Freitag, 3.März

Heute haben
Gudrun Pausewang * 1928
Josef Winkler * 1953
Nicholas Shakespeare * 1957
Isabel Abedi * 1967
Geburtstag.
Aber auch Jan Garbarek, Miriam Makeba, Antonio Vivaldi und Gesine Cresspahl.

Happy Birthday, Dschi-sain!“
Uwe Johnson: „Jahrestage“ (zum Geburtstag von Gesine Cresspahl)
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Hugo von Hofmannsthal
Lied


Die Liebste sprach: „Ich halt dich nicht,
du hast mir nichts geschworen.
Die Menschen soll man halten nicht,
sind nicht zur Treu geboren.

Ziehe deine Straßen hin, mein Freund,
beschau dir Land um Land,
in vielen Betten ruh dich aus
viel Frauen nimm bei der Hand.

Wo dir der Wein zu sauer ist,
da trink du Malvasier,
und wenn mein Mund dir süßer ist,
so komm nur wieder zu mir!“
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Globaler Klimastreik – 3. März 2023
#TomorrowIsTooLate

​​Am Freitag, den 3. März, gehen wir im ganzen Land und weltweit auf die Straße. Nur unser gemeinsamer Druck kann den Klima-Stillstand in der Koalition noch beenden.

In den letzten Jahren haben wir mehr bewegt, als viele je gedacht hätten. Es gibt heute eine breite gesellschaftliche Mehrheit für mehr Klimaschutz – doch auf den großen Durchbruch warten wir bis heute. Weder an die Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag noch an das Klimaschutzgesetz hält sich die Politik. Anfang März treffen sich die Ampel-Parteien zum Koalitionsgipfel. Kurz zuvor findet unser Klimastreik statt – auch in Deiner Nähe. Damit er sich auf die richtige Seite stellt, darf Scholz keine Sekunde lang glauben, die Menschen in diesem Land interessieren sich nicht mehr für das Klima. Dafür müssen die Demos wieder richtig groß werden. Gemeinsam machen wir klar: unsere Zukunft darf nicht an einer bockigen Politik scheitern.

Mehr als 250 Demos sind bereits im ganzen Land angemeldet – schau am besten gleich nach, wo Du am 3. März dabei sein kannst!

Warum streiken wir?

Weil wir dringend eine Mobilitätswende brauchen. Während der ÖPNV unzuverlässig, teuer und schlecht ausgebaut ist, wird immer noch auf Autobahnen als Lösung gesetzt (Das ist längst nicht mehr tragbar!). Wir brauchen einen Ausbaustopp für Autobahnen und bessere Arbeitsbedingungen im ÖPNV. Dafür gehen wir heute bundesweit gemeinsam mit den ÖPNV-Beschäftigten auf die Straße. Denn Mobilität ist ein Grundrecht – und muss für alle bezahlbar sein. Deshalb streiken wir am Freitag in Kooperation mit der Gewerkschaft ver.di!

Weil der Ausbau Erneuerbarer Energien immer noch viel zu langsam passiert. Dörfer werden für den Kohleabbau abgebaggert und neue LNG-Terminals im Schnellverfahren genehmigt, während die Klimakrise überall auf der Welt sichtbar eskaliert. Deutschland muss bis 2035 zu 100% mit Erneuerbaren Energien versorgt sein.

Weil wir auch nach vier Jahren Klimastreik immer noch fordern, dass sich Regierungen an das Pariser Klimaabkommen halten. Aktuell beobachten wir das Gegenteil: Dörfer werden abgebaggert, Wälder gerodet und fossile Infrastruktur gebaut. Überall wird für Kompromisse geworben – doch das Pariser Klimaabkommen ist bereits der Kompromiss. Sich daran zu halten ist das Mindeste und überlebensnotwendig für alle, die bereits heute am stärksten unter den Folgen der Klimakrise leiden. 

Mittwoch, 20.Juli


Heute haben
Francesco Petrarca * 1304
Erik Axel Karlfeldt * 1864 (Nobelpreis 1931)
Thomas Berger * 1924
Pavel Kohout * 1928
Lotte Ingrisch * 1930
Cormac McCarthy * 1933
Uwe Johnson * 1934
Geburtstag
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August 1967

Lange Wellen treiben schräg gegen den Strand, wölben Buckel mit
Muskelsträngen, heben zitternde Kämme, die im grünsten Stand
kippen. Der straffe Überschlag, schon weißlich gestriemt, umwik-
kelt einen runden Hohlraum Luft, der von der klaren Masse zer-
drückt wird, als sei da ein Geheimnis gemacht und zerstört worden.
Die zerplatzende Woge stößt Kinder von den Füßen, wirbelt sie
rundum, zerrt sie flach über den graupligen Grund. Jenseits der
Brandung ziehen die Wellen die Schwimmende an ausgestreckten
Händen über ihren Rücken. Der Wind ist flatterig, bei solchem
drucklosen Wind ist die Ostsee in ein Plätschern ausgelaufen. Das
Wort für die kurzen Wellen der Ostsee ist kabbelig gewesen.

Uwe Johnson aus dem Beginn der „Jahrestage
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Unser Buchtipp:


Osuma Okamura, David Böhm, Jiří Franta: „Eine Stadt für alle“
Handbuch für angehende Stadtplanerinnen und Stadtplaner
Aus dem Tschechischen von Lena Dorn
Karl Rauch Verlag € 25,00

Ein unglaubliches Buch. Im ersten Moment weiss man gar nicht, was das ist. Ein Kinderbuch, ein Kunstobjekt, ein Buch für Architekten, oder ein großer Spaß für Bastelfreunde?
Ich denke, es ist eine Mischung aus allem und es steckt ein großer Gedanke dahinter:
Wie wollen wir leben in der Stadt?
Die meisten Menschen wohnen heute in einer Stadt. Riesige Gebilde entstehen daraus. Manchmal aus dem Nichts. Aber wie funktionieren diese menschlichen Ansammlungen? Mit welchen Problemen haben wir es damit zu tun? Wie werden sich unsere Städte entwickeln? Was muss sich verändern, in den Zeiten des Klimawandels? Wie sieht die Stadt der Zukunft aus?

Aus dem Inhalt:
Wer plant die Stadt und bestimmt ihre Form?
Kann ich in der Stadt bauen, was mir gefällt?
Wer versorgt die Stadt mit Energie?
Was verbirgt sich unterirdisch unter der Stadt?

Was dieses Buch aber vorallem ausmacht, ist die Idee dahinter, diese vielen Gedanken in große Installationen aus Pappe, Haushaltsgegenständen, Kartons, Fundstücken und uralten, verbeulten Matchboxautos umzusetzen. Großartig!!!
Sie müssen sich das in Ruhe anschauen.

