Donnerstag, 9.März

Heute haben
Peter Altenberg * 1859
Agnes Miegel * 1879
Umberto Saba * 1883
Vita Sackville-West * 1892
Marie Cardinal * 1929
Ota Filip * 1930
Keri Hulme * 1947
Geburtstag.
Es ist der Todestag von Charles Bukowski.
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„Das Leben ist so kurz, und die Menschen verstehen es nicht einmal, sich aus den doch noch bestehenden vierundzwanzig Stunden ein kleines, feines, flüchtiges Paradies zu machen!“
Peter Altenberg
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Gestern erschienen:


Gilda Sahebi: „‚Unser Schwert ist Liebe‘
Die feministische Revolte im Iran
S.Fischer Verlag € 24,00

Gilda Sahebi, im Iran geboren und in Deutschland aufgewachsen, ist ausgebildete Ärztin und studierte Politikwissenschaftlerin. Sie arbeitet als freie Journalistin mit den Schwerpunkten Antisemi-tismus und Rassismus, Frauenrechte, Naher Osten und Wissenschaft. Sie ist Autorin für die ‚taz‘ und den ‚Spiegel‘ und arbeitet unter anderem für die ARD. Seit dem Tod von Jina Mahsa Amini und der darauf folgenden Protestbewegung berichtet sie unermüdlich über die Geschehnisse im Iran.
Diese aktuellen Berichte finden sich in dieser Neuerscheinung wieder. Fast unerträglich ist es zu lesen, wie das Regime in Iran Menschen auf offener Straße ermordert, Jugendliche erschießt, in Gefängnisse steckt und nach ein paar Tagen behauptet, die Personen hätten Selbstmord begangen. Kaum zu glauben, dass es immer noch zu Protesten kommt, wo doch die Repressalien immer heftiger werden.
Gilda Sahebis Buch ist gestern, zum Weltfrauentag, erschienen und sie schreibt: „Was im Iran geschieht, ist feministische Weltgeschichte.“
Gilda Sahebi schreibt, in historischen Rückblicken, wie es dazu kommen konnte, wie der Unterdrückungsapparat seit Jahrzehnten existiert und zum Machterhalt des Regimes dient.
Auf Kosten von Freiheit und vieler, vieler Menschenleben.

Leseprobe

Gilda Sahebi ist Morgen, Freitag, 10.März, von 14.00 bis 16.30 Uhr im Stadthaus Ulm und hält einen Vortrag genau zu diesem Thema im Rahmen der Ulmer Denkanstöße.

Am Samstag, den 11.März ist die Vernissage zur Ausstellung im Haus der Begegnung Ulm.


Ausstellung: „Frau, Leben, Freiheit“                                         

Illustrationen von Demonstrierenden der Revolution im Iran vom 11.3.- 21.4.2023
täglich 9-18 Uhr, Sonntag bis 16 Uhr im Haus der Begegnung

Herzlich willkommen zur Vernissage: Samstag, 11. März um 18.00 Uhr im Haus der Begegnung
Bei der Vernissage wird es eine Liveschaltung zu der Künstlerin Naghmeh Jah aus Kanada geben und die Schauspielerin Jasmin Tabatabai spricht per Videobotschaft zur Situation im Iran.

Dienstag, 29.September

Heute haben
Miguel de Cervantes Saavedra * 1547
Christian Friedrich Hunold * 1680
Miguel de Unamuno * 1864
Ingrid Noll * 1935
Gaston Salvatore * 1941
Geburtstag
und es ist der Todestag von Carson McCullers
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Christian Friedrich Hunold
Der Streit der Liebe

Die Welt liegt stets im Streit: doch dencket nicht ihr Helden/
Die ihr der Erden-Kreiß mit Stahl und Eisen zwingt/
Daß ich von eurem Kampf/ von Mord und Blut will melden/
Und wie ihr Land und Leut in eure Feßel bringt.

Ich meine diesen Krieg/ den wir mit Lieben führen/
Mit Liebe/ die diß Rund in ihre Bande schlägt/
Durch welche wir Gewalt an Leib und Seele spühren/
Und die die Helden auch zu ihren Füßen legt.

Die Liebe heißt das Band des Himmels und der Erden/
Wenn sie vollkommen ist: Wenn wir an Gott verknüpft/
Und mit der Welt in Gott zugleich verbunden werden/
Denn ist die Freude rein/ die in dem Hertzen hüpft.

Wenn aber uns die Welt zu ihren Gütern reißet/
Zur Schönheit die vergeht/ zu eitler Ehr und Lust/
Und uns mit Leib und Seel darein verlieben heißet:
So brennt verbotne Gluht in der verkehrten Brust.

