Dienstag

Heute haben
Evelyn Waugh * 1903
Anne Perry * 1938
Uwe Tellkamp * 1968
Geburtstag.
Aber auch Erasmus von Rotterdam, Danton und Bill Gates.
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„Erst spät habe ich begriffen, wie sehr mich die Erinnerungen an Alma und die
Großmutter geprägt haben. Das zerfallene Haus hat sie wachgehalten und ich
beginne mir seltsame Fragen zu stellen:

Aber auch das Haus gibt mir keine Antworten.“

aus: Silvia Trummer: „Vierhändig“

Heute abend ab 19 Uhr wird die Schweizer Autorin bei uns in der Buchhandlung lesen.
Wir beginnen pünktlich und verlangen € 8,00 Eintritt.
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Denken Sie schon an 2015?
Haben Sie schon erste Termine für das neue Jahr vereinbart?
Gibt es schon einen neuen Wandkalender als Ersatz für den jetzigen?
Ja? Wirklich?
Aber haben Sie auch einen Gedichtekalender?
Nein? Na dann bin ich mit meinem Tipp ja goldrichtig.

kalender

„Fliegende Wörter 2015“
53 Qualitätsgedichte zum Verschreiben und Verbleiben.
Im 21. Jahrgang
Herausgegeben von Andrea Grewe, Hiltrud Herbst und Doris Mendlewitsch
56 Blatt, durchg. vierfarbig
16 x 18 cm, Spiralbindung, mit Aufhänger
Daedalus Verlag € 16,95

Klassisch oder modern, besinnlich oder heiter – auf jeden Fall überraschend: 53 Gedichte aus vielen Ländern und Epochen, jedes für sich typografisch einfallsreich gestaltet. Und: Sie können jedes Gedicht an der perforierter Linie herausbrechen und weiterverschicken. Praktisch eine win-win-Situation. Wenn nicht sogar noch mehr.

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Im 21. Jahrgang mit Gedichten u.a. von Ingeborg Bachmann, Bertolt Brecht, Hilde Domin, Annette von Droste-Hülshoff, Erich Fried, Robert Gernhardt, Johann W. L. Gleim, Nora Gomringer, Hanns Dieter Hüsch, Sarah Kirsch, Paul Klee, Reiner Kunze, Else Lasker-Schüler, Ernst Meister, Christian Morgenstern, Ezra Pound, August Stramm, Jan Wagner, W. B. Yeats…

Hier eine kleine Auswahl von älteren, rechtefreien Gedichten. Im Kalender sind deutlich mehr Gedichte aus dem 20.und 21.Jahrhundert, als alten Klassiker. Gut so!

Claudius Matthias
Die Sternseherin Lise

Ich sehe oft um Mitternacht,
Wenn ich mein Werk getan
Und niemand mehr im Hause wacht,
Die Stern‘ am Himmel an.

Sie gehn da, hin und her zerstreut,
Als Lämmer auf der Flur,
In Rudeln auch und aufgereiht
Wie Perlen an der Schnur

Und funkeln alle weit und breit
Und funkeln rein und schön;
Ich seh‘ die große Herrlichkeit
Und kann mich satt nicht sehn…

Dann saget unterm Himmelszelt
Mein Herz mir in der Brust:
„Es gibt was Bessers in der Welt
Als all ihr Schmerz und Lust.“

Ich werf mich auf mein Lager hin
Und liege lange wach
Und suche es in meinem Sinn
Und sehne mich darnach.

Conrad Ferdinand Meyer
Der Reisebecher

Gestern fand ich, räumend eines langvergessnen Schrankes Fächer,
Den vom Vater mir vererbten, meinen ersten Reisebecher.
Währenddes ich, leise singend, reinigt ihn vom Staub der Jahre
Wars, als höbe mir ein Bergwind aus der Stirn die grauen Haare
Wars, als dufteten die Matten, drein ich schlummernd lag versunken,
Wars, als rauschten alle Quelle, draus ich wandernd einst getrunken.