Leseprobe

Osamu Okamura ist Architekt und Dekan der Fakultät für Kunst und Architektur der Technischen Universität Liberec und u.a. Kurator des Projekts Shared Cites: Creative Momentum. Er ist für den Mies van der Rohe Preis der Tschechischen
Republik nominiert..
David Böhm ist Absolvent der Akademie der Bildenden Künste in Prag, eine Arbeiten waren bereits in Galerien in New York, Berlin, Kiew und anderen Städten zu sehen. Als Autor und Illustrator wurde er mit vielen internationalen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis, dem Bologna Ragazzi Award und dem höchsten Tschechischen Buchpreis, dem Magnesia Litera..
Jiří Franta ist ein Künstler, dessen Spektrum sich nicht aufs Zeichnen und Malen beschränkt. Als Illustrator und Comicautor wurde er mehrfach ausgezeichnet..
Lena Dorn (wir kenen sie, seit sie noch ganz klein in unserem Buchladen Kinderbücher durchgestöberte) hat Slawistik und Geschichte studiert und arbeitet als Wissenschaftlerin, Übersetzerin, Autorin und Kuratorin. Sie lebt in Berlin und übersetzt Kinderbücher, Sachtexte, Lyrik und Prosa aus dem Tschechischen und Slowakischen.
2021 wurde sie mit dem Sonderpreis Neue Talente des Deutschen Jugendliteraturpreises ausgezeichnet.
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Hardy on Tour
Tag 54

158 km von Vencimont in den Ardennen über Sedan und Verdun nach Woimbey


Radfahren, so heisst es ja, sei gesund.
Mein Radtag heute geht definitiv nicht als gesundheitsfördernde Betätigung durch und dies lag an den Elementen Hitze und Wind. Die 37 Grad allein waren ja schon heftig genug, aber den Gegenwind dazu hätte es echt nicht gebraucht. Hab mich ziemlich platt gestrampelt heute und hoffe, ich bin morgen wieder radtauglich munter. Und ich hab schlecht geplant, da ich nicht dran gedacht hatte, daß die Geschäfte über Mittag geschlossen haben und so ging mir das Wasser aus und das war richtig übel.
Wie wertvoll Wasser ist, schätzt man besonders dann wenn man keines hat. Diese Erfahrung durfte ich heute machen. Um die Mittagszeit war es heut überall wie ausgestorben, niemand zu sehen in den Dörfern, Roll- und Fensterläden der Häuser dicht. Meine „Rettung“ war schließlich der Wasserhahn im Friedhof und ich war echt glücklich als ich den entdeckte und noch mehr als auch tatsächlich herrlich kühles Wasser aus dem Hahn kam.
Immer sehr bewegend ist es, die Soldatengräber rund um Verdun zu sehen. Ich war schon mal mit Freunden hierhergeradelt und wir hatten uns damals das eindrucksvolle Museum und das ganze Gelände drumherum angeschaut. Kann ich jedem nahelegen. Es macht den unfassbaren Schrecken dieses Krieges damals deutlich und wenn man an die Situation in der Ukraine dabei denkt und weiß, daß auch heute wieder Menschen dort gestorben sind, dann ist das nur unsagbar traurig und man begreift nicht, warum sowas immer wieder geschieht.
Mich erfüllt es mit Dankbarkeit, daß unsere Völker, die sich vor 100 Jahren hier so brutal niedergemetzelt haben, es geschafft haben, sich zu versöhnen und darüberhinaus ein gemeinsames Europa geschaffen haben. Nur so kann die Zukunft funktionieren. Es lohnt sich.

Donnerstag, 24.Februar

Heute haben
Erich Loest * 1926
Ferit Edgü * 1936
Keto von Waberer * 1942
Leon de Winter * 1954
Geburtstag
und es ist der Todestag von Uwe Johnson.
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Lange Wellen treiben schräg gegen den Strand, wölben Buckel mit
Muskelsträngen, heben zitternde Kämme, die im grünsten Stand
kippen. Der straffe Überschlag, schon weißlich gestriemt, umwik-
kelt einen runden Hohlraum Luft, der von der klaren Masse zer-
drückt wird, als sei da ein Geheimnis gemacht und zerstört worden.
Die zerplatzende Woge stößt Kinder von den Füßen, wirbelt sie
rundum, zerrt sie flach über den graupligen Grund. Jenseits der
Brandung ziehen die Wellen die Schwimmende an ausgestreckten
Händen über ihren Rücken. Der Wind ist flatterig, bei solchem
drucklosen Wind ist die Ostsee in ein Plätschern ausgelaufen. Das
Wort für die kurzen Wellen der Ostsee ist kabbelig gewesen.
Uwe Johnson aus „Jahrestage“ (Der erste Abschnitt)
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Nominiert für den Preis der Leipziger Buchmesse 2022 / Sachbuch


Christiane Hoffmann: „Alles, was wir nicht erinnern
Zu Fuß auf dem Fluchtweg meines Vaters
CH Beck Verlag € 22,00

Ein faszinierendes, sehr kluges, privates, ehrliches und erhellendes Buch über das Erinnern, über die Flucht ihres Vaters, über Heimat, Vertreibung, Trauma, Fremdenhass und Antisemitismus. Aber auch über Familie, Erzählen und mit einem offenen Blick durch die Welt gehen und so auch anderen Menschen begegnen.

Was soll ihnen noch erzählen, wo ich auf der Beck-Homepage dieses Interview gefunden habe:

Es gibt viel Literatur zu Flucht und Vertreibung. Was macht Ihr Buch besonders?

Mein Buch spielt nicht nur in der Vergangenheit. Es ist zugleich Reisebericht, Familiengeschichte und die Erzählung einer Vater-Tochter-Beziehung. Es schneidet die verschiedenen Erzählstränge und historischen Ebenen ineinander, und bewegt sich dabei an der Grenze zwischen Literatur und Sachbuch. Ich habe die Familiengeschichte in die Gegenwart geholt, indem ich den Fluchtweg meines Vaters noch einmal gegangen bin.

Wie kamen Sie auf die Idee, die Flucht Ihres Vaters nachzuwandern?

