Donnerstag, 26.Januar

Einkauf aus unserem Spendenkässle für Geflüchtete

Heute haben
Achim von Arnim * 1781
Fulvio Tomizza * 1935
Jochen Missfeldt * 1941
Antonio Pennacchi * 1950
Geburtstag
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Joachim Ringelnatz
Stille Winterstraße

Es heben sich vernebelt braun
Die Berge aus dem klaren Weiß,
Und aus dem Weiß ragt braun ein Zaun,
Steht eine Stange wie ein Steiß.

Ein Rabe fliegt, so schwarz und scharf,
Wie ihn kein Maler malen darf,
Wenn er’s nicht etwas kann.
Ich stapfe einsam durch den Schnee.
Vielleicht steht links im Busch ein Reh
Und denkt: Dort geht ein Mann.
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Unser Buchtipp:


Marianne Philips: „Die Beichte in der Nacht
Aus dem Niederländischen von Eva Schweikart
Diogenes Verlag  € 14,00

„Ich setze mich zu Ihnen, Schwester. Das ist nicht erlaubt, ich weiß. Aber ich mache es trotzdem – ich habe so lange nicht mehr gesessen, an einem Tisch mit Lampe darauf. Verstehen Sie, warum man Verrückte ins Bett steckt, als wären sie krank?“
Zwei Nächte lang wird Heleen der Nachtschwester ihre Lebensgeschichte erzählen, ob diese will oder nicht, sie muss zuhören. Endlich soll jemand erfahren, warum Heleen hier seit Jahren eingesperrt ist, endlich kann sie darüber reden.
Heleen wächst Anfand des 20. Jahrhunderts auf dem Land in den Niederlanden unter ärmlichen Verhältnissen, in einer kinderreichen protestantischen Familie auf. Sie setzt alles alles dara,n diesem Milieu zu entkommen und ein Leben in Schönheit und Wohlstand zu erreichen. Sie geht in die Stadt und schafft tatsächlich den gesellschaftlichen Aufstieg. Sie liebt Hannes und er sie. Ein Leben in Glück und Zufriedenheit scheint erreicht. Nach dem Tod ihrer Eltern nimmt sie ihre jüngste Schwester bei sich auf, aber Heleen  findet kein Vertrauen in ihr doch so perfektes Leben. Selbstzweifel und Eifersucht treiben sie letztendlich in eine Gedankenwelt, die zu einer Katastrophe führt.
Ein toller, faszinierender Roman, der schon 1930 erschienen ist und durch die besondere Erzählperspektive, die eine sehr berührende intime Nähe entstehen lässt, besticht.

Marianne Philips, geboren 1886 in Amsterdam, war Politikerin, Schriftstellerin und Mutter von drei Kindern. Sie war Mitglied der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei und wurde 1919 als eines der ersten weiblichen Ratsmitglieder der Niederlande gewählt. Sie schrieb fünf Romane und einige Novellen. Ab 1940 war ihr das Publizieren als Jüdin untersagt. Sie überlebte den Krieg, war aber krankheitshalber bis zu ihrem Lebensende (1951) ans Bett gefesselt.
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Schukrafts Wundertüte


Liebe Theater-Freunde,
in dieser Woche hat das Publikum letztmals Gelegenheit, eine spektakuläre Verbindung von Theater und Bildender Kunst im Kunstverein Ulm zu erleben. Heute, am Donnerstag, 26. 1., und Sonntag, 29. 1., spielt jeweils um 19 Uhr mein „Revoluzzerkind“ im Kunstverein. Spektakulär ist die Aufführung auch deshalb, weil das Theaterstück und die Ausstellung „Magische Räume“ des Künstlers Chen Zhiguang eine Einheit bilden. Diese Ausstellung wird Ende des Monats abgebaut. Anschießend wird „Revoluzzerkind“ in einer etwas geänderten Fassung, aber ohne Ausstellung, im Schuhhaussaal weiter gespielt.

Karten gibt es bei der Bücherstube Jastram, Telefon 0731/67137
und für Kurzentschlossene auch ab 18.15 Uhr an der Abendkasse im Schuhhaussaal.

