Mittwoch, 15.November


Heute haben
Johann Caspar Lavater * 1741
Gerhart Hauptmann * 1862
Giorgio Manganelli * 1922
Heinz Piontek * 1925
Chinua Achebe * 1930
J.G.Ballard * 1930
Wolf Biermann * 1936
Geburtstag
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Winfried Hermann Bauer
Herbstwald

Siehst du den Nebelatem im Gezweig
Den geisterhaften Tanz der Feen
Wenn Schleier durch die Kronen weh’n
Und Laub aufglüht in diesem Licht
Das kaum mehr steigt

Hörst du den Häher, der den Wald bewacht
Den Buntsprecht, wie er schafft
und baut
Als wäre ihm seit je vertraut
Was dir und mir verborgen bleibt

Spürst du den Tau auf deiner Haut
Den Blätterboden unter deinen Füßen
So federnd weich
Der Mutter Hauch, nimmst du ihn wahr
Den milden Duft nach Pilz und Moder

Spinnen weben über dein Gesicht
Das leise weint
Ein Netz aus Trost
Als trauten sie dem Gott nicht
Zu bewahren, was allein verloren scheint

Wenn Fülle weicht und Fäulnis wird
Verwelken alle Träume
Was treibt mich noch, was hält
Fragst du
Wenn schattenschwer der Tag zerfällt

Es ist ein Ringen überall
Ein Nehmen und ein Geben
Trotz Nacht und Kälte in der Welt
Sei dir gewiss, den tiefsten Grund uns noch erhellt
Die unverzagte Lust am Leben
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Eine Entdeckung:

Cal Flyn: „Verlassene Orte
Enden und Anfänge in einer menschenleeren Welt
Aus dem Englischen von Milena Adam
Matthes & Seitz Verlag / Naturkunden € 34,00

Da hat die Herausgeberin der Naturkunden-Reihe Judith Schalansky wieder einen höchst interessanten Schatz gehoben.
Die schottische Essayistin Cal Flyn erkundet in diesem außergewöhnlichen Buch Orte, an denen keine, oder kaum noch Menschen leben. Diese Orte sind Sperrgebiete oder Geisterstädte, Festungsinseln und Niemandsländer. In Tschernobyl trifft sie auf Menschen, die trotz der Katastrophe wieder zurück in ihre verseuchten Häuser gezogen sind. Sie wandert über unbewohnte Inseln und entdeckt Tiere und Pflanzen, die es sonst kaum zu sehen gibt. Aber auch mitten in Großstädten kommt es zu Veränderungen. So in der ehemals viertgrößten Stadt der USA, in Detroit, in der ganze Straßenzüge verfallen und verwaist sind, entdeckt sie, wie die Natur sich ihren Platz wiede zurückerobert. Sie sieht, wie Tiere und Pflanzen sich den neuen Gegebenheiten anpassen, Fische in vergiftetem Wasser weiterleben.
Sie stellt sich die Frage, was ist eigentlich ‚Natur‘? Was verstehen wir darunter?
Aber auch: Wie gehen wir mit ‚Natur‘ um? Was zerstören wir unwiederbringlich?
Cal Flyn ist ein besonderes Buch gelungen, das zwischen Recherchen, Beobachtungen, Philosophie und Essay wandelt.

Leseprobe
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Heute auf tagesschau.de

Neue Medizinstudie
Klimawandel macht Menschen krank

Extreme Hitze oder tropische Infektionskrankheiten auch in vormals gemäßigten Regionen. Der Klimawandel hat Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen. Forscher warnen, Nichtstun koste Menschenleben.
Selbst wenn der Anstieg der globale Durchschnittstemperatur bei knapp unter zwei Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit bliebe, würde die Zahl der globalen Hitzetoten bis zur Mitte des Jahrhunderts um 370 Prozent steigen. Das ist ein Ergebnis der neuen Studie „Lancet Countdown on health and climate change„, die 114 internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Fachmagazin „The Lancet“ veröffentlicht haben.
Demnach sind die Menschen weltweit an doppelt so vielen Tagen extremer Hitze ausgesetzt wie im Zeitraum 1986 bis 2005. Lebensbedrohlich ist dies insbesondere für Kleinkinder und ältere Menschen. Die Zahl der hitzebedingten Tode von Personen, die älter als 65 Jahre waren, stieg zuletzt im Vergleich zum Zeitraum 1991 bis 2000 um 85 Prozent. Marina Romanello vom University College London kommt zu dem Schluss: „Nichtstun wird uns teuer zu stehen kommen. Wir können es uns nicht leisten, so untätig zu sein – der Preis dafür sind Menschenleben.“ …
Hier können Sie weiterlesen.