Mein Vater ging im Winter 1945 mit dem Treck seines Dorfes Rosenthal in Schlesien 550 Kilometer nach Westen, von der Oder bis fast nach Bayern. Seine Flucht, die Herkunft aus einem Ort, den es für uns nicht mehr gibt, war für mich seit der Kindheit ein Lebensthema. Ich habe mich immer wieder damit beschäftigt, bin nach Rosenthal gereist, mit meinem Vater, meinen Kindern. Und nach dem Tod meines Vaters auch allein. Ich habe darüber gar nicht so viel nachgedacht. Ich habe wohl, ohne es zu wissen, nach Wegen gesucht, sein Schicksal zu verarbeiten. Und irgendwann habe ich verstanden, dass es nicht nur um Rosenthal geht, um den Ort, sondern auch um den Weg, den er gegangen ist. Zugleich wollte ich auch etwas über die Länder erfahren, durch die seine Fluchtroute führte, über das heutige Polen und Tschechien, darüber, wie die Menschen dort jetzt mit der Vergangenheit leben, was sie für ihr Verhältnis zu Deutschland und zur EU bedeutet.

Haben Sie auf Ihrer Wanderung etwas Neues über Ihren Vater gelernt? Sehen Sie ihn jetzt anders als vorher?

Das war nicht das Ziel. Jedenfalls nicht in einem vordergründigen Sinn. Aber am Ende konnte ich etwas besser erfassen, was mein Vater durchgemacht hat, und zwar vor allem körperlich. Ich kann jetzt nachfühlen, was es heißt 550 Kilometer zu Fuß zu gehen, welche Schmerzen man dabei hat, wie leer und apathisch man wird. Und dabei ging es mir ja viel besser als meinem Vater: Damals herrschte Krieg, die Menschen waren in Lebensgefahr und Angst, und der Winter 1945 war viel kälter als der Winter 2020.

1945 blieb der Treck Ihres Vaters innerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches. Ihre Wanderung führte dagegen durch drei Länder: Polen, Tschechien und Deutschland. Ist die Vergangenheit dort noch präsent?

Vor allem in Polen sind es Gebiete, deren Bevölkerung fast komplett ausgetauscht wurde. Alte Menschen, mit denen ich sprechen konnte, erinnerten sich noch daran, wie sie in die schlesischen Dörfer gekommen waren. Vertreibung, Heimatverlust, Neubeginn – sie hatten dasselbe Schicksal wie meine Eltern und Großeltern. Zugleich war es sehr interessant zu sehen, wie lange es dauert und wie schwierig es ist, sich Orte anzueignen. Das hat eigentlich erst vor wenigen Jahren so richtig begonnen mit der Generation der Enkel. Ich bin in den Provinzstädten in Museen gegangen, wo man sehr gut sehen konnte, wie man sich die Geschichte der ehemals deutschen Orte aneignet, was gesagt wird und was verschwiegen. Es gibt noch immer vieles, was sehr schwierig ist, aber die deutsche Geschichte dieser Gebiete ist nicht mehr Tabu.

Eine Wanderung wirft einen stark auf einen selbst zurück. Gleichzeitig wollten Sie Eindrücke sammeln, mit Menschen reden. Wie sind Sie mit diesem Spannungsverhältnis umgegangen?

Das war schwierig. Ich war sehr viel allein auf der Landstraße oder auf Feldwegen unterwegs. Manchmal war ich dann kaum in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen, geschweige denn auf Menschen zuzugehen. Trotzdem hatte ich viele tolle, wertvolle Begegnungen. Die Leute hielten mich für ein bisschen verrückt. Zu Fuß? Allein? Das wurde ich immer wieder gefragt. Aber sie luden mich in ihre Küchen ein auf einen Tee, ein Bier, einen Schnaps. Manche ließen mich sogar bei sich übernachten. Wir sprachen über die Vergangenheit, die Macht der Geschichte, aber auch über das heutige Europa und die EU.

Von Sabine Bode stammen die Begriffe «Kriegskinder» und «Kriegsenkel». Gibt es auch «Fluchtkinder» und «Fluchtenkel»?

Die «Fluchtkinder» teilen mit den «Kriegskindern» traumatische Erfahrungen: die existentielle Bedrohung, den Verlust der vertrauten Ordnung und die verstörende Hilflosigkeit der Erwachsenen. Aber die Fluchtkinder sind eine besondere Gruppe innerhalb der Kriegskinder, weil sie zudem noch den lebensbedrohlichen Fluchtweg, oft über Wochen – mein Vater war fast sieben Wochen lang unterwegs – , gemacht haben, weil ihre Familien entwurzelt wurden, sie verloren ihre Heimat. Mein Vater hat im Jahr 1945 seinen Bruder, seine Großmutter, seinen Onkel, seine Heimat, den Hof, das Erbe und für lange Zeit auch seinen Vater verloren, der erst Jahre später aus sowjetischer Gefangenschaft zurückkehrte. Er verlor auch einen Teil seiner Erinnerung. Dieser Bruch wirkte, wie bei anderen Kriegskindern, auch noch auf die nachfolgenden Generationen.
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tagesschau.de am 23.Februar
Bericht des UN-Umweltprogramms
Weltweite Zunahme von Waldbränden

Verheerende Waldbrände wie in jüngster Zeit in Australien und Kalifornien werden laut einem UN-Bericht wegen des Klimawandels deutlich zunehmen – auch zum Beispiel in der Arktis. Und die Welt sei nicht gut auf diese Katastrophen vorbereitet.

Die Vereinten Nationen haben vor einer Häufung von Waldbränden gewarnt. „Selbst bei den ehrgeizigsten Anstrengungen zur Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen wird der Planet eine dramatische Zunahme der Häufigkeit von Bedingungen erleben, die extreme Brände begünstigen“, heißt es in einem Bericht des UN-Umweltprogramms (UNEP). Die globale Erwärmung und Veränderungen bei der Landnutzung brächten es mit sich, dass sich das Phänomen in den kommenden Jahrzehnten in großen Teilen der Welt verschlimmern werde. …

Den kompletten Beitrag gibt es hier.

Dienstag, 3.März

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Heute haben
Gudrun Pausewang * 1928
Josef Winkler * 1953
Nicholas Shakespeare * 1957
Isabel Abedi * 1967
Geburtstag.
Aber auch Jan Garbarek, Miriam Makeba, Antonio Vivaldi und Gesine Cresspahl, die von D.E. einen handgeschriebenen Brief bekommt.

