Heute haben Eugenio Montale * 1896 Ding Ling * 1904 Geburtstag _____________________________________
Christian Morgenstern Blätterfall
Der Herbstwald raschelt um mich her. Ein unabsehbar Blättermeer Entperlt dem Netz der Zweige.
Du aber, dessen schweres Herz Mitklagen will den großen Schmerz: Sei stark, sei stark und schweige!
Du lerne lächeln, wenn das Laub Dem leichteren Wind ein leichter Raub Hinabschwankt und verschwindet. Du weißt, dass just Vergänglichkeit Das Schwert, womit der Geist der Zeit Sich selber überwindet. ______________________________________________
Von Peter Hacks kommt dieser Liedtext, der in vielen Lese- und Liederbücher auftaucht. Jetzt wurde er neu, frech und witzig illustriert und in ein handliches Pappbilder gepackt, damit die Kleinen das überall hintransportieren können, um gemeinsam mit den Großen zu singen. Auf der leitzte Seite ist der Text nochmals abgedruckt mit Klaviernoten und Gitarrenakkorden. Jetzt färben sich die Blätter bunt. Aus dem fetten Grün wird eine tolle Farbenpracht. Aber Achtung, wenn dann die Herbstwinde kommen, fliegen die Blätter von den Bäumen und zurück bleiben nackte Äste. Aber: Es kommt auch wieder ein neuer Frühling.
Heute haben de Sade * 1740 Thomas Hardy * 1840 Max Aub * 1903 Marcel Reich-Ranicki * 1920 Sibylle Berg * 1962 Geburtstag _______________________________________
„Frühling lässt sein blaues Band ….“ Naja, es war doch ein arg kühler Mai und es hat immer noch an Regen gefehlt, habe ich gelesen. Und schon sind wir im Juni, die VerlagsvertreterInnen und -Vertreter scharren mit den Hufen und noch drei Wochen und wir haben den längsten Tag des Jahres.
Im bunten Wiesenstück Blütenduft und erste Früchte Düstere Junitage Der Sommer ist da Besondere Tage
So nennen die Herausgeberinnen die einzelnen Kapitel. Herausgesucht habe ich drei Gedichte aus der bunten Auswahl in diesem Reclam Bändchen.
Christian Morgenstern Butterblumengelbe Wiesen
Butterblumengelbe Wiesen, sauerampferrot getönt – o du überreiches Sprießen, wie das Aug‘ dich nie gewöhnt!
Wohlgesangdurchschwellte Bäume, wunderblütenschneebereift – ja, fürwahr, ihr zeigt uns Träume, wie die Brust sie kaum begreift.
Wilhelm Runge Blumen flattern Sommer
Blumen flattern Sommer Duften nimmt beide roten Backen voll Falter wiegen Wald Goldkäfer schreien Mücken strampeln himmelauf und ab heiß im Arm der Fische hängt das Bächlein Unken patscht Libellenflügel wach
Zweige lachen tuscheln sonnen strömen Vögel wogen Wiesen liegen flach ziehn die Ahorndolden an den Händen böse schelten Bienen in den Bart Zwitschern streckt die sommerschweren Glieder taumelnd tollt des Atems Flügelschlag und der Augen wilde Rosen springen.
Das Denken träumt Gelächter reimt die Straßen zum Tanz des Blutes schläfenaufundab die Adern blinzeln Frühling durch die Knochen und schlürfen tief den schweren Himmel ein Wind spielt der Augen froh geschwellte Segel der Stirne Knoten löst vom Tode sich weiß über Wiesen schnattern Dörfer hin die Städte fauchen und zankend zerrn die Pulse ihre Zügel nur deine Seele spielt im Sternjasmin Lieb-Brüderchen Maßloslieb-Schwesterlein
Rosen nicken aus den Junistunden trällern Sommerblau den Matten hin mild aus tiefstem Herzen grünt die Heimat ihre Lippen murmeln wälderschwer überwelthin schwingt die Sterne Zeit Kinderwangliebkinderwanggereiht Krieg brüllt auf die wilden Blumen schrein Sonne leckt Gestöhn aus allen Poren Frieden holt den tiefen Atem ein und der Nächte durchgewühlte Locken
schmeicheln um der Seele zitternd Knie Angst zerreißt der Sterne Himmelglanz und der Abend drückt die Augen blind einsam geigt tief hinter Blut geduckt ewger Kindheit wildumsehntes Glück und der Sehnsucht über die Welt hängende Herzen schlagen
Klabund Die Wirtschafterin
Drei Wochen hinter Pfingsten, Da traf ich einen Mann, Der nahm mich ohne den geringsten Einwand als Wirtschafterin an.
