Dienstag, 28.Februar

Heute haben
Michel de Montaigne * 1533
Johann Beer * 1655
Marcel Pagnol * 1895
Erika Pluhar * 1939
Bodo Morshäuser * 1953
Colum McCann * 1965
Geburtstag
______________________________________________

Winfried Hermann Bauer
Strandläufer

Wenn ich über die endlosen Betonwiesen
Wandere
Wenn ich mich entlang der Kabelkanäle hangle
Oder mich unter abwegige Grünbrücken
Ducke
Wirkt ein Gedanke wie ein Brandbeschleuniger
Auf die Feuernester in mir
Wie es wohl wäre
Von der westlichen Klagemauer zu springen
Im Dschungel aufzuschlagen
Abseits allen keimfreien Geweses
Und mich der Gärsuppe hinzugeben
Der Auf-Lösung
Als unabdingbaren Voraussetzung einer neuen Ordnung…
______________________________________________

FrühNorma lingsgeschichten, wenn es draussen noch winterlich kalt ist.


Frühlingsgeschichten für glückliche Stunden
Herausgegeben von Norma Schneider
Fischer Verlag, Taschenbibliothek € 14,00

In der kleinen, gebundenen Ausgabe ist diese Textauswahl wirklich bestens für die Tasche geeignet. Mal eben kurz warten, in der Straßenbahn 12 Minuten sitzen, oder einfach mal so in der Mittagspause eine Geschichte lesen und dann den Blick schweifen lassen.
Es beginnt mit Peter Kurzeck und einem Regentag im März. „Geniesel, Märzregen, Regentage. Und am Abend die Amsel. Alle Tage. Im Regen, in einer Pause des Regens. Alles tropft.“ Aber Kurzeck schreibt auch: „Das Leben ruft. Hell liegt die Erde vor uns. Warum können nicht alle Tage so sein?“
Wir sind mit Stefan Zweig in der Provence, mit Thomas Mann auf dem Zauberberg, mit Kafka in Prag. Zsuzsa Bánk schreibt über einen Ostertag, Oscar Wilde über einen Riesen und Walter Benjamin über den Osterhasen. Die Geschichten von Lew Tolstoi und Iwan Bunin heissen nur „Frühling“. Und so geht es weiter mit Felicitas Hoppe, Judith Hermann, Christoph Ransmayr und vielen Klassikern.
„Sei gegrüßt! natürliche Sehnsucht! Sei gegrüßt! Glück! göttliches Glück! und Freuden aller Arten, Blumen und Wein, wenn auch die einen verblühen und der andere berauscht; und Fahrkarten zu einer halben Krone hianus aus London am Sonntag, und in einer dunklen Kapelle Hymnen singen vom Tod, und alles,, was das Klappern der Schreibmaschinen und das Abheften von Briefen und das Schmieden von Gliedern und Ketten, die das Empire zusammenhalten, durchbricht und zur Hölle schickt.“, schreibt Virginia Woolf in ihrem „Orlando“, aus dem hier eine kleine Passage abgedruckt ist.

Viel Vergnügen.

Hier geht es zur Leseprobe.
________________________________________


Am 03. März findet auch bei uns in Ulm der nächste Global Strike statt. Auf dem Global Strike sind diesmal @parentsforfutureulm, @letztegeneration und @jugend.aktiv.in.ulm mit dabei. Wir starten Freitag, den 3. März, um 15 Uhr auf dem Münsterplatz.Lasst uns alle zusammen für eine bessere Klimapolitik auf die Straße gehen.

In den letzten Jahren haben wir mehr bewegt, als viele je gedacht hätten. Es gibt heute eine breite gesellschaftliche Mehrheit für mehr Klimaschutz – doch auf den großen Durchbruch warten wir bis heute. Weder an die Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag noch an das Klimaschutzgesetz hält sich die Politik. Anfang März treffen sich die Ampel-Parteien zum Koalitionsgipfel. Kurz zuvor findet unser Klimastreik statt – auch in Deiner Nähe. Damit er sich auf die richtige Seite stellt, darf Scholz keine Sekunde lang glauben, die Menschen in diesem Land interessieren sich nicht mehr für das Klima. Dafür müssen die Demos wieder richtig groß werden. Gemeinsam machen wir klar: unsere Zukunft darf nicht an einer bockigen Politik scheitern.
_________________________________________

Klimakrise in Europa
Der nächste viel zu warme Winter

In vielen Teilen Europas sind die Winter zu warm: In den Alpen fehlt Schnee und in Frankreich befürchtet man den nächsten Dürresommer. In Deutschland melden Meteorologen den zwölften zu warmen Winter in Folge.
Der vergangene Winter hat vielen europäischen Ländern zu wenig Regen und Schnee gebracht, dafür aber zu hohe Temperaturen. In Deutschland melden Meteorologinnen und Meteorologen den zwölften zu warmen Winter in Folge. „Der Klimawandel lässt nicht locker“, sagte Uwe Kirsche vom Deutschen Wetterdienst (DWD). Die durchschnittliche Temperatur lag demnach bei 2,9 Grad – und damit 2,7 Grad über dem Wert der international gültigen Referenzperiode 1961 bis 1990. Es fiel zudem zu wenig Regen.

Den kompletten Artikel finden Sie auf tagesschau.de

Donnerstag, 2.Februar

Heute haben
Johann Christoph Gottsched * 1700
James Joyce * 1882
Aldo Palazzeschi * 1885
Ayn Rand * 1905
Hella Haasse * 1918
Joanna Bator * 1968
Geburtstag
____________________________________________

Kurt Tucholsky

Ich gucke freundlich um die Oecke
und greife voller Seelenruh
der Muse unter ihre Röcke . . .
Und dabei, Leser, siehst du zu –?

