Donnerstag, 2.Februar

Heute haben
Johann Christoph Gottsched * 1700
James Joyce * 1882
Aldo Palazzeschi * 1885
Ayn Rand * 1905
Hella Haasse * 1918
Joanna Bator * 1968
Geburtstag
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Kurt Tucholsky

Ich gucke freundlich um die Oecke
und greife voller Seelenruh
der Muse unter ihre Röcke . . .
Und dabei, Leser, siehst du zu –?

Sie quietscht. Ich grinse. Sie verstehen:
Nicht immer gilt der Klassik Maß.
Denn was wir im Verborgnen drehen,
macht uns am allermeisten Spaß –!

(aus: Fromme Gesänge)
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Unser Bilderbuchtipp:


Franz Hohler (Text) und Kathrin Schärer (Illustrationen):
Das kleine Wildschwein und die Krähen
Hanser Kinderbuchverlag € 16,00
Bilderbuch ab 3 Jahren

Das Wildschwein-Ehepaar bringt ihren Kindern bei, wie sie die Erde aufwühlen, um an Wurzeln zu kommen, oder Stängel abknicken, um Maiskolben essen zu können.
Das kleinste Wildschwein hört jedoch lieber den Vögeln zu und grunzt im Bass mit. das gelingt so gut, dass es in den Vogelchor aufgenommmen wird. Großes Kopschütteln bei den verwirrten Eltern. Das kleine Wildschwein teilt sogar seine Maiskolben mit den Vögeln. Das geht so lange gut, bis es krank wird und auch Kastanien, die der Vater extra jenseits des Gotthardpasses holt nichts mehr helfen. Immer dünner wird das Kleine. Auch der Gesang der Vögel nützt nichts mehr. Nur Kastanien aus Paris würden es retten, meint der Wildschweindoktor. Aber so weit kann kein Wildschwein rennen. Wie gut, wenn man Freunde hat, die fliegen können …

Eine herrliche Tiergeschichte von Franz Hohler und in ihrer gekonnten Art passend illustriert von Kathrin Schärer.

Leseprobe
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Hier eine kleine Vorschau unserer Veranstaltungen:

Dienstag, 7.Februar, 19 Uhr
„Die 1.Seite“

Wir stellen folgende Bücher vor:
Claire Keegan: „Das dritte Licht“
H. W. Richter: „Geschichten aus Bansin“
Milena Michiko Flasar: „Oben Erde, unten Himmel“
Adi Hübel & Dietmar Herzog präsentieren ihr Buch: „Bei Anruf Wort“

Bei uns in der Buchhandlung
Eintritt frei

Die „1.Seite“ gibt es immer am 1.Dienstag im Monat um 19 Uhr.
Also am 7.3., 4.4. … Im Mai fällt die „1.Seite“ aus.

Dienstag, 14.Februar, 19 Uhr
Jana Bürgers und ihre Zeit in der Ukraine

Im Rahmen der „Winterhilfe für die Ukraine“
des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels.
Im Anschluß Lyrik auf ukrainisch und deutsch
Bei uns in der Buchhandlung
Eine Spendenkasse steht bereit

Dienstag, 28.Februar, 19 Uhr
SüdwestPresse Forum
Elisabeth Zoll: „Wir bleiben!“

Warum sich Frauen aus der katholischen
Kirche nicht vertreiben lassen.
Im Stadthaus Ulm
Eintritt € 6,50

Mittwoch, 19.April, 19 oder 20 Uhr
Janina Hecht: „In diesen Sommern“

Sparkasse Ulm, Neue Mitte

Freitag, 28.April, 19 Uhr
Milena Michiko Flasar: „Oben Erde, unten Himmel“

Bei uns in der Buchhandlung
Eintritt € 10,00

Mittwoch, 25.Oktober, 19 Uhr
Judith Hermann: „Wir hätten uns alles gesagt“

Ort noch nicht bekannt
Eintritt € 10,00
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Konferenz Arctic Frontiers
„Die Arktis verliert ihren Schutzschild“

Das arktische Eis schmilzt schneller als gedacht. Über die Folgen debattieren Experten auf einer Konferenz im norwegischen Tromsö. Warum die Lage trotzdem nicht ausweglos ist, erklärt Meeresbiologin Boetius im Interview.

tagesschau.de: Bei der Konferenz geht es darum, wie der Klimawandel die Arktis verändert. Wie sehen die Auswirkungen aus?

Antje Boetius: Die sind recht dramatisch, so sagen es alle hier. Ob es die Vereinigung der Bürgermeister der Arktis ist, ob es die Vertreterinnen und Vertreter der indigenen Völker sind, ob Wissenschaft oder Politik – alle sind sich einig: Keine andere Region der Erde steht vor solchen Herausforderungen, denn die Erderwärmung schreitet hier drei- bis viermal so schnell voran wie im Rest des Planeten.

