Montag, 26.April

Heute haben
Ludwig Uhland * 1787
Arno Holz * 1863
Carl Einstein * 1885
Ludwig Wittgenstein * 1889
Bernard Malamud * 1914
Geburtstag
und es ist der Jahrestag des Reaktorunglücks in Tschernobyl (1986)
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Ludwig Uhland
Lob des Frühlings

Saatengrün, Veilchenduft,
Lerchenwirbel, Amselschlag,
Sonnenregen, linde Luft!
Wenn ich solche Worte singe,
Braucht es dann noch große Dinge,
Dich zu preisen, Frühlingstag!
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Cesare Pavese: „Der schöne Sommer
Drei Romane (Der Teufel auf den Hügeln, Die einsamen Frauen)
Mit einem Essay von Natalia Ginzburg
Aus dem Italienischen von Maja Pflug
Rotpunkt Verlag € 29,00

Seit ein paar Jahren versucht der Schweizer Rotpunkt Verlag sein Glück mit Cesare Pavese. Einer der wichtigsten Autoren der italienischen Literatur, tut sich hier schwer, obwohl alle Besprechungen immer voll des Lobes sind. Die hier erschienen Bände sind neu von Maja Pflug übersetzt und sehr schön gesetzt und auf elegantem Papier gedruckt und tollem Äusserem.
Aber eigentlich kommt es auf den Inhalt an.
Für diese drei Kurzromane in einem Band (so wollte es auch Pavese veröffentlicht haben) erhielt er den höchsten italienischen Literaturpreis, den Premio Strega.
„Der schöne Sommer“ erzählt die Geschichte der jungen Schneiderin Ginia, die sich durch das Turin des Jahres 1940 treiben lässt. Mit ihren Freundinnen lernt sie die etwas abseitige Welt kennen und lieben. Überhaupt ist die Liebe ein zentrales Thema dieses Romanes.
Pavese schreibt kurz und prägnant und innerhalb weniger Seiten sind wir mitten Seelentrubel der 17jährigen, unbedarften jungen Frau, die das Abenteuer sucht, sich aber der Konsequenzen nicht sicher ist.
Starke Literatur, die so gut tut, da sie etwas aus der Welt gefallen ist und sich nicht mit aktuellen Themen befassen muss und deshalb umso intressanter ist.

Cesare Pavese, 1908 geboren, wuchs in Santo Stefano Belbo, Piemont, und in Turin auf. Als er sechs Jahre alt war, starb sein Vater. Nach dem Philologiestudium Übersetzung von englischer und amerikanischer Literatur. 1935 Verbannung nach Kalabrien. 1938 Eintritt in das Verlagshaus Einaudi. Pavese gilt als Begründer einer modernen italienischen Literatur. Zu seinen bekanntesten Büchern zählen Der Mond und die Feuer (1950) und das Tagebuch Das Handwerk des Lebens (1952). Für den Romanband Der schöne Sommer erhielt Pavese 1950 den Premio Strega. Im August desselben Jahres, auf dem Höhepunkt seines literarischen Erfolgs, nahm er sich in einem Turiner Hotelzimmer das Leben.

Montag, 1.März

Trotz Corona: Dieses Hotel hat geöffnet.

Heute haben
Giorgos Seferis * 1900
Ralph Ellison * 1914
Franz Hohler * 1943
Delphine de Vigan * 1966
Franzobel * 1967
Geburtstag
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März
Gedichte
Herausgegeben von Evelyne Polt-Heinzl und Christine Schmidjell
Reclam Verlag € 5,00

Johann Wolfgang Goethe
Der Musensohn

Durch Feld und Wald zu schweifen,
Mein Liedchen wegzupfeifen,
So gehts von Ort zu Ort!
Und nach dem Takte reget,
Und nach dem Maß beweget
Sich alles an mir fort.

Ich kann sie kaum erwarten,
Die erste Blum im Garten,
Die erste Blüt am Baum.
Sie grüßen meine Lieder,
Und kommt der Winter wieder,
Sing ich noch jenen Traum.

Ich sing ihn in der Weite,
Auf Eises Läng und Breite,
Da blüht der Winter schön,!
Auch diese Blüte schwindet,
Und neue Freude findet
Sich auf bebauten Höhn.

