Freitag, 17.März

Heute haben
Siegfried Lenz * 1926
Hans Wollschläger * 1935
Geburtstag
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Hugo von Hoffmannsthal
Vorfrühling

Es läuft der Frühlingswind
Durch kahle Alleen,
Seltsame Dinge sind
In seinem Wehn.

Er hat sich gewiegt,
Wo Weinen war,
Und hat sich geschmiegt
In zerrüttetes Haar.

Er schüttelte nieder
Akazienblüten
Und kühlte die Glieder,
Die atmend glühten.

Lippen im Lachen
Hat er berührt,
Die weichen und wachen
Fluren durchspürt.

Er glitt durch die Flöte,
Als schluchzender Schrei,
An dämmernder Röte
Flog er vorbei.

Er flog mit Schweigen
Durch flüsternde Zimmer
Und löschte im Neigen
Der Ampel Schimmer.

Es läuft der Frühlingswind
Durch kahle Alleen,
Seltsame Dinge sind
In seinem Wehn.

Durch die glatten
Kahlen Alleen
Treibt sein Wehn
Blasse Schatten

Und den Duft,
Den er gebracht,
Von wo er gekommen
Seit gestern Nacht.
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Gestern abend war der alte Wolf Paul Auster in Tübingen zu Gast. Das von der Osianderschen Buchhandlung angemeitete Kino war mit 1.000 Plätzen voll und alle waren gespannt, den amerikanischen Schrifsteller mal in echt zu erleben und vielleicht noch etwas über seinen neuen Roman „4321“ zu erfahren. Zuvor wurde uns noch mitgeteilt, daß er nach der Veranstaltung Bücher signieren wird. Allerdings nur eines pro Person und er wird auch keine Selfies mit sich machen lassen. Guter Mann, kann ich da nur sagen.
Die Moderatorin sprang dann auch gleich mitten rein und wir waren beim Autoren Auster, seinen politischen Ansichten und wie er darin seinen Roman positioniert sieht. Rassismus ist für ihn ein wichtiges Thema und das zieht sich durch die über 1.000 Seiten der deutschsprachigen Ausgabe. Die amerikanische hat 200 Seiten weniger, was aber an der deutschen Sprache liegt, ihn aber sehr imponiert, wenn er den dicken deutschen Ziegelstein in Händen hält. Ja, der Rassismus in den USA beschäftigt ihn schwer. Woran sich auch nicht viel geändert hat und wie sich die weiße Bevölkerung an Obama rächt und mit Trump hofft, wieder in der „richtigen“ Hirarchie eingeordnet zu werden. Auster las vor der gemischten Lesung (abwechselnd englisch-deutsch) die erste Seite seines Romanes vor, was mich natürlich sehr freute, da wir dies außerplanmäßig an einer unserer „Ersten Seiten“ gemacht haben. Jetzt also die Originalstimme und die Bemerkung dazu, daß der Roman hätte eigentlich „Ferguson“ heißen sollen. Aber dann wurde in der Stadt Ferguson ein schwarzer Jugendlicher von einem Polizisten erschossen und daraus resultierte heftiger Widerstand der schwarzen Bevölkerung. Auster war klar, daß der angedachte Titel nicht mehr möglich war.
Und so erfuhren wir einiges über das, was Auster selbst erlebt hat, das in den Roman eingeflossen ist, was er mit den vier Fergusons gemeinsam hat und was nicht. Wie allerdings Amy Schneiderman in den Roman gekommen ist, weiß er auch nicht so genau. Aber er weiß, daß sie extrem wichtig für die vier Fergusons und den Text ist.
Insgesamt ein schöner Abend mit einem unaufgeregten, erfahrenen, klugen Autoren, der sehr erkältet war und kaum ein Wort herausgebracht hat. Auf dem Weg nach Hause hing der Mond nicht über Manhattan, sondern dick und fett vor mir über der Autobahn.

Mittwoch

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Heute haben
Henry Fielding * 1707
Madame de Stael * 1766
Ludwig Renn * 1889
Paula Fox * 1913
Guillermo Cabrera Infante * 1929
Peter Weber * 1968
Geburtstag

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Dass hunderte Menschen in den letzten Tagen und Wochen, tausende in den letzten Monaten im Mittelmeer ertrinken, ist ein Skandal. Dass es zu einer Völkerwanderung kommen wird, sagten viele schon vor Jahren voraus. Getan worden ist von politischer Seite her nichts. Jetzt wird auf allen TV-Kanälen diskutiert und getalkt. Aber was passiert? Einfach nur die Augen verschließen und die Probleme wegschieben, geht nicht (mehr).
Ich selbst bin sprach-, hilflos und voller Trauer über die vielen Toten. Wir leben auf Kosten dieser Menschen, tragen billige Klamotten und bunte Laufschuhe. Wir schauen, wer hat den besten Preis, aber nicht, wie und wo werden die Produkte hergestellt. Wir holen uns die Bodenschätze aus den Ländern und schwelgen im puren Luxus und fliegen um die Welt.
Bei den folgenden Büchern handelt es sich nur um eine kleine Auswahl und ich habe mir erlaubt, einfach die Texte der Verlage zu übernehmen. Ich hoffe, Sie alle haben Verständnis dafür.

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Abasse Ndione : „Die Piroge“
Transit Verlag € 14,80

„Die Geschichte ist beides: schmerzhaft individuell – über die einzelnen Personen auf dem Boot – und gleichzeitig unermesslich, da die Erfahrung, die sie schildert, von Millionen von Menschen auf der Welt geteilt wird.“
The New York Times

Dreißig Afrikaner, Frauen, Männer, Jugendliche, die aus verschiedenen Dörfern im Landesinneren Senegals kommen und noch nie das Meer gesehen haben, wollen aus dem afrikanischen Elend auf die Kanarischen Inseln und nach Europa fliehen. Sie verabschieden sich von ihren Familien und stehen dann nach einer langen Busfahrt ängstlich am Strand, beobachten das Meer und sehen zum ersten Mal auch das Schiff, eine Piroge, die dem Fischer Baye Laye gehört. Während der langen Überfahrt, auf der sie sich langsam kennenlernen, steigern sie sich bei zunächst gutem Wetter in unglaubliche Erwartungen, was ihre Zukunft in Europa betrifft. Doch es zieht ein fürchterlichen Sturm herauf, sie verlieren Kaaba, den zweiten Steuermann, und das Boot wird schwer beschädigt. Sie sind verzweifelt, aber da naht ein Schiff…
Das Buch, 2008 bei Gallimard in Paris erschienen, ist in seiner schlichten, eindringlichen Erzählweise zu einem Klassiker der gegenwärtigen afrikanischen Literatur geworden. Auf kleinstem Raum entfaltet der Roman ein großes Drama, das von Millionen Menschen unterschiedlichster Herkunft, die um ihre Lebenschancen kämpfen.

Die Verfilmung (»La Pirogue«) in der Regie von Moussa Touré wurden im Mai 2012 in Cannes uraufgeführt und erhielt zahlreiche Preise, auch in Deutschland [Goldener Tanit, Filmfestival Karthago 2012, ARRI-Preis (Bester internationaler Film) Cannes, Filmfest München; Prix Lumière 2013, Preis der Evangelischen Filmarbeit April 2013)].

