Montag, 13.November

Foto: Uwe

Heute haben
Robert Louis Stevenson * 1850
Editha Klipstein * 1890
Peter Härtling * 1933
Dacia Mariani * 1936
Anne Weber * 1964
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„Ich weiß nicht, wohin ich schreibe.“
Peter Härtling
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Jetzt als Taschenbuch:


Lauren Groff: „Matrix“
Aus dem Amerikanischen von Stefanie Jacobs
Ullstein Verlag € 13,99

Vor ein paar Tagen haben wir hier auf dem Blog das neue Buch von Lauren Groff „Die weite Wildnis“ vorgestellt und an der „Ersten Seite“ daraus vorgelesen. Jetzt gibt es den Vorgängerroman als Taschenbuch. Die Autorin möchte drei Romane schreiben, die in der Vergangenhgeit und mit besonderen Frauen spielen. War es in der „Wildnis“ ein Mädchen zu Beginn des 17.Jahrhunderts in Amerika, das auf der Flucht durch die ewige Einsamkeit, ihr Leben verbringt, befinden wir uns bei Matrix im 12.Jahrhundert in England. Marie, eine große, ungelenke 17jährige Frau mit tiefer Stimme und großen Händen, wird von Königin Eleonore von Aquitanien, in ein Kloster geschickt, um dieses zu führen. Lauren Groff beschreibt dieses unglaublich harte Leben, voller Kälte und Hunger, während dieser Zeit. Die Einsamkeit und die Hoffnung, dass sie wieder zurück an den Hof gerufen wird, machen ihr das Leben, inmitten dieser vielen Zwänge, nicht einfacher. Im Laufe der Zeit gewöhnt sie sich an den geregelten Alltag in diesem Frauenkloster, wird zu einer Vorsteherin voller Idee und Verbesserungsvorschläge. Es sind Visionen, die sie umsetzt und sie zu einer geachteten Frau macht.
Lauren Groff schreibt aber keinen Historienroman, sondern benutzt die Geschichte, um, wie schon in der „Wildnis“, ein Frauenleben in einer Extremsituation, in einer Männerwelt, aufzuzeigen.
Kaum zu glauben, dass dies vor 800 Jahren stattgefunden hat. So viele Parallelen zur Gegenwart blitzen immer wieder auf.
„Matrix“ hat nichts mit dem gleichnamigen Film zu tun, sondern bedeutet ursprünglich „Muttertier“ und zu dem entwickelt sich Marie tatsächlich und bleibt es auch bis zu ihrem Tod.

Leseprobe
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Dienstag, 7.November


Heute haben
Johann Gottfried Schnabel * 1692
Fritz Reuter * 1810
Albert Camus * 1913
Antonio Skármeta * 1940
Geburtstag
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Winfried Hermann Bauer
Atemlos

Federleicht
Fast schwerelos
Kommt sie daher, die kleine Angst
Sie lächelt dich an
Keine Sorge
Sagt sie
Halt ein und vertrau mir
Ich will dir nur helfen
Sagt sie
Bevor sie den Stachel in dich gräbt
Und das Gift
Das den Winzling zum Monster macht
In dein Hirn strömt
Deine Haare stehen zu Berge
Dein Herz friert ein
Nichts geht mehr
Bis du den Atem wiederfindest
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Ein einzigartiges Zeitdokument:


Beate Storz: „Die lange Kette“
Die Friedensbewegung in Neu-Ulm im Herbst 1983
Stadt Neu-Ulm, Stadtarchiv € 15,00

Diese Neuerscheinung gibt einen neuen Blick auf die Menschenkette von Neu-Ulm nach Stuttgart-Vaihingen, als am 22. Oktober 1983 hunterttausende Menschen händereichend gegen die Stationierung von Pershing II-Atomraketen demonstrierten. Zum 40. Jahrestag dieses Großereignisses hat die Autorin Beate Storz neue und verborgene Archivalien, nicht nur in Neu-Ulm, zusammengetragen und hat von Zeitzeugen und Zeitzeuginnen aus erster Hand Geschichten erfahren, die dieses Buch zu einem umfassenden Werk zur Planungs- und Umsetzungsgeschichte der Menschenkette machen.
Die broschierte Ausgabe hat auf 100 Seite, neben den Berichten der ZeitzeugInnen, viele Fotos und Dokumente versammelt, wie es noch nie zu sehen war.

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Heute Abend bei uns in der Buchhandlung.
Beginn: 19 Uhr

Samstag, 4.November


Heute haben
Felix Braun * 1885
Klabund * 1890
Gert Ledig * 1921
Judith Herzberg * 1934
Bettina Wegner * 1947
Erich Wolfgang Skwara * 1948
Geburtstag
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Selma Meerbaum-Eisinger
Kristall

Ganz still. Und viele welke Blätter liegen
wie braunes Gold, in Sonne eingetaucht.
Der Himmel ist sehr blau,
und weiße Wolken wiegen.
Ein heller Frost den Reif auf Bäume haucht.

Die Tannen stehen frisch und grün,
und ihre Wipfel zeigen in die Luft.
Und rote Buchen schlank und kühn
hör’n auf den Adler, dessen Flug sie ruft,
und steigen immer höher himmelan.
Einsame Bänke stehen dann und wann
und auch ein bißchen Gras, schon halb erfroren –
die Sonne hat’s zu ihrem Liebling auserkoren.

8.12.1940
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Ende Oktober war Jan Wagner in der vh Ulm und hatte seinen neuen Gedichtband dabei.