Mit dieser Liebe hat ein Irdischer zustreiten.
Löscht er ihr Feuer aus und zündet neues an/
Das Oehl vom Himmel hat/ so schmeckt er Süßigkeiten/
Und fühlt was oben her ein Freuden-Feuer kan.
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Annette Mingels: „Dieses entsetzliche Glück“
Penguin Verlag € 20,00

Annette Mingels dritter Roman entführt uns in eine kleine Stadt im Nirgendwo der USA.
So richtig angemacht hat mich das Buch nicht. Eines unter vielen auf unserem Neuerscheiunungstisch. Dann der erste Satz, der erste Abschnitt:

Retter

Ziemlich genau vor einem Jahr hatten Robert und Amy eine Vereinbarunggetroffen: sie durften beide mit anderen schlafen. Das Problem war nur, dass Robert das gar nicht wollte.

Stark!, dachte ich und las weiter, tauchte ein in das Leben der beiden, mitten in der Provinz auf der Suche nach etwas Glück, Zerstreuung, einem anderen Ausblick. Annette Mingels hatte mich mit diesem ersten Abschnitt gepackt. Nicht wegen des Themas, sondern mit einem gekonnten Trick. Und so nahm mich die Autorin an die Hand und zeigte mir noch mehr Menschen in dieser kleinen Stadt, die sich täglich über den Weg laufen, die sich grüßen und gar nicht richtig kennen (aber wir, da sie in den Kapiteln davor schon aufgetaucht sind) und wieder aus den Augen verlieren. Wir erfahren gerade so viel über ihre Wünsche und Hoffnungen, damit wir weiterlesen wollen, um zu erfahren: warum, weshalb.
Annette Mingels webt gekonnt einen Roman in einzelnen Erzählsträngen, verknüpft Personen und Geschichten, springt auch mal in den Zeiten und macht am Ende einen perfekten Knopf an diesen Teppich.
Und die Menschen vor Ort? Sie suchen und finden das Glück, sie benutzen es und lassen es durch ihre Finger rieseln. Es ist dieses entsetzliche Glück, das wir auch kennen und oft nicht zupacken, wenn es vorbeikommt.
Für mich eine literarische Entdeckung, die ich allen LeserInnen hiermit empfehle.
Ein Roman, den Sie sicherlich in einem Rutsch lesen werden.

Donnerstag, 25.Oktober

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Heute vor einem Jahr habe ich diesen Text hier veröffentlicht:

Dorothea „Doro“ Rechenberg lebt nicht mehr.
Sie war ein Freundin der besonderen Art. Sie war einfach da, obwohl sie weit weg war.
Sie umsorgte, beschickte mich und uns. Sie sprudelte vor Lebensfreude. Hatte Freude, anderen eine Freude zu bereiten. Bücher, Garten, ihr Fahrrad Traudl, die Fahrten mit ihrem Mann im Bulli und immer wieder Menschen, Menschen, Menschen.
Sie schrieb Briefe auf Papier, verschickte Weihnachtsgebäck und plötzlich lag wieder ein Umschlag im Briefkasten. Doro war eine Wortakrobatin und Worterfinderin.
Das Schicksal nimmt merkwürdige Wendungen und jetzt ist Doro nicht mehr da.
„Tschakka, du schaffst das!“ würde sie mir schreiben.
Ja, ich versuche es, ich versuch’s.
Vielen Dank.
Gruß von Süd Sam an Nord Doro.
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„Wo die Liebe hinfällt“
Geschichten und Gedichte über ein bemerkenswertes Gefühl
Zusammengestellt von Martha Schoknecht
Diogenes Verlag € 5,00

Weihnachten steht wirklich vor Türe, wenn ich gestern das Weihnachtsbüchle des Diogenes Verlages ausgepackt habe.
Es ist nirgends so richtig verzeichnet und das Titelbild ist auf der Diogenes-Seite nicht zu finden. Weihnachten halt und Überraschung und so.
Und überraschend tolle Texte finden sich in diesem Miniformat-Buch u.a. von Doris Dörrie, Ian McEwan, Patricia Highsmith, Mariana Leky, Robert Walser, Mark Twain und vielen mehr. Da betet ein Mann eine Puppe an, ein Apotheker bekommt kein Wort heraus, eine Busfahrt lädt zu vielen Assoziationen ein und Rosa lächelt.
Dazu gibt es Illustrationen von Christoph Niemann und Thomas Ott. Genial.
Lassen Sie sich verführen. Das Buch passt prima in die linke Manteltasche. In der rechten ist ja das Handy.
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Wort-Reich – Die Lesereise