Ich hab‘ ihm die Suppe versalzen Und auch die Sommerzeit, Er nannte mich süße Puppe Und strich mir ums Unterkleid.
Ich hab‘ ihm silberne Löffel gestohlen Und auch Bargeld nebenbei. Ich heizte ihm statt mit Kohlen Mit leeren Versprechungen ein.
Ich habe ihn angesch… So kurz wie lang, so hoch wie breit. Er hat mich hinausgeschmissen; Es war eine wundervolle Zeit…
Heute haben Arthur Rimbaud * 1854 Paul Valery * 1871 Peter Bamm * 1897 Otfried Preußler * 1923 Oskar Pastior * 1927 Elfriede Jelinek * 1946 Geburtstag _______________________________________________________________________
Christian Morgenstern Blätterfall
Der Herbstwald raschelt um mich her. Ein unabsehbar Blättermeer Entperlt dem Netz der Zweige.
Du aber, dessen schweres Herz Mitklagen will den großen Schmerz: Sei stark, sei stark und schweige!
Du lerne lächeln, wenn das Laub Dem leichteren Wind ein leichter Raub Hinabschwankt und verschwindet. Du weißt, dass just Vergänglichkeit Das Schwert, womit der Geist der Zeit Sich selber überwindet. ___________________________________________________________________________
Jocelyne Saucier: „Was dir bleibt“ Aus dem Französischen von Sonja Finck und Frank Weigand Suhrkamp Verlag € 22,00
Mit dem dritten Roman, der auf deutsch erschienen ist, bleibt sich Jocelyne Saucier ihrer Gegend treu. Zuerst waren es die alten Männer in den ewigen Wäldern Kanadas, dann die Familie mit über zwanzig Kindern und jetzt eine 76 jährige Frau, Gladys, die einen Zug besteigt und als verschwunden gilt. Die Autorin lässt uns an dieser Reise teilnehmen. Einer Reise durch verschwundene Zeiten, nicht mehr vorhandene Zugstrecken und dahinschwindenden Leben und Biografien. „À train perdu“ heisst der Roman im Original. Erzählt wird diese lange Reise durch Ort und Zeit von einem Journalisten, der Jahre später die Reise nachfährt und Menschen und Bekannte von Gladys von damals befragt. Das hat mich zu Beginn irritiert, dann erkannte ich aber den genialen Trick, den sich Saucier ausgedacht hat, in dem sie Gladys nicht selbst die Geschichte erzählen lässt. Und wieder wartet Saucier mit verrückten, fast unglaublichen Geschichten auf, wie zum Beispiel der School Trains. In einem solchen war Gladys‘ Vater Lehrer und sie wuchs in einem dieser Züge auf, der in regelmäßigen Runden durch das fast unbewohnte Kanada fuhr, für eine Woche Unterricht vor Ort (im Zug) gab und dann nach einigen Wochen wieder auftauchte (und die Hausaufgaben kontrollierte). Genauso tauchen eigenwillige, eigenbrötlicherische Menschen auf, die von der Eisenbahn abhängig sind. Über diese große Strecken hinweg gibt es Freundschaften, die Gladys pflegt(e) und die sich auf ihrer letzten Reise als sehr nützlich erweisen. Ein Buch über die Suche nach der verlorenen Zeit, über abknickende Biografien und unterschiedlichste Lebensläufe in dieser abgelegenden Welt und nicht in Berlin Mitte, Paris, oder New York, das süchtig auf’s Bahnfahren macht.