Denn wie ich bei der Linde
Das junge Völkchen finde,
Sogleich erreg ich sie.
Der stumpfe Bursche bläht sich,
Das steife Mädchen dreht sich
Nach meiner Melodie.

Ihr gebt den Sohlen Flügel
Und treibt durch Tal und Hügel
Den Liebling weit von Haus.
Ihr lieben holden Musen,
Wann ruh ich ihr am Busen
Auch endlich wieder aus?

Der Februar hatte es in sich. Viel Schnee und Kälte, aber auch schon warme Tage. Gestern konnte man an windstillen Orten im Pulli sitzen und drei Meter weiter pfiff der kalte Ostwind vorbei. Schaun wir mal, was der März bringt. Politisch wird es zumindest in Baden-Württemberg spannend.

So nennen die beiden Herausgeberinnen ihr erstes Kapitel auch gleich
Der Frühling wird kommen.
Danach kommen:
Grossstadtfrühling
Im Märzen
Dunkler Frühling
Frühling manchmal trügerisch
Blumengrüße

Friedrich Rückert
Ich hab’ in mich gesogen

Ich hab’ in mich gesogen,
Den Frühling treu und lieb,
Daß er, der Welt entflogen,
Hier in der Brust mir blieb.

Hier sind die blauen Lüfte,
Hier sind die grünen Au’n,
Die Blumen hier, die Düfte,
Der blühende Rosenzaun.

Und hier am Busen lehnet
Mit süßem Liebes-Ach,
Die Liebste, die sich sehnet
Den Frühlingswonnen nach.

Sie lehnt sich an zu lauschen
Und hört in stiller Lust
Die Frühlingsströme rauschen
In ihres Dichters Brust.

Da quellen auf die Lieder
Und strömen über sie
Den vollsten Frühling nieder,
Den mir der Gott verlieh.

Und wie sie, davon trunken,
Umblicket rings im Raum,
Blüht auch von ihren Funken
Die Welt, ein Frühlingstraum.

Adelbert von Chamisso
Märzveilchen

Der Himmel wölbt sich rein und blau;
Der Reif stellt Blumen aus zur Schau.

Am Fenster prangt ein flimmernder Flor,
Ein Jüngling steht ihn betrachtend davor.

Und hinter den Blumen blühet noch gar
Ein blaues, ein lächelndes Augenpaar.

Märzveilchen, wie jener noch keine gesehn!
Der Reif wird angehaucht zergehn.

Eisblumen fangen zu schmelzen an –
Und Gott sei gnädig dem jungen Mann!

Ludwig Uhland
Frühlingsglaube

Die linden Lüfte sind erwacht,
Sie säuseln und weben Tag und Nacht,
Sie schaffen an allen Enden.
O frischer Duft, o neuer Klang!
Nun, armes Herze, sei nicht bang!
Nun muß sich alles, alles wenden.

Die Welt wird schöner mit jedem Tag,
Man weiß nicht, was noch werden mag,
Das Blühen will nicht enden.
Es blüht das fernste, tiefste Tal:
Nun, armes Herz, vergiß der Qual!
Nun muß sich alles, alles wenden.

Montag, 22.Februar

Heute haben
Arthur Schopenhauer * 1788
Hugo Ball * 1886
Jane Bowles * 1917
Danilo Kis * 1935
Arnon Grünberg* 1971
Geburtstag
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Ludwig Uhland
Frühlingsglaube

Die linden Lüfte sind erwacht,
Sie säuseln und wehen Tag und Nacht,
Sie schaffen an allen Enden.
O frischer Duft, o neuer Klang!
Nun, armes Herze, sei nicht bang!
Nun muss sich alles, alles wenden.

Die Welt wird schöner mit jedem Tag,
Man weiß nicht, was noch werden mag,
Das Blühen will nicht enden.
Es blüht das fernste, tiefste Tal:
Nun armes Herz, vergiss der Qual!
Nun muss sich alles, alles wenden.
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Claudia Wiltschek empfiehlt:


Antje Damm: „Die Wette
Moritz Verlag € 12,95
Bilderbuch ab 4 Jahren

Welch herzerfrischendes Bilderbuch von Antje Damm, die immer wieder so erfreuliche Bücher macht.
Einmal in der Woche besucht Lilo ihren Freund Hein in seiner Gärtnerei. Für Hein brauchenPflanzen hauptsächlich Sonne und Wasser, für Lilo brauchen sie auch Liebe. Die Wette gilt: Lilo bekommt das gleiche Pflänzchen mit nach Hause, jeder kümmert sich 4 Wochen um das seine und dann wird geschaut, welches besser gewachsen ist. Lilo lässt ihr Pflänzchen nie alleine, liest ihm Gutenachtgeschichten vor, singt und spielt Musik und wenn ihre Freundin da ist, ist auch immer das Pflänzchen beim Spielen dabei. Bei Hein gibt es regelmäßig Wasser… und: er macht große Augen, als der Tag des Vergleichens kommt. Lilo hat die Wette gewonnen und ab jetzt wird ein Liedchen geträllert in Heins Gärtnerei. Das Schönste: Es ist kein gemaltes Bilderbuch, sondern alles ist aus Pappe gebastelt.
Also : Schere und Pappe raus und losbasteln!

Montag, 11.Mai

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Zwei Mal der Judenhof
Rechts eine Lithographie von Hans Gassebner , Blaubeuren
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Heute haben
Rose Ausländer * 1901
Ruben Fonseca * 1925
Henning Boetius * 1939
Geburtstag.
Und auch Salvador Dali
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Ludwig Uhland
Frühlingsglaube

Die linden Lüfte sind erwacht,
Sie säuseln und weben Tag und Nacht,
Sie schaffen an allen Enden.
O frischer Duft, o neuer Klang!
Nun, armes Herze, sei nicht bang!
Nun muß sich alles, alles wenden.

Die Welt wird schöner mit jedem Tag,
Man weiß nicht, was noch werden mag,
Das Blühen will nicht enden.
Es blüht das fernste, tiefste Tal:
Nun, armes Herz, vergiß der Qual!
Nun muß sich alles, alles wenden.

Freitag, 14.Juni

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Heute haben
Arthur Schnitzler *1862
Katherine Anne Porter * 1890
Max Frisch * 1911
Michael Lentz * 1964
Judith Hermann * 1970
Geburtstag
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Ludwig Uhland
Lob des Frühlings

Saatengrün, Veilchenduft,
Lerchenwirbel, Amselschlag,
Sonnenregen, linde Luft!
Wenn ich solche Worte singe,
braucht es dann noch große Dinge,
Dich zu preisen, Frühlingstag!
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Shalosh: „Onwards And Upwards“
ACT CD € 19,99

Für die drei israelische Musiker ist „Shalosh“ kein Bandname, sondern eine Idee. Shalosh heisst drei. Naja und Shalosh ist ein Trio. Die drei Musiker kennen sich seit ihrer Jugend und sie benutzen für ihre Musik Anleihen aus den 90er Jahren, wie zum Beispiel das Lied „Take on me“ von Aha, aber auch Ideen aus der Klassik. Über allem steht ein gleichberechtigtes Trio, die sich dem Jazz verschrieben, aber die Ohren in allen Richtungen geöffnet haben. Ihre Musik ist auch ein Abbild ihrer Heimat Tel Aviv, einer sehr bunten, toleranten Stadt am Meer.
Lassen Sie sich von dieser eigenwilligen Mischung überraschen und wundern Sie sich nicht, wenn Sie die CD gleich nochmals von Beginn hören wollen.

Freitag, 26.April

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Heute haben
Ludwig Uhland * 1787
Arno Holz * 1863
Carl Einstein * 1885
Ludwig Wittgenstein * 1889
Bernard Malamud * 1914
Geburtstag
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Ludwig Uhland
Lob des Frühlings

Saatengrün, Veilchenduft,
Lerchenwirbel, Amselschlag,
Sonnenregen, linde Luft!
Wenn ich solche Worte singe,
Braucht es dann noch große Dinge,
Dich zu preisen, Frühlingstag!
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„Grindelwalds Verbrechen“
Phantastische Tierwesen 2
DVD € 15,99

Regie: David Yates
Darsteller: Eddie Redmayne, Katherine Waterston, Dan Fogler, Alison Sudol, Jude Law, Johnny Depp, Ezra Miller, Zoe Kravitz
Autor: Joanne K. Rowling

Das Abenteuer geht weiter.
Nachdem der zweite Teil im Kino schon durch ist, gibt es jetzt Neues von Newt Scamander auf DVD.
War der erste Teil zum Teil humorig, schlägt nun Rowling in diesem Fünfteiler, der vor Harry Potter spielt, zum ersten Mal richtig zu.
Gellert Grindelwald, der Böse, der von Johnny Depp gespielt wird, reisst die Macht an sich und die Szenerie erinnert stark an den Faschismus. Gute Freunde von Newt werden von Grindelwalds Charisma eingenommen und wechseln zur Gegenseite. Beim Showdown bilden sich neue Konstellationen und wir dürfen auf Teil 3 gespannt sein.