UN-Analyse zu Klimaplänen
„Zeit für eine Supernova an Klimaanstrengungen“

Zu langsam, zu wenig, zu spät – eine UN-Analyse zeigt, dass die nationalen Klimaschutzpläne nicht ausreichen, um das 1,5 Grad-Ziel zu erreichen. UN-Generalsekretär Guterres schlägt Alarm und fordert ehrgeizigere Ziele.
Eine Analyse der Vereinten Nationen zu den von den Staaten vorgelegten Klimaschutzplänen kommt zu einem ernüchternden Ergebnis: Die Welt ist weit davon entfernt, die Erderwärmung bei 1,5 Grad zu stoppen. „Der Bericht zeigt, dass die Regierungen zusammengenommen Babyschritte gehen, um die Klimakrise abzuwenden“, erklärte der Chef des UN-Klimasekretariats, Simon Stiell.
Die Weltklimakonferenz im Dezember in Dubai müsse ein „Wendepunkt“ sein. „Die Regierungen müssen sich nicht nur auf stärkere Klimaschutzmaßnahmen einigen, sondern auch genau zeigen, wie sie diese umsetzen wollen“, so Stiell.
Die internationale Staatengemeinschaft hat das Ziel vereinbart, die Erderwärmung auf 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen, um die katastrophalsten Folgen wie etwa mehr Dürren, Unwetter, Überschwemmungen und Hitzewellen abzuwenden. …
Hier geht es weiter.

Dienstag, 7.März


Heute haben
Alessandro Manzoni * 1786
Paul Ernst * 1866
Milo Dor * 1923
George Perec * 1936
Robert Harris * 1957
Breat Easton Ellis * 1964
Joanne Harris * 1964
Geburtstag
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Paul Ernst

Es glaubt ein jeder in der Welt zu sprechen
Mit andern Menschen, und dieselben Namen
Gibt er den Dingen, wie die andern geben,
Und glaubt, er meint dasselbe wie die andern.
Doch jeder sieht ein Andres, und gemein
Sind nur die Namen.
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Ostern kommt ja bald.


Wilhelm Bode: „Hasen
Ein Porträt
Aus der Reihe: Naturkunden herausgegeben von Judith Schalansky
Mathhes & Seitz Verlag 22,00

Hasen sind schon besondere Wesen und sie begleiten uns das ganze Leben lang.
Vom ersten Kniereiter: „Häschen in der Grube“, zu den Bilderbücher „Weisst du wie lieb ich dich hab“, zum Märchen der Brüder Grimm, dann natürlich zum Osterhasen. Früher gab es noch Bugs Bunny im Kinderfernsehen. Später kommen dann seine Bedeutung und Symbolik in der christlichen Kulturgeschichte, in der Malerei mit Dürers weltberühmten Hasen, bis hin zu Beuys hinzu. Nicht zu vergessen, dass er auch als kulinarische Delikatesse auf den Tisch kommt. Nicht zu vergessen, wie der Hase sich in unseren Wortschatz geschlichen hat, wie z.B. Hasenbrot, Angsthase, usw..
Wilhelm Bode geht diesen Geschichten und Mythen nach, schreibt über seine lange Beziehung zu den Tieren in der freien Natur, auch über seinen ersten selbsterlegten Hasen. Wir erfahren von diesem Fachmann viel über das Wesen dieser Tiere mit den langen Barthaaren und noch längeren Ohren.
Garniert wird das kleinformatige Buch aus der Reihe „Naturkunden“ mit vielen Abbildungen und einer Auflistung der wichtigsten Hasenarten.
Wieder mal viel gelernt beim Durchblättern und Lesen.