Achtung: Wer Karten vorbestellt, oder an der Abendkasse abholt und das Zauberwort „Samy“ sagt, bekommt für diese beiden Terminen Karten für je € 11,00.

Dienstag, 16.August

Mit Blick aufs Meer
(Foto: Katja Rehbaum)

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Heute haben
Jean de La Bruyère * 1645
Georgette Heyer * 1902
Charles Bukowski * 1920
Reiner Kunze * 1933
Petra Oelker * 1947
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Heinrich Heine
Es schauen die Blumen alle

Es schauen die Blumen alle
Zur leuchtenden Sonne hinauf;
Es nehmen die Ströme alle
Zum leuchtenden Meere den Lauf.

Es flattern die Lieder alle
Zu meinem leuchtenden Lieb
Nehmt mit meine Tränen und Seufzer,
Ihr Lieder, wehmütig und trüb!
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Das Taschenbuch passt in jedes Fluggepäck:


Hervé Le Tellier: „Anomalie
Aus dem Französischen von Romy und Jürgen Ritte
Rowohlt Verlag € 13,00

Ausgezeichnet mit dem Prix Goncourt 2021

Und wieder hat es sich bewahrheitet, dass die Goncourt Preisträgerromane eine ausgezeichnete Lektüre sind. Diesmal allerdings sehr unfranzösisch. Eher schon wie ein us-amerikanischer Thriller. Wobei Tellier hier eine perfekte Mischung aus Thriller, Komödie und Roman gefunden hat.
Wenn ich jetzt mit der Inhaltsangabe beginne, denken Sie sich vielleicht: Ja geht’s noch?
Ja! und wie.
Im März 2021 fliegt eine Boeing 787 auf dem Weg von Paris nach New York durch einen elektromagnetischen Wirbelsturm. Die Turbulenzen sind heftig, doch die Landung glückt. Allerdings: Im Juni landet dieselbe Boeing mit denselben Passagieren ein zweites Mal. Im Flieger sitzen der Architekt André und seine Geliebte Lucie, der Auftragskiller Blake, der nigerianische Afro-Pop-Sänger Slimboy, der französische Schriftsteller Victor Miesel, eine amerikanische Schauspielerin.
Natürlich ist so etwas nicht möglich und die zweite Maschine wird auch deshalb auf einen Militärstützpunkt umgeleitet und landet nicht in New York. Abgeschirmt von der Aussenwelt und mit Hilfe von hochkarätigen Wissenschaftlern versuchen alle hinter dieses Phänomen zu kommen.
Wie das Tellier aufbereitet und wie er seine Figuren aus dem ersten Flug und aus dem zweiten begleitet, ist ihm perfekt gelungen.
Lassen Sie sich überraschen. Es geht nicht um die Lösung des Phänomens, sondern: Was passiert mit den Menschen? Wie reagieren sie und wie reagiert die Aussenwelt auf sie?
Eine super Lektüre.

Leseprobe

Dienstag, 12.Juli


Heute haben
Henry David Thoreau * 1817
Stefann George * 1868
Raoul Hausmann * 1886
Bruno Schulz * 1892
Günther Anders * 1902
Pablo Neruda * 1904
Adam Johnson * 1967
Olivier Adam * 1974
Geburtag
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„Überfluss ist die Mutter der Phantasielosigkeit.“
Günther Anders
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Jetzt als Taschenbuch:


Rebekka Endler: „Das Patriarchat der Dinge
Warum die Welt Frauen nicht passt
DuMont Taschenbuch € 12,00

Unsere Umwelt wurde von Männern für Männer gestaltet und Rebekka Endler zeigt uns aus verschiedenen Bereichen, wie sich das auf Frauen auswirkt.
Unsere westliche Medizin ist beispielsweise – mit Ausnahme der Gynäkologie – auf den Mann geeicht: von Diagnoseverfahren und medizinischen Geräten bis hin zur Dosierung von Medikamenten. Aber auch die Dummys für Crashtests haben den männlichen Körper zum Vorbild – und damit das ganze Auto samt Airbags und Sicherheitsgurten. Der öffentliche Raum ist ebenso für Männer gemacht: Architektur, Infrastruktur und Transport, sogar die Anzahl öffentlicher Toiletten oder die Einstellung der Temperatur in Gebäuden.
Wer überlebt einen Herzinfarkt? Wer friert am Arbeitsplatz und für wen ist dieser gestaltet?
Rebekka Endler lässt z.B. einen Stabmixer mit vielen Schaltern und Drucktasten herstellen, im Gegenzug eine Bohrmaschine in einem runden Design, zarten Farbenn und nur mit einem Ein- und Aus-Schalter. Das Ergenis war klar. Der Stabmixer kam bei Männern sehr gut an, die Bohrmaschine hatte keine Power, obwohl das Innenleben beider Produkte identisch und nur das Gehäuse anders designt war.