Sie quietscht. Ich grinse. Sie verstehen:
Nicht immer gilt der Klassik Maß.
Denn was wir im Verborgnen drehen,
macht uns am allermeisten Spaß –!

(aus: Fromme Gesänge)
____________________________________________

Unser Bilderbuchtipp:


Franz Hohler (Text) und Kathrin Schärer (Illustrationen):
Das kleine Wildschwein und die Krähen
Hanser Kinderbuchverlag € 16,00
Bilderbuch ab 3 Jahren

Das Wildschwein-Ehepaar bringt ihren Kindern bei, wie sie die Erde aufwühlen, um an Wurzeln zu kommen, oder Stängel abknicken, um Maiskolben essen zu können.
Das kleinste Wildschwein hört jedoch lieber den Vögeln zu und grunzt im Bass mit. das gelingt so gut, dass es in den Vogelchor aufgenommmen wird. Großes Kopschütteln bei den verwirrten Eltern. Das kleine Wildschwein teilt sogar seine Maiskolben mit den Vögeln. Das geht so lange gut, bis es krank wird und auch Kastanien, die der Vater extra jenseits des Gotthardpasses holt nichts mehr helfen. Immer dünner wird das Kleine. Auch der Gesang der Vögel nützt nichts mehr. Nur Kastanien aus Paris würden es retten, meint der Wildschweindoktor. Aber so weit kann kein Wildschwein rennen. Wie gut, wenn man Freunde hat, die fliegen können …

Eine herrliche Tiergeschichte von Franz Hohler und in ihrer gekonnten Art passend illustriert von Kathrin Schärer.

Leseprobe
_____________________________________

Hier eine kleine Vorschau unserer Veranstaltungen:

Dienstag, 7.Februar, 19 Uhr
„Die 1.Seite“

Wir stellen folgende Bücher vor:
Claire Keegan: „Das dritte Licht“
H. W. Richter: „Geschichten aus Bansin“
Milena Michiko Flasar: „Oben Erde, unten Himmel“
Adi Hübel & Dietmar Herzog präsentieren ihr Buch: „Bei Anruf Wort“

Bei uns in der Buchhandlung
Eintritt frei

Die „1.Seite“ gibt es immer am 1.Dienstag im Monat um 19 Uhr.
Also am 7.3., 4.4. … Im Mai fällt die „1.Seite“ aus.

Dienstag, 14.Februar, 19 Uhr
Jana Bürgers und ihre Zeit in der Ukraine

Im Rahmen der „Winterhilfe für die Ukraine“
des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels.
Im Anschluß Lyrik auf ukrainisch und deutsch
Bei uns in der Buchhandlung
Eine Spendenkasse steht bereit

Dienstag, 28.Februar, 19 Uhr
SüdwestPresse Forum
Elisabeth Zoll: „Wir bleiben!“

Warum sich Frauen aus der katholischen
Kirche nicht vertreiben lassen.
Im Stadthaus Ulm
Eintritt € 6,50

Mittwoch, 19.April, 19 oder 20 Uhr
Janina Hecht: „In diesen Sommern“

Sparkasse Ulm, Neue Mitte

Freitag, 28.April, 19 Uhr
Milena Michiko Flasar: „Oben Erde, unten Himmel“

Bei uns in der Buchhandlung
Eintritt € 10,00

Mittwoch, 25.Oktober, 19 Uhr
Judith Hermann: „Wir hätten uns alles gesagt“

Ort noch nicht bekannt
Eintritt € 10,00
______________________________________

Konferenz Arctic Frontiers
„Die Arktis verliert ihren Schutzschild“

Das arktische Eis schmilzt schneller als gedacht. Über die Folgen debattieren Experten auf einer Konferenz im norwegischen Tromsö. Warum die Lage trotzdem nicht ausweglos ist, erklärt Meeresbiologin Boetius im Interview.

tagesschau.de: Bei der Konferenz geht es darum, wie der Klimawandel die Arktis verändert. Wie sehen die Auswirkungen aus?

Antje Boetius: Die sind recht dramatisch, so sagen es alle hier. Ob es die Vereinigung der Bürgermeister der Arktis ist, ob es die Vertreterinnen und Vertreter der indigenen Völker sind, ob Wissenschaft oder Politik – alle sind sich einig: Keine andere Region der Erde steht vor solchen Herausforderungen, denn die Erderwärmung schreitet hier drei- bis viermal so schnell voran wie im Rest des Planeten.

Und das merkt man bei Eis und Schnee, bei Extremwettern oder bei der Frage nach den Chancen der jungen Generation. Die Frage ist: Wie geht man damit um, dass diese Krise überall zu merken ist und alle betrifft?

.

Das komplette Interview finden Sie hier auf tagesschau.de vom 1.2.2023

Mittwoch, 28.April

Heute haben
Kark Kraus * 1874
Bruno Apitz * 1900
Harper Lee * 1926
Terry Pratchett * 1948
Roberto Bolano * 1953
Ian Rankin * 1960
Geburtstag
_______________________________________________

Friedrich Hölderlin
An die Deutschen


Spottet ja nicht des Kinds, wenn es mit Peitsch‘ und Sporn
   Auf dem Rosse von Holz mutig und groß sich dünkt,
      Denn, ihr Deutschen, auch ihr seid
         Tatenarm und gedankenvoll.

