Donnerstag, 16.März

Heute haben
César Vallejo * 1892
Sybille Bedford * 1911
Tiziano Scarpa * 1963
Zoe Jenny * 1974
Geburtstag
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Theodor Storm
März

Und aus der Erde schauet nur
Alleine noch Schneeglöckchen;
So kalt, so kalt ist noch die Flur,
Es friert im weißen Röckchen.
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Unser Buchtipp:

Toni Morrison: „Rezitativ
Aus dem Amerikanischen von Tanja Handels
Mit einem langen Nachwort von Zadie Smith
Rowohlt Verlag € 20,00
Random House € 14,90

1983 veröffentlichte Toni Morrison diese Erzählung. „Rezitativ“ bleibt ihre einzige in ihrem umfangreichen Werk. In deutsch steht sie uns jetzt jetzt zum ersten Mal zur Verfügung.
Wie ein Experiment mutet die Lektüre im Nachklang an. Eine Versuchanordnung, über die wir lange gemeinsam diskutieren könnten.
Twyla und Roberta trafen sich in einem Kinderheim. Ihre alleinerziehende Mütter konnten sich nicht ausreichend um die beiden Mädchen kümmern. Twylas Mutter hatte die Nächte durchgetanzt und ihr Kind allein gelassen. Robertas Mutter war ständig krank. Vier Monate lebten sie dort zusammen.
„Schlimm genug, früh am Morgen aus dem eigenen Bett geholt zu werden – aber dann noch an einem fremden Ort festzusitzen, zusammen mit einem Mädchen von ganz anderer Hautfarbe. Und Mary, so heißt meine Mutter, hatte ja recht. Von Zeit zu Zeit hörte sie nämlich gerade so lange mit dem Tanzen auf, um mir was Wichtiges zu erklären, und unter anderem hat sie mir erklärt, dass die sich nie die Haare waschen und komisch riechen.“
Eines der beiden Mädchen ist schwarz, das andere weiss. Nach diesem Zitat ist klar, wer. Aber stimmt das? Toni Morrison lässt das, ganz bewusst, offen. Bis zum Schluss, wissen wir es nicht, erahnen, verwerfen.
Dieses raffinierte Spiel mit den verschiedenen Wahrnehmungen zieht sich durch den kompletten Text. Dazu kommen noch die Fallstricke mit unseren Erinnerungen, an denen wir ein halbes Leben festhalten, obwohl es sich vielleicht/wahrscheinlich ganz anders ereignet hat. Denn Jahre später treffen sich die beiden Frauen mehrfach wieder. Irgendwie sind die Rollen, die gesellschaftlichen Verhältnisse, in denen sie leben, wie auf den Kopf gedreht, wenn wir uns an die beiden Mädchen zu Beginn der Erzählung erinnern.
Die Rassentrennung ist seit den 60er Jahren in den USA abgeschafft, aber weder 1983, noch 2023 hat die Gewalt gegen die schwarze Bevölkerung nachgelassen. Erst vor zwei Tagen haben wir das in den Texten von Mumia Abu-Jamal zu hören bekommen.

Wichtig an dieser Ausgabe ist das sehr lange Nachwort (im Original heisst es: Einführung) von Zadie Smith, das unglaublich klug, erhellend ist und uns die Erzählung nochmals aufdröselt, in das Werk der Nobelpreisträgerin einführt und die Bezüge zum täglichen Rassismus herstellt.

Eine kleine Sensation.

Leseprobe
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Montag, 9.Januar


Heute haben
Kurt Tucholsky * 1890
Karel Capek * 1890
Simone de Beauvoir * 1908
Hans Lebert * 1919
Heiner Müller * 1929
Klaus Schlesinger * 1937
Gisbert Haefs * 1950
Benjamin Lebert * 1982
Geburtstag
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„Der Mensch hat, neben dem Trieb der Fortpflanzung und dem zu essen und zu trinken, zwei Leidenschaften: Krach zu machen und nicht zuzuhören.“
Kurt Tucholsky
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Eine Vorankündigung für Ende Februar 2023.