Samstag

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Heute haben
Julien Green * 1900
Andrea Camilleri * 1925
Alice Sebold * 1962
Geburtstag
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Wir haben Einlesehefte zu Nina Haratischwilis 1.100 Seiten Buch im Laden. Darin ein Interview mit der jungen Autorin und eine Leseprobe. Wem kann ich ein Heftchen schicken? Einfach hier einen Kommentar abgeben, eine Mail schicken, oder gleich im Laden abholen.
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Merz

Klaus Merz: „Jakob schläft“
Eigentlich ein Roman
Haymon Verlag € 9,95

Es gibt doch immer Wiederentdeckungen. Und dann gleich was für eine. 1997 kam dieser schmale Roman („Eigentlich ein Roman“) heraus und schnell machte er die Runde, als ein Buch, das man wirklich gelesen haben muss. Jetzt erscheint es als Taschenbuch im Hausverlag Haymon, nachdem er schon bei S.Fischer als Taschenbuch zu haben war.
Klaus Merz ist einer der ganz ruhigen, klugen Autoren, die sich nicht in den Vordergrund drängeln, die in verschiedenen Bereichen (z.B.Kunst) versiert schreiben und doch nicht den großen Durchbruch schaffen. Kappacher ist auch so einer, oder  Genazino. Wobei beide mit höchsten Preisen ausgezeichnet worden sind.
„Jakob schläft“ ist die Geschichte einer Familie aus Merzens Kindheit. Alle sind vom Schicksal schwer gebeutelt und doch erzählt der Autor die einzelnen Ereignisse mit einer leichten Lakonie, mit pointiertem Witz und frechen Wortwendungen.
Jakob ist der älteste Sohn der Familie und kam tot zur Welt, der jüngere Bruder hat einen Wasserkopf und wird Sonne genannt. Den Vater erwischen immer wieder epileptische Anfälle und die Mutter verfällt in tiefe Melancholie. Und so weiter. Ich mag gar nicht weiter ausholen. Ausser der Hauptperson, dem Buben, sind alle geschlagen von ihrem Schicksal und stürzen sich zu Tode, fliegen vom Himmel, oder verblöden durch einen Kuhtritt.
Wie Merz dies aber in wenigen Sätzen, in kurzen Kapiteln aufnotiert hat, ist schon weltmeisterlich. Allein schon seine Fahrten auf dem Rad mit Hilfsmotor sind eine Wucht. Für diejenigen, die bei der Lesung von Silivia Trummers „Vierhändig“ dabei waren, können etwas von der Art und Weise dieses Buches erahnen. Auch dort wurden einschneidende Ereignisse mit großer Leichtigkeit beschrieben.
Gut, wenn es die Zeit zulässt und wenn die Bücher so schön schmal sind, immer wieder mal einen Blick zurück zu tun und nicht nur auf Neuerscheinungen zu schielen und sich an Bestsellerlisten zu orientieren.
Und wenn Klaus Merz jetzt im Oktober den Literatur Nobelpreis bekommt, dann sagt nicht, ich hätte ihn hier nie erwähnt. (Ha!)

Leseprobe

Klaus Merz, geboren 1945 in Aarau, lebt in Unterkulm/Schweiz. Zahlreiche Auszeichnungen, u.a. Hermann-Hesse-Literaturpreis 1997, Gottfried-Keller-Preis 2004, Aargauer Kulturpreis 2005, Werkpreis der schweizerischen Schillerstiftung 2005 sowie zuletzt Basler Lyrikpreis und Friedrich-Hölderlin-Preis (beide 2012)