Oder kömmt, wie der Strahl aus dem Gewölke kömmt,
   Aus Gedanken die Tat? Leben die Bücher bald?
      O ihr Lieben, so nimmt mich,
         Daß ich büße die Lästerung.
________________________________________________


Judith Hermann: „Daheim
S.Fischer Verlag € 21,00
als Hörbuch von ihr selbst gelesen im Hörverlag für € 21,00

Nominiert für den Preis der Leipziger Buchmesse 2021

Lange mussten wir auf den neuen Roman von Judith Hermann warten. Mit ihren Erzählungen war sie schon mehrfach in Ulm, zuletzt im Roxy. Sie hatte ja tatsächlich einen Bezug zu Ulm, da ihr Bruder hier arbeitete und sie sozusagen nach einem Nachmittag im Sandkasten mit ihrem Kind zur Lesung ins Museum kam.
Ja, ihre Figuren werden älter. Sie sind nicht mehr die kellernden jungen Menschen aus „Sommerhaus, später“ und auch nicht mehr die jungen Familien in „Aller Liebe Anfang“.
Dieses Mal lebt die Erzählerin schon seit einem Jahr alleine in einem kleinen Haus am Meer. Sie schreibt liebevolle Briefe an ihren Ex-Mann und weiß ihre erwachsene Tochter irgendwo auf der Welt. Sie beginnt ein neues Leben mit Fahrradtouren, Aushelfen in der Kneipe ihres Bruders, mit der Nachbarin Mimi und deren Bruder. Sie hat schon vieles erlebt und findet hier am Meer, in der Natur zu neuer Kraft. Einfach ist es nicht, aber in der Melancholie liegt auch ein gehöriges Stück Glück, Trost und Geborgenheit.
So ändern sich Biografien. Schon als junge Frau hatte sie kurzfristig ein Engagement bei einem Zauberer, der sie zersägte. Dieses Zweigeteiltsein, das Zerissene, Zersägte verfolgt die Erzählerin ihr Leben lang und Judith Hermann hat dies in ihrer ruhigen Art genial in Form gebracht.

Der Hessische Rundfunk strahlt vom 03. bis zum 20.05 in 13 Folgen das Hörbuch aus.
Jeweils Montag bis Freitag um 09:05 Uhr, Wiederholung um 14:30 Uhr.
Jede Folge nach Ausstrahlung für 7 Tage online auf hr2.de und 14 Tage in der ARD-Audiothek.

Am Mittwoch, 5.Mai ist Buchprämiere im Literaturhaus Frankfurt,
am Freitag, 7.Mai ist sie im Literaturhaus Freiburg.
Zu beiden Online-Veranstaltungen gibt es Karten ab € 5,00.

Für ihr Werk wurde Judith Hermann mit zahlreichen Preisen geehrt, darunter dem Kleist-Preis und dem Friedrich-Hölderlin-Preis (Durch Zufall steht heute ein Hölderlin-Gedicht auf dem Blog). Der neue Roman „Daheim“ ist jetzt in der Kategorie Belletristik für den Preis der Leipziger Buchmesse 2021 nominiert. Im Wintersemester 2021/22 übernimmt Judith Hermann die Poetikdozentur an der Goethe-Universität Frankfurt.

(Foto: Michael Witte)

Leseprobe

Freitag, 17.Juni

IMG_9511

Heute hat Igor Strawinsky (*1882) Geburtstag

IMG_9513
__________________________

Heute gibt es schon wieder ein tolles Wissensbuch für die ganze Familie:

Dumon_vanderWeel_25080_MR.indd
9164

Bibi Dumon Tak:Mücke, Maus und Maulwurf
Aus dem Niederländischen von Meike Blatnik
Hanser Verlag € 12,90
CD im Oetinger Verlag € 12,99
Kinderbuch ab 8 Jahren

„Eisbär, Elch und Eule“, „Kuckuck, Krake, Kakerlake“ heißen die anderen Bücher der holländischen Autorin. Mit größtem Genuß haben wir der Hör-CD auf einer langen Autofahrt zugehört. Sowohl die Enkelin, als auch deren Großtante waren mucksmäuschenstill und lauschten diesem einzigartig gemachten Hörspiel.
Jetzt also nach den Tieren im fernen Afrika, oder vom Süd- und Nordpol, die allernormalsten Tiere der Welt in Buch- und Hörspielform
Nicht jeder ahnt, dass Kellerasseln Kiemen haben, Ratten besonders kitzlig sind und Heringe mit dem Hintern sprechen. Leichtfertig halten wir Ameise, Igel und Ente für gewöhnlich, dabei haben in der Natur auch die allernormalsten Artgenossen die unglaublichsten Tricks auf Lager. Spatzen zum Beispiel vertreiben mit giftigen Zigarettenkippen lästige Parasiten. Turmfalken jagen Mäuse, indem sie ihren Urinspuren folgen. Und Blattläuse lassen sich zum Schutz vor Marienkäfern von Ameisen melken.
Auch hier zeigt die Autorin, dass Sie uns mit Ihrer witzigen, klugen Art fesseln kann.
Die eigenwilligen Illustratotorin vonn Fleur van der Weel machen aus dem schmalen Buch ein kleines Kunstwerk.
Liebe Eltern, haltet euch fest. Ihr werdet Fakten zu lesen bekommen, die ihr nicht geglaubt hättet, wenn Eure Kind sie aus der Schule mitgebracht hätten.

Unbedingt in die Leseprobe schauen. Es lohnt sich.
__________________________

Gestern las Judith Hermann im Ulmer Roxy. Drei Geschichten bekamen wir zu hören und so eine intensive Stimmung habe ich selten erlebt. Zwischen den einzelnen Geschichten erfuhren wir viel über ihr Schreiben, über ihre Figuren, über ihre 17 Geschichten des neuen Buches. Judith Hermann hat alle fasziniert.
Wer sich also für das Fußballspiel entschieden hat, erlebte nur eine müdes Unentschieden. Im Roxy gab es ein sattes 5:0. Mindestens.
Im Laden haben wir eine paar signierte Exemplare von „Lettipark„.
Und wenn ich schon dabei bin: Die Veranstaltung mit Jagoda Marinic und ihrem BuchMade in Deutschlandam Dienstag in der vh war einzigartig stark.
So kann macht mir das Regenwetter überhaupt nichts aus, denn ich habe diese beiden Höhepunkte immer noch gespeichert.