„Du sollst nicht mich heiraten, du sollst mit mir leben. Von Sollen sprichst du; ich meinte Wünschen.“
aus: Uwe Johnson: Jahrestage
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Claudia Wiltschek empfiehlt:

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Isabelle Autissier: „Klara Vergessen“
Aus dem Französischen von Kirsten Gleinig
mare Verlag € 24,00

Murmansk, nördlich des Polarkreises. Juri kehrt nach langer langer Zeit in seine Heimatstadt zurück. Sein Vater liegt im Sterben und er hat gebeten, seinen Sohn zu sehen, der damals vor ihm, einem herrischen und hartherzigem Vater nach Nordamerika geflüchtet ist. Juri, mittlerweile ein ambitionierter Ornithologe, betritt mit gemischten Gefühlen das Krankenzimmer. Sein Vater, ein immer noch verbitterter alter Mann, bittet ihn das Rätsel um seine damals verhaftete Mutter zu lösen. Als vierjähriges Kind wurde sie vor seinen Augen mitgenommen. Er blieb mit seinem Vater allein. Sie kam niemals mehr zurück. Juri sperrt sich, er möchte sich nicht mit seiner Vergangenheit auseinandersetzen, verspricht es aber dann doch und macht sich auf die Suche nach alten Akten. Vor Juri öffnet sich allmählich eine Welt voller Entbehrungen, Unterdrückung und Verbannung.
Seine Großmutter war zur Zeit Stalins eine Geologin. Sie wird als Spionin verdächtigt und verhaftet. Russland sucht fieberhaft nach Uranvorkommen und sie wird auf eine Insel im höchsten Norden gebracht, um dort Bodenproben zu entnehmen und zu analysieren.
Juri wird in den Bann der Geschichte seiner Vorfahren gezogen und stößt schließlich auf eine Wahrheit, die ihm vor Augen führt, wie eng alle Schicksale seiner Familie miteinander verbunden sind.
Ein fesselnder Roman, der den hohen Norden in seiner Naturgewalt leuchten lässt, uns mitnimmt hinaus aufs kalte Meer und über einen Jungen, den die Liebe zu den Vögeln vieles ertragen lässt.
Ein Buch, das ich angefangen habe und nicht mehr aus der Hand legen konnte.
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Dienstag, 3.März um 19 Uhr
„Die 1.Seite“
Clemens Grote liest aus folgenden Büchern:
Marina Frenk: ewig her und gar nicht wahr
Sasha Filipenko: Rote Kreuze
Valerie Fritsch: Herzklappen von Johnson & Johnson
Verena Güntner: Power
Bei uns in der Buchhandlung
Eintritt frei

Freitag, 20.Juli

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Heute haben
Pavel Kohout * 1928
Uwe Johnson * 1934
Geburtstag
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20.Juli, 1968 Saturday South Ferry Day

Am ausführlich gedeckten Tisch des Frühstücks (für D.E. die amerikanische Fassung), gegenüber dem festtäglich beschienenen Park, ist uns die New York Times in die Quere gekommen; fast wären wir abgerutscht in einen Streit.

Uwe Johnson: Jahrestage
Beginn des Eintrages zum 20.Juli
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Claudia Wiltschek empfiehlt:

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Susanne Straßer:Der Wal nimmt ein Bad
Peter Hammer Verlag € 14,90
Bilderbuch mit dicker Pappe ab 2 Jahren

Der Wal liegt genüsslich in der Wanne und möchte in Ruhe ein Bad nehmen. Da steht die Schildkröte in der Tür. „Mein Rücken tut weh“, jammert sie. „Kann ich auch in die Wanne?“.“Na gut“ sagt der Wal, „Komm rein und entspann dich“
Dann kommt der Biber, der Flamingo, der Eisbär und das Kind mit dem grossen Schiff will auch noch rein. Von Entspannung keine Spur mehr, da taucht der Wal ab und ……..
Ein herzerfrischendes, nasses Bilderbuch für die Kleinsten und auch wir Grossen haben unseren Spass!

Ins Buch spickeln
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Freitag, 24.Februar

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Heute haben
Erich Loest * 1926
Ferit Edgü * 1936
Keto von Waberer * 1942
Leon de Winter * 1954
Geburtstag
und es ist der Todestag von Uwe Johnson.
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„August 1967
Lange Wellen treiben schräg gegen den Strand, wölben Buckel mit
Muskelsträngen, heben zitternde Kämme, die im grünsten Stand
kippen. Der straffe Überschlag, schon weißlich gestriemt, umwik-
kelt einen runden Hohlraum Luft, der von der klaren Masse zer-
drückt wird, als sei da ein Geheimnis gemacht und zerstört worden.
Die zerplatzende Woge stößt Kinder von den Füßen, wirbelt sie
rundum, zerrt sie flach über den graupligen Grund. Jenseits der
Brandung ziehen die Wellen die Schwimmende an ausgestreckten
Händen über ihren Rücken. Der Wind ist flatterig, bei solchem
drucklosen Wind ist die Ostsee in ein Plätschern ausgelaufen. Das
Wort für die kurzen Wellen der Ostsee ist kabbelig gewesen.“

So beginnen die 1.700 Seiten der „Jahrestage“ von Uwe Johnson
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„Was fan­gen wir noch an mit die­sem Leben, jetzt, nach­dem wir die halbe Stre­cke schon gegan­gen sind?“

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Zsuzsa Bánk:Schlafen werden wir später
S.Fischer Verlag € 24,00

Lange haben wir auf einen neuen Roman von Zuszsa Bánk gewartet. Daß er jetzt gleich mal mit 700 Seiten daherkommt, ist ein Wort. Und dann auch noch ein Briefroman. Besser ein Roman in Emails, denn das ist es, was sich beiden Freundinnen schreiben. Die eine oft spät in der Nacht, die andere manchmal in aller Frühe. Drei Jahre lang lesen wir die sehr persönlichen Briefe, die vom schwarzen Wald nach Frankfurt und wieder zurück geschickt werden. Briefe, in denen sich die Freundinnen in aller Gänze anvertrauen. Die eine, Márta, ist dauermüde mit ihren drei Kindern, will endlich ihr neues Buch veröffentlichen. Johanna, aus dem schwarzen Wald ist Lehrerin und muß die Leere ihres Häuschens füllen, nachdem ihr Partner nicht mehr dort wohnt und sie Angst hat, daß der Krebs wieder an die Tür klopft.