»Es gehört zu unserem Selbstverständnis als Kulturnation, dass sich in Deutschland neben massentauglichem Gedankengut auch Bücher für literarische und intellektuelle Feinschmecker behaupten können. (…) Gerade die kleinen Buchhandlungen, die es in Deutschland noch in allen Regionen gibt, fördern quer durch alle Altersgruppen die Lust am Lesen und das Gespräch über Literatur – durch kompetente Beratung und inspirierende Veranstaltungen.« So Kulturstaatsministerin Monika Grütters bei der Rede zur Verleihung des Deutschen Buchhandlungspreises. In Kooperation des Theaters mit der Kulturbuchhandlung Jastram, ausgezeichnet mit dem Deutschen Buchhandlungspreis, werden Schauspieler und Schauspielerinnen bei der Lesereihe »Wort-Reich« Texte aller literarischen Genres passend zum Spielplan vorstellen. »Bühnenreife Lesung im Buchhandel« – so lautete die Würdigung der in Detmold begründeten Lesereihe im »börsenblatt«, der 1834 begründeten Zeitschrift der deutschen Buchbranche. Literarisch Hochkarätiges, Unterhaltsames, Brisantes, sensibel, humorvoll oder süffisant vorgetragen zwischen den Regalen der Buchhandlung, das ist Lebenskultur im besten Sinne – 9 mal im Theaterjahr!

Karten zu 8 € sind in der Buchhandlung erhältlich.

Termine:

Mittwochs: 31. Oktober / 28. November 2018 23. Januar / 27. Februar / 27. März / 17. April / 15. Mai 12. Juni / 10. Juli 2019

Beginn ist jeweils 19 Uhr in der Kulturbuchhandlung Jastram, Schuhhausgasse 8

Wort-Reich am 31. Oktober 2018

Tier trifft Mensch: Von Affentheater und Katzenjammer
In Janáčeks Oper vom „schlauen Füchslein“ oder bei Henriette Dushe in „Lupus in fabula“, zwei Theaterpremieren zum Spielzeitbeginn, ist es schon im Titel greifbar: Wir vergleichen uns oft mit Tieren, um so das Menschlich-Allzumenschliche zu erfassen. Und das Erstaunliche ist dabei: Manchmal sind die Tiere in dieser Perspektive die besseren Menschen! Bedeutende Autoren und eher unbekannte Dichter haben sich mit ironisch spitzfindigen und zugleich ernsthaften Texten dem Thema „Tier trifft Mensch“ gewidmet. Wir laden Sie zum Auftakt der neuen Lesereihe des Theaters in der Buchhandlung Jastram zu einer literarischen Exkursion mit humorvollen und geistreichen Werken über den Tier- und Menschenpark Welt ein. Es lesen Ensemblemitglieder des Schauspielensembles.
Geschichten und Gedichte

Donnerstag, 2.August

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Heute haben
Joseph Hayes * 1918
James Baldwin * 1924
Isabel Allende * 1942
Geburtstag.
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Ernst Blass
Vormittag

Den grünen Rasen sprengt ein guter Mann.
Der zeigt den Kindern seinen Regenbogen,
Der in dem Strahle auftaucht dann und wann.
Und die Elektrische ist fortgezogen

Und rollt ganz ferne. Und die Sonne knallt
Herunter auf den singenden Asphalt.
Du gehst im Schatten, ernsthaft, für und für.
Die Lindenbäume sind sehr gut zu dir.

Im Schatten setzt du dich auf eine Bank;
Die ist schon morsch; – auch du bist etwas krank –
Du tastest heiter, daß ihr nicht ein Bein birst.

Und fühlst auf deinem Herzen deine Uhr,
Und träumst von einer schimmernden Figur
Und dieses auch: daß du einst nicht mehr sein wirst.
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Susanne Link empfiehlt:

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Minna Rytisalo:Lempi, das heißt Liebe
Aus dem Finnischen von Elina Kritzokat
Hanser Verlag € 21,00

Drei Menschen erinnern sich an Lempi – an die junge, schöne, verliebte Frau, die Viljami Hals über Kopf heiratet.
Ich habe das Buch mit immer größer werdendem Genuß gelesen und den Prolog gleich mehrmals dazu, denn Minna Rytisalo hat in diesen zwei Seiten schon viel erraten. Eine Autorin, geboren in Lappland, nun Finnischlehrerin und Literaturbloggerin, die ich mir unbedingt merken muss.