Friedrich Hebbel
Abendgefühl

Friedlich bekämpfen
Nacht sich und Tag.
Wie das zu dämpfen,
Wie das zu lösen vermag!

Der mich bedrückte,
Schläfst du schon, Schmerz?
Was mich beglückte,
Sage, was war’s doch, mein Herz?

Freude, wie Kummer,
Fühl‘ ich, zerrann,
Aber den Schlummer
Führten sie leise heran.

Und im Entschweben,
Immer empor,
Kommt mir das Leben
Ganz, wie ein Schlummerlied vor.

Johann Wolfgang von Goethe
An vollen Büschelzweigen

An vollen Büschelzweigen,
Geliebte, sieh nur hin!
Laß dir die Früchte zeigen,
Umschalet stachlig grün.

Sie hängen längst geballet,
Still, unbekannt mit sich;
Ein Ast, der schaukelnd wallet,
Wiegt sie geduldiglich.

Doch immer reift von innen
Und schwillt der braune Kern,
Er möchte Luft gewinnen
Und säh‘ die Sonne gern.

Die Schale platzt, und nieder
Macht er sich freudig los;
So fallen meine Lieder
Gehäuft in deinen Schoß.

Hier gibt es ein paar Seitenbeispiele.

Freitag

Heute haben
Georg Büchner * 1813
Alfred Polgar * 1873
Ernst Blaß * 18909
Nathanael West * 1906
Arthur Miller * 1915
Geburtstag.
Aber auch der Regisseur Christoph Marthaler.
Und es ist der Todestag von Ingeborg Bachmann.
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Georg Büchner
Leise hinter düstrem Nachtgewölbe

Leise hinter düstrem Nachtgewölbe
Tritt des Mondes Silberbild hervor,
Aus des Wiesentales feuchtem Grunde
Steigt der Abendnebel leicht empor.

Ruhig schlummernd liegen alle Wesen,
Feiernd schweigt des Waldes Sängerchor,
Nur aus stillem Hain, einsam klagend,
Tönet Philomenes Lied hervor.

Schweigend steht des Waldes düstre Fichte,
Süß entströmt der Nachtviole Luft,
Um die Blumen spielt des Westwinds Flügel,
Leis hinstreichend durch die Abendluft.
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[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=lSTtxkj8PB0]

Die wunderbare Arie „Voi che sapete“ mit Christinne Schäfer aus Mozarts: Le Nozze di Figaro“ in einer Inszenierung von Christop Marthaler.
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Im aktuellen Heft von Sinn und Form gibt es die Tagebuchaufzeichnungen von Christine Koschel, die sie während Ingeborg Bachmanns Aufenthaltes im Krankenhaus, geschrieben hat. So bekommen wir zum ersten Mal einen sehr nahen und persönlichen Eindruck der letzten Wochen der Autorin.
Auf der Website des Heftes gibt es einen kleinen Auschnitt eines Interviews mit Christine Koschel.
Der Bachmann glaube ich, was sie schreibt
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Nun haben wir genug über die Geburts- und Todestage gehört und gesehen und kommen zu einem verregneten Aufenthalt auf Helgoland.