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Fabrizio Gatti: „Bilal“
Rowohlt Verlag € 11,99

Bilal ist ein Illegaler, unterwegs auf der berüchtigten Transitroute vom Senegal nach Libyen und weiter zur Insel Lampedusa. Bilal ist der renommierte Journalist Fabrizio Gatti, der sich als Migrant unter die anderen gemischt hat, um zu erleben, was sie erleben. Auf klapprigen Lastwagen durchqueren sie zu Hunderten die Sahara, unter unvorstellbaren Entbehrungen begeben sie sich auf einen Schreckensweg, der in Europa meist in einer Art von Sklaverei endet.

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Giuseppe Catozzella: „Sag nicht, dass du Angst hast“
Eine wahre Geschichte
Knaus Verlag € 14,99

„Genau die Literatur, die es braucht, um die großen Dramen unserer Zeit zu erzählen.“
Erri De Luca

Sie kam als Letzte ins Ziel, und doch ging ihr Foto um die Welt. Millionen waren während der Olympischen Spiele 2008 von der kleinen somalischen Läuferin Samia und ihrem eisernen Willen gerührt. Doch nur wenige wissen, dass die junge Frau danach in ihrer vom Bürgerkrieg zerrissenen Heimat keine Unterstützung mehr erhielt und sich auf die lange illegale Reise nach Europa machte. Ihre Odyssee fand 2012 vor Lampedusa ein tragisches Ende. Der italienische Journalist Giuseppe Catozzella hat Samias Geschichte recherchiert und mit ihrer in Finnland lebenden Schwester lange Gespräche geführt. In einer einfachen und emotional berührenden Sprache lässt er Samias Welt entstehen und gibt der verschollenen jungen Frau eine Stimme.

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Reinhard Kleist: „Die Geschichte von Samia Yusuf Omar“
Graphic Novel im Carlsen Verlag € 17,90

Dass Reinhard Kleist in der Lage ist, schwierigste historische Themen in einer Graphic Novel umzusetzen, hat er mit „Der Boxer“ bewiesen. Jetzt nimmt er ein aktuelles Thema anhand einer wahren Geschichte auf:
Die Sprinterin Samia Yusuf Omar vertrat Somalia bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking. In ihrer Heimat wurde sie jedoch von islamistischen Extremisten bedroht, die ablehnen, dass Frauen Sport treiben. In der Hoffnung, an der Olympiade in London teilnehmen zu können, versuchte sie die Flucht nach Europa. Samia Yusuf Omar ertrank 2012 im Alter von 21 Jahren vor der Küste Maltas im Mittelmeer.

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Andrea Di Nicola / Giampaolo Musumeci; „Bekenntnisse eines Menschenhändlers“
Kunstmann Verlag € 18,95

Illegale Immigration – ein Milliardengeschäft
Ärmliche, mit Flüchtlingen überladene Fischerboote, abgerissene Gestalten in Auffanglagern prägen unser Bild illegaler Immigration – dass die Not Zehntausender auch ein äußerst lukratives Geschäft ist, wird uns dagegen kaum bewusst. Tatsächlich steht hinter den Menschenströmen, die jedes Jahr nach Europa gelangen, ein riesiges Netzwerk von Schleppern und Schleusern, aber auch hochprofessionellen Geschäftsleuten, denn mit dem illegalen Grenzübertritt lassen sich Milliarden verdienen, kaum weniger als im Drogengeschäft.
Die Autoren haben entlang der Hauptrouten illegaler Immigration recherchiert und lassen die neuen Menschenhändler selbst sprechen: Anwerber und Skipper, Vermieter illegaler Unterkünfte, Geldhändler. Hinter einem raffinierten, extrem flexiblen Netzwerk verbergen sich die Großen des Geschäfts: etwa der Kroate Josip Loncaric, der über Jahre 90 Prozent der chinesischen Immigration nach Europa kontrollierte, oder Muammer Küçük, der türkische Boss der illegalen Immigration im Mittelmeerraum.
Über Augenzeugenberichte aus einer Schattenwelt, die niemand kennt, zeigt das Buch die größte kriminelle „Reiseagentur“ der Welt bei der Arbeit.

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Miriam Faßbender: „2850 Kilometer“
Westend Verlag € 16,99

Gefangen in der Warteschleife vor Europa – das ist das Schicksal tausender junger Afrikaner, die sich jedes Jahr auf den Weg zu uns machen. Miriam Faßbender hat zwei junge Männer auf diesem Weg begleitet, sie hat unter Flüchtenden gelebt und ihren Alltag kennengelernt: das Leben in den Ghettos, willkürliche Polizeirazzien, die Suche nach Essen und nach schlecht bezahlten Jobs, um die Weiterreise zu finanzieren.

Miriam Faßbender hat ein Privileg: Sie kann sich jederzeit in ein Flugzeug setzen und Not und Entbehrungen in der Peripherie Afrikas hinter sich lassen. Zigtausende Afrikaner haben diese Wahl nicht. Miriam Faßbender hat zwei junge Afrikaner über Monate auf ihrem Weg von Westafrika nach Europa begleitet – der eine ist seit drei Jahren unterwegs, der andere hat seine vierte Abschiebung hinter sich. Sie befragt Flüchtlinge zu ihrem Leben, das geprägt ist von Entbehrungen und Hoffnung, Flucht und Stillstand; sie berichtet vom Leben auf der Flucht und vom Überleben in der Fremde und in sogenannten Auffanglagern. Und sie erzählt von ihren Erfahrungen als Europäerin unter afrikanischen Flüchtlingen, als Privilegierte unter Menschen, die ihre Freiheiten nicht haben – Erfahrungen, die so persönlich wie erschreckend, so anrührend wie brenzlig, so mutmachend wie niederschmetternd sind.

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Fabio Geda: „Im Meer schwimmen Krokodile“
Eine wahre Geschichte

btb  € 8,99

Als Enaiat eines Morgens erwacht, ist er allein. Er hat nichts als seine Erinnerungen und die drei Versprechen, die er seiner Mutter gegeben hat. Mit dem Ziel, ein besseres Leben zu finden, begibt er sich auf eine lange Reise Richtung Westen. Er durchwandert die Länder des Ostens bis nach Europa. Er reist auf Lastwagen, arbeitet, schlägt sich durch, lernt das Leben von seiner grausamen Seite kennen. Und trotzdem entdeckt er, was Glück ist … Fabio Geda erzählt die wahre Geschichte des zehnjährigen Enaiatollah Akbari in einem kurzen und zu Herzen gehenden Buch: eine Geschichte, die uns den Glauben an das Gute zurückgibt.
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Gestern las Jürgen Widmer eine gekürzte Fassung von Thomas Glavinics „Lisa“.
Sehr gut, sehr intensiv.