Donnerstag, 16.Juni

Heute haben
Anna Wimschneider * 1919
Erich Segal * 1937
Joyce Carol Oates * 1938
Robert Schneider * 1961
Geburtstag.
Aber auch Daniel Brühl und Stan Laurel.

Und heute abend liest Judith Hermann ab 20 Uhr im Ulmer Roxy. Wir haben noch ein paar wenige Karten im Buchladen. Ansonsten einfach an der Abendkasse.

u1_978-3-10-002493-0
________________________________

Bei unserem heutigen Buchtipp geht es ums Eingemachte und ist eine große Hilfe für Reigeschmeckte:

www.wbg-darmstadt.de

Wolf-Henning Petershagen: „Dem Schwaben sein Dativ
Neue Wortgeschichten
Theiss Verlag € 14,95

Es stimmt nicht, dass die Schwaben keinen Genitiv kennen. Und ihre Art, den Dativ zu bilden, ist durch und durch zweckmäßig. Das erklärt Petershagen in seinen Wortgeschichten ebenso wie die Sache mit dem Butter.
Es geht um Häftlesmacher und den Glufenmichel, Rotzlöffel und das tägliche Lettegschwätz. Und wenn das Regal mal wieder wackelt, dann ist es halt hundsliedrig. Wenn an unserem Buchladen des öfteren fette Porsche und flache Ferrari vorbeiblubbern, dann kommt mir mein Auto wie ein alter Göppel vor. Und da der Schwabe bloß nix umkomme lässt, also nichts wegwirft, so werden auch noch die harten Brotreste verwertet. Wir wissen zwar was ein Ribele ist. Oder? Das End- oder Anfangsstück eines Brotlaibes. Wenn das dann ganz hart war, wurde es noch auf dem Reibeisen gerieben. Daher, so schreibt Petershagen, könnte das Wort Ribele kommen, das beim frischen Brot natürlich eine Köstlichkeit ist. Bei Pitzauf bekommen wir natürlich Hunger und wenn einer als Geizhals gilt, so gibt es den Begriff Enteklemmer dafür. Warum? Das wird Ihnen auf Seite 44 erklärt.
Und da ich selbst gestern das Wort Luse benutzt habe und nicht wußte, woher das kommt, kann ich das (welch schöner Zufall) auf Seite 53 nachlesen. Petershaben nimmt Fischers Schwäbisches Wörterbuch, findet dort Verweise auf das lateinische Wort lusus, den Zeitvertreib. Es gibt jedoch auch Lusem, das widerum Ähnlichkeit mit dem mittelhochdeutschen lussam aufweist. Das entwickelte sich zu lustsam und bedeutet Anmut, Schönheit. Und da Luse und Muße sooo weit auch nicht auseinanderliegen, könnte es eventuell …
Wer weiß.
Sie wissen allerding deutlich mehr über die Schwaben, wenn Sie das Buch durchgeblättert haben und dabei wünsche ich Ihnen viel Luse.

Mittwoch, 15.Juni

IMG_9421

Heute hat
Silke Scheuermann * 1973
Geburtstag, von der im Sommer ein neuer Roman im Schöffling Verlag erscheinen wird.

IMG_9422

Unser heutiger Buchtipp kommt gerade zur richtigen Zeit.

Unbenannt-3

Yvonne Rogenmoser:Über den Gotthard
NordSüd Verlag € 17,99
Sachbilderbuch ab 6 Jahren

Hier passt der Verlagsname NordSüd ausgezeichnet zum Buchinhalt. Gerade eben wurde der Gotthardtunnel für den Verkehr freigegeben. Bei der feierlichen Zeremonie, bei der die Staatsoberhäupter der angrenzenden Staaten anwesend waren, wurde über die Bedeutung und die Geschichte des Gotthard-Tunnels hingewiesen.
Die schweizer Zeichnerin Yvonne Rogenmoser hat sich auf Wissensvermittlung mit Hilfe von Bildern spezialisiert und ihr Spektrum reicht vom Kochbuch bis zur Landkarte. Und so ist dies ein Sachbilderbuch, in dem wir viel über die Geschichte des Gotthard, der Menschen, die um ihn herum leben und arbeiten und die jahrhundertelangen Versuche, eine schnellere Verbinung über die Alpen zu schaffen.
In einer kurzen Rahmenhandlung ist eine Familie mit Kindern im Verkehr gefangen und alle sind genervt von der zäh fließenden Zeit und wann sie denn endlich im Süden sind. Am Ende des Buches ist die Familie sehr erstaunt, dass die Zugfahrt durch den Tunnel so schnell und einfach vonstatten gegangen ist.
Das Wichtigste und viel Interessantere sind jedoch die vielen Fakten, die Yvonne Rogenmoser in das Bilderbuch gepackt hat.
Wussten Sie, dass der Gotthard nach dem Heiligen Godehard von Hildesheim benannt worden ist und dass beim Bau einer Brücke über die Schöllenschlucht der Teufel seine Finger im Spiel hatte? Der erste Steg wurde übrigens zwischen 1200 und 1230 gebaut. Die letzte Brücke darüber im Jahre 1958.
Im nächsten Kapitel erfahren wir, was ein Saum (1 Saum = alte Gewichtseinheit. 150 – 200 Kilogramm, das einem Lasttier aufgebunden worden ist) ist, was die Säumer machten. Es fallen Begriffe, wie Sust, Theiler, Standesläufer und werden natürlich in Wirt und Bild erklärt. Es gibt eine Doppelseite über den harten Winter in den Bergen, über die Veränderungen durch Inbetriebnahme von Postkutschen und Eisenbahnen. Hier kommen dann auch die ersten Tunnelbohrungen ins Spiel und wir erfahren, daß 1880 der erste Durchschlag (sprich das Zusammentreffen zweier Bohrungen) gelungen ist. Das Leben am und im Gotthard-Tunnel, an dem zu Spitzenzeiten bis zu 3.000 Menschen arbeiteten, die sich oft zu dritt eine Schlafpritsche teilen mußten, folgt. Automobile kommen ins Spiel und die Eröffnung des Straßentunnels im Jahre 1980. Auf den nächsten Seiten sind wir in der Gegenwart angelangt und rasen mit dem Zug mit 250 km/h durch den Tunnel und brauchen nur noch 2:30 Stunden von Luzern nach Chiasso.

