre. Bei Wagenbach erschien eine Auswahl seiner Erzählungen unter dem Titel ‚Das Geschäft mit der Seele‘.

Donnerstag, 24.November

Heute haben
Laurence Sterne * 1713
Carlo Collodi * 1826
Frances Hodgson Burnett * 1849
Margaret Anderson * 1886
Naruddin Farah * 1945
Arundhati Roy * 1961
Marlon James * 1970
Geburtstag
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Georg Trakl
Verklärter Herbst

Gewaltig endet so das Jahr
Mit goldnem Wein und Frucht der Gärten.
Rund schweigen Wälder wunderbar
Und sind des Einsamen Gefährten.

Da sagt der Landmann: Es ist gut.
Ihr Abendglocken lang und leise
Gebt noch zum Ende frohen Mut.
Ein Vogelzug grüßt auf der Reise.

Es ist der Liebe milde Zeit.
Im Kahn den blauen Fluß hinunter
Wie schön sich Bild an Bildchen reiht –
Das geht in Ruh und Schweigen unter.
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Unser Buchtipp:

Dieter Richter: „Con gusto“
Die kulinarische Geschichte der Italiensehnsucht

Wagenbach Verlag, Reihe Salto € 20,00

Dieter Richter erzählt, wie die italienische Küche über die Alpen in den Norden kam. Und nicht nur dahin. Viele Ausgewanderten aus dem Süden Italiens machten sich auf in die Metropolen im Osten der USA.
Wir finden hier eine Kulturgeschichte der italienischen Küche von Goethe bis heute.
Die ersten Eisverkäufer gab es schon zu Beginn des 20.Jahrhunderts in Bremen, die mit Handkarren durch die Straßen zogen und dies unter sehr erschwerten Bedingen von Seiten des deutschen Ordnungsamtes.
Maccaroni? Ungebießbar. Pizza? Unverdauliches Fladenbrot.Meerestiere? Iiiih, wie kann man so etwas essen. Allein schon der Geruch von Olivenöl und Knoblauch war ,bis in die Siebziger Jahre hinein sehr fremd.
Ein langes Kapitel befasst sich mit dem Siegeszug der Pizza rund um den Erdball. Von Neapel bis New York und Peking. Aus den deutschen Restaurants, übernommen von italienischen Arbeitern, die ein paar wenige italienische Gerichte angeboten haben, wurden nach und nach erfolgreiche Pizzerien.
Ein hochinteressantes, vergnüglich zu lesenden Buch über Pasta und Pizza und viel mehr, rund um die sich veränderte Kochkunst Italiens.
Ach: In der DDR durfte es natürlich den Begriff „Pizza“ nicht geben. So wurde das Gericht „Krusta“ genannt und ordentlich mit Fleisch und Kraut belegt.
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Bei uns in den Schaufenstern hängen adventliche Bilder mit Stern von Christel Müller und Claudia Wiltschek, die Sie auch kaufen können.

Samstag, 12.November


Heute haben
Oskar Panizza * 1853
Hans Werner Richter * 1908
Michael Ende * 1929
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Die Erzählung „Die Zigarrenkiste“ von Hans Werner Richter ist fertig und wir verteilen/verschenken sie schon. Wenn Sie Interesse an dieser sehr lustigen Geschichte aus Bansin an der Ostsee haben, melden Sie sich.
Wir tüten sie für Sie ein.

(„Die Zigarrenkiste“ aus Hans Werner Richter: „Geschichten aus Bansin“, Wagenbach Verlag)
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Winfried Hermann Bauer
Kriegslogik

Der Krieg hat seine eigene Logik
Weißt du
Ihr Ziel ist
Die Vernichtung der Alternative
Ihre Währung heißt Tapferkeit
Vor dem Feind
Im Zielfernrohr
Erkennst du am Ende
Vielleicht
Noch
Deinen Irrtum
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Jetzt als Taschenbuch:


Jonathan Franzen: „Crossroads„
Original € 14,90
Aus dem Amerikanischen von Bettina Babarbanell
Rowohlt Verlag € 17,00

