Heute haben Bram Stoker * 1847 Margaret Mitchell * 1900 Martha Gellhorn * 1908 Peter Weiss * 1916 Peer Hultberg * 1935 Kazuo Ishiguro * 1954 Geburtstag _____________________________
„So kommt der Schreibende auf einem Umweg über den Zerfall und die Machtlosigkeit zum Schreiben, und jedes Wort, mit dem er eine Wahrheit gewinnt, ist aus Zweifeln und Widersprüchen hervorgegangen.“ Peter Weiss ______________________________
Winfried Hermann Bauer Auf meinem Weg
So lange Suchte ich meinen Weg Wollte weg von allem Immer nur weg Von all den Dingen Von all den Zwängen Von all den Menschen Die mich aufhielten Festhielten Gefangen nahmen Bis ich feststellte Dass ich längst auf meinem Weg war Mit all den Menschen Mit all den Dingen Mit all den Zwängen Und dass ich immer freier atmen konnte Auf meinem Weg Und zulassen Und wach bleiben Sogar lieben konnte Ohne festzuhalten Zuschauen Einfach nur zuschauen konnte Wie all die Dinge von mir abfielen Sowieso Stück für Stück Als wären es Brosamen Auf meinem Weg nach Hause __________________________________
Emmanuel Bove: „Die Geschichte eines Verrückten“ Erzählung Aus dem Französischen von Helke Voß-Becher Mit einem Nachwort von Jörg Plath Umschlag: Tjark Ihmels Fadengeheftete französische Broschur Golden Luft Verlag, 24 Seiten, € 14,00
Diese Erzählung hat mich sehr ungeduldig gemacht. Auf den wenigen Seiten schildert der junge Fernand, wie er uns, den Lesenden seines Berichtes, klar machen will, dass er nicht verrückt ist. Er bricht an einem einzigen Tag mit all den Menschen, die ihm nahestehen. Ohne Anlass, ohne Begründung. Er erzählt uns, wie er sich von seinem Vater, seiner Geliebten, seiner Schwester und seinem Freund verabschiedet. Er sagt ihnen, dass er sie nicht mehr sehen will. Dies ohne Begründung. Für die Angesprochenen kommt es aus heiterem Himmel. Für uns Lesende wird es immer abstruser, wie sich der Erzähler in seiner absurden Logik verstrickt. Eine kurze Erzählung, in der die Sprache den Weg in den Wahnsinn zeigt.
Die broschierten Ausgaben des Verlages zeichnen sich durch ihre sehr schöne, handwerkliche Verarbeitung aus. Schön, dass es solche Dinge noch gibt. Die Friedenauer Presse hat dies jahrelang vorgemacht.
Emmanuel Bove Schon mit seinem ersten Roman „Mes amis“ gelang Emmanuel Bove, der 1898 als Sohn eines mittellosen russischen Juden und einer Luxemburgerin in Paris geboren wurde, der literarische Durchbruch – ein Meisterwerk, das einen ganz eigenen Ton anschlägt und keinem Vorbild, keiner literarischen Richtung zugeordnet werden kann. Es folgten weitere 22 Romane und über 30 Erzählungen, die Bove – im Sinne von Proust und Balzac – als Teile eines Ganzen verstand. Nach seinem frühen Tod im Jahr 1945 lange in Vergessenheit geraten, gilt Bove heute als großer Außenseiter der französischen Moderne.
Heute haben Bram Stoker * 1847 Margaret Mitchell * 1900 Peter Weiss * 1916 Kazuo Ishiguro * 1954 Geburtstag _____________________________
Konrad Weiß Vor dem Winter
Kein Himmel in der Frühe, nach halben Schatten wird es still, und wie das Blatt vom Baume fiel, verzuckt ein Lichtlein ohne Will, grämt sich und hat nicht Mühe.
Allein in letzter Höhe steht noch ein Blatt und zittert bald. Und wird im Sterben voll Gestalt; ein Wind als wie ein Messer kalt nimmt auch das letzte Blatt.
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Alte Männer, Country und Jazz „Country For Old Men“ heißt das neue Album von Gitarrenvirtuose John Scofield. Viele denken dabei wahrscheinlich sofort an den bekannten Roman „No Country For Old Man“ oder die gleichnamige Verfilmung. Der Plattentitel ist jedoch eine klare Aussage, was uns auf den nächsten 12 Musikstücken erwartet.