Und wenn Sie jetzt meinen, ich hätte Ihnen das ganze Buch nacherzählt, dann täuschen Sie sich. Yvonne Rogenmoser hat viel in ihr Bilderbuch gepackt und Fakten ausgestreut, die Kindern sicherlich Spaß macht und uns Vorlesenden oft auch unbekannt waren.
________________________

u1_978-3-10-002493-0

Morgen kommt Judith Hermann ins Ulmer Roxy.
Um 20 Uhr geht’s los.
Und wenn Sie nicht Yoga, Französisch oder Chor haben, dann schauen Sie vorbei.
Deutschland spielt erst ab 21 Uhr und  Sie können locker die zweite Halbzeit anschauen.

Donnerstag, 9.Juni

 

Heute haben
Bertha von Suttner * 1843
Rudolf Borchardt * 1877
Richard Friedenthal * 1896
Curzio Malaparte * 1898
Jurij Brezan * 1916
Patricia Cornwell * 1956
Wolfram Fleischhauer * 1961
Geburtstag
___________________________

42527

Milena Busquets: „Auch das wird vergehen
Aus dem Spanischen von Svenja Becker

Blanca lebt in Barcelona, ist 40 Jahre alt und ihre Mutter ist gerade gestorben. Soweit stimmt dies mit der Biografie der Autorin überein. Diese arbeitet als Journalistin und ist die Tochter eines Verlegers. Sie kennt sich also aus im literarischen Betrieb und hat hier ein schmales Büchlein geschrieben, das sich in Spanien zu einem schönen Erfolg entwickelt hat. Der Roman riecht förmlich nach einer Verfilmung, was einerseits sicherlich gut funktionieren kann, andererseits die Bilder im Kopf zudecken wird. Denn genau diese Menschenbeschreibungen, die Situationen und Gespräche hat Milena Busquets sehr gut umgesetzt, auch wenn mir manchmal ein kantiges Männerkinn zuviel darin vorkam.
Die Beerdigung von Blancas Mutter steht zu Beginn des Romanes und wir lesen über die große Trauer und Leere der Hauptperson. Aber auch über ihre Zerrissenheit im Verhaltnis Mutter-Tochter. Es ist Sommer, die Stadt glüht und so nimmt sie das Angebot an, mit Sack und Pack auf den Sommerwohnsitz der Familie zu fahren. Das Auto wird gepackt. Beide Kinder (5 und 13) von zwei Männern, das Kindermädchen, eine Freundin und deren Kind mitgenommen. Dort warten schon ihre beiden Exmänner und ihr aktueller Geliebter. Aber nicht nur das. Sie trifft dort einen weiteren interessanten Mann. Es wird viel geredet, getrunken, gekocht und gegessen, gelacht und diskutiert. Es wird geliebt und gestritten. Hier findet also das wirkliche, pralle Leben statt. Genau das Gegenteil zu dem, wie es in ihrem Kof aussieht. Irgendwie ist dieser Ort der Zeit entrückt. Und doch verfolgt die Mutter Blanca auf Schritt und Tritt und holt sie in die Wirklichkeit zurück.
Es sind die Stunden am frühen Morgen, wenn alles noch frisch ist, die Zeit nach dem Mittagessen, wenn die Weißweinflaschen geleert sind und die langen, warmen Nächte, die mit Reden und Sex ausgefüllt sind. Die Männer um Blanca herum gockeln, plustern sich auf, was sie einerseits genießt, was aber auch anstrengend ist.

„Soviel ich weiß, ist das Einzige, was einem keinen Kater verursacht und was für Augenblicke den Tod – wie auch das Leben – verschwinden lässt, Sex.“

Diese kurzfristige Lebensgemeinschaft erinnert mich etwas an Tschechow, dessen Personen auch der Wirklichkeit entrückt sind. Allerdings versteht es das Personal von Milena Busquets Roman zu leben und nicht nur zu jammern.
Sie werden den Roman in kürzester Zeit verschlingen, sich zurücklehnenund wir hier im Süden werden den Sommer herbeisehnen, den es noch nicht gibt. Sie werden sich vielleicht den einen und anderen Satz unterstreichen und flott über manche Passage hinweglesen. Sie werden in die Trauer und Bitterkeit von Blanca genauso eintauchen, wie in ihr pralles Leben hier im Jetzt. Der Alltag kommt schneller als gedacht.

Leseprobe
____________________________

Nicht vergessen:
Heute in einer Woche ist Judith Hermann im Ulmer ROXY und mit € 9,95 sind Sie mit dabei. Nützen Sie diese Gelegenheit, einer der großen deutschen Autorinnnen kennenzulernen.

u1_978-3-10-002493-0
____________________________

Ich verschwinde heute nachmittag Richtung Norden auf eine Buchhändlertagung. Deshalb wird es Freitag und Samtag keine Blogeinträge geben. Natürlich jedoch die Sonntagsskizzen von Detlef Surrey.

Freitag, 3.Juni

IMG_9303

Heute haben
Detlev von Liliencron * 1844
Gerhard Zwerenz * 1925
Allen Ginsberg * 1926
Monika Maron * 1941
Philippe Djian * 1949
Geburtstag.
_________________________

Wir gratulieren Klaus Doldinger zum 80.Geburtstag.