Freitag, 1.März

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Heute haben
Giorgos Seferis * 1900
Ralph Ellison * 1914
Franz Hohler * 1943
Delphine de Vigan * 1966
Franzobel * 1967
Geburtstag.
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Ludwig Uhland
Frühlingsglaube

Die linden Lüfte sind erwacht,
Sie säuseln und weben Tag und Nacht,
Sie schaffen an allen Enden.
O frischer Duft, o neuer Klang!
Nun, armes Herze, sei nicht bang!
Nun muß sich alles, alles wenden.

Die Welt wird schöner mit jedem Tag,
Man weiß nicht, was noch werden mag,
Das Blühen will nicht enden.
Es blüht das fernste, tiefste Tal:
Nun, armes Herz, vergiß der Qual!
Nun muß sich alles, alles wenden.
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Jetzt als Taschenbuch:

Die Wurzel alles Guten von Miika Nousiainen

Miika Nousianen:Die Wurzel alles Guten
Aus dem Finnischen von Elina Kritzokat
Goldmann TB  € 10,00

Pekka Kirnuvaara begibt sich widerwillig auf Grund einer überfälligen Wurzel-behandlung zum Zahnarzt. Da sein Familienname recht selten in Finnland vorkommt, ist er schon verwundert, dass dieser Arzt genauso heisst und als dieser ihm dann bei der Untersuchung sehr nahe kommt, fällt ihm sofort die gleiche markante Nase auf. Klar, denkt er, der muss mit mir verwandt sein! Doch Esko, der Zahnarzt, geht auf seine Fragen bezüglich einer Familienzusammengehörigkeit nicht ein und weicht auch sehr bestimmt seinen Fragen aus. Lieber hält er ihm immer wieder einen Vortrag über seine schlechten Zähne und dass er eine mangelhafte Zahnpflege betreibe. Doch Pekka bleibt stur und tatsächlich stellt es sich heraus, dass die beiden Halbbrüder sind und Esko lässt sich sogar auf die Suche nach deren Vater ein, der für beide unbekannt ist.
Nun beginnt eine turbulente Reise, quer durch die Welt, die beiden bleiben nicht alleine. Da gesellen sich von Land zu Land noch ein paar andere Suchende dazu, die unterschiedlicher nicht sein könnten. aber sie haben etwas gemeinsam……
Ein Roman, der viel Spass macht beim Lesen, fröhlich, witzig und in dem trotzdem zwischen den Zeilen viel über das Leben, über Vorurteile und Ungerechtigkeiten steckt. Die trüberen Tage werden kommen und wenn Sie dann etwas zum Schmunzeln brauchen, kann ich diesen kurzweiligen Roman wärmstens empfehlen.

Leseprobe

Miika Nousiainen, 1973 in Jyväskylä, Finnland geboren, ist Schriftsteller, TV-Journalist und Drehbuchautor. Die Wurzel alles Guten (im Original Juurihoito) ist sein vierter Roman und der erste, der auf Deutsch übersetzt wird.

5 Fragen an Miika Nousiainen

Stimmt das Gerücht, dass Sie die Idee zu Ihrem Roman bekamen, als Sie auf einem Zahnarztstuhl lagen, das Gesicht des Zahnarztes über sich anstarrten und versuchten, die Angst vor Schmerzen zu ignorieren?

Zumindest teilweise. Im Alter von siebzehn Jahren habe ich mir bei einem Unfall mit dem Fahrrad vier Vorderzähne abgebrochen. In der Folge musste ich Hunderte von Stunden im Zahnarztstuhl verbringen. Und ich hasse es heute noch jedes Mal. Aber ich habe währenddessen auch zu verstehen versucht, warum jemand einen Beruf wie den des Zahnarztes ergreift. Ich meine, man verursacht Schmerzen bei unschuldigen Menschen! Und ein Zahnarztstuhl ist ein sehr guter Ausgangspunkt für einen Roman; die Figur ist eingesperrt, sie kann erst mal nicht entfliehen. Im Fall meines Buches sind es zwei Brüder, der eine kommt nicht zu Wort, weil es ihm schwerfällt zu reden, der andere nicht, weil er den Mund voller Dentalwerkzeug hat.