Wohl

Torsten Wohlleben: „Kann ich bitte löschen, was ich gerade gesagt habe?“

Carlsen Verlag € 14,90
Jugendbuch ab 14

Das tut richtig gut. Ein deutschsprachiges Jugendbuch, das so locker geschrieben ist und das Innenleben eines 16jährigen Jungen erzählt und nicht in den ganzen Untiefen herumwühlt. Mit sehr großem Vergnügen haben wir das Buch gelesen und finden, dass es natürlich nicht nur eines fürs Jungs, sondern genauso gutfür Mädchen ist, damit die mitbekommen, wie Jungs so ticken.
Torsten Wohlleben lässt Henner erzählen. Er ist klein, also nicht so groß würde ich mit meinen 1,70 sagen. Aber wenn er auf dem Sofa bei Starbucks zwischen seinen zwei Freunden mit über 1,80 sitzt, kommt er sich vor, wie Harry Potter ohne Brille und Zauberstab. Seine beiden Kumpels sind überall beliebt, zeigen sich von ihrer besten Seite und schauen von oben auf Henner (Henni Penni) herunter. Er ist sich dessen bewusst, weiss aber nicht, wie er aus dieser Situation herauskommt. Zuhause gibt es eine fürsorgliche Mutter und einen immer Arbeit befindlichen Vater. In der Schule hätte er eine Klasse überspringen können. Er will aber nicht, dass dies jemand erfährt. (Passiert aber doch). Verliebt ist er auch noch und zwar in die schöne Valerie mit den besonderen Klamotten. Er traut sich jedoch nicht, sie anzusprechen, hat nur Augen und Ohren für sie. Allein ihr Duft …. So vermasselt er auch gleich eine Geschichtsarbeit.
Alles könnte sich ändern, als die Jungs ein Angebot bekommen auf Helgoland Urlaub zu machen. Dort steht eine Wohnung frei und als sie erfahren, dass Mädels aus ihrer Klasse, inkl. Valerie, auch dort sind, gibt es für Henner kein Halten mehr. Auf Facebook wird organisiert und geschrieben und gepostet, was das  Zeug hält. Nur auf Henners Account ist nix zu sehen. Es klappt dann für Henner doch noch mit der Reise und als sie auf der Insel ankommen, regnet es in Strömen (hier auch), sie können die Wohnung beziehen und gehen sofort los um einzukaufen: Alkohol natürlichund kiloweise Krautsalat, weil der in der Menge so günstig ist.
Torsten Wohlleben schreibt in der Sprache dieser Jugendlichen, wird aber nie flapsig oder flach. Er benutzt den Slang, biedert sich jedoch nicht an. Der Roman liest sich flott weg und oft haben wir Passagen zum Schmunzeln oder Lachen. Es tauchen natürlich alle Utensilien auf, die die heutigen 16jährigen lebensnotwendig bauchen. Facebook, Smartphones, McDonald’s und Starbacks. Jede Menge Filmschauspieler und Zitate aus deren Filme und natürlich Musik. Aber auch hier hat Wohlleben ein klugen Händchen bewiesen und hält die Balance und nervt uns als Leser nicht. Jugendliche werden sich zu 100% wiederfinden. Und zwischen den Zeilen lesen wir natürlich eine große Kritik an diesen Konsumgütern, die für uns so selbstverständlich geworden sind. Aber sind sie wirklich so lebensnotwendig, wie zu Beginn Facebook für Henner?
Ob es mit Valerie klappt, oder ob es doch noch was wird mit Henner und Lefke, die übrigens Facebook doof findet, das dürfen Sie selbst herausfinden. Auf jeden Fall merkt Henner, wenn er sich innerlich verändert, anders einstellt, dann wird auch sein Verhältnis zu den beiden Freunden und zu den Mädchen ein anderes. Alles wird entspannter, sie können endlich normal miteinander reden und sich austauschen.
Ein klugen, witziges Buch. Ein tolles Geschenk.
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Heute abend ab 19 Uhr: „Ulmer Fraune schreiben und lesen“ bei uns in der Buchhandlung.
Der Vortrag am Sonntag um 11 Uhr im Weidacher Spatzennest („Partisanenpfade im Piemont“ fällt aus gesundheitlichen Gründen des Autors aus. Schade.
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Samstag

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Heute haben
Jerimias Gotthelf * 1797
Luis Sepulveda * 1949
Geburtstag.
Aber auch
Buster Keaton * 1895
Robert Wilson * 1941
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Der Monat Oktober glänzt mit zähem Morgennebel und strahlender Sonne am Nachmittag. Hoffentlich auch heute, also das mit der Sonne.

oktober

Oktober
Gedichte
Ausgewählt von Evelyne Polt-Heinzl und Christine Schmidjell
Reclam Verlag € 5,00