Jan Wagner: „Steine & Erden

Hanser Verlag € 22,00

Die neue Gedichten Jan Wagners erzeugen eine Atmosphäre, eine Stimmung, die einzigartig in der deutschsprachigen Lyrikwelt ist. Kleinigkeiten, Nebensächliches, Unscheinbares und am Wegesrand Vergessenes kommt hier zu Tage.
Wer kennt schon einen Lyrikband, der mit einem Gedicht über alte Autoreifen, die irgendwo an einem Bahndamm gestapelt sind, beginnt? In der Leichtigkeit seines Gedichtes entstehen sofort Bilder im Kopf und lassen mich schmunzeln, über die Treffsicherheit seiner Sichtweise.
Arno Schmidts „Kühe in Halbtrauer“ tauchen kurz auf im Gedicht „kühe“:

einmal umschlossen sie, kurz hinter swords,
uns und das auto, zogen mit der würde
einer begräbnisfeier, doch nur halb so schwarz,
an uns vorüber. einmal waren wir herde. …

Im Gedicht „krähenghasele“ lese ich die Zeile „gestenreich wie eine witwe auf sizilien“, wo wir doch gestern Abend mit Germana Fabiano und Ihrem Buch „Mattanza“ genau dort gelandet sind.

Sie merken schon, in Jan Wagners finden wir alles und das, ohne ausschweifend zu werden und uns mit dem Kleinen begnügnen und darin unseren Kosmos wiederfinden.

Schauen Sie einfach mal in die Leseprobe.
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Am kommenden Dienstag, den 7.November stellen wir wieder vier neue Bücher vor.
Clemens Grote liest aus:

Toni Morrison: Sehr blaue Augen
Florian Illies: Die Zeit der Stille
Necati Öziri: Vatermal
Lauren Groff: Die weite Wildnis

Beginn: 19 Uhr
Eintritt: frei

Wir freuen uns auf Ihr/Euer Kommen.

Montag, 9.Oktober

Heute haben
Léopold Sédar Senghor * 1906
Barbara König * 1925
Gert Loschütz * 1946
Durs Grünbein * 1962
Yael Hedaya * 1964
Geburtstag
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Georg Heym
Der Abend

Versunken ist der Tag in Purpurrot,
Der Strom schwimmt weiß in ungeheurer Glätte.
Ein Segel kommt. Es hebt sich aus dem Boot
Am Steuer groß des Schiffers Silhouette.

Auf allen Inseln steigt des Herbstes Wald
Mit roten Häuptern in den Raum, den klaren.
Und aus der Schluchten dunkler Tiefe hallt
Der Waldung Ton, wie Rauschen der Kitharen.

Das Dunkel ist im Osten ausgegossen,
Wie blauer Wein kommt aus gestürzter Urne.
Und ferne steht, vom Mantel schwarz umflossen,
Die hohe Nacht auf schattigem Kothurne.
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Unser Buchtipp:


Lauren Groff: „Die weite Wildnis
Aus dem Englischen von Stefanie Jacobs
Claassen Verlag € 25,00
Original: „The Vaster Wild“ € 22,90

Wir sind im Nordamerika des 17.Jahrhunderts. Fünf Schiffe aus England haben sich auf den Weg gemacht, um eine neue Heimat zu finden. Drei kommen nur an. Was sie bei ihrer Landung sehen, sind ausgehungerte Menschen, große Armut und Brutalität. Also genau das Gegenteil vom erwarteten Paradies.
Die Hauptperson des Romanes, ist Magd bei einem Ehepaar und einem kleinen Kind. Sie wird wie ein Nichts behandelt. Sie nennen sie Zett, nach dem letzten Buchstaben des Alphabets. Das Mädchen, wie Lauren Groff sie nur nennt, sieht viel, hört viel und merkt, dass sie diese Menschen zu allem fähig sind, nur nicht zur Liebe. Als das Kind des Paares stirbt und nach einer Tat, die erst am Ende des Romanes aufgeklärt wird, flieht das Mädchen mit einem Umhang, dicken Stiefeln, einer Axt, einem Messer, einem Becher und einem Feuerstein. Sie versucht, möglichst schnell viele Meilen zwischen sich und dem Fort hinter sich zu bringen. Hunger, Angst, Verletzungen werden zum Alltag und doch gibt sie nie auf.
Das Überleben in der Wildnis prägt das Leben der jungen Frau.
Lauren Groff schafft es eine sehr besondere, eindringliche Geschichte zu erzählen. Der liebevolle Blick der Erzählerin auf das Mädchen haben ihren ganz eigenen Reiz. Mal geschrieben wie eine biblische Geschichte, dann wieder Berichte über ihr Aufeindertreffen mit großen, gefährlichen Tieren. Menschen trifft sie kaum, aber ein Mann wird ihr fast zum Verhängis.
Das Buch hat mich nicht mehr losgelassen und die Gedankenwelt des Mädchens sind aktueller denn je.
Was macht einen Menschen aus? Wie sollte sein Verhältnis zu anderen Menschen, zur Natur sein? Warum werden Frauen anders als Männder behandelt? Gibt es einen Gott?
Dies liest sich vielleicht pathetisch, Lauren Groff erzählt jedoch so packend und doch fast sphärisch, dass wir das spannende Buch nicht aus den Händen legen und wissen wollen, wie Geschichte mit dem Mädchen zu Ende geht.
„Die weite Wildnis“ ist ein weiterer großartiger Roman der amerikanischen Autorin, der mir nach Lektüre immer noch im Kopf herumschwirrt.

„Lauren Groff muss eine Zauberin sein. Auch Wochen nach dem Lesen denke ich an so gut wie nichts anderes als diesen Roman und seine unvergleichliche Hauptfigur. „Die weite Wildnis“ ist ein ergreifendes, sprachlich und intellektuell bestechendes und dazu noch hochspannendes Buch.“ 
Daniel Schreiber