Ein wirklich dicker Brocken und es ist der erste von drei Folgen. Es kommen also noch zwei Romane und ich bin so was von gespannt, wie es weiter geht, da Franzen geniale Cliffhanger eingebaut hat.
Kurz vor Weihnachten vor 50 Jahren, irgendwo im mittleren Westen der USA. Eine Familie mit vier Kindern. Jedes Familienmitglied bekommt jeweils ein eigenes Kapitel und wir merken schon nach wenigen Seiten, dass sich hier Gräben und Verwerfungen auftun. Zwischen den Zeilen lesen wir, dass in der Familie einiges aus dem Ruder läuft.
Franzen hält, wie schon in seinem frühen Roman „Korrekturen“, der us-amerikanischen Gesellschaft einen Spiegel vor. Und das macht er anhand weniger Personen.
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BERLIN taz | Von überall schallen derzeit Rufe, härter gegen die Letzte Generation vorzugehen. Dabei sind in den Berliner Gerichten bereits 174 Verfahren anhängig, in denen den Ak­ti­vis­t:in­nen der Gruppe meist Nötigung und häufig auch Widerstand vorgeworfen wird. Doch vereinzelt regt sich offenbar auch unter den Rich­te­r:in­nen Widerstand dagegen, Klimaaktivismus mit Strafen zu begegnen.

So hat ein Richter des Amtsgerichts Tiergarten einen Antrag der Staatsanwaltschaft für einen Strafbefehl abgeschmettert und sich dabei ausdrücklich auf die Klimakrise bezogen. In der Begründung des Beschlusses von Anfang Oktober, der der taz vorliegt, heißt es, die Klimakrise sei eine „objektiv dringliche Lage“ und „wissenschaftlich nicht zu bestreiten“. Bei einer Bewertung des Protestes sei das nur „mäßige politische Fortschreiten“ der Klimamaßnahmen zu berücksichtigen. Die Handlungen der Beschuldigten, die für dreieinhalb Stunden die Kreuzung am Frankfurter Tor blockiert haben soll, seien „nicht verwerflich“.

Den Vorwurf des Widerstands verwarf er, weil sich an den Asphalt zu kleben keine Gewalt darstelle. Auch sei Po­li­zis­t:in­nen das Bepinseln einer Hand zuzumuten. Auch den Vorwurf der Nötigung verwarf er. Demonstrationen seien „lästig, aber für den demokratischen Rechtsstaat unerlässlich“. Unter anderem bewertet der Richter die Blockade als „nicht verwerflich“, da keine Rettungswege blockiert wurden und an der Kreuzung regelmäßig mit Staus zu rechnen sei. Auch betreffe das Anliegen der Aktivistin „alle Menschen, also auch die durch die Blockade betroffenen Fahrzeugführer“.

Mehr auf taz.de

Samstag, 20.August

Heute haben
HP Lovecraft *1890
Salvatore Quasimodo * 1901
Robert Merle * 1908
Luciano De Crescenzo * 1928
Arno Surminski * 1934
und Lilli * 2020
Geburtstag
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„Übrigens ist der Regen keines Menschen Freund, aber wohl der Tiere, denn das Gras wächst schön, und die Biertrinker haben sich auch nicht zu beklagen, daß die Gerste nicht gerät.“
Johann Wolfgang von Goethe aus: Briefe an seine Tochter Ottilie, 12.Juli 1820
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Unser Buchtipp:

Giulia Caminito: „Das Wasser des Sees ist niemals süß
Aus dem Italienischen von Barbara Kleiner
Wagenbach Verlag € 26,00