„Simon und ich, wir haben keinen Augenblick für uns, nachts tragen wir Mia und Franz in ihre Betten, Füße, Arme, Kopf baumelnd, zu jeder Stunde ein anderes Kind, das zwischen uns, in unsere Mitte gekrochen ist, in die Mulde aus Kissen, Mártaschulter und Simonduft, oder ich taste mich durch die Dunkelheit, um den weinenden Henri aus der Wiege zu heben, so benommen, als hätte er mich aus tiefstem ruhigen Schlaf gerissen, obwohl ich den schon lange nicht mehr kenne, diesen tiefruhigen Schlaf, von dem ich erholt aufwache. Schlafen werde ich später einmal, wenn ich alt bin, werde ich schlafen, Johanna, Nacht und Tag, soviel ich will.“

„Liebste Márta, vergib mir, dass ich Dich letzte Nacht ans Telefon geholt habe. Vergib mir die frischen Tränen. Nachdem der Krebs so heftig an meine Schlaftür gehämmert hatte. Der Panikvogel zurückgekehrt war. Obwohl ich Dir versprochen hatte aufzupassen. Ihn nicht mehr hereinzulassen. Dazu mein blöder, tausendfach durchgekauter öder Kram. (…) Es ist die Zeit, die ich beschuldige Márti. Die Zeit hat Schuld. Die Zeit hat mir alles weggefressen. Selbst die Orte meines Lebens hat sie geschluckt.“

Ein Buch voller Sehnsucht und Hoffnungen, mit Fluchten in die Literatur, die beide aus dem Grau des Alltags rettet. Es ist die Suche nach dem Glück und der Zufriedenheit in einer unüberschaubaren Welt, die einen mitreisst und zu verschlingen droht. Ein Buch über eine große, feste Freundschaft, die nie in Frage gestellt wird. Das Leben drumherum schon. Dies schreibt Zsuzsa Bánk in einem melancholischen, zuversichtlichen Ton, der die Geschichte nach vorne treibt und keinen rückwärtigen Blick zuläßt.

Zsuzsa Bánk schafft es auch hier wieder, daß wir uns in ihrem Roman wiederfinden, daß wir meinen, woher sie das nur über uns weiß. Ein Roman, der mit solch einer Liebe mit ihren Figuren spielt, daß die 700 Seiten zu kurz sind. Man möchte noch mehr über Johanna und Márta wissen, sie noch ein paar Jahre begleiten dürfen. Und da sind wir wieder bei den „Jahrestagen“. Auch hier war ich als Leser traurig, als das gemeinsame Jahr mit Gesine und Marie zu Ende war. Die Geburtstage der beiden stehen in meinem Kalender und somit denke ich zumindest zwei Mal im Jahr an sie.

Donnerstag, 3.März

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Deshalb sichere Landwege

Heute haben
Gudrun Pausewang * 1928
Josef Winkler * 1953
Nicholas Shakespeare * 1957
Isabel Abedi * 1967
Geburtstag.
Aber auch Jan Garbarek, Miriam Makeba, Antonio Vivaldi und Gesine Cresspahl, die von D.E. einen handgeschriebenen Brief bekommt.

„Du sollst nicht mich heiraten, du sollst mit mir leben. Von Sollen sprichst du; ich meinte Wünschen.“
aus: Uwe Johnson: Jahrestage

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Bill Frisell: „When You Wish Upon A Star“
OKeh CD € 19,99

Irgendwie komme ich um die CDs von Bill Frisell nicht herum. Ich denke, wir haben sie jedes Mal hier auf dem Blog vorgestellt. Nicht, dass dies ein Muss ist. Die Scheiben sind einfach immer gut, besonders und laden zum Entdecken ein. Seine Wanderungen zwischen Jazz, Folk, Klassik, Country bis hin zur Filmmusik zeigen seine große Wandlungsfähigkeit. Und doch bleibt er seinem Stil treu.
Auf seinem neusten Album befasst er sich mit den bekannten Melodien aus alten Fernsehserien. „Ich habe mein ganzes Leben lang TV und Spielfilme gesehen. Was ich da gesehen und gehört habe, ist ein großer Teil von dem, was meine musikalische Fantasie anregt“. Mit dabei sind Charlie Hadens Tochter Petra, mit welcher er bereits 2003 erfolgreich zusammen gearbeitet hat, sowie durch Eyvind Kang (Viola), Rudy Royston (Schlagzeug) und Thomas Morgan (Bass). Und im Studio waren wohl Geister, wie Paul Motian war da. Mit dem Drummer teilte Frisell sich die Liebe zum Broadway und den Filmsongs. Und dann die Cartwrights, Don Corleone, Norman Bates und Cheyenne. Bekannte Melodien aus „Psycho“, „Spiel mir das Lied vom Tod“, „Der Pate“ oder auch „Bonanza“ hören wir in seinem unverwechselbaren Stil. Aber auch Melodien aus Disneyfilmen und den Bond-Klassiker „You Only Live Twice“. Petra Haden singt „Moon River“ und uns kommen plötzlich ganze andere Erinnerungen hoch.
Aber was schreibe ich hier um den heissen Brei herum. Schauen Sie sich doch gleich ein komplettes Konzert an.
Bitte schön:

Dienstag

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Die Dichterwerkstatt der Klasse 5b des Humboldt Gymnasium stellt eigene Gedichte aus und ein unbekannter Fenstergucker hat auch etwas dazugeschrieben.

 

Heute haben
Wilhelm Grimm *1786
Keto von Waberer * 1942
Leon de Winter * 1954
Geburtstag und es ist der Todestag von Uwe Johnson (+ 1984)
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land

Dörte Hansen: „Altes Land“
Knaus Verlag € 19,99
auch als Hörbuch, gelesen von Hannelore Hoger € 19,99
und als eBook € 15,99