5054197057021
Klaus Doldinger: „Doldinger“
Warner CD  € 19,99
 
Mit Helge Schneider, Udo Lindenberg, Sasha, Max Mutzke, Nils Landgren & Dominic Miller

Klaus Doldinger ist ein Phänomen. Mit fast 80 Jahren gehört er nicht nur zu den ältesten aktiven Musikern des Jazz – er ist zudem immer noch in Bestform. Und zu seinem runden Geburtstag hat sich der alte junge Mann des deutschen Jazz selbst und natürlich auch uns beschenkt. Ein Album voller grandioser Melodien, die nicht ahnen lassen, dass da ein alter Mann ins Saxophon bläst.
Als das Ulmer Roxy noch ganz jung war, das Dach undicht, die Halle noch ein Rohbau, von einer Bar noch nichts zu sehen, spielte Klaus Dolinger mit seiner Band Passport dort. Ein heftiges Gewitter fegte über das Industriedach und dem Mann am elektrischen Klavier tropfte es von oben auf seinen Kasten. Ganz cool stellt er seinen Bierkrug an diese Stelle, das Klavier blieb trocken und die Band spielte gekonnt weiter.
Nach ca. 20 Jahren spielt er also immer noch, nimmt neuen Platten auf und umgibt sich mit neuen und alten Freunden, wie Helge Schneider und Max Mutzke. Schön, dass auch sein erster Schlagzeuger, der zehn Jahre jünger ist als er, also auch gerade einen runden Geburtstag feierte, mitmachen darf. Panik-Udo spielt mit und natürlich sich selbst. So erkennen wir, dass die Jungs bei den Aufnahmen in Doldingers Studio viel Spaß hatten. Nils Landgren an der Posaune gibt sich locker und der ehemalige Sting-Gitarrist Dominic Miller zeigt sein ganzes Können.
30 Alben, 50 Jahre Musik und 400 Kompositionen später spielt Klaus Doldinger immer noch in der ersten Jazz-Liga, wirkt jünger und lockerer als manch anderer Musiker und wir können seine Kompositionen, die er noch nie aufgenommen hat, genießen.
Hoffen wir, dass es nicht sein letztes Album bleibt.

Die Website von Klaus Doldinger

Klaus Doldinger bei „titel, thesen, temperamente“

»Der Jubilar selbst kann noch immer wuchtig loslegen, das Mastering hat Wert auf die Klangfülle gelegt, so dass, wer will, seine Boxen einmal ordentlich und geschmackvoll wummsen lassen kann. Ein würdiges Tribute Doldingers an die eigene Person.« (stereoplay, Juni 2016)

»Wollte man einen Song besonders hervorheben, dann das oft gecoverte New-Orleans-Standard ”St. James Infirmary”, das hier von Doldinger am Tenorsaxofon im Duo mit Helge Schneider an der Hammondorgel eine äußerst hörenswerte Neuinterpretation erfährt.« (Good Times, Juni / Juli 2016)
__________________________

Sie sind da!
Eintrittskarten für Judith Hermann gibt es jetzt auch bei uns in der Buchhandlung.

FullSizeRender

Donnerstag, 2.Juni

IMG_9301

Heute haben
de Sade * 1740
Thomas Hardy * 1840
Max Aub * 1903
Marcel Reich-Ranicki * 1920
Sibylle Berg * 1962
Geburtstag und auch noch Lotte Reininger.


______________________________

Weiter geht es mit Film. Unser heutiger Filmtipp ist schräg,liebenswert und anrührend gleichzeitig.

4010232067869

Ich und Earl und das Mädchen
Regie: Alfonso Gomez-Rejon,
USA 2015, FSK ab 6, € 14,99

Wir alle kennen das Buch und/oder den Film „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ von John Green. Die Geschichte mit den krebskranken Jugendlichen. Im ersten Moment erscheint der heutige Filmtipp auch in diese Richtung zu gehen und doch hat der Regisseur Gomez-Rejon eine ganz andere Intension. Er nimmt das Thema mit dem sterbenden Mädchen (so wird das Mädchen im amerikanischen Original genannt) als Aufhänger für seine Coming-of-Age-Geschichte. Er nutzt die Situation mit der an Leukämie erkrankten Rachel um seine drei Jugendlichen durch alle Höhen und Tiefen ihres Erwachsenwerdens zu begleiten.

ich_und_earl_und_das_maedchen_2015_bild13
© 20th Century Fox

Greg ist ein unscheinbarer Mittelstands Weißer, sieht so aus und verhält sich auch so. Er weiß, wie er in den jeweiligen Cliquen zu grüßen hat, wie er sich zu bewegen hat und wie er wann und wo den passenden Spruch los wird. Eigentlich möchte er jedoch verschwinden, unsichtbar sein, sich verkriechen und nichts von der Welt, seinem Umfeld, seiner Familie, seiner Mutter wissen. Dies bemerkt seine Mutter auch und zwingt ihn, da er es mal wieder verpennt hat, sich rechtzeitig für ein College anzumelden, Kontakt mit seiner Mitschülerin Rachel aufzunehmen, bei der Leukämie im Endstadium diagnostiziert worden ist. Mit im Dreierteam ist Earl, ein schwarzer Junge, der aus einem ganzen anderen Stadtteil kommt und eine komplett andere Sozialisation hinter sich hat.