Robert Walser, Carl Zuckmayer, Rose Ausländer, Ingeborg Bachmann, Christoph Meckel, Friederike Mayröcker, Kaschnitz, Kunze, Jandl, Artmann, Rilke, Gernhardt, und und und.
In gewohnter Art führen uns die beiden Herausgeberinnen durch den Monat Oktober. Vom Spätsommer, bis zum kalten Herbst ist alles dabei. Nur kein Goethe. Den mögen die beiden wohl nicht. Oder sie brauchen ihn nicht, weil sie so viele andere AutorInnen haben.
Hier eine kleine Auswahl:

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Deltlev von Liliencron
Herbst

Astern blühen schon im Garten;
Schwächer trifft der Sonnenpfeil
Blumen die den Tod erwarten
Durch des Frostes Henkerbeil.

Brauner dunkelt längst die Haide,
Blätter zittern durch die Luft.
Und es liegen Wald und Weide
Unbewegt im blauen Duft.

Pfirsich an der Gartenmauer,
Kranich auf der Winterflucht.
Herbstes Freuden, Herbstes Trauer,
Welke Rosen, reife Frucht.

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Theodor Fontane
Spätherbst

Schon mischt sich Rot in der Blätter Grün,
Reseden und Astern sind im Verblühn,
Die Trauben geschnitten, der Hafer gemäht,
Der Herbst ist da, das Jahr wird spät.

Und doch (ob Herbst auch) die Sonne glüht, –
Weg drum mit der Schwermut aus deinem Gemüt!
Banne die Sorge, genieße, was frommt,
Eh’ Stille, Schnee und Winter kommt.

 

Nikolaus von Lenau
Herbstgefühl

Mürrisch braust der Eichenwald,
Aller Himmel ist umzogen,
Und dem Wandrer, rauh und kalt,
Kommt der Herbstwind nachgeflogen.

Wie der Wind zu Herbsteszeit
Mordend hinsaust in den Wäldern,
Weht mir die Vergangenheit
Von des Glückes Stoppelfeldern.

An den Bäumen, welk und matt,
Schwebt des Laubes letzte Neige,
Niedertaumelt Blatt auf Blatt
Und verhüllt die Waldessteige;

Immer dichter fällt es, will
mir den Reisepfad verderben,
Daß ich lieber halte still,
Gleich am Orte hier zu sterben.

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Christian Morgenstern
Oktobersturm

Schwankende Bäume
im Abendrot –
Lebenssturmträume
vor purpurnem Tod –

Blättergeplauder –
wirbelnder Hauf –
nachtkalte Schauder
rauschen herauf.

 

Friedrich Rückert
Herbsthauch

Herz, nun so alt und noch immer nicht klug,
Hoffst du von Tagen zu Tagen,
Was dir der blühende Frühling nicht trug,
Werde der Herbst dir noch tragen!

Läßt doch der spielende Wind nicht vom Strauch,
Immer zu schmeicheln, zu kosen.
Rosen entfaltet am Morgen sein Hauch,
Abends verstreut er die Rosen.

Läßt doch der spielende Wind nicht vom Strauch,
Bis er ihn völlig gelichtet.
Alles, o Herz, ist ein Wind und ein Hauch,
Was wir geliebt und gedichtet.

Samstag

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Heute haben
Jean-Jacques Rousseau * 1712
Anton Philipp Reclam * 1807
Luigi Pirandello * 1867
Eric Ambler * 1905
Jürg Federspiel * 1931
Marlene Streeruwitz * 1950
Geburtstag.
Morgen sind
Giacomo Leopardi * 1798
Antoine de Saint-Exupèry * 1900
und Oriana Fallaci * 1930
die Geburtstagskinder und es werden die Rechte am „Kleinen Prinzen“ frei.
Deshalb gibt es demnächst eine Neuübersetzung von Herrn Enzensberger. Wobei die bisherige von Frau Edl ist, die auch Anna Karenina neu übersetzt hat.
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Gestern abend stellte bei uns der Buchhandlung Thomas Brandt sein Buchprojekt „Das Gedächtnis der Dinge“ vor und las gemeinsam mit Birte Horn einige Passagen aus der Text-und Bildsammlung.
So erfuhren wir einiges über eine russische Blechdose, über die Handhabung eines uralten Dosenöffners, und warum im Buch eine alte DDR-Badehose und ein Vorderteil eines Presslufthammers abgebildet sind. Erinnerungen und witzige Momente wechselten sich ab und nach der Lesung wollten die ZuhörerInnen gar nicht mehr nach Hause und saßen bei dieser lauen Sommernacht draußen auf unserem Bänkle.
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Und wo wir schon beim Sommer sind, der ja gerade angefangen hat, stelle ich Ihnen heute das Gedichtbändchen: „Gedichte für einen Sommertag“ vor.