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Dienstag

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Heute haben
Michael Bond * 1926
Jay McInereny * 1955
Daniel Kehlmann * 1975
Geburtstag.
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Ein Hoch auf den Entdecker von Paddington den Bären, der 1958 das Licht der literarischen Welt erblicken durfte. Dass Bond auch noch 15 Krimis mit „Monsieur Pamplemousse“ als Detektiv geschrieben hat, fällt uns nicht auf Anhieb ein. Pamplemousse schreibt für einen Gastronomieführer, und zwar gemeinsam mit seinem Hund „Pommes frites“. Die Rezepte in den Büchern sind zum Teil von Paul Bocuse und Vincent Klink.
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„I would love people to be entertained, to love and to cry with these stories!“
Dorthe Nors

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Dorthe Nors: „Handkantenschlag“
Erzählungen
Aus dem Dänischen von Ulrich Sonnenberg
Osburg Verlag € 17,99

Auf diesen schmalen Band mit Erzählungen bin ich über das Blog „Literaturen“ gestolpert. Mit dem Namen der Autorin konnte ich gar nichts anfangen, fand aber im Netz jede Menge Jubelbesprechungen aus den USA. Na klar, die Amis lieben ja Kurzgeschichten und da passt dann auch alles zusammen. Von wegen: Dorthe Nors ist dänin, lebt in Dänemark, schreibt auf dänisch und diese Geschichten wurden schon 2008 veröffentlicht, nachdem dort schon drei Romane erschienen sind. Erst durch den Umweg über die USA, schwappte der Erfolg wieder zurück. Ulrich Sonnenberg, den wir auch schon im Laden hatten, ist einfach ein Garant, für Übersetzungen aus dem Dänischen, die hier noch als Geheimtipp gelten. Nun fehlt nur noch, dass auch Sie diese Erzählungen entdecken.
Dorthe Nors schafft es mit wenigen Worten direkt ins Leben verschiedenster Menschen aus dem 21.Jahrhundert zu steigen. Das muss sie auch, wie sie in einem Interview sagt. Bei den wenigen Seiten einer Erzählungen muss der erste Satz stimmen. Da gibt es also keine wichtige erste Seite, sondern noch viel weniger. Und das gelingt ihr wirklich. Sie deckt die ganze Bandbreite menschlicher Schicksale ab, lässt Frauen und Männer über sich selber nachdenken, ihre Lebenssituation reflektieren. „Handkantenschlag“ lautet der Titel und genauso präzise sind die Geschichten ausgeführt. Ob das nun die junge Frau und ihr Geliebter sind, oder das langverheiratete Ehepaar, bei dem er in der Nacht noch im Internet surft. Ob eine Liebesgeschichte, die auf der Brooklyn Bridge endet, oder der Mann, der sich mit einem Benzinkanister und der Telefonnummer seiner Frau im Büro einschliesst. Nors bringt Biografien auf den Punkt. Es können ganz banale Situationen sein, aber auch Sekunden, in den sich ein Leben komplett verändern kann. Die Geschichten verwirren uns und lassen uns über unser eigenes leben reflektieren .Über allem jedoch liegt eine große Schönheit, die uns mit viel Empathie mit den beschriebenen Personen mitleben lässt. Sei es auch nur für ein paar wenige Seiten.
Es ist einfach toll, neue SchriftstellerInnen zu endecken. Das entschädigt für das viele Lesen. Vielleicht können wir dank Ulrich Sonnenburg auch ihre Romane entdecken.

Leseprobe
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„Herr Knittel, mein Sportlehrer, erklärt gerade eine Sache am Bock, aber ich höre nicht zu. Turnen ist die schwulste Sache der Welt. Ich lehne an der Sprossenwand und schaue an mir runter. Schaue meine Arme an und die Haut, die um sie rumgespannt ist, und das macht mich wie immer wahnsinnig aggressiv. Ich schaue von den Armen weg und nach oben. Zuder Fensterreihe unter der Decke der Turnhalle. Man kann dieFenster nicht öffnen, deshalb stinkt es in der Halle immerohne Ende nach Schweißfüßen. Draußen ist es bewölkt, trotzdem recht hell. Ich halte einen Arm nach oben ins Licht und betrachte ihn angestrengt. Die scheiß Adern, das ist wieimmer alles, was man sieht. Ich kotze innerlich. So richtiggebracht hat das Schaben noch nichts. Ich ziehe die Unterarmhaut mit zwei Fingern der anderen Hand auseinander.Aber nichts zu machen. Ich bekomme so eine Wut, dass ich mich von der Sprossenwand abstoße und Maike zur Seite schubse, die die Letzte in der Schlange vor dem Bock und die Einzige in der Klasse ist, die mich noch nie rangelassen hat.“

Das ist noch ein Textausschnitt aus „Es bringen“.
Verena Güntner kommt am Freitag, den 16.1. um 19 Uhr zu uns in die Buchhandlung.
Der Vorverkauf läuft auf vollen Touren und es wird wohl heimelig eng werden in unserer guten Bücherstube.

Freitag

Heute haben
Ernst Barlach * 1870
und Ulrich Becher * 1910 (auf dessen Buch „Murmeljagd“ wir im Weihnachtsgeschäft so lange warten mussten, da es eine hymnische kleine Notiz in der ZEIT gegeben hat)
Geburtstag.
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Januar
Gedichte
Hrsg.von  Christine Schmidjell und Evelyne Polt-Heinzl
Reclam Verlag € 5,00

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Der Winter hat uns (hier auf der Alb) fest im Griff und an einem freien Tag wie gestern, ist natürlich Schlittenfahren angesagt. Und wenn gegen späten Nachmittag bei der Abfahrt noch der Mond hinter den Bäumen auftaucht, dann kann ich sogar dem kalten Weiss etwas Schönes abgewinnen.
Bei den Reclam-Gedichtbändchen ist es dagegen etwas anderes. Hier kann ich jeden Monat aufs Neue versinken und eintauchen in die interessante Auswahl, die uns die beiden Damen für jeden Monat zusammengestellt haben.
Auch diesmal ist es wieder eine illustre Mischung und wieder ohne Goethe.
Ausländer, Borchers, Brinkmann,Claudius, Domin, Fried, Fuchs, George, bis hin zu Trakl, Tucholsky und Werfel.
Also los gehts. „Bahn frei Kartoffelbrei“, heisst es auf der Piste und hier machen wir das in aller Ruhe und genießen die Texte.

Die Damen beginnen mit der Rubrik „Ins neue Jahr“, lassen dann „Glück und Segen“ folgen, bis es zum „Schneegestöber“ kommt und wir dann wieder „Geborgen daheim“ sind. „Frost“ und „Winter im Land“ lassen diese Anthologie ausklingen.

Eduard Möricke
Zum Neujahr

Mit einem Taschenkalender

An tausend Wünsche, federleicht,
Wird sich kein Gott noch Engel kehren,
Ja, wenn es so viel Flüche wären,
Dem Teufel wären sie zu seicht.
Doch wenn ein Freund in Lieb und Treu
Dem andern den Kalender segnet,
So steht ein guter Geist dabei.
Du denkst an mich, was Liebes dir begegnet,
Ob dir’s auch ohne das beschieden sei.

Achim von Arnim
Neujahr

Altes Jahr, du ruhst in Frieden,
Deine Augen sind geschlossen;
Bist von uns so still geschieden
Hin zu himmlischen Genossen,
Und die neuen Jahre kommen,
Werden auch wie du vergehen,
Bis wir alle aufgenommen
Uns im letzten wiedersehen.
Wenn dies letzte angefangen,
Deutet sich dies Neujahrgrüßen,
Denn erkannt ist dies Verlangen,
Nach dem Wiedersehn und Küssen.

Christian Morgenstern
Winternacht

Flockendichte Winternacht …
Heimkehr von der Schenke …
Stlles Einsamwandern macht,
dass ich deiner denke.

Schau dich fern im dunklen Raum
ruhn in bleichen Linnen …
Leb ich wohl in deinem Traum
ganz geheim tiefinnen? …

Stilles Einsamwandern macht,
dass ich nach dir leide …
Eine weiße Flockennacht
flüstert um uns beide…

Rainer Maria Rilke
Wintermorgen

Der Wasserfall ist eingefroren,
die Dohlen hocken hart am Teich.
Mein schönes Lieb hat rote Ohren
und sinnt auf einen Schelmenstreich.