Earl (RJ Cyler) und Greg Gaines (Thomas Mann)
© 20th Century Fox

Gomez-Rejon lässt kein Klischee aus, kein Fettnäpfchen, nimmt alle Arten von Situationskomik mit behält trotzdem die Balance, um nicht ins Banale abzutriften. Greg und Earl treffen sich zum Beispiel in ihren Mittagspausen im Zimmer ihres tätowierten Geschichtslehrer und schauen sich hochintellektuelle Filme an. Eigentlich unmöglich in dieser Konstellation, aber die dauernde Wiederholung dieser Szene trägt den Film und lässt uns ins Innenleben von Erl und Greg schauen. Denn beide drehen in ihrer Freizeit kleine Filmchen, in denen sie Filmklassiker persiflieren. So einen Film wollen/sollen sie auch für Rachel drehen. Dies gestaltet sich jedoch nicht so leicht. Doch ganz am Ende können wir ihn gemeinsam mit Greg und Rachel anschauen.

Film/ Ich und Earl und das Mädchen
© 20th Century Fox

Die Handlung des Filmes wird immer wieder unterbrochen mit Gedankensequenzen, die dann z.B. mit Knetfiguren nachgestellt werden. Auch gibt das Drehbuch seinen drei Figuren Zeit, sich über sich selbst Gedanken zu machen, spielt gekonnt mit dem Thema Tod und was wir von unseren Nächsten nicht wissen und erst nach ihrem Ableben entdecken. So auch bei Rachel. Denn Greg sagt bei seinem ersten Besuch bei Rachel zur Waldtapete in ihrem Zimmer nur: „Waldtapete. Cool.“, bemerkt aber erst nach ihrem Tod, was sich zwischen den Bäumen und Blättern alles bewegt.
Ein Film, der zum Lachen, Nachdenken anregt und gleichzeitig zum Heulen bringt. Wenn auch nur ganz kurz.
Nicht vergessen sollten wir auch den sehr passenden Soundtrack.
Alles zusammen eine gelungene Unterhaltung ab 12 Jahren und für die ganze Familie.

Interview mit dem Regisseur Alfonso Gomez-Rejon


_________________________

Unsere nächsten Termine:

Montag, 6.Juni um 20 Uhr
Stefan Siller von SWR 1 im Ulmer Roxy

Dienstag, 7.Juni um 19 Uhr
Die erste Seite
Wir stellen vier neue Bücher vor

Donnerstag, 16.Juni um 20 Uhr
Judith Hermann im Ulmer Roxy

Der Inder hat seinen und Elenas gemeinsamen Einkauf bezahlt. Auf eine Weise, als gingen sie schon ihr ganzes Leben zusammen einkaufen, als bezahle er für sich und Elena schon immer. Paul wirft die Zeitung auf den Stapel zurück und kommt zur Kasse rüber. Die Kassiererin ist blond und jung, sie nimmt die Erdbeeren hoch und schaut Rose ausdruckslos in die Augen. Paul wird sie fragen, was sie eigentlich macht, er fragt das jede junge Kassiererin. Rose fällt der Lettipark ein. Pages Geschenk für Elena, und sie kann sich nicht daran erinnern, ob Elena ihn da schon verlassen hatte oder ob sie
ihn nach diesem Geschenk verließ. Mit oder wegen dieses Geschenkes verließ. Elena hatte ihre Kindheit im Lettipark verbracht, sie hatte Page davon erzählt. Und Page war losgegangen und hatte den Lettipark für Elena fotografiert. Im Winter. Ein gewöhnlicher, trostloser Park am Stadtrand, eine Brache, und es gab gar nichts zu sehen, verschneite Wege, ein verlassenes Rondell, Bänke und eine leere Wiese. Kahle Bäume, grauer Himmel, das war auch schon alles gewesen. Aber Page war der Spur von Elenas Kindheit mit Andacht hinterhergegangen.

aus: Judith Hermann: „Lettipark“

Mittwoch, 1.Juni

IMG_9317

Heute kommen unsere Geburtstagkinder nicht aus der Literatur.
Es sind die Sängerin Alanis Morisette, der Schauspieler Morgan Freeman, der Architekt Norman Forster, Marilyn Monroe, Carl Bechstein und Christiane Vulpius, die Lebensgefährtin Goethes.
IMG_9318

Mit einer Punktlandung zum 1.Juni stellen wir das passende Gedichtbändchen aus dem Reclam Verlag vor. Die Herausgeberinnen sind die selben wie vom Bierbuch, das wir letzte Woche hier vorgestellt haben. Auch da war es der Reclam Verlag und bei beiden Buchreihen gestaltet Nikolaus Heidelbach die Buchumschläge.

978-3-15-019116-3

Juni

Gedichte
Hrsg.: Evelyne Polt-Heinzl und Christine Schmidjell

„Frühling lässt sein blaues Band ….“
Von wegen. Der Mai ist vorbei, die Kulturzelte sind aufgebaut, die Theater denken an ihre Sommerpause und der Fußball legt bald los mit seinem europäischen Riesentheater.
Wir können uns jedoch ganz entspannt zurücklehnen, da wir wissen, dass der Reclam Verlag für jeden Monat ein kleines, feines Gedichtbändchen für uns und unsere Hosentaschen hat. Das Wetter könnte noch besser werden. Wir wollen aber nicht über den Regen jammern. Hatten wir doch letztes Jahr viel zu wenig davon. Auch die Herausgeberinnen denken an dieses Wetter. Sie betiteln ihr drittes Kapitel mit „Düstere Junitage“.

Im bunten Wiesenstück
Blütenduft und erste Früchte
Düstere Junitage
Der Sommer ist da
Besondere Tage


Christian Morgenstern
Butterblumengelbe Wiesen

Butterblumengelbe Wiesen,
sauerampferrot getönt –
o du überreiches Sprießen,
wie das Aug‘ dich nie gewöhnt!

Wohlgesangdurchschwellte Bäume,
wunderblütenschneebereift –
ja, fürwahr, ihr zeigt uns Träume,
wie die Brust sie kaum begreift.