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Herausgeberin: Gudrun Bull
„Gedichte für einen Sommertag“
Den Sommer literarisch genießen
dtv € 7,90

Willommen liebe Sommerzeit
Rings Sonnenschein auf Wies‘ und Wegen
Duft und Wind und Lerchenlieder
Sommersneige
hat die Herausgeberin die einzelnen Kapitel genannt und wir finden AutorInnen wie Ingeborg Bachmann, Gottfried Benn, Brecht und Brockes, Busch und Buselmeier. Aber auch Hilde Domin und (natürlich) Herrn Eichendorff. Fontane darf nicht fehlen, genauso wenig wie Paul Gerhardt. George, Goethe, Hebbel, Heine, Hölderlin bis hin zu Schiller, Rückert, Trakl und Uhland geht die illustre Reihe.
Ein großer Querschnitt und sicherlich für jede Gelegenheit etwas dabei. Vielleicht legen Sie sich das Büchlein aufs Nachtkästchen und wenn Sie morgens die Augen aufmachen, öffnen Sie nicht Ihren Email-Account, sondern diese Gedichtsammlung und lassen den literarischen Sommer in Ihren Kopf.

Marie von Ebner-Eschenbach
Sommermorgen

Auf Bergeshöhen schneebedeckt,
Auf grünen Hügeln weitgestreckt
Erglänzt die Morgensonne;
Die tauerfrischten Zweige hebt
Der junge Buchenwald und bebt
Und bebt in Daseinswonne.

Es stürzt in ungestümer Lust
Herab aus dunkler Felsenbrust
Der Gießbach mit Getose,
Und blühend Leben weckt sein Hauch
Im stolzen Baum, im niedren Strauch,
In jedem zarten Moose.

Und drüben wo die Wiese liegt,
Im Blütenschmuck, da schwirrt und fliegt
Der Mücken Schwarm und Immen.
Wie sich’s im hohen Grase regt
Und froh geschäftig sich bewegt,
Und summt mit feinen Stimmen.

Es steigt die junge Lerche frei
Empor gleich einem Jubelschrei
Im Wirbel ihrer Lieder.
Im nahen Holz der Kuckuck ruft,
Die Amsel segelt durch die Luft
Auf goldenem Gefieder.

O Welt voll Glanz und Sonnenschein,
O rastlos Werden, holdes Sein,
O höchsten Reichtums Fülle!
Und dennoch, ach – vergänglich nur
Und todgeweiht, und die Natur
Ist Schmerz in Schönheitshülle.
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Johann Wolfgang von Goethe
Die schöne Nacht

Nun verlaß‘ ich diese Hütte,
Meiner Liebsten Aufenthalt,
Wandle mit verhülltem Schritte
Durch den öden, finstern Wald:

Luna bricht durch Busch und Eichen,
Zephyr meldet ihren Lauf,
Und die Birken streun‘ mit Neigen
Ihr den süßten Weihrauch auf.

Wie ergötz‘ ich mich im Kühlen
Dieser schönen Sommernacht!
O wie still ist hier zu fühlen,
Was die Seele glücklich macht!