Die Sonne küßt uns. Traumverloren
schwimmt im Geäst ein Klang in Moll;
und wir gehn fürder, alle Poren
vom Kraftarom des Morgens voll.
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Wie angekündigt, kommt Verena Güntner am Freitag, den 16.1. um 19 Uhr zu uns in die Buchhandlung, um ihr Erstlingswerk „Es bringen“ vorzustellen.

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(Foto: Stefan Klüter)

Verena Güntner, 1978 in Ulm geboren, studierte Schauspiel an der Universität Mozarteum in Salzburg. Vier Jahre lang war sie festes Ensemblemitglied am Bremer Theater, seit 2007 ist sie als freischaffende Schauspielerin regelmäßig auf den Bühnen des Staatstheaters Wiesbaden und des Theaters Bonn zu sehen.
2012 erreichte sei mit einem Auszug aus dem Roman Es bringen die Finalrunde beim OpenMike in Berlin, 2013 machte sie den dritten Platz beim MDR-Literaturpreis und im selben Jahr gewann sie im Rahmen des Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs den renommierten Kelag-Preis. Verena Güntner lebt in Berlin, „Es bringen“ ist ihr erster Roman.

Es bringen

„Es bringen“
Kiepenheuer & Witsch Verlag € 18,99
als eBook € 16,99

Luis ist sechzehn und kein schmächtiger Zauderer, kein pickliger Pubertierender: Er ist ein Bringer. Er ist der Trainer und er ist die Mannschaft, das ist sein Motto, und er trainiert jeden Tag. Gerade erst hat er die Höhenangst besiegt, nach jahrelangem Üben auf dem Balkon der Siedlungswohnung, in der er mit seiner Mutter wohnt – 15. Stock, nichts für Anfänger.
Trainer und Mannschaft sein, zieht sich durch das Buch. Es ist der Gruppenzwang, die große Klappe und die Angst, durchzufallen. Es sind die Riten, nach denen bestimmte Dinge durchgezogen werden müssen, da sie sonst nicht(s) gelten. Und das gilt nicht nur beim Trinken, oder eher Saufen.
Bei den Girls gibt’s nichts mehr zu trainieren, bei den Fickwetten, die er mit den Jungs seiner Gang abschließt, gewinnt er fast immer. Nur mit Jenny vögelt er am liebsten privat, sie ist eine von den Guten. Manchmal besucht er Nutella, das Pony vom alten Autoschrauber Jablonski, aber heimlich. Das beste Mädchen allerdings ist Luis‘ Mutter, Ma, sie ist die Frau aller Frauen und hat die gleiche Zahnlücke wie er. Und dann ist da noch Milan, Luis‘ bester Freund, der ist der Chef der Gang und hat immer das letzte Wort, wenn’s um Aktionen geht. Für Milan würde Luis fast alles machen.
Verena Güntner erzählt diese Geschichtesehr direkt, offen, schonungslos, jedoch immer in einem leichten, heiteren Ton. Sie zeigt uns den Weg ins Erwachsenwerden und vielleicht noch viel wichtiger: Das Überwinden von Ängsten.

In den nächsten Tagen werde ich hier kleine Textausschnitte veröffentlichen, damit Sie sich einen kleinen Eindruck von diesem Text machen können.

„Es ist ganz einfach. Du brauchst einen Plan. Wenn du keinen Plan hast, geht alles den Bach runter. Das habe ich gerlent. Und wenn ich mal was gelernt habe, verlern ich es auch nicht wieder, ich bin ja nicht blöd. Wenn du nicht dumm sterben willst, musst du dir Sachen genau anschauen, sie üben, und zwar: bist du sie kannst.“

Donnerstag

Heute haben
R.L.Stevenson * 1850
Peter Härtling * 1933
Dacia Maraini * 1936
Geburtstag
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„Maigrets Frankreich“

Diogenes Verlag € 49,90

Kommissar Maigrets Paris und Simenons Frankreich, gesehen mit den Augen von zeitgenössischen Fotografen (Brassaï, Cartier-Bresson, Doisneau u.a.), unterlegt mit Texten von Georges Simenon.

Georges Simenon, geboren 1903 in Liège/Belgien, begann nach abgebrochener Buchhändlerlehre als Lokalreporter. Nach einer Zeit in Paris als Privatsekretär eines Marquis wohnte er auf seinem Boot, mit dem er bis nach Lappland fuhr, Reiseberichte und erste „Maigret“-Romane verfassend. Schaffenswut und viele Ortswechsel bestimmten 30 Jahre lang sein Leben, bis er sich am Genfersee niederließ, wo er nach 75 „Maigret“-und über 120 „Non-Maigret“-Romanen, statt Romane zu schreiben, ausgreifende autobiographische Arbeiten diktierte. Er starb am 4. September 1989 in Lausanne.
Zum 25.Todestag legt der Diogenes einen wunderbaren Fotoband auf.

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Das, was Simenon seit den 30er Jahren zu Papier brachte (und das war nicht wenig) hatte er sich vorher dauf seinen Reisen durch Frankreich angeschaut. Er war zum Beispiel längere Zeit mit Ehefrau und Hund auf einem Schiff auf den Kanälen des Landes unterwegs und sammelte fleißig Eindrücke für sein späteres, monumentales Werk. Es waren die kleinen Leute, die ihn interessierten und von denen auch sein Kommisar Maigret geprägt wurde. Die einfachen Kneipen, die Seelaute und Arbeiter, die Nachtseite von Paris und die Hinterhöfe der Städte.
Selbst war er einerseits der brave Familienvater, andererseits auch der pfiffige Liebhaber, u.a. von Josephine Baker. Er war Weltreisender, Farmer und Villenbesitzer und hatte somit einiges auf dem Globus gesehen. Jetzt können wir in diese vergangene Welt eintauchen und zwar mit den Fotos der besten Fotografen der damaligen Zeit, die Michel Carly mit Zitaten aus Maigret-Romanen unterlegte. Ein großes Foto-Bilderbuch, das uns, wie bei Modiano, das vergangene Paris, das verschwundene Frankreich auferstehenlässt. Und gleichzeitig macht es Spaß, sich die alten Krimis von ihm wieder aus dem Regal zu holen. Es lohnt sich.
Haben Sie schon mal nachgerechnet, wieviel Maigret am Tag trinkt? Alkohol meine ich. Und wann er damit anfängt? Unglaublich, diese Mengen.
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Während der Kinder- und Jugendliteraturtage in Ulm bekommen wir immer wieder Besuch von Kinderbuchautoren.
Gestern stand plötzlich Oliver Scherz im Laden. Das war eine sehr lustige Begegnung.
Wenn Sie interesse an signierten Exemplaren haben, …

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Und:

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Rakete, die

1. Beim Militär benutzte Waffe, die ein lang gestreckter, zylindrisch und vorne spitz zulaufender Flugkörper ist. Mit Sprengstoff versehen. Erreicht hohe Geschwindigkeiten und ist auch auf weite Entfernung sehr treffsicher.
2. Wird in der Raumfahrt als Transportmittel benutzt. Für Mensch, Tier und Materialien.
3. Feuerwerkskörper meist an Silvester.