Percival Everett: „Die Bäume“
Aus dem Amerikanischen von Nikolaus Stingl
Hanser Verlag € 26,00
Das Buch erscheint Ende Februar.
Als amerikanisches Taschenbuch € 14,90

Nach langer Zeit habe ich ich wieder einen Roman gefunden, den ich, zum allergrößten Teil, in einem Rutsch durchgelesen habe. So eine perfekte Mischung aus Parodie, Slapstick, schnellen Dialogen und einem Krimi, habe ich selten in einem Buch gefunden. Was erst so locker daherkommt, ist eine eiskalte Abrechnung mit dem us-amerikanischen Rassismus. Was mit zwei Morden in der Kleinstadt Money/Mississippi beginnt, endet mit einer großen Welle der Abrechnung.
In den letzten Tagen haben wir viel über die Wahl des Speakers des Kongress der USA lesen können und wie Ultrarechte ihre Macht eingesetzt haben. Diese Rechten, diese Rednecks, bestimmen den Alltag in der Gegend, in der der Roman spielt. Die Großväter haben Schwarze gelyncht und die erwachsenen Enkel sind jetzt noch stolz darauf. Was Percival Everett sich ausgedacht und zu Papier gebracht ist so stark und fesselnd, dass ich das Buch nicht aus der Hand legen konnte. Ich habe mich amüsiert, war schockiert und als der amerikanische Präsident (der mit der Tolle) auch noch auftaucht und eine seiner Reden hält, legt der Autor seine Finger tief in die Wunde der us-amerikanischen Demokratie.
Jetzt schon vormerken. Wir werden das Buch sicherlich an eine unserer 1.Seite vorstellen.
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„Lützerath muss bleiben“
Aus ganz Deutschland sind Menschen angereist, um die Räumung doch noch zu verhindern.

Zu einem geplanten Dorfspaziergang kam auch die Klimaaktivistin und Fridays-for-future-Sprecherin Luisa Neubauer. Vorab hatte sie Unterstützer dazu aufgerufen, ebenfalls zu kommen.

„Man merkt, dass anscheinend unterschätzt wurde, welche Kraft in diesem Ort steckt“, sagte Neubauer in Lützerath. „Hier zeigt eine Gesellschaft, dass sie versteht: Es geht um alles. Das Dorf hier ist überlaufen von Menschen, die aus der ganzen Republik angereist sind.“ Die Politik traue sich noch nicht, das anzuerkennen, „aber die Zivilgesellschaft schon“, so Neubauer. Die Kohle müsse im Boden bleiben. „Seit Jahren erleben wir die Klimafolgen, im Sommer 2022 wüteten in ganz Europa die gravierendsten Waldbrände, die Zerstörung muss aufhören, die bisher durch die deutsche Politik und Wirtschaft befeuert wird.“

Mehr dazu finden Sie hier.


Freitag, 20.Februar

Vor einem Jahr, am 19. Februar 2020, erschoss ein 43 Jahre alter Deutscher aus rassistischen Motiven in Hanau neun Menschen mit ausländischen Wurzeln und verletzte sechs weitere Menschen.

Angela Merkel: „Rassismus ist ein Gift. Der Hass ist ein Gift“

#Hanauistüberall

Gedenkveranstaltung in Ulm auf dem Münsterplatz heute um 17 Uhr

Mittwoch, 8.Juli

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Heute haben
Jean de La Fontaine * 1621
Walter Hasenclever * 1890
Geburtstag
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Conrad Ferdinand Meyer
Der schöne Tag

In kühler Tiefe spiegelt sich
Des Juli-Himmels warmes Blau,
Libellen tanzen auf der Flut,
Die nicht der kleinste Hauch bewegt.

Zwei Knaben und ein ledig Boot –
Sie sprangen jauchzend in das Bad.
Der eine taucht gekühlt empor.
Der andre steigt nicht wieder auf.

Ein wilder Schrei: »Der Bruder sank!«
Von Booten wimmelts schon. Man fischt.
Den einen rudern sie ans Land,
Der fahl wie ein Verbrecher sitzt.

Der andre Knabe sinkt und sinkt
Gemach hinab, ein Schlummernder,
Geschmiegt das sanfte Lockenhaupt
An einer Nymphe weisse Brust.
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Im neuen New Yorker gibt es einen Artikel von Axel Rose, in dem er schreibt, wie Musiker und Komponisten auf die Pandemie und die Demonstrationen reagieren.

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Als Beispiel nennt er u.a. Anthony McGill, den ersten Klarinetisten der New Yorker Philharmonikern. Er spielt das Lied „America the Beautiful“ ein Tag nach der Ermordung von George Floyd. Beim Spielen wechselt er von Dur in Moll und kniet nach dem Stück zum Gedenken nieder.
In einem anderen Stück erklärt der Musiker, dass er es Freunden und Nachbarn widmet, die an Corona gestorben sind und den Opfern des Rassismus.