Läßt sich kaum die Wonne fassen,
Und doch wollt ich, Himmel, dir
Tausend solcher Nächte lassen,
Gäb mein Mädchen eine mir.
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Theodor Fontane
Mittag

Am Waldessaume träumt die Föhre,
am Himmel weiße Wölkchen nur;
es ist so still, daß ich sie höre,
die tiefe Stille der Natur.

Rings Sonnenschein auf Wies‘ und Wegen,
die Wipfel stumm, kein Lüftchen wach,
und doch, es klingt, als strömt‘ ein Regen
leis tönend auf das Blätterdach.
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Herrmann Hesse
Der Duft der Rose

Der Duft der Rose nimmt dich
in einen süßen Bann
rührt Dich liebkosend leise
wie eine Liederweise
mit Ahnung voller Schönheit an;
ist ohne Gleichnis rein und zart:
Du kannst es nicht ermessen,
fühlst nur ein süß Vergessen
und eine süße Gegenwart.
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Ich wünsche Ihen ein schönes Wochenende, auch wenn Regen angekündigt ist. Nutzen Sie die Zeit und nehmen Sie die heute noch gekauften Bücher zur Hand und beginnen Sie in aller Ruhe zu schmökern, damit Sie ausgeruht am nächsten Dienstag um 19 Uhr zur unserer „Ersten Seite“ kommen können. Mit damit diesmal Florian Arnold und die Schweizer Autorin Silvia Trummer.
Am kommenden Freitag ist bei uns Annette Köhn zu Gast und stellt ihren Jaja Verlag vor.
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Mittwoch

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Heute haben
George Orwell * 1903
Ingeborg Bachmann * 1926
Eric Carle * 1929
Barbara Gowdy * 1950
Yann Martel *1963
Geburtstag.
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Alles Gute zum Geburtstag, wo immer auch Sie jetzt sitzen und malen, lieber Eric Carle.

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=vkYmvxP0AJI]
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Unser Tagestipp.
Gestern ganz frisch ausgepackt und sofort schickte der Verlag gleich eine Sondermeldung hinterher, damit wir auf das Buch auch wirklich aufmerksam gemacht werden. Damit haben sie recht, es ist wirklich etwas ganz Besonderes.

Fluss

Alessandro Sanna: „Der Fluss
Peter Hammer Verlag € 29,90

Alessandro Sanna hat mit diesem großforamtigen Bilderbuch, Bildband, Kunstbuch oder auch Graphic Novel etwas geschaffen, was ich in dieser Form noch nicht in Händen gehalten habe.
Geboren 1975 in Italien, hat er dort schon 40 Bücher für Kinder und Erwachsene veröffentlicht, im New Yorker und der New York Times Bilder veröffentlicht. Er unterrichtet an der Universität in Bologna und wohnt in Mantua.
Jahrelang hat er sich in seiner norditalienischen Heimat am Fluss, am Po umgeschaut. Hat gezeichnet, aquarelliert, ausgetestet und so langsam eine Idee entwicklet. Dieser große Fluss prägt die Landschaft und die Menschen. Es gibt viele Bücher über ihn, über Flüsse überhaupt. Der Fluss trennt und verbindet. Ach, wem erzähle ich das – wir haben ja die Donau vor der Haustüre und Anfang Juli beginnt hier das Internationale Donaufest.
Sanna nähert sich hier mit vier Geschichten über das ganze Jahr und nennt seine Kapitel dann auch Frühjahr, Sommer, Herbst und Winter. Er erzählt darin jeweils eine abgeschlossene Geschichte. Aber nicht so, wie wir uns das vorstellen. Er erzählt ohne Worte, sondern nur mit seinem (digitalen) Pinsel von Stürmen und Nebel, von der Hitze des Sommers und lauen Nächten, von Liebe, Geburt und Gemeinschaft. Die jeweils vier Aquarellstreifen pro Seiten zeigen fantastische Szenen, Mythologisches, Düsteres, und oft besonders Schönes. Wir wissen manchmal nicht, sind die Menschenreihen echt, oder gleichen sie den Baumreihen entlang des Flusses. Was zum Teil bedrückend wirkt, löst sich plötzlich in einer Hochzeitsgesellschaft auf. Ein Zirkus kommt und geht, ein Boot fährt durch den Nebel und wir sehen nur das helle Licht der Laterne in den Händen des Fischers. Im Herbst sehen wir den Atem, der grau, weiss aus Menschen und Tieren kommt. Die Sonne geht unter, Schnee fällt und ein wildes Tier bricht aus dem Zirkus aus. Aber ist er wirklich gefährlich, oder braucht der Maler ihn als Vorlage für ein Porträt? Was ist Wirklichkeit, was ist Fantasie? Damit spielt Sanne. Und das gekonnt. Der Verlag nennt es ein Silent Book. Wer hätte das gedacht. Noch eine neue Formulierung. Egal. Genießen Sie die einzelnen Bildergschichten, die einzelnen Bildstreifen, die Farben, die Ideen, die dahinterstecken und ich garantiere Ihnen, Sie werden gleich wieder von vorne beginnen und schauen, welches Ihr Lieblingsbild ist. Das wird jedoch schwierig.