Welche dieser Raketen uns am kommenden Freitag ab 19 Uhr erwarten,
weiss ich noch nicht. Auf jeden Fall kommt Karen Köhler und liest
aus ihrem Debüt: „Wie haben Raketen geangelt“

buch

Donnerstag

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Heute haben
Robert Musil * 1880
Michael Cunningham * 1952
Karin Fossum * 1954
Geburtstag.
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https://www.youtube.com/watch?v=dFXjXzaMWAY

Wie versprochen, kommen kleine Raketenstücke, bis Karen Köhler bei uns in der Buchhandlung ne ganze Rakete angeln wird.

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(Karen Köhler, 2014,(c) Julia Klug
Für Werbung und Pressearbeit zu Karen Köhlers Buch „Wir haben Raketen geangelt“
darf dieses Foto honorarfrei verwendet werden.)

Karen Köhler wurde 1974 in Hamburg geboren. Sie studierte Schauspiel an der Hochschule für Musik und Theater in Bern. Seit 2008 lebt sie wieder in Hamburg, nachdem sie auch am Theater Ukm gearbeitet hat, wo sie als Theaterautorin und Illustratorin arbeitet. Sie erhielt verschiedene Preise, unter anderem 2011 den Hamburger Literaturförderpreis. „Wir haben Raketen geangelt“ ist ihr erstes Buch.
Sie wird am Freitag, den 14.11. ab 19 Uhr bei uns in der Buchhandlung daraus vorlesen.

Und so reagierte die Presse. Wobei dies nur ein klitzekleiner Ausschnitt ist.

„Leute lest mehr Erzählbände. Wenigstens dieses Debüt. Indianer kommen vor und tanzende Quallen, der totale Tod und das schöne Leben. Eine echte Rakete.“ Elmar Krekeler, Die Welt, 04.10.14

„Köhlers leuchtende Geschichten erzählen leichtfüßig und drastisch zugleich von Heldinnen, die stark und verletzlich sind.“ Dana Buchzik, Die Welt, 04.10.14

„Dieses Buch zeugt von großem erzählerischen Gestaltungswillen, und es sit ein sehr guter Grund, mal wieder Kurzgeschichten zu lesen.“ Claudia Voigt, KulturSPIEGEL, 29.09.14

„Eines der fünf großen Bücher der Herbstsaison.“ Andreas Platthaus, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.08.14

„Karen Köhler ist die Entdeckung dieser Saison: Die Schauspielerin hat mit Ihrem Erzähldebüt ‚Wir haben Raketen geangelt‘ viel gewagt und fast alles gewonnen. … Was dieses Debüt besitzt und was es so sympathisch macht, das sind vor allem zwei Eigenschaften: echtes Temperament und künstlerische Autonomie. … Reden wir nicht darum herum: Da ist Meisterschaft am Werk.“ Ursula März, Die Zeit, 21.08.14

„Karen Köhlers Geschichten sind ebenso aus der Zeit gefallen wie modern, ganz so wie man immer wieder neu und aufgeregt in der Neujahrsnacht auf einer Brücke steht und mit den Blicken hoch am Himmel Raketen angelt.“ Simon Strauß, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31.08.14

„Starker Stoff in radikaler Sprache sind Karen Köhlers Storys.“ Sabine Vogel, Berliner Zeitung, 13.09.14

Na  bitte!
Der Vorverkauf läuft.
Eintritt € 8,00


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Wir bleiben beim Thema:

Joachim Ringelnatz
Rakete ins Erdfern

Rakete ins Erdfern, zielfremder Schuß – ?
Ja, wenn es sein darf oder sein muß.
Doch der Eitle oder der Übermütige
Zähle sonst nicht aufs Allgütige.

Schön ist das Wollen,
Wenn Ehrlichkeiten die Mittel ihm gaben.
Aber die Ausführer sollen
Die ehren, die es ausgerechnet haben.

Und die als Erste ein Ziel erreichen,
Weil sie persönlich den Schuß unternommen,
Mögen vor allem sich gleich vergleichen
Zudritt mit Kühnen,
Zuzweit mit Weisen,
Zuerst mit Frommen.
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Wir kommen weg von den Raketen, bleiben aber beim Theater Ulm.
Dort arbeitet Peter Gramming, der uns auch dieses Jahr wieder Einkaufstüten gestaltet hat. Jede Tüte ist ein Unikat und wenn Sie ein ganz persönliches „Geschenkapier“ wollen, dann suchen Sie sich eine heraus, werfen € 5,00 (gerne mehr) in unser Soziales Centschwein und Sie machen sich, den/die Beschenkte, den Künstler und das Schwein glücklich.

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Dienstag

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Heute haben
Klabund * 1890
Gert Ledig * 1921
und Hansjörg Schertenleib * 1957
Geburtstag.
Aber auch Robert Mapplethorpe und der schöne (Fussballer) Luis Figo.
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Klabund
Laufen laufen läufig…

Laufen laufen läufig Hekatomben von Helden grau grau
Der zinnoberblaue Schutzmann zerschmettert den Maßkrug aller Maßlosigkeiten
An der Siegessäule die sauberen Ladenmädchen
Gelächter Zackenbauch
Wandeln die Litfaßsäulen
Im Sternenzelt.
Und die geliebten goldnen Glocken der asphaltinen Unterwelt
Schon tönen sie tönen schön tönen sie tönen.
Die Ohnegrundbahnen lächeln verschämt im Abendrot
Am Potsdamer Platz da Platz da
Platz da
Für die Kolonnen der rosigen Straßenfeger
Und den silbernen
Goldpirol.
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Als eine Art Vorschau stelle ich Ihnen einen alten Roman von Patrick Modiano vor, der dieses Jahr den Literatur Nobelpreis bekommen hat und dessen Roman: „Im Café der verlorenen Jugend“ wir Ihnen u.a. in unserer „Ersten Seite“ heute abend präsentieren.
Modiano hat seinen Literturpreis wahrscheinlich für sein Gesamtwerk bekommen. Es gibt keinen herausragenden Romanen, der aus seinen vielen herausragt. Es ist wahrscheinlich sein Thema. Das verschwundene Paris, die verschwundenen Menschen, oder die Biografien, die hinter seinen vielen Personen stecken. Dies interessiert ihn, dies zieht sich durch sein großes Werk und dessen ist er treu geblieben. Wie auch seiner ruhigen, unaufgeregten, Sprache, die wir schon in seinen frühen Romanen erkennen.