Und das merkt man bei Eis und Schnee, bei Extremwettern oder bei der Frage nach den Chancen der jungen Generation. Die Frage ist: Wie geht man damit um, dass diese Krise überall zu merken ist und alle betrifft?

.

Das komplette Interview finden Sie hier auf tagesschau.de vom 1.2.2023

Mittwoch, 14.November

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Heute haben
Isabelle Eberhardt * 1877
Curt Götz * 1888
Mario Soldati * 1906
Geburtstag.
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Curt Götz

„Takt ist die Fähigkeit, einem anderen auf die Beine zu helfen, ohne ihm dabei auf die Füße zu treten.“

„Das Denken ist zwar allen Menschen erlaubt, aber vielen bleibt es erspart.“
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Claudia Wiltschek empfiehlt:

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Zanna Sloniowska:Das Licht der Frauen
Aus dem Polnischen von Olaf Kühl
Kampa Verlag € 22,50
Lemberg 1988, eine Stad , geprägt von den Wechselfällen der Geschichte. Das sowjetische Reich ist im Umbruch, die baltischen Staaten lösen sich ab und in Lemberg sind die Menschen auf den Strassen , um für die Unabhängigkeit der Ukraine zu demonstrieren.
Marianna, eine beliebte Opernsängerin, wird auf offener Strasse erschossen. Ihre 11jährige Tochter, Erzählerin dieses Romanes lebt ab jetzt mit Urgrossmutter und Großmutter in der gemeinsamen Wohnung.
Eine Wohngemeinschaft in der auch Marianna gelebt hatte, eine Zwangsgemeinschaft von vier Frauen, in der mehr Streit, wie Harmonie herrschte. Die Urgrossmutter aus Leningrad umgesiedelt, fühlt sich als Russin. Aba , die Grossmutter ist überzeugte Polin und in Marianna schlägt ein ukrainisches Herz. Jede von Ihnen hat ein Leben aus Verzicht, Verfolgung und Freiheitsdrang hinter sich, ein Leben mit Männern, die entweder verhaftet oder abgehauen sind. Mit der Erzählerin tauchen wir in diese verschiedenen Epochen ein, lernen das alte und nun marode Lemberg kennen, in dem es verboten ist unter Balkonen zu laufen, da sie gelegentlich abbrechen.
Im letzten Kapitel finden wir uns inmitten einer eskalierenden Demonstration auf dem Majdan wieder. In das Land ist immer noch keine Ruhe eingekehrt.
Es ist die Geschichte von vier starken Frauen, von Müttern und Töchtern, die alle an die Freiheit glauben, dessen Sprache mich begeistert und mir eine geschichtsträchtige Stadt näher gebracht hat.
Zanna Sloniowsaka, wurde 1978 in Lemberg geboren, zählt Ukrainisch, Russisch und Polnisch zu ihren Muttersprachen und wurde für diesen Roman mit dem wichtigsten polnischen Literaturpreis für Debütanten ausgezeichnet.

Mittwoch, 24.August

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Heute haben
Jean Rhys * 1890
Jorge Luis Borges * 1899
AS Byatt * 1936
Joshua Sobel * 1939
Paulo Coelho * 1947
Stephen Fry * 1957
Michael Kleeberg * 1959
Geburtstag
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Abend aber lau
das Alleinsein lädt sich auf
macht keine Szene

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Ilma Rakusa:Impressum: Langsames Licht
Gedichte
Droschl Verlag € 20,00

15 Jahre hat es gedauert, bis Ilma Rakusa einen weiteren Gedichtband veröffentlicht hat. Jetzt liegt er vor und beim ersten Aufschlagen habe ich ein Ulm-Gedicht entdeckt.

Ulm, Farbenlicht

Ziemlich banal: Schneegstöber,
Nackenverspannung, bei Rossmann
Nivea Vital gekauft und ab.

Guten Tag. Gute
Hoffnung. Wir werden nicht
verloren sein. Etwas besoffen
zum Bahnhof, als flöge ich.
Die Landschaft mit Rind und
Jesuskind begleitet mich.

Städte sind wichtig im Leben von Ilma Rakusa. Viele aus dem Osten Europas, dort, wo sie herkommt, dort, wo sie sich auskennt. Darüber schreibt sie auch in ihren Erzählungen, Essays und Romanen. Und so findet sich nach Transsylvanien und Bukarest plötzlich Ulm. Danach Umea und Köln, Berlin und Praha. Diesen Orten hat sie eines der sieben Kapitel gewidmet.

