
Heute haben
Friedrich Schlegel * 1772
Joseph von Eichendorff * 1788
und Jakob Wassermann * 1973
Geburtstag
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Am kommenden Dienstag liest Fee Katrin Kanzler bei uns in der Buchhandlung aus ihrem Buch: „Die Schüchternheit der Pflaume“.
Beginn ist um 19 Uhr.
Hier noch eine kleine Leseprobe aus dem Beginn des Romanes:
„Morgens um fünf wache ich auf. Ein blasser Mond häkelt mir Dunstspitzen vors Fenster. Ich kann nicht mehr einschlafen, in meiner Wirbelsäule läuft ein Kribbeln auf und ab. Der Mann neben mir atmet schwer, und immer wenn er ausatmet, verstärkt sich das Kribbeln. Ich achte darauf, wenigstens nicht angeatmet zu werden. Wenn ich mich bewege, vermeide ich peinlichst, seine warmgeschlafene Haut zu berühren. Nicht mit den Knien, nicht mit den Schultern, nicht mit den Zehenspitzen. Mein Herz beginnt wie wild zu klopfen. Ich wecke Blaum. Er wirkt vernebelt und verstimmt. Ich gebe trotzdem keine Ruhe, bis er seine nackten Füße auf den Boden hievt, seinen Anzug anzieht und nach Hause geht. Sobald die Tür hinter ihm zufällt, beruhigt sich mein Puls. Der Mond macht ein paar Luftmaschen. Ich gleite zurück ins Bett. Ich schlafe nicht sofort ein. Springe sogar noch mal auf, schließe meine Tür ab, stecke das Telefon aus. Die Mondgöttin nickt gefällig. Und während ich in die Kissen abtauche, während meine Gedanken wie von hohen Klippen ins Traummeer stürzen, durchschaue ich den Plan der Götter. Sie lassen zu, dass ich mich verliebe.“
(Alle Rechte beim Verlag und der Autorin)
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Gestern habe ich mir ein wildes Sammelsurium an Büchern mit nach Hause genommen und merke wieder, wie alles doch zusammenhängt.
Lásló Földényi: „Dostojewski liest Hegel in Sibirien und bricht in Tränen aus„
Matthes & Seitz Verlag € 10,00
Jérome Ferrari: „Predigt auf den Untergangs Roms„
Secession Verlag € 19,95
Slavoj Zizek: „Das Jahr der gefährlichen Träume„
S.Fischer Verlag € 19,99
Dostojewski wurde im Frühahr 1854, nach mehrjähriger Zwangsarbeit nach Sibirien geschickt. In die absolute Einöde, von den Nachbarn abgelehnt. Er freundet sich mit dem Dorfarzt Wrangel an und gemeinsam beginnen sie zu lesen und zu studieren. Unter anderem auch Hegel. Es ist nicht genau belegt, welches der Bücher von Hegel, Földényi kommt der Sache aber ziemlich nahe. Was für uns Ulmer noch „lustig“ ist: Wrangel war Abonnent der Augsburger Allgemeinen Zeitung. Knapp vorbei an der Südwestpresse Ulm.
In diesen wenigen Seiten dieser schmaler Buchreihe erfahren wir viel über Dostojewski, Hegel, das Leben, den Tod und die Hölle.
„Wenn sich die Ganzheit des Seins, das kosmische Ganze, auf eine technisch manipulierte Welt reduziert: das ist die Hölle.“
„Dostojewski stellte mit keinem Wort in Abrede, dass Sibirien die Hölle selbst war, mit allen ihren Schrecknissen. Dennoch dankte er dem Schicksal dafür, dass man ihn nach Sibirien verbagnnt hatte. Er litt darunter; gleichzeitig empfand er es als Erlösung, dass er sich aus der Geschichte und ihrer grauen Vernünftigkeit herauslösen konnte.„
Und genau über dieses Herauslösen aus der Geschichte schreibt Hegel über Sibirien. Dieser Flecken auf der Weltkarte taugt nicht. Weg damit. Naja, so ungefähr in Kurzform. Und auf diesen Zwiespalt geht Földenyi ein.
Jérome Ferraris: „Predigt auf den Untergang Roms“ bekam 2012 den höchsten französischen Literaturpreis, den Prix Goncourt. Und im Klappentext steht dann gleich Folgendes:
„... haben zwei Sohne des Dorfes (auf Korsika) ihr vielversprechendes Philosophiestudium auf dem Kontinent vorzeitig beendet und übernehmen die Dorfkneipe. Um ganz im Sinne der Leibnizschen Lehre in ihrem Dorf die „beste aller möglichen Welten“ zu errichten. Aber: es richtet sich die Hölle selbst am Tresen ein. …„
In Slavoj Zizeks: „Das Jahr der gefährlichen Träume“ beleuchtet der Autor das 2011 mit all seinen Umwälzungen in Nordafrika, in New York und Europa und fragt sich, wie wir das System bekämpfen können, ohne es zu stärken.
Dass dabei natürlich Hegel (s.o) und Marx nicht fehlen dürfen, ist klar.
Ich gestehe: Ich habe bei weitem nicht alles kapiert, was ich gelesen habe. Das geht mir aber bei meiner Tageslektüre (jeden Tag zehn Seiten) genauso.
Hannah Arendt: „Vom Leben des Geistes“
Das Denken. Das Wollen.
Piper Verlag € 16,99
Und während Zizek schreibt: “ Aber kann man das Denken tatsächlich so einfach aus dem Handeln herausrechnen, und lässt sich seine Wirkungslosigkeit wirklich so klar und eindeutig behaupten?„, schreibt Hannah Arendt in der Einleitung zum Denken-Buch: „Die Vernunft ist nicht auf der Suche nach Wahrheit, sondern nach Sinn. Und Wahrheit und Sinn sind nicht dasselbe.“
Also alles irgendwie vernetzt. Und heute vormittag wurden auf 3sat die Cantos von Ezra Pound vorgestellt und dabei wurde natürlich auf die Cantos / die Gesänge und die Höllenkreise bei Dantes „Göttlicher Kommödie“ hingewiesen.
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Und weil doch der gute Eichendorff heute großes Jubiläum hat (225. Geburtstag) möchte ich mit ihm den heutigen Eintrag beenden.
„Ich schlaf am liebsten unterm Himmelsbette, leicht mit dem Sternenmantel zugedeckt.“
Die Nachtblume
Nacht ist wie ein stilles Meer,
Lust und Leid und Liebesklagen
Kommen so verworren her
In dem linden Wellenschlagen.
Wünsche wie die Wolken sind,
Schiffen durch die stillen Räume,
Wer erkennt im lauen Wind,
Obs Gedanken oder Träume? –
Schließ ich nun auch Herz und Mund,
Die so gern den Sternen klagen:
Leise doch im Herzensgrund
Bleibt das linde Wellenschlagen.