Modiano

Patrick Modiano: „Eine Jugend“
Aus dem Französischen von Peter Handke
Suhrkamp Taschenbuch € 9,00

In diesem, Anfang der 80er Jahren erschienenen Roman, feiert Odile, Mutter zweier Kinder, ihren 35.Geburtstag. Zusammen mit ihrem Mann Louis führt sie ein Kinderheim in einem Chalet in den Bergen. Freunde sind eingeladen, die Vorbereitungen sind in vollem Gange. Nachdem Louis einen seiner Gäste frühzeitig auf den Zug bringt, erinnert er sich an die Zeit für 15 Jahren, als Odile und er sich zum ersten Mal getroffen hatten. Es war ein Dezembertag in Paris der 60er. Louis hat gerade seinen Militärdienst beendet und Odile versucht sich als Sängerin. Beide haben kein Geld, kaum ein Dach über dem Kopf. Louis‘ grösster Wunsch sind richtige Schuhe, da seine Pappsohlen schon durchgeweicht sind und seine Socken zum Auswringen nass.
Sie gerät an einen Musiktalent-Scout, der mit ihr eine Probe-LP aufnimmt und ihr ein ersten Engagement organisiert. Er gerät an einen zweilichten Typ, der ihn mit etwas Taschengeld über Wasser hält.
Gemeinsam leben sie in Odiles sehr kleinem Zimmerchen und verbringen die meiste Zeit im Bett, damit sie möglichst wenig Kalorien verbrauchen. Der große Vorteil: Die Zimmerheizung ist immer auf höchste Stufe eingestellt, lässt sich nicht regulieren und sie schlafen bei offenen Fenstern, mitten im Winter.
Odiles Karriere geht nur über die Männer, die sie sexuell ausnützen. Sie macht dies ein paar Mal mit, bis sie keine weiteren Auftritte mehr bekommt und gleichzeitig Louis die ersten Aufträge mit Devisenschmuggel annimmt. Diese abenteuerlichen Reisen über den Ärmelkanal kann er gemeinsam mit Odile unternehmen.
Trotz aller Widrigkeiten, schaffen die beiden jungen Leute es, ihre Zuneigung zueinander zu bewahren und an eine gemeinsame Zukunft zu hoffen.
Modiano erzählt dies in einer ruhigen Sprache, nicht aufgehetzt wie in einem Thriller und er lässt die Katze erst auf den letzten zwei Seiten aus dem Sack.
Dass Peter Handke diesen Roman übersetzt hat, verwundert mich gar nicht. Passen doch beide mit ihrer Art zu schreiben sehr gut zusammen.

Der Suhrkamp Verlag hat noch weitere, ältere Romane von Patrick Modiano, in neuer Aufmachung als Taschenbuch herausgebracht. Zusammen mit den Taschenbücher im Verlag dtv und den gebundenen Büchern bei Hanser, ergibt dies ein schönes Werk. Doch nicht genug damit. Der Aufbau Verlag kommt auch noch mit einem Titel, der Hanser Verlag hat Modianos neuesten Roman von Frühjahr 2015 auf November vorgezogen. Sie haben haben somit eine schöne Auswahl.
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Heute Abend stellen wir Ihnen neben
Patrick Modiano: Im Café der verlorenen Jugend
noch
Klaus Merz: Jakob schläft
Christie Hodgen: Fünf Menschen, die mir fehlen
Pierre Lemaitre: Wir sehen uns dort oben
vor.
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Dienstag

Heute haben
Evelyn Waugh * 1903
Anne Perry * 1938
Uwe Tellkamp * 1968
Geburtstag.
Aber auch Erasmus von Rotterdam, Danton und Bill Gates.
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„Erst spät habe ich begriffen, wie sehr mich die Erinnerungen an Alma und die
Großmutter geprägt haben. Das zerfallene Haus hat sie wachgehalten und ich
beginne mir seltsame Fragen zu stellen:

Aber auch das Haus gibt mir keine Antworten.“

aus: Silvia Trummer: „Vierhändig“

Heute abend ab 19 Uhr wird die Schweizer Autorin bei uns in der Buchhandlung lesen.
Wir beginnen pünktlich und verlangen € 8,00 Eintritt.
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Denken Sie schon an 2015?
Haben Sie schon erste Termine für das neue Jahr vereinbart?
Gibt es schon einen neuen Wandkalender als Ersatz für den jetzigen?
Ja? Wirklich?
Aber haben Sie auch einen Gedichtekalender?
Nein? Na dann bin ich mit meinem Tipp ja goldrichtig.

kalender

„Fliegende Wörter 2015“
53 Qualitätsgedichte zum Verschreiben und Verbleiben.
Im 21. Jahrgang
Herausgegeben von Andrea Grewe, Hiltrud Herbst und Doris Mendlewitsch
56 Blatt, durchg. vierfarbig
16 x 18 cm, Spiralbindung, mit Aufhänger
Daedalus Verlag € 16,95

Klassisch oder modern, besinnlich oder heiter – auf jeden Fall überraschend: 53 Gedichte aus vielen Ländern und Epochen, jedes für sich typografisch einfallsreich gestaltet. Und: Sie können jedes Gedicht an der perforierter Linie herausbrechen und weiterverschicken. Praktisch eine win-win-Situation. Wenn nicht sogar noch mehr.

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Im 21. Jahrgang mit Gedichten u.a. von Ingeborg Bachmann, Bertolt Brecht, Hilde Domin, Annette von Droste-Hülshoff, Erich Fried, Robert Gernhardt, Johann W. L. Gleim, Nora Gomringer, Hanns Dieter Hüsch, Sarah Kirsch, Paul Klee, Reiner Kunze, Else Lasker-Schüler, Ernst Meister, Christian Morgenstern, Ezra Pound, August Stramm, Jan Wagner, W. B. Yeats…

Hier eine kleine Auswahl von älteren, rechtefreien Gedichten. Im Kalender sind deutlich mehr Gedichte aus dem 20.und 21.Jahrhundert, als alten Klassiker. Gut so!

Claudius Matthias
Die Sternseherin Lise

Ich sehe oft um Mitternacht,
Wenn ich mein Werk getan
Und niemand mehr im Hause wacht,
Die Stern‘ am Himmel an.

Sie gehn da, hin und her zerstreut,
Als Lämmer auf der Flur,
In Rudeln auch und aufgereiht
Wie Perlen an der Schnur

Und funkeln alle weit und breit
Und funkeln rein und schön;
Ich seh‘ die große Herrlichkeit
Und kann mich satt nicht sehn…

Dann saget unterm Himmelszelt
Mein Herz mir in der Brust:
„Es gibt was Bessers in der Welt
Als all ihr Schmerz und Lust.“

Ich werf mich auf mein Lager hin
Und liege lange wach
Und suche es in meinem Sinn
Und sehne mich darnach.

Conrad Ferdinand Meyer
Der Reisebecher

Gestern fand ich, räumend eines langvergessnen Schrankes Fächer,
Den vom Vater mir vererbten, meinen ersten Reisebecher.
Währenddes ich, leise singend, reinigt ihn vom Staub der Jahre
Wars, als höbe mir ein Bergwind aus der Stirn die grauen Haare
Wars, als dufteten die Matten, drein ich schlummernd lag versunken,
Wars, als rauschten alle Quelle, draus ich wandernd einst getrunken.

Friedrich Hebbel
Abendgefühl

Friedlich bekämpfen
Nacht sich und Tag.
Wie das zu dämpfen,
Wie das zu lösen vermag!

Der mich bedrückte,
Schläfst du schon, Schmerz?
Was mich beglückte,
Sage, was war’s doch, mein Herz?

Freude, wie Kummer,
Fühl‘ ich, zerrann,
Aber den Schlummer
Führten sie leise heran.

Und im Entschweben,
Immer empor,
Kommt mir das Leben
Ganz, wie ein Schlummerlied vor.

Johann Wolfgang von Goethe
An vollen Büschelzweigen

An vollen Büschelzweigen,
Geliebte, sieh nur hin!
Laß dir die Früchte zeigen,
Umschalet stachlig grün.

Sie hängen längst geballet,
Still, unbekannt mit sich;
Ein Ast, der schaukelnd wallet,
Wiegt sie geduldiglich.

Doch immer reift von innen
Und schwillt der braune Kern,
Er möchte Luft gewinnen
Und säh‘ die Sonne gern.

Die Schale platzt, und nieder
Macht er sich freudig los;
So fallen meine Lieder
Gehäuft in deinen Schoß.