Die italienische Autorin Giulia Caminito hat für mich einen der besten Romane des Jahres geschrieben. Das Buch hat eine so starke Erzählkraft, genauso wie die Haupterson, die wir nicht so schnell vergessen werden. Überhaupt sind hier Frauen die entscheidenden Personen. In der prekär, im Untergschoss wohnenden, Familie sitzt der Vater im Rollstuhl, der große Bruder ist nicht von ihm und verdrückt sich, so gut es geht und die beiden kleinen Zwillingsbrüder nerven nur. Zwischen drin die kleine Gaia (der Name wird nur einmal erwähnt) und ihre Mutter. Ein sozialer Aufstieg geschieht, als sie aus dem einen Zimmer in eine kleine Wohnung und dann, durch einen Wohnungstausch, aus Rom herauskommen und an den Lago di Bracciano ziehen.
Es ist ein Buch über soziale Schranken, über Standesdunkel, Hierachien und vielen Hoffnungen. Mittendrin das Mädchen, die nicht unbedingt sympatisch, aber voller Lebenswillen, voller Wut ist. Sie benutzt schon mal den Tennisschläger ihrer „Freundin“, um sie hart zu treffen. Sie ist das Mädchen mit dem riesigen Rummelplatz Plüschtier und dem alten Handy. Egal, wie sie sich auch anstrengt und gut in der Schule ist, sie wird immer wieder in ihre Schranken gewiesen. Auch wenn sie den Sprung an die Universität nach Rom schafft, muss sie doch (aus Geldmangel) zuhause wohnen bleiben und wird von ihren Dozenten abwertend behandelt.
Aber genug über die Inhalt, denn dieser großartige italienische Roman ist für alle, denen die vier Bücher von Elena Ferrante zu seicht waren (eine Elena taucht auch auf, ihr wird aber über mitgespielt) und die keine Autofiktion wie von Èdouard Louis oder Annie Ernaux brauchen. Es ist ein Roman, der unglaublich starke Bilder erzeugt, der nicht verkitscht, oder uns aufklären will. Ein Buch, in dem bis in die Nebenfiguren alles stimmig ist. Giulia Caminito ist ein Meisterwerk der Gegenwartsliteratur gelungen und wenn der nicht verfilmt wird, weiß ich auch nicht.

Auf deutsch ist ihr Vorgängerbuch „Ein Tag wird kommen“ lieferbar.
Wagenbach Verlag € 23,00
Als Taschenbuch ab Oktober € 14,00

Der Roman wird im Literarischen Quartett vorgestellt und diskutiert.
Gäste sind Vea Kaiser, Deniz Yücel und Adam Soboczynski.
Im TV-Programm: ZDF, 26.08.2022, 23:45 – 00:40
Verfügbarkeit: Video verfügbar ab 24.08.2022, 10:00

Dienstag, 9.August


Heute haben
Michail Soschtschenko * 1894
P.L. Travers * 1899
Tommaso Landolfi * 1908
Tove Jansson * 1914
Willi Heinrich * 1920
Klaus Nonnenmann * 1922
Linn Ullmann * 1966
Geburtstag
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Hermann Hesse (+ 9.8.1962)
Höhe des Sommers

Das Blau der Ferne klärt sich schon
Vergeistigt und gelichtet
Zu jenem süßen Zauberton,
Den nur September dichtet.

Der reife Sommer über Nacht
Will sich zum Feste färben,
Da alles in Vollendung lacht
Und willig ist zu sterben.

Entreiß dich, Seele, nun der Zeit,
Entreiß dich deinen Sorgen
Und mache dich zum Flug bereit
In den ersehnten Morgen.
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Ein Klassiker, der in jede Tasche passt.


Elio Vittorini: „Gespräch in Sizilien

Aus dem italienischen von Trude Fein
Wagenbach Taschenbuch € 14,00

Nach fünfzehn Jahren kehrt Silvestro erstmals für drei Tage aus Norditalien in sein armseliges Heimatdorf in den sizilianischen Bergen zurück, um seine Mutter zu besuchen. Er reist mit dem Zug durch Italien, setzt mit einer Fähre über, fährt durch die Orangenhaine und Dörfer seiner Kindheit, trifft einen Wanderer, einen Messerschleifer, einen kleinen hungernden Sizilianer, seltsame Herren mit und ohne Schnurrbart. Silvestro streift durchs Dorf, taucht ein in die Erinnerungen der Familien, in das einsame Leben seiner Mutter und der anderen Frauen des Ortes. Wirklichkeit und Traum überlagern sich. Auch an diesem scheinbar entrückten Ort haben die Menschen sich verändert: Sie leben in der Diktatur des Faschismus.
Elio Vittorini taucht ein in eine archaischische Welt seiner Kindheit, seiner Mutter. Aus dem Toben der großen Stadt Rom, landet er im Steinhaus seiner Mutter. Ein hartes Leben, ein karges Leben, das ihm da entgegentritt und doch auch irgendwie aktuell.
Ein Buch, das wir seit vielen Jahren immer im Laden vorrätig halten.
„Gespräch in Sizilien“ entstand 1937/38, konnte 1941 trotz der faschistischen Zensur erscheinen, wurde dann aber verboten.