Wie ich schon „angedroht“ habe, stelle ich heute das Debüt von Dörte Hansen vor. Gestern abend habe ich das Buch zuendegelesen. An den Beinen den prasselnden Holzofen und im Kopf im hohen Norden, in Hamburg und im Alten Land.
Dörte Hansen ist Journalisten beim NDR und das merkt man ihrer flotten, frechen Schreibe an, ihrem genauen Blick auf das Szeneviertel Hamburg-Ottensen und das ganz andere Leben auf dem Land.
Was seht nun im Mittelpunkt dieser verzweigten, verzwickten Patchwork-Familiengeschichte?
Ein Haus, oder zwei Flüchtlinge?
Beides, würde ich sagen. Denn es geht um Heimat, um die eigenen Wurzeln, um die Suche nach einem sicheren Boden unter den Füssen. Eine Sinnsuche der besonderen Art hat Dörte Hansen hier zu Papier gebracht, woraus ich immer wieder laut lachend vorlesen musste. Seien Sie gespannt, wenn Sie das im April von Clemens Grote zu hören bekommen.
„Das „Polackenkind“ ist die fünfjährige Vera auf dem Hof im Alten Land, wohin sie 1945 aus Ostpreußen mit ihrer Mutter geflohen ist. Ihr Leben lang fühlt sie sich fremd in dem großen, kalten Bauernhaus und kann trotzdem nicht davon lassen. Bis sechzig Jahre später plötzlich ihre Nichte Anne vor der Tür steht. Sie ist mit ihrem kleinen Sohn aus Hamburg-Ottensen geflüchtet, wo ehrgeizige Vollwert-Eltern ihre Kinder wie Preispokale durch die Straßen tragen – und wo Annes Mann eine Andere liebt. Vera und Anne sind einander fremd und haben doch viel mehr gemeinsam, als sie ahnen.“
Dies ist die Kurzfassung, die uns der Knaus Verlag anbietet und ich übernehme sie gerne, da sie die wichtigsten Aspekte zusammenfasst, ohne sich in den verschiedenen Familienzweigen zuverzetteln, die zwar vorhanden sind, sich jedoch auf diese beiden Personen verdichten lässt.
Mit großer Anteilnahme und spitzer Feder schreibt die Autorin über die Zeit nach dem Krieg, als die Bewohnerin des Bauernhauses und die Flüchtlingsfrau mit Kind sich bekämpfen, bis eine davon im Dachstuhl hängt. Diese Situation wird von drei Personen gleichzeitig und beiläufig geschildert und zeigt, wie gekonnt Dörte Hansen mit dramatischen Szenen flott umgehen kann.
Der Sprung ins heutige Hamburg-Ottensen ist dann das genaue Gegenteil. So wie Kathrin Hartmann in ihrem Sachbuch „Ende der Märchenstunde“ über diese Neureichen, die die Welt retten wollen, in dem sie mit dem großen Volvo im Biosupermarkt einkaufen, so lesen wir hier über diese jungen Familien, die ihre Kinder wie Preispokale vorsichhertragen. Zum Brüllen komisch.
Aus dieser Welt flüchten Anne mit ihrem kleinen Sohn Leon, weil sie es nicht mehr aushält als Musiklehrerin in der Musikfrüherziehung und weil ihr Mann ein Geliebte hat. Sie flüchtet aufs Land, ins Bauernhaus ihrer Tante, die dort sehr für sich ihr eigenes Leben führt, ohne sich groß um die Nachbarschaft und das alte Bauernhaus zu kümmern.
Dörte Hansens Beschreibungen einzelner Typen (den Aussteigerjournalisten, der für ein Landlust-Magazin Reportagen schreibt, die Marmeladekochwut aus alten Obstsorten der dazugehörenden Frau, der Obstbauer mit seinen Kindern, …) lesen sich wie Satiren und sind doch purer Ernst, denn wir sehen einzelne Szenen immer wieder, wenn wir die oben genannten Magazine durchblättern. Wohl wissend, dass „Landlust“ die höchsten Auflagenzahlen einfährt.
Diese Mischung aus Spurensuche (bis zurück nach Polen), Familienbande und dem, was uns wichtig ist, macht diesen Roman zu einer wunderbaren Mischung und kommt meiner Meinung nach ohne Klischees aus.

Achtung! Wir haben alle unsere Exemplare verkauft und warten auf Nachlieferung.

Hier kommt eine Leseprobe und ein Interview mit der Autorin.


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Morgen ist es soweit.
Ich hoffe, es finden sich ein paar Interessierte bei uns ein.

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Freitag

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Heute haben
Hans Hellmut Kirst * 1914
Joan Didion * 1934
Alois Brandstetter * 1938
Geburtstag.
Aber auch Fritz Lang, Werner Heisenberg, Walt Disney, Johannes Heesters, José Carreras und Patricia Kaas.
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„Sinn und Form
Heft 6/2014 November/Dezember
Einzelheft € 9,00

Was für eine Fundgrube. So unscheinbar, wie das Heft im 66.Jahr daherkommt. Fast könnte man meinen, essei noch DDR-Papier. Aber der Inhalt hat wieder Zundstoff,  gute Texte, Gedichte, Essays und drei Reden am Ende des Heftes, die sich gewaschen haben. Ein Loblied auf Ann Cotten von Ina Hartwig, deren Buch mit gesammelten Buchkritiken wir im Laden zu stehen haben. Danach noch die Laudatio von Sebastian Kleinschmidt auf den Uwe Johnson Preis für Lutz Seiler und die Dankesrede des Autoren. Unglaublich gut und wahnsinnig erhellend. Für die, die „Kruso“ gelesen haben, ist es ein grandioses Nachwort zu diesem besonderen Buches. Für alle, die die Lektüre noch nicht geschafft, gewagt haben, eine erhellende Einführung in Werk und die Arbeit von Lutz Seiler. Und für uns, die wir im Sommer unseren „Jahrestage-Marathon“ hinter uns gebracht haben, ergeben sich Bezüge und Hinweise von „Kruso“ auf die „Jahrestage“ und von Johnson zurück auf Seiler, dass es eine wahre Freude ist. Man möchte gerade einen Johnson-Seiler-Abend organisieren. (Eigentlich keine schlechte Idee).
Aber neben dem „Ort wo die Toten sind“, so der Titel der Dankesrede, zurück in die Wirklichkeit mit dem Text von Sadakichi Hartmann:Im Land der Düfte„. Genießen Sie die Leseprobe. Den gesamten Text finden Sie auf Seite 750 des aktuellen Heftes.

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Das Beste vom Besten von 2014.
Heute unser Jugendbuchtipp aus dem Ferbuar.
Das Buch habe ich diese Woche in unserer „Ersten Seite“ bei „Bücher im Sekundentakt“ hochgehalten und nachdrücklich gelobt.

gadsby

Natasha Farrant: „Die Geschwister Gadsby“
Aus dem Englischen von Annette von der Weppen
Im Original: „After Iris. The Diaries of Bluebell Gadsby“
Carlsen Verlag € 15,90
Jugendbuch ab 12 Jahren