Hier gibt es ein paar Seitenbeispiele.

Mittwoch

Heute haben
Iwan Bunin * 1854
Doris Lessing * 1870
Jacques Berndorf * 1936
A.L. Kennedy * 1965
Geburtstag.
Aber auch Franz Liszt und Catherine Deneuve.
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[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=0sPxr539mts]
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lemaitre

Pierre Lemaitre: „Wir sehen uns dort oben“
Klett-Cotta € 22,95
Als E-Book € 17,99
Als Hörbuch auf zwei mp3-CDs € 24,99
Auf Französisch: „Au revoir là-haut“ € 36,99

Sie werden sich denken, dass der Wiltschek doch allen Büchern, jeglicher literarischen Neuerscheinung hinterherjubelt. Nein, das ist ganz gewiss nicht der Fall. Es erscheinen jedoch so viele neue, gute Romane, dass es mich oft wundert, wie das denn sein kann, wo doch schon alles geschrieben ist. Und passiert so etwas, wie mit diesem Roman von Pierre Lemaitre. Erst bekommt er 2013 den bedeutendsten französischen Literaturpreis, den Prix Goncourt, für diesen Roman, der im Französischen „Au revoir là-haut“ heisst, dann verschickt der Verlag Klett-Cotta Monate später ein Leseexemplar an uns und wiederum Wochen später nehme ich es auch in die Hand. Damit es es auch schon um mich geschehen. Denn obwohl es inhaltlich keine leichte Kost ist, liest sich das Buch, wie in einem Fluss. Pierre Lemaitre hat vor diesem Roman Krimis geschrieben und das merkt man seiner Schreibe an. Mit dieser lockeren Art an so ein gruseliges Thema (traumatisierte Soldaten nach dem Ersten Weltkrieg) heranzugehen, verlangt schon großes Können. Zusätzlich streut er immer wieder eine Prise (schwarzen) Humor ein, der in seiner dosierten Form nie respektlos wirkt.
Aber nun zum Inhalt, damit Sie ein wenig erahnen können, worum es dabei geht.
Albert und Edourad werden kurz vor Endes des Ersten Weltkrieges in eine sinnlose Schlacht gegen die Deutschen geschickt. Alle sitzen in ihren Gräben und warten auf das Ende dieses Grauen. Diese letzte Schlacht dient nur dazu, damit der befehlende Offizier noch ein paar Orden mehr bekommt. Beide überleben diesen letzten Kampf. Albert schwer gedemütigt, da er in einem Kraterloch sitzend das Gemetzel abwartet und dabei verschüttet wird. Dieses Warten im Loch wird ihm vor dem Kriegsgericht schwer angelastet und er entgeht knapp einer Erschießung. Edouard kommt, im Gesicht, schwer missgestaltet, in die Freiheit. Wenn wir nun meinen, dass diese Männern von ihren Familien, von ihren Frauen und Freunden, der Gesellschaft mit offenen Armen empfangen werden, dann werden wir schwer entäuscht. Alberts Freundin hat ihn schon verlassen und Edouard hält sich von seiner reichen Familie fern, da er ihnen mit seinem Aussehen (es fehlt ihm wirklich der komplette Unterkiefer) nicht begegnen will. Sie sind somit Ausseiten, Verstoßene. Helden sind die toten Soldaten und die Offiziere. Dass sich Edouard Schwestern sich auch noch mit dem ehemaligen Offizier, der die beiden in die Schlacht geschickt hat, einlässt, pervertiert diese Situation noch mehr.
Lemaitre genügt dies jedoch nicht für seinen Roman. Zu seiner Sprache passen nämlich auch die Gaunereien, mit denen sich diese drei Männer über Wasserhalten. Der entstellte Edouard nimmt die Identität eines anderen Soldaten an, lässt sich für tot erklären. Der Offizier bekommt dies mit und als Edouards Schwester den Leichnam ihres Bruders ausgräben lässt, damit er im Familiengrab beerdigt werden kann, spielt er mit und entwickelt daraus ein riesiges Geschäft mit Umbettungen dieser Toten in ganz Frankreich. Albert und Edouard wollen sich vorrangig an ihrem ehemaligen Befehlshaber rächen, denken sich jedoch auch eine freche Gaunerei aus, der die ganze französische Nation erschüttert. Dabei entwickeln beide wieder Lebensfreude in dieser sehr grauen und tristen Zeit, in der sie von der Hand in den Mund leben, während die Herren Offiziere sich in der Gesellschaft sonnen.
Am Ende dreht Lemaitre nochmals richtig auf, wie er es als Krimiautor gelernt hat.
Sie merken schon, ich bin wirklich begeistert von diesem Roman und es freut mich umso mehr, dass ich dieses Mal nicht mit Lesen hinterherhecheln musste, sondern, dass ich den Roman schon vor Wochen durchgefressen hatte.

Leseprobe

Das Österreichische Fernsehen empfiehlt:
ORF

Lemaitre am Stand des Verlages Klett-Cotta auf der Frankfurter Buchmesse:
Nachgefragt: Pierre Lemaître, Wir sehen uns dort oben
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Werner Färber

UNGEREIMTHEIT DER WOCHE:

DIE GLÜHBIRNE

Heller als funkelndes Gestirn
glüht in der Lampe eine Birn‘.
Meistens leuchtet sie, wenn’s nachtet.
Wenn jedoch einer missachtet,
dass Energie er sparen kann,
lässt er sie auch des Tages an.

Ein andrer wiederum hat’s satt,
dass jene Birne hat viel Watt.
Die Stromrechnung ist ihm zu groß.

Er macht die Birne fassungslos.

 

UNGEREIMTHEIT DER WOCHE (UNGEREIMTHEITEN AUS DER TIERWELT):

 BÄR – MIT UND OHNE KRAGEN CCCLCXIV
 
Ein hübscher kleiner Kragenbär,
der liebte seinen Kragen sehr.
Und weil er diesen Kragen hatte,
trug er meistens auch Krawatte.
 
Ein and’rer Bär, der kragenlos,
fragte sich: „Was mach ich bloß?
Wie soll ich ohne einen Kragen
jemals ’ne Krawatte tragen?“

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Gegenüber

Das Haus hat nichts mit der Ewigkeit zu tun, es erzählt von der Vergänglichkeit. Wenn ich zurückkehre im März, zeigt es mir seine Wunden. Zeigt, was der Winter ihm angetan hat. Ich steh auf der anderen Straßenseite dem Haus gegenüber wie einer Person. Es schaut mich an, es seufzt, es ist nicht nur Wind und Wetter ausgesetzt.
Dann beginnt es zu erzählen. Von der Großmutter. Von Alma.