Wie oft benutzen Sie, ganz ehrlich, selber Zahnseide?

Fast nie. Auch wenn mir natürlich klar ist, dass ich es täglich tun sollte.

Pekka und sein Bruder finden auf ihrer Reise mehr und mehr Verwandte. Am Ende ist es eine internationale Familie, die komplett vom selben Vater abstammt. Aber ist das auch als Modell zu verstehen? Könnten sie sich auch ohne genetische Verwandtschaft so nahestehen? Ist das im Grunde die Botschaft des Romans: Über familiäre Bande lässt sich erkennen, dass man mit vielen Menschen eine fast familienartig enge Bindung hat?

Ich bin mir nicht sicher. Für gewöhnlich schreibe ich über etwas, das ich für wichtig halte und von dem ich hoffe, dass es einen Sinn ergibt oder dass ein wichtiges Thema drinsteckt. Zumindest versuche ich zu erzählen, dass jeder jemanden braucht, dem er zugeneigt ist und um den er sich sorgen kann. Ein Schlüsselerlebnis für dieses Buch hatte ich in Thailand. Ich war auf einem Spielplatz mit meinem Sohn und begann mich mit einem chinesischen Vater zu unterhalten. Er fragte mich, ob ich noch mehr Kinder hätte. Ich verneinte, und er fragte, ob wir in Finnland nur ein Kind haben dürften. Das hat mich geschockt, obwohl ich von der Einkindpolitik in China wusste. Ich habe zwei Brüder, und mir wurde bewusst, dass die Regierung dort den Menschen einfach das Recht genommen hat, Geschwister zu haben, Schwestern, Brüder, Tanten, Onkel und so weiter.

Einer der sehr überzeugenden Stränge im Roman beginnt ziemlich am Anfang mit der ersten Schwester: Sie spiegelt die Hoffnung und die Schwierigkeiten des Zusammenlebens verschiedener Kulturen in einem Sozialstaat wider. Zeigt sie auf, wie einfach es eigentlich sein kann – oder ist sie vielmehr ein Beispiel dafür, dass Pragmatismus und Realismus die einzigen Mittel sind, um mit der Angst und den Vorurteilen gegenüber Immigranten umzugehen?

Die schwedische Schwester habe ich entwickelt, weil ich eine Figur wollte, die Rassist zu sein scheint, aber im Grunde eine herzliche und tolerante Person ist. Hier in Helsinki lebe ich in dem Viertel Kallio. Es wird auch die „rot-grüne Blase“ genannt. Das soll bedeuten, dass wir sehr tolerante Bewohner sind. Zumindest, solange alle unsere Ansichten teilen. Irgendwann musste ich mir eingestehen, dass wir vielleicht doch nicht so tolerant sind.

Sind Sie zu all den Orten hingereist, die die Brüder aufsuchen – und falls ja, war die Reiseroute im Buch dann nicht vielmehr eine Ausrede dafür, dort überall hinreisen zu dürfen?

Tatsächlich bin ich an all diese Orte gereist. Und natürlich war es eine Ausrede. Aber ich hatte auch ein paar handfeste Gründe: Die Familie meiner Mutter ist in den frühen Sechzigern nach Australien ausgewandert, und ich habe über diese Seite viele Storys gehört. Mein Onkel hatte eine Aborigine zur Frau, und ich wollte seine Geschichte integrieren. Thailand habe ich gewählt wegen eines Vorfalls vor etwa zehn Jahren. Wir sind oft auf eine kleine Insel im Süden Thailands in die Ferien gefahren. Ein Kellner erzählte mir, dass er seit drei Jahren dort arbeite und jetzt so weit sei, sich seinen Lebenstraum zu erfüllen: Er würde seine Mutter aufs Festland bringen und mit seinem Ersparten dort ihre Zähne richten lassen. Das war berührend und hat mich auch beschämt. Wir hatten immer gratis Zahnpflege in Finnland, und uns ist überhaupt nicht bewusst, was das für ein Geschenk ist. Wir versuchen diesem Angebot aus dem Weg zu gehen, und irgendwo leben Menschen, die können sich nichts Schöneres vorstellen. Schweden ist ebenfalls ein wichtiger Ort für mich. Mein erster Roman handelt von einem Finnen, der Schwede sein will. Also habe ich die Reise in der Heimatstadt meiner Mutter begonnen, in Lieksa, und habe drei Länder auf drei Kontinenten besucht. Und dabei habe ich festgestellt, dass die Menschen überall ziemlich ähnlich sind. Überall stellen wir die Frage: Wer war als Erster hier? Dabei sollten wir vielmehr fragen: Was können wir gemeinsam erreichen?
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Donnerstag, 28.Juni