Wilhelm Bode, 1947 geboren, Jurist und Forstakademiker, leitete zunächst die Landesforstverwaltung und später die oberste Naturschutzbehörde des Saarlandes. Er führte 1987 erstmals in einem Bundesland die kahlschlagfreie Dauerwaldwirtschaft flächendeckend ein. Er initiierte u.a. die heutige Biosphärenregion Bliesgau und 2004 die Ausweisung von fünf Clustern alter Buchenwälder als deutschen Beitrag zum UNESCO-Weltnaturerbe Europäische Buchenwälder. Als NABU-Waldsprecher initiierte er zusammen mit Hans D. Knapp die schlussendlich 2019 erfolgte Ausweisung der Kaspischen Wälder zum UNESCO-Weltnaturerbe. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher und Beiträge zur Zukunft des Waldes, der Jagd und der Forstwirtschaft, unter anderem Die Waldwende (zusammen mit Martin von Hohnhorst), Naturnahe Waldwirtschaft (Deukalion), sowie bei Matthes & Seitz Berlin in der Reihe Naturkunden Hirsche und das Portrait der Tannen.
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Jastrams 1. Seite

Heute Abend liest ab 19 Uhr Clemens Grote aus vier neuen Romanen.
Wir beginnen pünktlich. Der Eintritt ist kostenlos.

Mittwoch, 28.Dezember


Heute haben
Alfred Wolfenstein * 1883
und Hildegard Knef * 1925 in Ulm
Manuel Puig * 1932
Burkhard Spinnen * 1956
Geburtstag
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„Brüllt ein Mann, ist er dynamisch. Brüllt eine Frau, ist sie hysterisch.“
HIldegard Knef
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Heute auf dem Gedichte-Kalender:

Emanuel Geibel (1815-1884)
Leichter Sinn

Und wie wär‘ es nicht zu tragen,
Dieses Leben in der Welt?
Täglich wechseln Lust und Plagen,
Was betrübt und was gefällt.
Schlägt die Zeit dir manche Wunde,
Manche Freude bringt ihr Lauf;
Aber eine sel’ge Stunde
Wiegt ein Jahr von Schmerzen auf.

Wisse nur das Glück zu fassen,
Wenn es lächelnd dir sich beut!
In der Brust und auf den Gassen
Such es morgen, such es heut.
Doch bedrängt in deinem Kreise
Dich ein flüchtig Mißgeschick,
Lächle leise, hoffe weise
Auf den nächsten Augenblick.

Nur kein müßig Schmerzbehagen!
Nur kein weichlich Selbstverzeihn!
Kommen Grillen, dich zu plagen,
Wiege sie mit Liedern ein.
Froh und ernst, doch immer heiter
Leite dich die Poesie,
Und die Welle trägt dich weiter,
Und du weißt es selbst nicht, wie.
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Unser Buchtipp:


Isabel Fargo Cole: „Die Goldküste“
Eine Irrfahrt
Naturkunden bei Matthes&Seitz € 38,00

„Mein Ururopa Arva Fargo war zur Goldsuche nach Alaska abgehauen. He ran off to the Yukon. He ran off to the Klondike. Eine Geschichtsscherbe, hervorgekramt, ratlos zurückgelegt.“

Dieses Zitat von Isabel Fargo Cole steht über dieser Recherche, die sich nicht nur mit ihrem Urgroßvater befasst, sondern einen riesigen Koffer voller Geschichten zutage fördert. Es ist ihre Familie, aber auch die Geschichte der USA, des Kapitalismus, der Vagabunden und Helden. Ein Essay, ein Roman, wie wir ihn von Sebald kennen.
Ein großer Lesespaß in einem sehr schön gestalteten Buch von Judith Schalansky.
Zwar kein Gold-, aber vielleicht ein Bücherschatz.