Die englische Familie Gadsby ist etwas anders als andere Familien und sie wird immer verrückter. Die Eltern sind meist ausser Haus. Der Vater verkriecht sich immer mehr und die Mutter reist um die Welt und kommt von einem Stau in New York zum nächsten Jetlag vom Rückflug aus Asien.
Zuhause sitzt Bluebell (genannt Blue) mit ihrer großen Schwester Flora und den kleinen Geschwistern Jasmin und Twig, sich rasant vermehrenden Ratten (Achtung: Geliebte Haustiere!) und dem Aupair-Studenten Zoran, der nebenher an einer großen Arbeit sitzt. Blue ist diejenige, die dieses Chaos erzählt. Dieser Erählstrang wird jedoch immer wieder von Blues Kurzfilmen unterbrochen. Diese sind aufnotiert, wie ein Drehbuch. Durch diesen Kamerasucher blicken wir auf die Familie, die Ereignisse rund um das Haus. Hinter dieser Kamera kann sich Blue verstecken. Sie kann Filme löschen, oder einfach auch mal abschalten. Sie fragen sich nun, was soll das Durcheinander? Warum sind die so? Darauf gibt es zumindest eine Antwort. Vor drei Jahren ist Bluebells Zwillingsschwester tödlich verunglückt und am 24.12. gestorben. Dieses Verlust hat niemand in der Familie überwunden. Blue sieht ihre Schwester immer wieder als Schatten und fühlt sich ohne sie weniger als eine halbe Portion. Das erkennt sie selbst, da sie nie aufbegehrt, den Mund nicht aufmacht und keine Freunde in der Schule hat, obwohl das doch früher ganz anders war. Iris, so heisst die Zwillingsschwester war die kleinere von beiden Zwillingsschwestern, kam aber als erste auf die Welt. Hat sich praktisch vorgedrängelt und kam so schnell, dass die Hebamme sie fast fallen ließ. Auch im Leben war sie immer diejenige, die etwas machte, die organisierte, Geld sammelte für die Armen und unbedingt eine Fuchsfamilie im Stadtwald anschauen wollte. Dabei kam es dann zum tödlichen Unfall. Und diese Iris fehlt nun der ganzen Familie, obwohl es niemand wahrhaben will. Veränderungen ergeben sich, als aus dem Nachbarhaus ein Junge auftaucht, der Schwung in Blues Leben bringt, der sich jedoch auf nichts festlegen will und festlegen lässt. Zoran verzwifelt mittlerweile, die Eltern bleiben immer öfter weg und die Großmutter muss auch noch eingesetzt werden.
Sie denken sicherlich: Was für eine unglaubwürdige, wilde Geschichte. Nein, gar nicht. Es ist zwar sehr turbulent, aber die Autorin Natasha Farrant hält die Fäden locker in den Händen um ganz am Ende, also wirklich ganz am Schluß einen Knoten dran zu binden. Der Schluss ist so liebenswert und schlüssig und schön und gut. Auf so ein Ende haben wir das ganze Buch hindurch gewartet. Und es passiert tatsächlich.
Vielen Dank Frau Farrant für dieses tolle Buch, das neben dem Delly-Buch, das ich vor einen paar Tagen hier auf dem Blog beschrieben habe, zu meinen Lieblingsjugend-büchern dieses Frühjahrs gehören. Beide schreiben über Freundschaft, Verluste, Zuhausesein, Familie und das Größerwerden. Und beide Bücher sind auch für Erwachsene eine lohnenswerte Lektüre.

Mittwoch

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Heute haben
Hans Sachs * 1494
und Hanns-Josef Ortheil * 1951
Geburtstag.
Aber auch uns Uwe Seeler.
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Ich denke, ich sollte diesem Blog einen anderen Namen geben. Vielleicht „Das literarische Netz“. Immer wieder tauchen Verknüpfungen auf und lassen mich merken, dass in der Literatur im Literaturbetrieb vieles sehr eng miteinander verwoben ist

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Gestern packte ich einen Karton mit Büchern aus dem Suhrkamp Verlag aus. Mittendrin u.a. Neuauflage von Lutz Seiler, der den Deutschen Buchpreis gewonnen hat und Jürgen Becker, dem Preisträger des diesjährigen Büchner Preises.
Ich blättere im Gedichtband „pech und blende“ und bleibe bei „doch gut war“ hängen. einem Gedicht, das Lutz Seiler Jürgen Becker widmete.

“ zu atmen, aus
& ein ging die atmung im gipsschiff

& einsam wie crusoe im schiefer,
tief
im radio schlief das radiokind …
ich sah crusoe, meinen vater;“

Wer den Gewinneroman „Kruso“ von Lutz Seiler gelesen, oder über ihn gelesen hat, dem fallen sofort die Bezüge auf. Kruso, sowieso, und auch das Radio, das dauernd in der Küche dudelte, bis es mit einer Küchenutensilie ermordert worden ist. Dazu kommt noch die Widmung für Jürgen Becker, der in seinen Aufzeichnungen „Schnee in den Ardennen“ u.a. über Ahrenshoop und eine dort ansässige Künstlerin schreibt, über die uns Herr Seidel in der Buchhandlung schon einen kurzen Vortrag gehalten hat.
„Das Netzwerk, an dem die Galeristin arbeitete, dehnte sich weit und weiter aus.“
Ahrenshoop hat natürlich wieder direkt mit Uwe Johnson, Mecklenburg, den „Jahrestage“ zu tun und Jürgen Becker schreibt einige Seiten weiter vorne auch ein Kapitel über das große Werk. Er schreibt über Johnsons Umgang mit seinen Personen. Mit Gesine und Marie. Wie er sie sich ausdachte und wie sie sich während seines Aufenthaltes in New York vermenschlichtigten und selbstständig machten.
„In Mecklenburg, sagt Jörn, finde ich eine Landschaft des Verlust, den das Gedächtnis des Schriftstellers auzuheben versucht hat.“
„Ob Gesine Cresppahl mit ihrer Tochter Marie in New York noch lebt?“, schreibt Becker und berichtet, wie Johnson seiner Gesine in der 42.Straße über den Weg gelaufen ist und er sie in seinen Roman gepackt hat. Als dies geschehen war, ließen sie ihn nicht mehr los und er musste wissen, wie es ihnen nach den 1.700 Seiten ging.
„- Hello?
– Please, ähm, I’m speaking with gesine Cresspahl?
– Who are you?
– My name ist Winter, Jörn Winter, coming from Germany, and …
– What do you what?
…“
So stellt sich Jürgen Beckers Figur (Jörn Winter) ein erstes Gespräch mit Gesine vor, wenn er sie denn suchen und finden würde in ihrem Appartment im Riverside Drive. So könnte er die Biographie der beiden Damen fortschreiben, die zur Zeit des Romanes von Jürgen Becker siebzig, bzw. Mitte vierzig sein müssten.
So sind wir also mitten in den Jahrestagen, aus denen wir Ende August von 19.00 bis 1.00 in der Nacht vorgelesen haben. Und am Rednerpult hing eine Fotografie des großen Hauses, in denen die Cresspahls wohnten, das ich gemacht hatte, als ich sie in New York besuchen wollte, mich aber nicht bis zum Klingelbrett vorgewagt hatte.
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Nach dem Spiel ist vor dem Spiel, sagt einst Sepp Herberger. Und nach einer schönen, vollen „Ersten Seite“ in unserer Buchhandlung, möchte ich Ihnen in den nächsten Tagen immer wieder Texte von Karen Köhler zeigen, die am Freitag, den 14.11. ab
19 Uhr aus ihrem Buch „Wir haben Raketen geangelt“ bei uns lesen wird.
Diesen Text hat sie exklusiv für die Ulmer Südwestpresse geschrieben, nachdem sie, wegen einer Krankheit, die Teilnahme am Ingeborg Bachmann-Wettbewerb absagen musste.