5 Fragen an Minna Rytisalo

Frau Rytisalo, „Lempi, das heißt Liebe“ ist ja Ihr Romandebüt. Ein sehr gekonntes Debüt. Was war Ihr Ausgangspunkt und wie lange haben Sie an dem Buch gearbeitet?

Ich wurde vierzig und dachte, es wäre Zeit, etwas zu tun, was ich mein ganzes Leben hätte tun sollen. Die Handlung habe ich mir ausgedacht, während ich Schularbeiten beaufsichtigte (ich bin Gymnasiallehrerin), und es ging alles ziemlich schnell. Im Mai 2015 begann ich zu schreiben, im Januar 2016 habe ich den Vertrag unterzeichnet, und im Juli desselben Jahres erschien das Buch.
Ich hatte zuvor keine fiktionalen Texte geschrieben, aber ich hatte einen eigenen Buch-Blog und eine Kolumne in unserer Zeitung. Statt zu schreiben, habe ich immer gelesen. Das Lesen war tatsächlich meine Schreibschule.

Drei Figuren des Romans erzählen Lempis Geschichte: Viljami, Elli und Sisko. Können Sie diese Figuren und ihre Stimmen mit wenigen Worten charakterisieren?

Ich wollte für jede dieser drei Figuren eine je eigene Stimme finden, diese Herausforderung habe ich mir selbst gestellt. Viljami ist krank vor Liebe, die Sehnsucht nach seiner verschwundenen Frau überwältigt ihn. Er spricht in langen, poetischen Sätzen. Sein Kummer ist so groß, dass er ihn fast erdrückt. Elli, die zweite Erzählstimme, ist die Magd von Viljami und seiner Frau Lempi, und sie ist voller Eifersucht und Hass. Sie spricht in kurzen Sätzen, mit einer leidenschaftlichen, leicht erregbaren Stimme. Sie redet wie eine einfache Frau, aber ohne Dialekt. Die dritte Stimme ist Lempis Schwester Sisko, die das Geschehen aus großem zeitlichem Abstand betrachtet. Jahrzehnte später hat sie sich mit ihrer Vergangenheit ausgesöhnt und spricht undramatisch, neutral, ohne Gefühlsüberschwang darüber.

Wir sehen Lempi nur durch die Augen dieser drei Figuren. Wer ist sie?

Sie zeigt uns, dass wir einander nie vollständig sehen können. Sie selbst hat keine eigene Stimme in dem Buch, sie wird nur von den anderen interpretiert – sie ist ein Rätsel, das sich nicht vollständig auflösen lässt.

Der Roman hat eine große emotionale Kraft – da gibt es Liebe, Eifersucht, Lebenshunger – und zugleich diese raffinierte Erzählstruktur. Wie sind Sie beim Schreiben vorgegangen?

Ich finde die Art, wie eine Geschichte erzählt wird, viel interessanter als die Geschichte selbst. Ich wollte in allen drei Teilen des Buchs eine Spannung erzeugen, aber das Faszinierendste für mich sind der Stil und die Schattierungen und Töne der Sprache.

Der Roman spielt vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs in Lappland und wir erfahren einiges über die finnisch-deutsche Geschichte. Was bedeutet dieser historische Background für Sie?

Großmutter hat mir davon erzählt, wie sie ihr Zuhause verlassen und fliehen mussten, als der Lapplandkrieg mit Deutschland begann. Sie erzählte mir, wie hart und schrecklich es war, in das verbrannte Dorf zurückzukehren. Ich verbrachte meine Kindheit zwischen sichtbaren Zeichen des Krieges: Da gab es einen alten Keller und eine alte Sauna, von denen jeder wusste, sie hatten den Brand in unserem Dorf überstanden; meinem Großvater fehlte an einer Hand ein Finger, und er wollte nie über seine Erfahrungen auf dem Schlachtfeld sprechen. Aber was in Lempi erzählt wird, stammt nicht von meiner Familie, sondern aus meiner Fantasie.
Ich wusste auch immer, dass finnische Frauen sich mit deutschen Soldaten in Lappland eingelassen hatten, der Dokumentarfilm Auf Wiedersehen, Finnland (2010) von Virpi Suutari hat mich stark beeindruckt. Der dramatische Moment, in dem aus deutschen Freunden und Geliebten in einer Nacht Feinde wurden, ist ein sehr interessanter Augenblick unserer Geschichte.