Leseprobe

Isabel Fargo Cole, geb. 1973 in Galena, Illinois, wuchs in New York auf. Seit 1995 lebt sie in Berlin als Autorin und Übersetzerin aus dem Deutschen, u.a. von Annemarie Schwarzenbach, Wolfgang Hilbig, Franz Fühmann, Alexander Kluge und Adalbert Stifter. Zuletzt veröffentlichte sie in der Edition Nautilus die Romane Die grüne Grenze, nominiert für den Preis der Leipziger Buchmesse, und Das Gift der Biene.
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Annie Ernaux – Die Super-8 Jahre

Filmstart: 29.12.2022

  • Frankreich, 2022
  • 64′
  • FSK 0
  • Dokumentarfilm
  • OT: Les Années Super 8
  • Regie: Annie Ernaux, David Ernaux-Briot
  • Mit: Annie Ernaux

Annie Ernaux blickt auf ihr Leben & Wirken als Nobelpreisträgerin zurück

Im Winter 1972 gründet die französische Schriftstellerin Annie Ernaux mit ihrem Ehemann Philippe eine Familie, und die beiden legen sich eine Super-8-Kamera zu. In der Folge zeichnen sie über 9 Jahre ein französisches Mittelklasse-Leben auf, nicht nur Szenen einer Ehe, sondern auch Reisen an politisch außergewöhnliche Orte wie Chile, Albanien oder Russland werden dokumentiert.

ANNIE ERNAUX – DIE SUPER-8-JAHRE (1972 bis 1981) ist das feministische Dokument eines 9-jährigen Aufbruchs einer jungen Frau, die am Anfang noch von der Kamera ihres Mannes beim verschämten Schreiben ertappt wird, weil sie als junge Mutter und Lehrerin andere Pflichten hat, als ihren Weg als Schriftstellerin zu suchen. Aber am Ende, nach der Trennung von ihrem Mann, wird ihr mit ihrem Buch „Der Platz“ der internationale Durchbruch gelingen. (Quelle: Verleih)

Mephisto Kino ab Do. 29.12., 18:30

Montag, 13.Juni

Heute haben
Heinrich Hoffmann * 1809
Johann Gottfried Seume * 1810
W.B.Yeats * 1865
Fernando Pessoa * 1888
Dorothy Sayers * 1893
Anna Maria Ortese * 1914
Irving D. Yalom * 1931
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„Die meisten Menschen haben überhaupt gar keine Meinung, viel weniger eine eigene, viel weniger eine geprüfte, viel weniger vernünftige Grundsätze.“
Johann Gottfried Seume
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Ein neues Buch aus der Naturkunden-Reihe:


Samuel Hamen: „Quallen
Naturkunden 81, Herausgegeben von Judith Schalansky
Matthes & Seitz Verlag € 20,00

Das schreibt der Verlag:
Seit Menschengedenken entziehen sich die Medusen jeglicher Festschreibung. Sie winden und wandeln sich wie organisiertes Wasser in den sie umströmenden Wellen und lassen die Imagination Funken sprühen. Doch gleich, ob als Störfaktor oder Symbol des Digitalen und Immersiven, als gestalterische Idee des Art Déco, als rückgratloses Schreckbild, Alien des Meeres, queeres Wappentier oder alarmistisches Emblem eines radikalen Wandels, bei dem selbst Wissenschaftler:innen mitunter an ihre Grenzen stoßen – Quallen, so zeigt Samuel Hamen in diesem schillernden Portrait, zucken nicht mit Wimpern, sondern mit Tentakeln, die je nach Art schon bei flüchtigem Kontakt starke Verbrennungen verursachen können. Wer es dennoch wagt, ihren Schwebebewegungen zu folgen, dem offenbart sich ein Einblick in die früheste Erdgeschichte wie auch in alle erdenkbaren Zukünfte.