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Heute haben
Luigi Pirandello *1867
Helen Keller * 1880
Frank O’Hara *1926
Rafael Chirbes * 1949
Geburtstag
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Heute auf dem Lyrikkalender.
Dort allerdings nur die letzte Strophe.

Ludwig Uhland
Naturfreiheit

Leben, das nur Leben scheinet,
Wo nicht Herz, nicht Auge spricht,
Wo der Mensch zur Form versteinet,
Machst du ganz mein Herz zunicht?
Die mich oft mit Trost erfüllet,
O Natur, auch du so leer?
Tief in Eis und Schnee gehüllet,
Blickst du frostig zu mir her.

Hör ich nur ein Waldhorn klingen,
Hör ich einen Feldgesang,
Rühret gleich mein Geist die Schwingen,
Fühlt der Hoffnung frischen Drang.
O Natur, voll Muttergüte,
Gib doch deine Kinder frei,
Sonnenstrahl und Quell und Blüte,
Das auch ich erlöset sei!

Mit den Lüften will ich streifen,
Rauschend durch den grünen Hain;
Mit den Strömen will ich schweifen,
Schwimmend in des Himmels Schein;
In der Vögel Morgenlieder
Stimm ich frei und freudig ein;
Alle Wesen sollen Brüder,
Du, Natur, uns Mutter sein!
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Kerascoët: „Mein Weg mit Vanessa
Bilderbuch ab 3 Jahre
Aladin Verlag  €14,95

Einfach toll. Ein großformatiges Bilderbuch mit einer dramatischen Geschichten und das alles ohne Worte. Ja, das geht. Wie uns die Bilderbuchmacher hinter dem Pseudonym Kerascoët vormachen.
Ein dunkelhäutiges Mädchen kommt neu in die Klasse und sitzt natürlich etwas hilflos in ihrer Schulbank. Während die anderen spielen, steht sie für sich alleine. Als sie auf dem Heimweg von einem Mitschüler grundlos angebrüllt wird, sieht dies ein anderes Mädchen aus ihrer Klasse. Dieser Vorfall geht ihr nicht mehr aus dem Kopf. Sie traut sich jedoch nicht, es ihren Eltern zu erzählen. Sie weiss nicht wie. Grübelnd liegt sie im Bett, bis ihr später ein toller Einfall kommt.
Dadurch niummt die Geschichte Fahrt auf. Immer mehr Kinder, Mitschüler mit allen Hautfarben schließen dem an, was sich das Mädchen für Vanessa ausgedacht hat. Die Seiten füllen sich und werden bunter und bunter.
In einem Nachwort erzählen uns die Autoren, wie wir alle mit Mobbing und Fremdsein umgehen können/sollen.
Ein wundervolles Bilderbuch zum Thema Toleranz und Mitmenschlichkeit, ohne ein Wort zu verlieren!

Hinter dem Pseudonym Kerascoët verbergen sich die 1978 geborene Marie Pommepuy und der 1975 geborene Sébastien Cosset. Kerascoët – ein kleiner Ort in der Bretagne – steht für ausgezeichneten Comic und liebevolle Illustrationen. Das Künstlerehepaar lebt und arbeitet in Paris.

Dienstag, 26.April

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Heute haben
Daniel Defoe * 1731
Ludwig Uhland * 1787
Arno Holz * 1863
Carl Einstein * 1885
Bernard Malamud * 1914
Geburtstag

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Ludwig Uhland
Frühlingsglaube

Die linden Lüfte sind erwacht,
Sie säuseln und weben Tag und Nacht,
Sie schaffen an allen Enden.
O frischer Duft, o neuer Klang!
Nun, armes Herze, sei nicht bang!
Nun muß sich alles, alles wenden.