Melancholien
Orte
Zeiten
Dinge
Bilder
HommagenTräume. Wünsche

Jedes Kapitel beginnt mit einem Haiku. Somit haben wir vielleicht ein weiteres Kapitel.
Durch alle Kapitel zieht sich der rote Faden der Zeit. Die Zeit, in der wir leben. Den Augenblick, den es einzufangen gilt, der Moment, der ruckzuck wieder vorbei ist. Vergangenes vermischt mit der Gegenwart. Genauso die Jahreszeiten. Wir finden Schneegestöber und laue Sommernächte.

Sommer

Sommer ist:
wenn das Zimmer bei halbgeschlossenen
Jalouisien vor sich hin dämmert.


Warten auf Schwalben

Der Flieder verblüht, doch die braunen Blüten
erinnern. Im Grün. So schnell der Wechsel,
eben noch Duft, dann keiner. Jetzt blüht es
nebenan, schaumweiß, ein kleiner Strauch
und will es beweisen. Die Vögel sporadisch,
im Dickicht versteckt. Schwalben? Albern
keine herum. Und warum? Im galizischen
Lemberg schrien sie schon, über spitzen
Giebeln. Hier nicht. Sind wo hängen
geblieben. Ich möchte wissen, an welchen
Drähten. Späher, weißt du’s?

Ilma Rakusa läßt Alltägliches in ihre Gedichte einfließen, betrachtet Kleinigkeiten und fordert uns auf, genau hinzuschauen. Nicht nur auf ihre Gedichte, sondern auf uns selbst und auf unsere Nächsten. Ihre Aufzählungen sind wie ein Blättern in einem Fotolbum, in dem ganze Lebensläufe gesammelt sein können. Sie sammelt, hortet, legt aus und mischt neu. Vielleicht können Sie sich noch an eine unserer Jahresgaben erinnern, die von Ilma Rakusa war und in der es um das Sammeln ging.
Unglaublich dicht und komprimiert können sie sein, die Gedichte, aber auch luftig leicht und winterlicht schwer.
Ein großes Vergnügen, das mich veranlaßt hat, mehrfach kreuz und quer durch das Buch zu blättern.

Gedicht gegen die Angst

Streichle das Blatt
küsse den Hund
tröste das Holz
hüte den Mund
zähme den Kamm
reime die Lust
schmücke den Schlaf
plätte den Frust
neige das Glas
wiege das Buch
liebe die Luft
rette das Tuch
schaue das Meer
rieche das Gras
kränke kein Kind
iss keinen Fraß
lerne im Traum
schreibe was ist
nähre den Tag
forme die Frist
lenke die Hand
eile und steh
zögere nicht
weile wie Schnee
öffne die Tür
lade wen ein
schenke dich hin
mache dich fein
prüfe dein Herz
geh übers Feld
ruhe dich aus
rühr an die Welt

Dienstag

Heute hat
Jane Austen * 1775
Geburtstag
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Anthony Doerr: „Alles Licht, das wir nicht sehen“
Aus dem Amerikanischen von Werner Löcher-Lawrence
C.H.Beck Verlag € 22,95

Ganz so schlecht kann Barack Obama nicht sein, wenn er sich diesen Roman als Weihnachtslektüre herausgesucht hat. Hoffen wir, dass er genügend Zeit für die Lektüre findet, denn sie ist eines meiner Lieblingsbücher und als kleiner Stapel auf dem Jastrambüchertisch zu finden. Für eine ausführliche Besprechung fehlt mir in diesen Tagen schlichtweg die Zeit, da morgen um 5:46 wieder mein Buch Richtung Ulm fährt. Schauen Sie bei uns vorbei und ich erzähle Ihnen ein paar Sätze zu diesem Roman, der 1944 während des Zweiten Weltkrieges in Saint-Malo spielt. In wunderbarer Sprache und schnellen Schnitten erzählt uns der amerikanische Autor viel über Menschlichkeit während grausamer Zeiten. Unterhält uns mit Spannung, skurilen Menschen und tiefer Freundschaft und offenbart uns einen bewegenden Moment, in dem sich die Lebenswege unserer beiden jugendlichen Hauptdarsteller Marie-Laure und Werner für einen Augenblick kreuzen. Lassen sie sich fesseln und sie werden es nicht bereuen.