Leseprobe
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Hardy on Tour
Tag 17 
119 km von Thorverton über Taunton nach Clevedon

Ein recht ruhiger Radsonntag war das. Morgens ohne Wind und Sonne. Kühl und ab Nachmittag mit Sonne und Wind dann sehr angenehm, wenn der Wind einen angeschoben hat. Glücklicherweise war das tendenziell auch meist der Fall, aber da die Route heute viele Zickzack Abweichungen hatte, habe ich den Wind aus allen Richtungen mal ausprobieren dürfen und war dann umso mehr dankbar, daß ich meist die günstigste Variante hatte.
20 Kilometer ging es vor Bridgwater dem Kanal entlang. Llingt leider besser wie es war, da der Weg recht holprig und eingewachsen war und etlich Sonntagsausflüger zudem ein Vorwärtskommen deutlich entschleunigten. Die Briten lieben ja Hunde. Es ist unglaublich wieviele Hunde es hier gibt. Meist an der Leine, eher kleinere Rassen und meist auch wohlerzogen und auch in Sachen Hundehaufen wegräumen sind die Briten diszipliniert, wenn auch der ein und andere mal „vergessen“ auf dem Wege liegt.

Um die Versorgung braucht man sich auch sonntags keine Sorgen zumachen. Die kleinen Läden haben den ganzen Tag auf und die großen Supermärkte von 10:00 – 16:00 Uhr. Für viele hier das sonntägliche Ritual: mit dem Auto von zuhause zum kleinen Supermarkt um die Ecke und eine der zahlreichen Sonntagszeitungen holen. Radfahren ist hier eher Sport. Rennradfahrern begegnet man oft. 


Heut hab ich schon recht früh um halb sechs einen Campingplatz angesteuert und freute mich schon auf einen faulen Abend. Musste dann beim Radcheck leider feststellen, daß schon wieder eine Speiche gebrochen ist;. Oft ist das so, wenn mal eine anfängt.
Dank der Anschauungslektion bei Hugo, konnte ich die nun selber austauschen und das Rad halbwegs rund zentrieren. Ich fürchte nun aber, dass das mit den gebrochenen Speichen grad so weiter geht. Nun ja, eine hab ich noch als Reserve und alternativ leg ich wohl oder übel halt einen Rasttag bei einem Radmechaniker ein.
Wir werden seh’n was passiert…..

Dienstag

Heute haben
C.F.D.Schubart * 1739
William Morris * 1834
Dario Fo * 1926
Martin Walser * 1927
Peter Bichsel * 1935
Geburtstag
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Robert Macfarlane: „Karte der Wildnis“
Herausgegeben von Judith Schalansky
Aus dem Englischen von Andreas Jandl und Frank Sievers
Matthes&Seitz Verlag € 34,00

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Wie es ist, in den Wald zu gehen und auf einen Lieblingsbaum zuklettern, den man schon in der Kindheit kannte? Wie es sich anfühlt, dort oben auf die anderen Bäume herunterzuschauen und zu sehen, wie die Äste sich im Wind, hier sogar Sturm, wiegen. Damit beginnt der Autor seinen Essay-Roman, der im Englischen 2007 herauskam und mit zahlreichen Preisen überschüttet worden ist. W.G.Sebald hätte an dieser Art von Literatur seine große Freude. Die Sprache fließt wie ein großes Gedicht und nimmt uns mit in die Wildnis. Aber wo ist heute noch Wildnis? Unberührte Natur in England vor ca. zehn Jahren? Gar nicht so einfach zu finden. Oder vielleicht doch? Sind es nicht einfach auch nur die Ecken um’s Haus. Der Hinterhof, oder das Tal ein paar Kilometer weit entfernt? Gestern erzählte mir mein Nachbar beim Geburtstagsbier, dass er beim erstmaligen Übertritt der Grenze von der DDR in die BRD vom Grenzer einen Autoatlas ins Auto geworfen bekommen habe. Jedes Auto. Und das war nicht das einzig Verwunderliche. Auf dem Autoatlas waren die BRD, Österreich und die Schweiz zu sehen und nicht nur weisses Niemandsland, wie bisher in seinem Leben. Statt Wildnis also aufgezeichnete Straßen und Städte, Bahnlinien und Küsten. McFarlane sucht diese weissen Flecken und beginnt seine Reise ganz in der Nähe, zieht weiter zu Freunden und Bekannte, die ihm im Norden von England, auf Inseln Unberührtes empfehlen, zeigen, ihn dort hinführen. Und umso mehr er dorthinreist, die Gegenden abwandert, wandelt sich dieses Buch zu eine Reise ins Innere, in die Zeit und aus einem kleinen Flecken wird eine Philosophie des Lebens. Wobei ich wieder bei Sebald bin, der in seinen Erzählungen Biografien aufgreift, aufschreibt und uns einen riesigen Kosmos präsentiert, der Ort und Zeit zu sprengen scheint.
McFarlane zitiert aus einem Brief eines US-amerikanischen Historikers, der 1960 an einen Beamten schrieb, wie wichtig die Wildnis ist. Eine wilde Gegend sei bei Weitem mehr wert, als sich in der Kosten-Nutzen-Rechnung ihre ökonomischen Erholungswertes oder ihre Reichtums an Bodenschätzen errechnen ließe. Wir brauchen die Wildnis, so der Historiker weiter, weil sie uns an eine Natur erinnert, die außerhalb des Menschen liegt. Wälder, Ebenen, Prärien, Wüsten, Berge: Diese Landschaften zu erleben kann dem Menschen eine Ahnung von Größe geben, die über ihn hinausgeht und die wir in gewisser Weise verloren haben.
Am Ende entsteht diese Karte der Wildnis, die im Englischen: „The Wild Places“ heisst. Keine reale Karte, sondern eine Karte im Kopf von jedem von uns, auf der wir erkennen, wie nahe die Fremde und wie wild unsere Städte sind. Wir müssen es nur zulassen und die Wildnis nicht vergessen.
Vergessen sollten wir auch nicht, wie schön dieses Buch gestaltet ist. Die Naturkunden-Reihe, gestaltet von Judith Schalansky, zeigt sich hier wieder von seiner schönsten Seite und die Karte der Wildnis sticht aus dem Einheitsbrei der schnell produzierten Bücher wie ein großer Baum hervor.