John Scofiel: „Country For Old Men“ Impulse! CD € 19,99
John Scofiel: Gitarre Larry Goldings: Piano, Hammond Orgel Steve Swallow: Bass Bill Stewart: Drums
Und so widmet sich die Band um den mittlerweile 65-jährige Scofield einigen berühmten Countrysongs und verleiht ihnen ein neues, jazziges Gewand. Schon der erste Ton seiner E-Gitarre lässt uns den alten Meister erkennen. Es ist sein Sound, sein Klang, seine Wärme, die uns entegegenkommt. Meist sehr ruhig und zurückgelehnt. Country Musik für alte Männer halt. Er wäre jedoch nicht John Scofield, wenn er nicht tief in den Jazz Kiste greifen würde und mit seiner hochkarätigen Band (wahrscheinlich alles alte Kumpels) kann wahrscheinlich auch nichts schiefgehen. So hören wir Lieder von George Jones, Hank Williams, Merle Haggard, Bob Wills, Patti Page, Dolly Parton, James Taylor und vielen mehr, die ich nur zum Teil kenne, die den Country Fans sicherlich geläufig sind. Einmal packt Scofield sogar seine Ukulele aus und spielt damit das Lied „I’m An Old Cowhand“.
„Viel Jazz-Humor für Fortgeschrittene.“ (stereoplay, Oktober 2016)
„Das ist humorvolle Musik auf Ebene zwei des Gewohnten, wie man es mit einem Schmunzeln nur schafft, wenn man das Austoben schon hinter sich hat.“ (Audio, Oktober 2016)
Einfach mal reinhören:
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Foto: Nik Schoelzel
Am Donnerstag, den 10. November ab 19 Uhr Silke Knäpper liest aus „Hofkind“ musikalisch begleitet von Ivan Antonic, Akkordeon.
Heute haben Bram Stoker * 1847 Margaret Mitchell * 1900 Martha Gellhorn * 1908 Peter Weiss * 1916 Kazuo Ishiguro * 1954 Geburtstag _______________________
Gestern ging es Schlag auf Schlag. Die Briefpost brachte ein Exemplar vom neuen, von Frühjahr 2015 auf jetzt vorgezogenen, Roman von Patrick Modiano. Zwei Stunden später brachte die Paketpost die bestellte Lieferung. Im gewohnten Umfang von (hier) 174 Seiten) liegt jetzt „Gräser der Nacht“ vor und das ist genau die Seitenzahl, die ich gestern abend noch lesen konnte.
Patrick Modiano: „Gräser der Nacht“
Aus dem Französischen von Elisabeth Edl
Hanser Verlag € 18,90
ebook € 12,99
Und wieder ist es ein Modiano, wie wir ihn kennen. Er hat als Autor nur ein Thema: Paris. Das Paris während der Besatzung durch die Deutschen und das Paris der sechziger Jahre. Diesmal sind wir im Jahre 1965 gelandet. Aber nicht nur. Modiano lässt die Zeiten verschwimmen. Blickt aus der Gegenwart in die Vergangenheit und auch auf Zeit die dazwischenliegt. Im Nachwort schreibt der Autor, dass 1965 das Jahr war, in dem der marokkanischen Exilpolitikers Ben Barka entführt und ermordert worden ist und es gab Verstrickungen mit der französischen Polizei und den Geheimdiensten. Modiano benutzt eh schon immer geschichtliche Tatsachen und umbaut sie mit seinen Figuren, die allerdings auch immer wieder in seinen Romanen auftauchen. „Die Zeit ist aufgehoben und alles beginnt von neuem: wie früher, mit der gleichen Art Füllfeder und mit der gleichen Schrift, kritzle ich die Seiten voll und befrage dabei wieder die Aufzeichnungen in meinem alten schwarzen Notizbuch.“ „Aber ich kann nichts dafür, damals war ich genauso empfänglich wie heute für Menschen und Dinge, die im Begriff sind zu verschwinden.