Leseprobe

Montag

Heute haben
Verner von Heidenstam * 1859 (Nobelpreis 1916)
Emil Barth * 1900
Unica Zürn * 1916
Hans-Jürgen Heise * 1930
Bernhard Schlink * 1944
Bodo Kirchhoff * 1948
Hilary Mantel * 1952
Marck Bienczyk * 1959
Geburtstag
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Unser Buchtipp des Tages:

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Natasha Farrant: „Die Geschwister Gadsby und die Liebe“
Aus dem Englischen übersetzt von Annette von der Weppen
Carlsen Verlag € 15,99
als E-Book € 10,99
Jugendbuch ab 11 Jahren

Endlich! Teil 2 der Tagebücher von Bluebell Gadsby. Ob das gutgeht? Nach dem sehr pfiffigen, frechen, witzigen ersten Teil, hatte ich meine Zweifel. Aber: Das Warten und Lesen hat sich gelohnt „Flora in Love“, wie der Titel im Original heisst, ist in der Wortwahl und in den Handlungssträngen noch ausgereifter.
Wie gesagt, die große Schwester Flora ist verliebt. Und wie! Blue(bell) hat auch zum ersten mal einen Freund, aber der erste Kuss fühlt sich gar nicht so dolle an. Und überhaupt, sie hat keine solche Gefühlsausbrüche, wie Flora und versteht deren Getue nicht so recht. Auch bei den jüngeren Geschwister geht wieder sehr viel durcheinander. Twig ist ausser sich, da die Haustiere der Gadsbys nicht mehr da sind. Der schusselige Papá die Käfigtüre der Ratten nicht geschlossen hat und die sind nun über alle Berge. Und Jas(min)? Die möchte bei einem öffentlichen Gedichtwettbewerb mitmachen, der allerdings nur für Erwachsene ist. Also braucht sie einen Strohmann.
Was macht das au-pair Zoran? Na, der hat studiert, ist ausgezogen, gibt Musikunterricht, ist jedoch dauernd Anlaufstelle für für alle Probleme der Kinder und kommt überhaupt nicht zur Ruhe.
Und die Eltern? Sie waren doch im ersten Teil total durchgeknallt und haben für die größte Verwirrung gesorgt. Vater Gadsby ist freier Schriftsteller geworden und arbeitet zuhause (nicht ganz einfach bei diesem Tollhaus) und die Mutter jettet nicht mehr um die Welt, sondern arbeitet für ein lokales Unternehmen und ist auch viel mehr daheim, als früher. Aber warum streiten die beiden sich schon wieder? Sie hatten sich doch kleine Flitterwochen gegönnt und kamen glücklich aus dem Urlaub zurück. Warum hat die Mutter immer Heisshunger und ist die Erdnussbutter mit dem Finger direkt aus dem Glas?
Sie merken schon: Einfach wird dies nicht.
Gekonnt frech, witzig nimmt uns die Autorin mit auf die Reise durch die Gefühlswelten der Gadsbys. Dass auch die Grossmuter das Durcheinander nicht lösen kann, ist eh klar. Einigermaßen den Durchblick hat noch Ex-au-pair Zoran, aber der bekommt von jedem seine Sorgen zu hören, nimmt ein „Waisenkind“ auf und verliebt sich im Endspurt des Romanes auch nicht.
Natasha Farrant hat wieder voll in die Trickkiste gefasst, verwickelt ihre Handlungsstränge immer mehr und schafft es dann im letzten Augenblick das Wirrwarr zu entknoten. Diese Mischung aus Tagebucheintragungen und den erzählten Filmsequenzen von Blue (die mit ihrer neuen Kamera immer wieder direkt draufhält) machen diesen Mädchenroman zu einer perfekten Unterhaltung. Dass dann auch noch etwas Ernstes mit verbacken worden ist. Na gut. Muss wohl so sein und ist auch stimmig eingebttet.
Ideale Reinziehlektüre.
Großer Fehler: Das Buch ist viel zu dünn und hat nicht mal 250 Seiten.
Lieber Natasha Farrant: Wir brauchen mehr. Wir warten auf Teil 3.
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Nach dem unglaublichen schönen Fest zum 25jährigen Jubiläum geht es morgen, Dienstag gleich wieder weiter.
Ab 19 Uhr liest Clemens Grote wieder aus vier neuen Büchern, wie an jedem ersten Dienstag im Monat.
Wir freuen uns auf Ihr/Euer Kommen.

Mit dabei diesmal:

– Carl Nixon: Rocking Horse Road
– Davide Longo: Der Fall Bramard
– Kristine Bilkau: Die Glücklichen
– Laurie Lee: Cider mit Rosie
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