„Ich puller mich ein“

Protokoll eines Zweifels: Die Autorin Karen Köhler liest beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb

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Ich habe diese Angewohnheit, mir immer das Schlimmste vorzustellen, mir mein privates Worst-Case-Scenario auszumalen, um irgendwie aufs Leben vorbereitet zu sein. Als ich eine Mail mit dem Betreff „Winkels“ von meinem Verlag erhalte, denke ich zum Beispiel, dass sich darin eine wohlformulierte höfliche Absage verbergen wird und lasse die Mail erstmal ungeöffnet in meinem Postfach liegen.

Ich kenne Hubert Winkels aus dem Fernsehen. Er ist einer der Juroren, die in Klagenfurt bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur über Texte urteilen, sie auseinandernehmen, interpretieren, analysieren, sie bei Bedarf auch verreißen oder loben, um am Ende, nach drei Tagen dann einige Preisträger zu bestimmen. Und das alles eben auch noch live im Fernsehen. Seit ein paar Jahren verfolge ich das Ingeborg-Bachmann-Wettlesen über Livestream und Twitter. Sieben Juroren laden jeweils zwei Autoren mit einem Text ein. Mein Verlag hat Winkels zwei Texte von mir geschickt.

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Klick. Mail geöffnet. Da steht, dass Hubert Winkels mich mit einem Text einladen wird. Klagenfurt. Ingeborg-Bachmann-Preis. Wettlesen. Das, das sind die anderen, die richtigen, die echten Literaten. Das sind die Katja Petrowskajas und die Benjamin Maacks. Das bin doch nicht ich. Das muss ein Irrtum sein. Ein Scherz. Ein Missverständnis vielleicht. Kurt Felix, kannst rauskommen. Nicht lustig.

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Vielleicht überlegt Hubert Winkels sich’s noch mal. Oder: Vielleicht kommt in den nächsten Tagen eine Mail, in der drinsteht, dass es sich um ein furchtbares Missverständnis handle, man habe die Texte verwechselt und eingeladen werden sollte eigentlich jemand anderes. Ich warte ab. Es kommt eine weitere Mail mit dem Betreff „Winkels“. Klick. Meine Agentur gratuliert mir. Ich fürchte: Spätestens in Klagenfurt wird dann rauskommen, dass ich gar nicht schreiben kann.

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Ein paar Wochen später: Mein Telefon klingelt. Hubert Winkels ist dran. Es scheint zu stimmen. Er lädt mich zum Wettlesen ein. Ich wurde nicht vertauscht.

Holy shit. Die Worstcase-Turbine in meinem Kopf läuft: Wer sind die anderen Autoren? (Hoffentlich MitleserInnen mit Humor. Damit lässt sich vieles überstehen. Wenn schon scheitern, dann wenigstens umgeben von Intelligenz.) Was, wenn ich die Startnummer 1 ziehe und als Erste lesen muss? Wer leiht mir seine Elefantenhaut? Was, wenn ich mich einpullere, live? Oder was, wenn ich einen Migräneanfall habe? Oder Lippenherpes? Zack. Oder schlimme Schweißflecken unter den Armen? Oder Nasenbluten? Oder einen endlosen Hustenanfall? So einen hatte ich schon mal im Theater. Es war furchtbar. Oder was, wenn ich mich ständig verhasple? Wie überlebt man das? Soll man sich die Jury nackt vorstellen? Überhaupt: Was ziehe ich an? Kann man die Socken auch sehen? Wie laut soll man lesen? Muss man sein Manuskript selber mitbringen? Soll man das Wasserglas ansehen, es berühren, daraus trinken? Es exen? (Antworten bitte an @KareninaKoehler twittern)

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Mein Vater sagt, das ist wie bei einer Olympiade: Dabeisein ist alles. Klar. An die Preise wage ich ja auch gar nicht zu denken. Die sind für die echten, richtigen Literaten. Ich will das nur überleben, will da in Würde irgendwie durch gelangen.

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Die ersten Mails vom ORF und 3 Sat trudeln ein. Organisatorisches. Die Texte müssen in der Endfassung abgegeben werden. Porträtfilme sollen gedreht werden. In mir ist großes Widerstreben, irgendwie auf diese Art vermarktet zu werden. Ich will nicht vor der Kamera an repräsentativen Orten meiner Stadt vor einer bewegten Menschenmenge stehen. Mir Notizen machen. Oder auf meinem Sofa sitzen und über mich sprechen. Das geht niemanden was an, wie mein Sofa aussieht. Ich entscheide also: Ich will in meinem Porträtfilm gar nicht vorkommen, und bastle aus Raumfahrtarchivmaterial der 60er Jahre etwas zusammen, unterlege es mit einem Miniaturtext von mir, und hoffe, dass mir niemand dafür den Kopf abreißt.

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Zum Glück habe ich bis kurz vor dem Wettbewerb noch einen Mount-Everest-Arbeitsberg zu erklimmen, da bleibt wenig Zeit für weitere Zweifel. (Dachte ich.) Aber sie tauchen immer wieder auf: Mein Text ist zu punk, zu wenig Literatur, zu dick zu dünn, zu dies zu das. . .

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Die Teilnehmerliste wird veröffentlicht. Tatsächlich. Ich bin dabei. Da stehen die Namen der anderen Autoren und meiner mittendrin. Auf einige freue ich mich. Manche sagen mir nichts, so wie auch ich manchen wohl gar nichts sagen werde. Ein Bekannter fragt mich, ob ich jetzt lesen übe. Und dass die anderen Autoren jetzt meine Feinde seien. Quatsch, sage ich.

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Auf einmal denke ich, dass meine Arbeit ja schon gemacht ist: Der Text ist ja bereits geschrieben. Er wurde ausgewählt, nun muss ich ihn nur noch vorlesen. Wer dann was dazu sagt, und wie wer das findet, das hat mit mir und meiner Arbeit nichts mehr zu tun. Das ist die Metaebene, auf der die anderen tanzen. Vielleicht gefällt er nicht, vielleicht fällt er durch, vielleicht mag ihn jemand, aber das alles kann ich nicht mehr beeinflussen, das ist Show, das ist Politik, das ist der Literaturbetrieb. Da kann ich nur zusehen, an die Heisenbergsche Unschärferelation in der Kunst denken und daran, dass die messenden Instrumente das Messergebnis bereits beeinflussen.

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Ich rede mir ein: Toll: Österreich, Wörthersee, Schwimmen, Sonne, Kasnudeln, Ferien. . . Mein Po ist trotzdem auf Eis.

(Alle Rechte bei der SWP, Ulm und der Autorin)