Aus: Silivia Trummer: „Vierhändig“ – Ein Mosaik
Silivia Trummer liest bei uns am Dienstag, den 28.10. um 19 Uhr

Dienstag

Heute haben
Karl Krolow * 1915
Janosch * 1931
Fanny Morweiser * 1940
Douglas Adams * 1952
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Die FAZ meldete gestern, dass der deutsche Buchhandel letztes Jahr 4,2 Milliarden Euro umsetzte. Immerhin ein Prozent mehr, als im Jahr zuvor. Ratgeber und Reiseführer haben sehr zugelegt, die Belletristik hatte keinen so großen Erfolg zu vermelden, wie davor mit „Shades Of Grey“ (ach herrjeh!). Das stärkste Wachstum mit fünfzig Prozent hatten die E-Books zu vermelden. Das hört sich nach viel an, macht aber weniger als ein zwanzigstel des gesamten Kuchen aus.
So! Dann werden wir um 9 Uhr unseren Laden wieder aufschließen, um einen Teil der 4,2 Millarden abzuräumen.
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Das Jahr 1914 steht hier in Deutschland unter dem Zeichen des Ersten Weltkrieges, der sich zum 100.Mal jährt. Es gibt demzufolge jede Menge Bücher zu und um dieses Thema. „Die Schlafwandler“ und „Der große Krieg“ haben sich dabei als die herausgestellt, die die besten Kritiken bekommen haben. Beide Bücher platzen fast aus den Nähten, so viele Seiten haben sie, um möglichst viel Informationen ins Buch zu packen. Der Roman, den ich Ihnen heute vorstellen möchte, macht genau das Gegenteil. Mit 128 Seiten und einem kleinen Format erzählt er auch über die vier Jahre ab dem Jahr 1914. Gleich mit dem Titel stellt der Autor Echenoz diesbezüglich die Weichen. Er nennt sein Buch einfach nur „14“.

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Jean Echenoz: „14
Aus dem Französischen von Hinrich Schmidt-Henkel
Hanser Berlin Verlag € 14,90

Frankreich, 1914: Ein idyllischer Sommertag, Anthime radelt durch die sonnenbeschienene Vendée. Er hört die Sturmglocken läuten, das Signal für die allgemeine Mobilmachung. Mit der alle gerechnet haben, nur nicht an einem Samstag, dem 1. August. Ihm ist im ersten Moment auch nicht klar, was das Geläute eigentlich bedeutet. Also für ihn, so ganz konkrekt. Wie auf dem Titelbild sehen wir auch hier bunt bemalte Abteile mit jubelnden Soldaten. Anthime und seine Freunde haben ihre Kleider, ihren Rucksack mit allen Zutaten bekommen und setzen sich beqeum in den Zug. Nicht ahnend, wohin es überhaupt gehen soll. Aber da Alkohol reichlich vorhanden ist, sieht das alles eher wie ein Sommerausflug aus. Der Himmel ist strahlend blau und sie erkennen hin und wieder eines dieser neuen Flugzeuge am Himmel. Was sie dann erwartet, sind stupide Wanderungen von hier nach dort. Die ersten Entbehrungen kommen zu Tage; der Krieg, die Kämpfe sind jedoch weit weg. Aus den Wochen bis zur Rückkehr werden Monate und der Winter zieht ins Land. Nun merken Sie, dass dieser Ausflug sich wohl noch länger hinzieht. Echenoz lässt sich auf diesen 128 Seiten Zeit, bis er zu seinen ersten Kriegsbeschreibungen kommt. Lapidar, wie das ganze Buch, beschreibt er den Inhalt der Rücksäcke, er erzählt von Kleinigkeiten. So zum Beispiel, dass die Soldaten ihr Kochgeschirr schwarz einfärben mussten, weil das Metall gar zu schön in der Sonne geblickt hat. Er schreibt über das Gräbenziehen und dass dafür natürlich die Spaten waren. Die Grabenkämpfen kommen dann aber doch und Anthime steht mitten drin. Echenoz erspart uns hier nichts und auf ein paar wenigen Seiten sind wir mitten in einer Schlacht, wie sie gruseliger nicht sein könnte. Seine Sprache bleibt die gleiche unterkühlte und wir als Leser sind genauso verblüfft über die Heftigkeit, wie Anthime und seine Freunde und Kollegen. Am Abend nach der Schlacht sehen wir viele Toten und die Überlebenden können es immer noch nicht begriefen, was hier eigentlich stattgefunden hat. Echenoz beschreibt u.a. auch, wie die Musikkapelle, die sich tapfer vor der Schlacht aufgestellt hat, um den Soldaten aufzuspielen, immer weniger werden. Er redet aber nicht von Musikanten, die fallen und sterben, sondern benutzt nur die Musikinstrumente als Synonym. Dies ist jedoch nur der Anfang des Grauen. Es folgen Monate auf Monate. Die Soldaten bekommen nach dem ersten Winter neue Klieder und neue Stiefel, die allerdings aus so schlechtem Material sind, dass sie z.T. nur wenige Tage halten. Die Verzweiflung steigt und viele Soldaten überlegen sich, wie sie aus diesem Horror herauskommen.
Echenoz lässt unserem Anthime überleben. Aber wie. Er erzählt über das entleerte französische Hinterland, denn die eingezogenen Männer werden immer jünger. Er bleibt jedoch immer bei seiner zurückhaltenden Sprache und das ist das Faszinierende daran. Als Anthime und seine Freundin einen Ausflug nach Paris machen, kommen sie sich in der ersten Nacht nahe. Echenoz bescheibt dies so:
„Er stand auf, ging über den Flur, öffnete die Tür gegenüber und trat im Dunkeln auf das Bett von Blanche zu, die auch nicht schlief. Er legte sich dicht neben sie, nahm sie in seinen Arm, dann penetrierte und befruchtete sie. Und im Herbst danach, genau zur Zeit der Schlacht von Mons, die die letzte sein sollte, wurde ein Junge geboren, und man gab ihm den Vornamen Charles.“
Damit endet auch der Roman.
Ein tolles Buch.

Leseprobe

Reservieren
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Am Mittwoch, den 19.März stellt um 19.30 Uhr Christoph Öhm seinen neuen historischen Thriller vor. In den nächsten Tagen will ich Sie mit einigen Textpassagen auf das neue Buch einstimmen.

Christoph Öhm:Der Schatz des Preußenkönigs
Ein historischer Kriminalroman
Gmeiner Verlag € 12,99

Prolog

Der folgende Bericht über die katastrophalen Ereignisse des Sommers 1778, nach dem Tode des großen Voltaire, ist zum größten Teil aus meinen alten Tagebüchern entnommen. Später konnte ich weitere Passagen ergänzen und zu einem stimmigen Ganzen fügen, um Ihnen, geneigte Leserinnen und Leser, das ganze historische Ausmaß der Intrige und ihre tödlichen Auswirkungen aufzuzeigen. Lassen Sie uns eine Reise unternehmen, weit zurück, in die Zeit, in der alles seinen Anfang nahm.
David Stark

Southern Louisiana, im Jahr 1681

Die kleine Gruppe bewaffneter Soldaten presste sich in den Dreck, hinter niedrigem Gebüsch. Es war drückend heiß und die Kleidung klebte an ihren Körpern. Sie bebten innerlich vor Zorn, als sie den johlenden, tanzenden Leibern zusahen, den Männern und leicht geschürzten Frauen, die sich zur Spielmannsmusik im Kreise drehten. Aus dem lebhaften Getümmel trat einer der Feiernden heraus, er trug eine Fahne bei sich und ging vor ans Ufer von Baton Rouge. Freudig schaute er hinaus in die weite Bucht und auf den Golf von Mexiko. Er rammte die Fahne in die Erde und rief aus voller Kehle: »Vive le roi Louis! Vive Louisiane!«
Ein Knall.
Der Mann zuckte zusammen, als vollführte er eine ruckartige Tanzbewegung. Ein roter Fleck zeichnete sich in seinem Rücken auf seinem weißen Hemd ab.
Wie ein Sandsack fiel der Mann vornüber in den Uferschlamm.