Die Welt wird schöner mit jedem Tag,
Man weiß nicht, was noch werden mag,
Das Blühen will nicht enden.
Es blüht das fernste, tiefste, Tal:
Nun, armes Herz, vergiß der Qual!
Nun muß sich alles, alles wenden.
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Frankfurter Anthologie
Neununddreißigster Band
Herausgeber: Hubert Spiegel
Gedichte und Interpretationen Begründet von Marcel Reich-Ranicki
S.Fischer Verlag € 24,99

Als Marcel Reich-Ranicki vor vier Jahrzehnten die ›Frankfurter Anthologie‹ begründete, war nicht abzusehen, wie lange dieses Experiment Bestand haben würde. Und auch nach vierzig Jahren ist der Vorrat deutscher Poesie keineswegs aufgebraucht. Dennoch ist es an der Zeit für eine Öffnung. So widmet sich die „Frankfurter Anthologie“, die seit Oktober 2014 von Hubert Spiegel betreut wird, jetzt auch der Poesie aus aller Welt: Neben deutschsprachigen Gedichten wird in diesem Band erstmals fremdsprachige Lyrik behandelt.
Die Bände der „Frankfurter Anthologie“ fassen die Gedichte und Interpretationen eines Jahrgangs zusammen. Inzwischen liegen über 2.100 Gedichte vor.

Gewundert habe ich mich schon, als ich die Plastikfolie vom Buch weggemacht und einen ersten Blick auf das Inhaltsverzeichnis geworfen habe. „Li Tai-Po“ lese ich als ersten Autoren und denke, dass dies nicht gerade deutsch klingt, so wie ich es von den Autoren der 38 Jahre zuvor gewohnt war. „William Carlos Williams“ taucht gleich zweimal auf, von zwei verschiedenen Männern übersetzt. Verwirrt lese ich die obige Bemerkung von Hubert Spiegel und schaue nochmals auf die Autorenliste. So findet sich neben Georg Heym Guiseppe Ungaretti, gefolgt von Marina Zwetajewa und Peter Huchel. Irgendwie interessant und doch auch schade. Doof ist allerdings wirklich, dass bei den fremdsprachigen Gedichten nicht auch noch das Original abgedruckt ist. Ich denke, ich werde dies dem Verlag mitteilen, was immer sie damit anfangen. Egal. Ich freue mich in den nächsten Wochen über die drei Gedichte von Günter Grass, auf die von Tomas Tranströmer, die beiden von Charles Simic, bis hin zum letzten von Marion Poschmann. „Hinweise zur Erderwärmung“ und all die anderen dazwischen.

Lassen wir uns überraschen und lesen, was Michael Krüger, Kerstin Hensel, Ralph Dutli, Ilma Rakusa (die übrigens etwas über ihr eigenes Gedicht „Gedicht gegen die Angst“ schreibt), Jochen Jung,  Lutz Seiler, Kerstin Holm, Wolf Wondratschek u.v.m. zu den Gedichte wissen.
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Dienstag. 26.April um 20 Uhr
Roxy Ulm, Werkhalle
VVK 17,50  AK 20,—
Einlass: 19 Uhr
Bestuhlt / Pause

Linda Zervakis: „Königin der bunten Tüte

So, wie Linda Zervakis heute in die Wohnzimmer der Nation guckt, hat sie früher aus dem Kiosk ihrer Eltern geschaut. Was sie da gesehen hat? „Leute, die zum Frühstück Kräuterschnaps bestellen“. Und natürlich: Gute, herzliche Typen, die sich in ihrem Kiez umeinander kümmern und ihre Roth-Händle, Dickmanns-Frischebox und bunte Tüten seit 20 Jahren bei Familie Zervakis kaufen. Linda hatte Glück, eine gute Schule und den festen Willen, nicht für immer aus dem Büdchen zu schauen. Der Rest ist ihre Geschichte.

Linda Zervakis, 39, ist als Tochter griechischer Eltern in Hamburg geboren. Nach dem Abitur arbeitete sie als Werbetexterin bei der renommierten Agentur BBDO. Seit 2001 ist sie als Redakteurin und Nachrichtensprecherin für den NDR tätig. Seit Mai 2013 spricht sie die ARD-Tagesschau um 20 Uhr.