Elio Vittorini, 1908 als Sohn eines Eisenbahners in Syrakus, Sizilien, geboren, war Schriftsteller und Übersetzer. 1943 wurde er als Gegner des Mussolini-Regimes inhaftiert. Nach dem Krieg war er eine der wichtigsten kulturpolitischen Stimmen Italiens. Er starb 1966 in Mailand.
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Freitag, 13.November

Heute haben
Robert Louis Stevenson * 1850
Peter Härtling * 1933
Geburtstag
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Heinrich Lersch (1889-1936)
November

Es weint ein schmerzlich
Lied sich durch den Wald,
ist’s Vogel- oder Menschenton?
Ist es der Wind, der Äste geigt?

Der Nordwind hat sich aufgemacht,
er fegte erst die Felder kahl;
dann ging er durch den Sommerwald
und nahm die bunten Stimmen mit
und trank der Blätter grünes Blut.

Nun deckt ein Schleier, grau und dicht,
das welke Antlitz der Natur,
dass niemand ihren Kummer sieht.
Es weint ein schmerzlich Lied
sich durch den Wald.
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Gestern hatte Hans Werner Richter Geburtstag und heute stelle ich ein Buch mit Erzählungen von ihm vor, das ich in Bansin auf Usedom entdeckt habe.


Hans Werner Richter: „Geschichten aus Bansin“
Mit einer Nachbemerkung von Klaus Wagenbach
Wagenbach Verlag € 10,90

Ich wusste gar nicht, dass Hans Werner Richter aus Bansin kommt. Für mich war er der Gründer der Gruppe 47. In Saulgau hat sich die Gruppe mehrfach getroffen, eventuell auch zum ersten Mal. Dort bin ich aufgewachsen und habe deshalb so ne minikleine Beziehung dazu. Nun stolpere ich über das Hans Werner Richter Haus in Bansin, erfahre, dass er dort aufgewachsen ist und nehme mir von dort diesen Erzählband mit.
Sieben Geschichten über seinen Vater finden wir darin. Mit viel Humor erzählt er darin über ihn, seine Mutter und über die sehr armen Verhältnisse, in denen die Familie aufgewachsen ist. Der Zeitraum reicht von den 20er Jahren bis zur DDR.
Richters Mutter war Wäscherin, sein Vater Aushilfsarbeiter, Fischer, Bademeister und auch mal Tankwart. Er war ein großer Aufschneider, der von großen Gewinnen träumte, die bei jeder Weitererzählungen größer wurden und dann wieder zerronnen.
Richter erzählt über die Entwicklung des Badeorts Bansin mit seinen Chauffeuren und Adligen, die dort die Sommerfrische verbrachten. Wie sich dies so langsam änderte und die Reichen, selbst hinterm Steuer sitzend, dort auftauchten. Deshalb hat Richters Mutter die Idee zu einer Tankstelle, die dann sein Vater betreibt, jedoch den täglichen Gewinn großspurig verjubelt.
Richter schreibt über den Holzklau seines Vaters. Wie er einen Lastwagen voller Schlafanzüge der Wehrmacht findet und sich bei jeder Hochrechnung mehr Gewinn verspricht.
Einmal ist er wirklich der Held des Tages: Er wird Schützenkönig. Jedoch: es ist ein abgekartetes Spiel und der Schützenverein sucht (wie jedes Jahr) einen, der siegt und somit auch alle Runden in der Dorfkneipe bezahlen muss. Da Richters Vater nur wenig Geld besitzt, begleicht seine Ehefrau die Zeche. Ein Betrag, der einem Jahresgehalt als Wäscherin gleichkommt.
Dies alles wird wie in einem Schelmenroman erzählt. Wir sind immer wieder am Schmunzeln und Lachen und merken gleichzeitig, wie arm die Menschen dort waren.
Im Nachwort erzählt Klaus Wagenbach über einen feuchtfröhlichen Betriebsausflug des Wagenbach Verlages nach Bansin.