Robert Macfarlane, geboren 1976 in Nottinghamshire, studierte Literaturwissenschaft in Cambridge, und begann schon als Kind mit dem Bergsteigen. Sein erstes Buch Mountains of the Mind (2003) erhielt zahlreiche Preise, darunter den Somerset Maugham Award. Nach einer wissenschaftlichen Arbeit über Plagiate im 19. Jahrhundert veröffentlichte er 2007 Karte der Wildnis. Es wurde von Kritik und Publikum gefeiert und zur Grundlage einer BBC-Dokumentation. 2012 erschien die Fortsetzung Old Ways. 2011 wurde Macfarlane, der auch als Essayist und Kritiker für den Guardian tätig ist, zum Mitglied der Royal Society of Literature ernannt.

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Nicht vergessen. Zwei Veranstaltungen, die wir in den nächsten Tagen in unserer Buchhandlung haben.

Freitag, 27.März um 19 Uhr
Thomas Thiel: Als Militärpfarrer in Afghanistan

Dienstag, 31.März um 19 Uhr
Literalotto
Spass und Literatur mit Florian Arnold und Rasmus Schöll

Samstag

Heute haben Andrej Belyi * 1880
und Ulrich Plenzdorf * 1934 Geburtstag
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Die Sommerzeit geht zu Ende: In der Nacht zum Sonntag (27.10.) werden die Uhren in Deutschland und weiten Teilen Europas wieder um eine Stunde zurückgestellt. Langschläfer können dann eine Stunde länger im Bett bleiben.
Um genau 3.00 Uhr müssen die Uhren wieder auf 2.00 Uhr zurückgedreht werden. Damit zeigen die Uhren für die nächsten fünf Monate wieder die normale Mitteleuropäischen Zeit (MEZ) an, bevor am 30. März nächsten Jahres wieder die Sommerzeit beginnt. Über die Wintermonate ist es dadurch morgens früher hell und nachmittags eher dunkel.
Eher dunkel ist gut. Dann ist es um 18 Uhr kuhnacht und die morgendliche Helle verliert sich doch auch im Dunkel. Das kann ja was werden.
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esel

Esel
Ein Portrait von Jutta Person
Mit zahlreichen farbigen Abbildungen, Kleinoktav-Format
144 Seiten, flexibler Einband, fadengeheftet und mit Kopfschnitt
40 Abbildungen.
In der Reihe Naturkunden, die von Judith Schalansky herausgegeben wird.
Matthes und Seitz Verlag € 18,00