Ferdinand von Saar
Die Erdbeere

Bei heißen Sonnenbränden,
Du Beere, duftig, roth,
Mit nimmermüden Händen
Pflückt dich das Kind der Noth.

Es sieht die Fülle prangen
Und unterdrückt dabei
Das eigene Verlangen,
Wie mächtig es auch sei.

Gehäuften Topf und Teller
Trägt es zum Händler dann;
Der geizt noch mit dem Heller –
Er ist ein kluger Mann.

Doch nicht bei seines Gleichen
Vollendet sich der Kreis:
Erst auf dem Tisch des Reichen,
Der zu bezahlen weiß.

So wird zur Menschenhabe
Und dient dem Wucher nur
Selbst deine frei’ste Gabe,
O liebende Natur!

Wilhelm Runge
Blumen flattern Sommer

Blumen flattern Sommer
Duften nimmt beide roten Backen voll
Falter wiegen Wald
Goldkäfer schreien
Mücken strampeln himmelauf und ab
heiß im Arm der Fische hängt das Bächlein
Unken patscht Libellenflügel wach

Zweige lachen
tuscheln
sonnen
strömen
Vögel wogen Wiesen
liegen flach
ziehn die Ahorndolden an den Händen
böse schelten Bienen in den Bart
Zwitschern streckt die sommerschweren Glieder
taumelnd tollt des Atems Flügelschlag
und der Augen wilde Rosen springen.

Das Denken träumt
Gelächter reimt die Straßen
zum Tanz des Blutes
schläfenaufundab
die Adern blinzeln Frühling durch die Knochen
und schlürfen tief den schweren Himmel ein
Wind spielt der Augen froh geschwellte Segel
der Stirne Knoten löst vom Tode sich
weiß über Wiesen schnattern Dörfer hin
die Städte fauchen
und zankend zerrn die Pulse ihre Zügel
nur deine Seele spielt im Sternjasmin
Lieb-Brüderchen Maßloslieb-Schwesterlein

Rosen nicken aus den Junistunden
trällern Sommerblau den Matten hin
mild aus tiefstem Herzen grünt die Heimat
ihre Lippen murmeln wälderschwer
überwelthin schwingt die Sterne Zeit
Kinderwangliebkinderwanggereiht
Krieg brüllt auf
die wilden Blumen schrein
Sonne leckt Gestöhn aus allen Poren
Frieden holt den tiefen Atem ein
und der Nächte durchgewühlte Locken

schmeicheln um der Seele zitternd Knie
Angst zerreißt der Sterne Himmelglanz
und der Abend drückt die Augen blind
einsam geigt
tief hinter Blut geduckt
ewger Kindheit wildumsehntes Glück
und der Sehnsucht über die Welt
hängende Herzen
schlagen

Klabund
Die Wirtschafterin

Drei Wochen hinter Pfingsten,
Da traf ich einen Mann,
Der nahm mich ohne den geringsten
Einwand als Wirtschafterin an.

Ich hab‘ ihm die Suppe versalzen
Und auch die Sommerzeit,
Er nannte mich süße Puppe
Und strich mir ums Unterkleid.

Ich hab‘ ihm silberne Löffel gestohlen
Und auch Bargeld nebenbei.
Ich heizte ihm statt mit Kohlen
Mit leeren Versprechungen ein.

Ich habe ihn angesch…
So kurz wie lang, so hoch wie breit.
Er hat mich hinausgeschmissen;
Es war eine wundervolle Zeit…

Ferdinand von Saar
Die Erdbeere

Bei heißen Sonnenbränden,
Du Beere, duftig, roth,
Mit nimmermüden Händen
Pflückt dich das Kind der Noth.

Es sieht die Fülle prangen
Und unterdrückt dabei
Das eigene Verlangen,
Wie mächtig es auch sei.

Gehäuften Topf und Teller
Trägt es zum Händler dann;
Der geizt noch mit dem Heller –
Er ist ein kluger Mann.

Doch nicht bei seines Gleichen
Vollendet sich der Kreis:
Erst auf dem Tisch des Reichen,
Der zu bezahlen weiß.

So wird zur Menschenhabe
Und dient dem Wucher nur
Selbst deine frei’ste Gabe,
O liebende Natur!

Leseprobe
_______________________

16_JudithHermann
Foto: Gaby Gerster

Am Donnerstag, den 16.Juni um 20 Uhr kommt Judith Hermann ins Ulmer Roxy.
Verpassen Sie diese Gelegenheit nicht.

Die kühle Präzision, mit der Judith Hermann diese verzweifelte Geschichte erzählt, raubt einem den Atem.
Volker Weidermann, Der Spiegel, 21.05.2016

Den tänzelnden, federleichten und doch melancholischen Ton, der ihre Leser in ›Sommerhaus, später‹ sofort hingerissen hat, trifft sie auch in ihrem neuen Buch.
Uwe Wittstock, Focus, 21.05.2016

Buch der Woche beim MDR
Besprechung im BR „Diwan“
Die Süddeutsche Zeitung berichtet

„Ich habe mir dieses Gespräch gemerkt. Es war ja kein wirkliches Gespräch, es war eher eine Situation. Ich hätte zu meinem Vater sagen können, dass ich mir all das merken will – einprägen will, um es Jahre später wieder hervorholen zu können, noch einmal zu bedenken und möglicherweise anders zu verstehen. Als mein Mann und ich in diese Stadt hoch im Norden fuhren, um meinen Vater aus der dortigen Psychiatrie abzuholen, hörten wir billige Musik aus dem Autoradio, die Sonne sank, und die roten Blinklichter an den Windrädern leuchteten auf, wir hatten Kaffee dabei und Weingummi und Schokolade, und ich war dankbar, ohne irgendetwas darüber sagen zu können.“

aus Judith Hermann: Lettipark