Leseprobe
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Das Beste vom Besten aus 2014

Bille

S.Corinna Bille:Theoda
Rotpunktverlag € 19,90

S.Corinne Bille lebte von 1912-1979 in der Schweiz. Sie gilt als die bedeutendste Schriftstellerin der Westschweiz. Sie lebte in Paris und Zürich hat sich später einem naturverbundenen Leben im Wallis verschrieben. Sie schrieb Romane, Novellen, Gedichte und Theaterstücke, erhielt 1974 den Schillerpreis und 1975 den Prix Goncourt. “Theoda” war ihr Romandebüt, erschien 1944 und entwickelte sich zu einem Bestseller.
“Es ist möglich, dass “Theoda” mein wichtigstes Buch bleibt. Als ich es schrieb, war sozusagen der ganze Fundus meiner Kindheit in mir, meine Jugend, alles.”, sagte die Autorin.
Mit einer Hochzeit steigt Corinna Bille in ihren Roman ein, der in einem Walliser Bergdorf namens Terroua spielt. Der ältere Bruder der kleinen Ich-Erzählerin Marceline heiratet jedoch eine “Fremde” aus einem anderen Dorf. Und diese Fremde wird Theoda auch bleiben. Sie kleidet sich anders (als ob sie immer auf ein Fest ginge), sie beteiligt sich nicht an der Arbeit im Haus und sieht auch noch sehr gut aus. Dies alles zusammen ist nicht gerade förderlich, um in die Dorfgemeinschaft aufgenommen zu werden. Die Eltern nehmen die Entscheidung des Sohnes hin, zumal der Erstgeborene spurlos verschwunden ist und sich erst Monate später mit Briefen aus der Fremdenlegion meldet und aus Afrika und Asien berichtet. Corinna Bille beschreibt so eindringlich vom Jahreslauf in diesem Bauerndorf, von der Arbeit, den Tieren, über Wechsel in der Natur und den Jahresfesten, die der Gemeinschaft Halt geben.  Ein Fronleichnamsfest wird so plastisch geschildert, dass es schon fast filmisch wirkt . Marceline entdeckt eines Tages im Wald Theoda mit einem anderen Mann. Geschockt, über das, was sie dort sieht, über diesen Sündenfall, weiss sie kaum damit umzugehen. Sie möchte es gerne weitererzählen, traut sich aber nicht, da sie die Folgen in etwa abschätzen kann. Allerdings zerbricht sie fast an ihrem Wissen. Mehrere Versuche, mit ihrem Bruder ins Gespräch zu kommen scheitern und als sie dann doch eine Andeutung loswerden kann, kommt es zum großen Krach, ohne dass klar wird, was der Bruder weiß, oder nicht wahrhaben will. Im Dorf kocht mittlerweile die Gerüchteküche hoch. Namen werden in den Schnee geschrieben und Streit wird angezettelt. Als dann der Ehemann verschwunden ist, nimmt das Drama seinen Lauf. Corinna Bille erzählt eine leidenschaftliche Liebesgeschichte (vielmehr die beschreibt sie gar nicht, sondern das Tuscheln drumherum) bis zum bitteren Ende und verwebt dies mit dem bäuerlichen Leben und dem Heranwachsen der Ich-Erzählerin und dem Ende der Kindheit. Dies alles in einem unglaublich intensiven, poetischen Ton, der wohl sehr gut in der Neuübersetzung aus dem Französischen von Gabriela Zehnder getroffen worden ist.

Schauen sie in die Leseprobe.

Deutschlandradiokultur berichtete auch darüber.
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Werner Färbers Ungereimtheit der Woche:

UNGEREIMTHEIT DER WOCHE (… von fies bis böse):
 
 
ENDE EINES HOBBYKOCHS
 
Während des Essens schaut sie den Mann
nachdenklich von der Seite an.
Sie wundert sich, was er einst hatte,
ihr höchstens-noch-Gewohntheits-Gatte?
 
Längst ist er nicht mehr attraktiv.
Auch findet sie ihn primitiv.
Trotzdem erduldet sie ihn noch.
Vielleicht, weil er ein guter Koch?
 
Ja, was er kocht, ist meist sehr lecker.
Jedoch am End‘ räumt niemals weg er
das Drecksgeschirr, das er verschmutzt,
da er erwartet, dass sie putzt.
 
So haut sie jetzo ihrem Manne
auf seinen Kopf die Lieblingspfanne.
Da jene aus Edelstahl,
des Schlages Wirkung ist fatal.

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Mit einer großen Entschuldigung bringe ich erst jetzt das Dankeschön von Clemens Grote für die Überraschung nach der „Ersten Seite“ Anfang Dezember:

Clemens Grote bedankt sich bei allen Fans der „Ersten Seite“ für den originellen
Blauen Brief – er fand ihn „einmalig“ und hofft, dass das so bleibt. Er wünscht allen
frohe Festtage und freut sich auf das Wiedersehen (im Februar) 2015.