Störrisch, dumm, eigensinnig und geil – die Eigenschaften, die dem Esel zugeschrieben werden, sind selten schmeichelhaft. Und doch spielt kaum ein Tier in der Kulturgeschichte eine so bedeutende Rolle wie der Esel.
Jutta Person erzählt die erstaunlich reiche Geschichte dieses faszinierenden Lastentiers und betreibt eine Charakterologie des Esels. Sie trifft prominente Eselzüchter und portraitiert domestizierte und wilde Eselarten. Nicht zuletzt zeigt sie, wie klug dieses vermeintlich dumme Tier mit den schönen Augen ist – und wie viel wir von ihm lernen können. Aber nicht nur das. Die Eselzüchter sind nämlich der Schwäbischen Alb und aus einer Herde von 70 Tieren i-aht es gehörig durch die Seiten. Und bitte nicht vergessen: Der Esel in der Weltliteratur. Auch das ist er störrisch und dumm, aber auch ein ausgezeichneter Liebhaber und Träger prominenter Menschen, wie z.B. Jesus.
Es beginnt mit den Ohren. Die Stellungen, ihre Drehungen sind eines der markanten Zeichen des Tieres. Nietzsche war stolz auf seine kleine Ohren und bezeichnete sich, als ausgewiesener Eselhasser, als Antiesel. Mit diesen großen Ohren könnte man ja fast wegfliegen, und im Italienischen ist ein asino volante, also ein fliegender Esel, einer, dem man alle erzählen kann.
Jutta Person stellt am Ende des Büchleins verschiedene Eselarten vor, dargestellt in schönen alten Stichen. Aber bis wir dort ankommen staunen wir wieder über das spezielle Vorsatzpapier. Diesmal in pink. Ein knallrot leuchtet uns von den Fäden entgegen, die die Seiten zusammenhalten. Warum nur diese Faben? Beim ersten Band über die „Krähen“ gab es die gelbe Farbe für die Schnäbel. Aber rot? Das könnte uns Frau Schalansky irgendwann erklären. Aber zurück zum Inhalt des Buches: Woher sie kommen, die Eseltiere erzählt uns Jutta Person, genauso wie die irren Vermischungen von Mensch und Esel in Darstellungen zur Phsiognomik.
Am Schönsten sind natürlich für uns Buchhändler  sind die Zitate aus der Literatur. Das mit Jesus haben ich schon erwähnt. „Der Esel Benjamin“ kennen wir seit unserer Kindergartenzeit, später kam noch Sancho Panzas Esel dazu. Die Eselmetamorphose in Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ nicht zu vergessen. Und für uns Erwachsene gibt es einen der ältesten Romane überhaupt: „Der goldene Esel“, in dem sich ein Mann durch eine Salbe in einen Esel verwandelt, anstatt dass die Salbe ihm als eine Art Viagra dienen sollte. (Diese Römer!). Es gibt Buridans Esel, der sich zwischen zwei Futterhaufen nicht entscheiden kann und dadurch verhungert. Stevenson wanderte mit einem Esel durch die Cevennen, wir landen bei Giordano Bruno und es gibt natürlich noch „I-Ah“, den melancholische Esel aus Puh der Bär.
Sie merken schon, die paar wenigen Seiten haben es in sich. Dabei habe ich nur einen Bruchteil von dem erwähnt, was Sie alles noch darin finden werden.
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Um nochmals auf Christine Schäfer zurückzukommen, deren Bachkantaten-CD ich gestern erwähnt habe.
Hier die wunderbare Arie des Cherubinos: „Voi che sapete“ aus Mozarts „Hochzeit des Figaro“ mit Netrobko und Nikolaus Harnoncourt am Pult.

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=t69uywrlatU]

Die komplette Aufführung finden Sie in zwei Teilen auch auf youtube.

Hier die gleiche Arie, die gleiche Sängerin, aber in der Inszenierung von Christoph Marthaler.

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=TlQA2Cgg18Y]