“ Jean, die Hauptperson trifft auf Dannie, die eigentlich ganz anders heisst, (das kennen wir auch aus seinem „Café“-Roman) und lebt mit ihr eine kurze Zeit zusammen, bis sie eines Tages verschwunden ist. Zur gleichen Zeit kommt Jean auch in Kontakt mit diversen zwielichtigen Typen, die er überhaupt nicht einschätzen kann und die auch möglichst wenig von sich preisgeben. Sie verstricken sich in Gesprächen in Widersprüche, lassen aber dann die Katze aus dem Sack. Als dann Jean zur Polizei zitiert wird, um Aussagen über diese Männer zumachen, kommt zumindest etwas Dunkel in seine Geschichte. Viel erfährt er auch nicht und erst als er Jahre später dem Polizeikommissar über den Weg läuft und er ihm Einsicht in die Akte gibt, wird im so vieles klar. Aber Dannie taucht nie in den Einträgen auf. Und es bleibt für Jean nur ein Abschiedsbrief, in dem aber auch wieder nur heftig gelogen wird. Gerade diese Lügen durchziehen den neuen Roman. (Ich höre seit Monaten Marcel Prousts: „Die Suche nach der verlorenen Zeit“ und bin im vorletzten Buch, in dem es um sine Freundin Albertine geht, die auch heftig lügt und von der Marcel einfach nicht wegkommt, an ihr hängt, genervt ist von ihr, sich trennen will und es doch nicht kann. Und wenn Modiano das nicht im Hinterkopf hatte, weiss ich auch nicht.) Jean kann Dannies Aussagen nie richtig einschätzen und muss sich und uns mehrfach versichern, dass er nicht träumt. So sagt Jean zum Beispiel: „Seit ich an diesen Seiten schreibe, sage ich mir, dass es doch ein Mittel gibt, gegen das Vergessen anzukämpfen. Du musst nur in gewisse Zonen von Paris gehen, in denen du seit dreißig, vierzig Jahren nicht gewesen bist, und einen Nachmittag lang dableiben, als würdest du auf der Lauer liegen.“ Immer wieder zieht Jean sein schwarzes Notizbuch heraus, sucht ein altes und vergewissert sich, dass alles der Wahrheit entspricht. In dieser „üblen“ Geschichte, wie Modiano selber über dieses Jahr spricht, zählt nur die Liebe. Die Liebe zu Dannie, die die Namen wechselt, die an verschiedenen Orten wohnt und einen zweiten Ausweis mit einer anderen Identität hat. „Es zählte einzig und allein, dass wir die Quais entlanggingen, ohne irgendwen um Erlaubnis zu bitten und ohne irgendwas hinter uns zurückzulassen.“ Und gerade das Flanieren durch die Straßen der Stadt macht richtig Spass. Wenn sich jemand in Paris auskennt, muss es eine wahre Freude sein. Ich habe gestern abend während des Lesens immer wieder Straßennamen, Kreuzungen in eine Internetkarte eingegeben und: Es stimmt natürlich alles haargenau. Da kam mir die Idee, eine Karte zu entwickeln, mit allen Straßen, Ecken, Kneipen und Hotels zu erstellen, die in Modianos Romanen vorkommen. Jeder Roman eine eigene Farbe und wir hätten ein wahres Kunstwerk, wenn wir die Arbeiten des Autors so vor uns liegen haben.
„Gräser der Nacht“ ist ein typischer Modiano, diesmal wohl wieder deutlich mehr biografisch und eine geeignete Einstiegsdroge in sein Romanwerk. Das Eintauchen in diesen Spätherbst, das Stöbern im Nebel der Vergangenheit, passt sehr gut in die Novemberzeit, in der die Zeit machmal stillsteht, bevor das große Rennen in Richtung Weihnachten losgeht.
Der Countdown zum Raketenstart läuft. Karen Köhler steht am kommenden Freitag bereit dazu.
JETZT. ALSO SAMSTAG, DER 2.Juni
Keiner da. Das ist gut. Ich ziehe mir die Perücke vom Kopf, nehme gleich alle Steine aus der Schale und befülle die Perücke damit, steige auf die runde Holzbühne, hocke mich vor den Altar und lege den Perückensteinbeutel vor mich hin. Nicht nur ein Stein, sondern ein ganzes Nest der Schwere. Hole mein Telefon heraus und fotografiere das Nest mit einer Polaroid-App. Ich klicke: Nachrichten. Klicke: Cesar. Klicke auf das kleine Fotosymbol. Lade das Bild und schreibe: I even did my hair for you. I hope they serve Banana Split in heaven. Klicke: Senden. Mache dann Musik an. Interpret: Buena Vista Social Club. Volle Lautstärke Hasta Siempre Comandante.