Samstag

Heute haben
Ludwig Uhland * 1787
Arno Holz * 1863
Carl Einstein * 1885
Ludwig Wittgenstein * 1889
Bernard Malamud * 1914
Geburtstag
______________________

Ludwig Uhland
Frühlingsglaube

Die linden Lüfte sind erwacht,
Sie säuseln und weben Tag und Nacht,
Sie schaffen an allen Enden.
O frischer Duft, o neuer Klang!
Nun, armes Herze, sei nicht bang!
Nun muß sich alles, alles wenden.

Die Welt wird schöner mit jedem Tag,
Man weiß nicht, was noch werden mag,
Das Blühen will nicht enden.
Es blüht das fernste, tiefste Tal:
Nun, armes Herz, vergiß der Qual!
Nun muß sich alles, alles wenden.
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Bille

S.Corinna Bille: „Theoda
Rotpunktverlag € 19,90

S.Corinne Bille lebte von 1912-1979 in der Schweiz. Sie gilt als die bedeutendste Schriftstellerin der Westschweiz. Sie lebte in Paris und Zürich hat sich später einem naturverbundenen Leben im Wallis verschrieben. Sie schrieb Romane, Novellen, Gedichte und Theaterstücke, erhielt 1974 den Schillerpreis und 1975 den Prix Goncourt. „Theoda“ war ihr Romandebüt, erschien 1944 und entwickelte sich zu einem Bestseller.
„Es ist möglich, dass „Theoda“ mein wichtigstes Buch bleibt. Als ich es schrieb, war sozusagen der ganze Fundus meiner Kindheit in mir, meine Jugend, alles.“, sagte die Autorin.
Mit einer Hochzeit steigt Corinna Bille in ihren Roman ein, der in einem Walliser Bergdorf namens Terroua spielt. Der ältere Bruder der kleinen Ich-Erzählerin Marceline heiratet jedoch eine „Fremde“ aus einem anderen Dorf. Und diese Fremde wird Theoda auch bleiben. Sie kleidet sich anders (als ob sie immer auf ein Fest ginge), sie beteiligt sich nicht an der Arbeit im Haus und sieht auch noch sehr gut aus. Dies alles zusammen ist nicht gerade förderlich, um in die Dorfgemeinschaft aufgenommen zu werden. Die Eltern nehmen die Entscheidung des Sohnes hin, zumal der Erstgeborene spurlos verschwunden ist und sich erst Monate später mit Briefen aus der Fremdenlegion meldet und aus Afrika und Asien berichtet. Corinna Bille beschreibt so eindringlich vom Jahreslauf in diesem Bauerndorf, von der Arbeit, den Tieren, über Wechsel in der Natur und den Jahresfesten, die der Gemeinschaft Halt geben.  Ein Fronleichnamsfest wird so plastisch geschildert, dass es schon fast filmisch wirkt . Marceline entdeckt eines Tages im Wald Theoda mit einem anderen Mann. Geschockt, über das, was sie dort sieht, über diesen Sündenfall, weiss sie kaum damit umzugehen. Sie möchte es gerne weitererzählen, traut sich aber nicht, da sie die Folgen in etwa abschätzen kann. Allerdings zerbricht sie fast an ihrem Wissen. Mehrere Versuche, mit ihrem Bruder ins Gespräch zu kommen scheitern und als sie dann doch eine Andeutung loswerden kann, kommt es zum großen Krach, ohne dass klar wird, was der Bruder weiß, oder nicht wahrhaben will. Im Dorf kocht mittlerweile die Gerüchteküche hoch. Namen werden in den Schnee geschrieben und Streit wird angezettelt. Als dann der Ehemann verschwunden ist, nimmt das Drama seinen Lauf. Corinna Bille erzählt eine leidenschaftliche Liebesgeschichte (vielmehr die beschreibt sie gar nicht, sondern das Tuscheln drumherum) bis zum bitteren Ende und verwebt dies mit dem bäuerlichen Leben und dem Heranwachsen der Ich-Erzählerin und dem Ende der Kindheit. Dies alles in einem unglaublich intensiven, poetischen Ton, der wohl sehr gut in der Neuübersetzung aus dem Französischen von Gabriela Zehnder getroffen worden ist. Die Übersetzerin ist heute ab 16 Uhr zum Gespräch bei Radio Rottu Oberwallis. Wer’s reinbekommt!?

Schauen sie in die Leseprobe.

Deutschlandradiokultur berichtete auch darüber.