Hans Werner Richter, 1908 in Bansin auf der Fischerinsel Usedom geboren, arbeitete zunächst als Buchhändler und für Verlage. 1946 gab er mit Alfred Andersch die Zeitschrift „Der Ruf“ heraus. Kurz darauf gehörte er als Initiator des ersten Treffens zu den Mitbegründern der Gruppe 47. 1993 starb er in München.

Dienstag, 16.August

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Heute haben
Charles Bukowski * 1920
Reiner Kunze * 1933
Geburtstag

Charles Bukowski
Be Kind

we are always asked
to understand the other person’s
viewpoint
no matter how
out-dated
foolish or
obnoxious.

one is asked
to view
their total error
their life-waste
with
kindliness,
especially if they are
aged.

but age is the total of
our doing.
they have aged
badly
because they have
lived
out of focus,
they have refused to
see.

not their fault?

whose fault?
mine?

I am asked to hide
my viewpoint
from them
for fear of their
fear.

age is no crime

but the shame
of a deliberately
wasted
life

among so many
deliberately
wasted
lives

is.
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Unser heutiger Buchtipp:

9783803132789

Panait Istrati: „Kyra Kyralina
Aus dem Rumänischen von Oskar Pastior
Mit einem Nachwort von Mircea Cartarescu
Wagenbach Verlag € 17,90

Mircea Cǎrtǎrescu, selbst international bedeutender rumänischer Autor, beginnt sein Nachwort zu diesem Roman mit den Worten: Panait Istrati hätte überhaupt nicht schreiben müssen, niemals. Seine wahre Berufung war nicht Literatur, sondern die Freiheit – und die ihm selbstverständliche Lebensweise die Wanderschaft, das Nichtsesshafte, das stetige Herumirren auf der Suche nach dem Gral, dem menschlichen Herzen.

Der Roman schildert aus der Sicht des Limonadenverkäufers Stavru, der sein Leben einem ebenfalls umher wanderndem jungen Mann erzählt, die Welt der kleinen Leute im Rumänien und dem Orient der Jahrhundertwende. Wir erfahren von einer lebenslustigen und umschwärmten Mutter, seiner behüteten Kindheit, die durch eine Gewalttat jäh beendet wurde, von dem Getränk Salep, das sich auch heute noch großer Beliebtheit in Istanbul erfreut, aber auch von einem Dasein voller Leid und Wirrnis, voller Schuld und Leidenschaft.

Stavru ist auf der Suche nach seiner entführten Schwester Kyra Kyralina, die ihre Schönheit, Lebendigkeit und ihren Freiheitswillen teuer bezahlen musste. Auf seiner Irrfahrt trifft er reiche, unbarmherzige, skrupellose Menschen, Musiker an der Donau, fließend rumänisch, türkisch und griechisch sprechende Banditen, und einen despotischen Liebhaber. Er zieht durch Konstantinopel, Aleppo, Beirut und Damaskus auf der Suche nach Kyra, die Sinnbild wird für das Gute und Schöne, nach dem er strebt und landet in einem berüchtigten Gefängnis. Stavru bäumt sich immer wieder gegen sein leidvolles Schicksal auf und wird nur einem Menschen in seinem Leben begegnen, dem er vertrauen kann.

Panait Istrati, geboren 1884 in Bukarest, schreibt farbenprächtig und gefühlvoll, man wähnt sich fast in einer Tausendundeine Nacht Geschichte. Er selbst blieb lange Zeit seines Lebens ein Umherziehender, der sich mit Gelegenheitsjobs durchschlug, aber auch die Werke der Weltliteratur las. Schlagartig wurde er mit diesem in Bukarest erschienen und von Oskar Pastior ins deutsche übersetzten Roman berühmt.

Eine besondere Leistung des Wagenbach Verlages, dieses Buch, das bereits 1975 in der DDR erschienen war, jetzt neu herauszugeben und mit dem von dem bereits oben erwähnten Autor hoch interessanten Nachwort zu versehen.