Ins Buch schauen

Homepage des Autors

Sanna malt den Fluss auf einem Video
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Heute abend kommt Uli Deurer und stellt den Antje Kunstmann Verlag vor.

Dienstag

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Heute haben
George Orwell * 1903
und Ingeborg Bachmann * 1926
Geburtstag
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Swetlana Alexijewitsch erhält den Friedenspreis
des Deutschen Buchhandels 2013

Der Stiftungsrat des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels hat die weißrussische Schriftstellerin Swetlana Alexijewitsch zur diesjährigen Trägerin des Friedenspreises gewählt. Das gab Prof. Dr. Gottfried Honnefelder, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, zur Eröffnung der Buchtage Berlin 2013 bekannt. Die Verleihung findet während der Frankfurter Buchmesse am Sonntag, 13. Oktober 2013, in der Paulskirche statt und wird live im ZDF übertragen. Der Friedenspreis wird seit 1950 vergeben und ist mit 25.000 Euro dotiert.

Bericht in der taz.
Bericht in der FAZ.
Bericht in der Süddeutschen Zeitung.

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Swetlana Alexijewitsch: „Tod des roten Marschalls“
Erinnerungen an drei Tage einer vergessenen Revolution.

In der Nr.100 von Lettre International findet sich der neueste Text von Swetlana Alexijewitsch über die Tage im August 1991 in Moskau.

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Swetlana Alexijewitsch: „Tschernobyl
Eine Chronik der Zukunft
Bloomsbury € 9,90

Über mehrere Jahre hat Swetlana Alexijewitsch Menschen befragt, deren Leben von der Tschernobyl-Katastrophe gezeichnet wurden. Entstanden sind eindringliche psychologische Portraits – literarisch bearbeitete Monologe – , die von Menschen berichten, die sich ihre Zukunft in einer Welt der Toten aufbauen müssen.

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Swetlana Alexijewitsch: „Secondhand-Zeit
Leben auf den Trümmern des Sozialismus
Hanser Verlag 27,90
Das Buch erscheint Ende August 2013

Verlagstext:
Der Kalte Krieg ist seit über zwanzig Jahren vorbei, doch das postsowjetische Russland sucht noch immer nach einer neuen Identität. Während man im Westen nach wie vor von der Gorbatschow-Zeit schwärmt, will man sie in Russland am liebsten vergessen. Inzwischen gilt Stalin dort vielen, auch unter den Jüngeren, wieder als großer Staatsmann, wie überhaupt die sozialistische Vergangenheit immer öfter nostalgisch verklärt wird. Für Swetlana Alexijewitsch leben die Russen gleichsam in einer Zeit des „secondhand“, der gebrauchten Ideen und Worte. Wie ein vielstimmiger Chor erzählen die Menschen in ihrem neuen Buch von der radikalen gesellschaftlichen Umwälzung in den zurückliegenden Jahren.

Sonntag

Ja, es ist wirklich einen Sonnentag.
Um 7 Uhr minus 18 Grad, um 10 Uhr minus 15 und die Sonne knallt durch die Fenster.

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Heute haben
Guiseppe Ungaretti * 1888
Boris Pasternak * 1890
Bertolt Brecht * 1898
Jakov Lind * 1927
Geburtstag.
Was für ein starkes Quartett.
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Ungaretti

In der Bibliothek gibt es diesen schmalen Band für € 12,80.
Zweisprachig mit der deutschen Übersetzung von Ingeborg Bachmann.
Hier bestellen.
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Heute scheint ein Suhrkamp-Tag zu sein.
Ungaretti, Brecht und jetzt noch Sylvia Plath, deren Roman: „Die Glasglocke“ in einer Neuübersetzung von Reinhard Kaiser gerade erschienen ist.

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Suhrkamp Verlag € 22,95
„The Bell Jar“ € 11,99

Diesmal nicht 100 Jahre, wie bei Herrn Illies, sondern 50 Jahre sind es her, dass am 11.Januar dieser Roman erschienen ist.
Alissa Walser hat ein kurzes, intensives Vorwort zu diese Ausgabe geschrieben. Dem kann ich natürlich nichts hinzufügen. „Die Glasglocke“ stand schon immer auf meiner Leseliste und gestern abend war es dann so weit.
Ester Greenwood gewinnt einen Wettbewerb und darf für einen Monat als Praktikantin für ein Modemagazin nach New York City. Dieser Aufenthalt bildet den ersten Teil des Romanes, der auf Sylvia Plaths Wunsch nur in Grossbritannien unter einem Pseudonym erschienen ist. Da er sehr viel Autobiografisches enthält, wollte sie dadurch ihre Familie schützen und schonen. Kurz nach Veröffentlichung des Romanes nahm sich Sylvia Plath das Leben. Später wurde ihr einziger Roman „Die Glasglocke“ ein Kultbuch, nicht nur in der Frauenbewegung.
Der Roman ist so voller extrem starker Zeilen und Metaphern, dass ich eigentlich mit dem Stift hätte lesen sollen (so wie es Alissa Walser im Vorwort erwähnt). Die Zeit in New York ist frech und aufgedreht, die zweite Hälfte, die Esther wegen Depressionen und eines Suizidversuches in verschiedenen Kliniken verbingt, umso beklemmender. Unter einer Glasglocke. Abgeschirmt, aber doch für alle sichtbar.
Die Feigenbaum-Passage wird zum zentralen Dreh- und Angelpunkt und zieht sich durch die Literaturrezeption. Die vollen, fetten, reifen Feigen sind ein Leichtes zum Pflücken, zum Essen und zum Zufriedensein. Aber Esther kann sich nicht entscheiden, welche sie nehmen und essen soll. So nimmt sie gar keine.
Auch diverse Spiegel ziehen sich durch den Roman. Überhaupt Glas, das abschirmt, das die Kommunikation mit anderen fast unmöglich macht. Glas, das mehrfach zersplittert und verletzt.
Ach, was will ich groß über diesen saumäßig starken Roman schreiben, wo doch tausende von Seiten von Fachleuten darüber geschrieben worden sind.
Den Roman gibt es bei Suhrkamp in verschiedenen Ausgaben, auch als günstige Taschenbuch. Ich habe die neue Übersetzung von Reinhard Kaiser gelesen, die sehr flüssig und frech geschrieben ist. Nun würden mich u.a. auch die alten Übersetzungen und das Original interessieren, wie dort einige Passagen, derbe Schimpfwörter wiedergegeben werden. Und um auf das aktuelle Thema mit der „Umschreibung“ zukommen: Was steht bei Plath, was steht bei der anderen Übersetzung für das „Neger“, das Kaiser hier benutzt?. Das fällt im Moment natürlich sehr auf.
Ich kann diesen Roman allen empfehlen. Wahrscheinlich ist es egal, welche Übersetzung Sie nehmen. Der Roman ist so stark.

Hier finden Sie eine Leseprobe.
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