Donnerstag, 21.Januar

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Heute haben
Ludwig Thoma * 1867
Egon Friedell * 1878
Antonio Gramsci * 1891
Geburtstag

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Gedichte, die glücklich machen
Ausgewählt von Clara Paul
Insel Taschenbuch € 7,00

Joachim Ringelnatz
Morgenwonne

Ich bin so knallvergnügt erwacht.
Ich klatsche meine Hüften.
Das Wasser lockt. Die Seife lacht.
Es dürstet mich nach Lüften.

Ein schmuckes Laken macht einen Knicks
Und gratuliert mir zum Baden.
Zwei schwarze Schuhe in blankem Wichs
Betiteln mich »Euer Gnaden«.

Aus meiner tiefsten Seele zieht
Mit Nasenflügelbeben
Ein ungeheurer Appetit
Nach Frühstück und nach Leben.

Das nenne ich mal ein gelungenes Aufstehen. Kein Herumdrehen und nochmals auf den Wecker schauen. Einfach mal hoch und los geht’s.
Clara Paul hat uns mit diesem Taschenbuch ein große Freude bereitet. Wir kennen doch alle Gedichte, die uns nicht mehr loslassen, von denen wir zumindest Bruchstücke kennen. Und sei es nur die erste Zeile. Und hier finden wir sie wieder. Die Gedichte, auf die wir nicht mehr verzichten möchten, und die, auf die man nach dem ersten Lesen einfach nicht mehr verzichten kann: Voller Lebenslust und Fröhlichkeit sind sie, wenn auch ab und an melancholisch, traurig, schön. Sie sind Angebote an das Leben und Liebeswerklärungen, nicht nur an Menschen, sondern auch an jeden Tag und die ganze Welt.
Dies ist alles nicht so einfach in diesen schwierigen Zeiten der großen Umbrüche. Deshalb ist es vielleicht noch besser so ein Taschenbuch dabei zu haben. Wie schön ist es, wenn man jemandem im Zug gegenübersitzt, der schmunzelnd in einem Buch liest. Man möchte schon fast fragen, was er denn so Schönes dabei hat.

Rainer Maria Rilke
Du musst das Leben nicht verstehen

Du musst das Leben nicht verstehen,
dann wird es werden wie ein Fest.
Und lass dir jeden Tag geschehen
so wie ein Kind im Weitergehen
von jedem Wehen
sich viele Blüten schenken lässt.

Sie aufzusammeln und zu sparen,
das kommt dem Kind nicht in den Sinn.
Es löst sie leise aus den Haaren,
drin sie so gern gefangen waren,
und hält den lieben jungen Jahren
nach neuen seine Hände hin.

Mit Gedichten von Ilse Aichinger, Rose Ausländer, Elisabeth Borchers, Thomas Brasch, Bertolt Brecht, Joseph von Eichendorff, Hans Magnus Enzensberger, Robert Gernhardt, Johann Wolfgang Goethe, Heinrich Heine, Hermann Hesse, Ernst Jandl, Mascha Kaléko, Erich Kästner, Angela Krauß, Reiner Kunze, Else Lasker-Schüler, Christian Morgenstern, Rainer Maria Rilke, Joachim Ringelnatz, Peter Rühmkorf, Eva Strittmatter, Kurt Tucholsky und und und …
Somit nicht nur Lyrik aus vergangenen Tagen, sondern auch mit Werken aus dem 20.Jahrhundert. Gut, dass Clara Paul im unendlichen Fundus der Verlage Suhrkamp und Insel stöbern konnte.

Else Lasker-Schüler
Ein Liebeslied

Komm zu mir in der Nacht –
wir schlafen eng verschlungen.
Müde bin ich sehr,
vom Wachen einsam.
Ein fremder Vogel hat in dunkler
Frühe schon gesungen,
Als noch mein Traum mit sich
und mir gerungen.

Es öffnen Blumen sich vor allen Quellen
und färben sich mit deiner Augen
Immortellen…

Komm zu mir in der Nacht auf Sieben-
sternenschuhen
In Liebe eingehüllt spät in mein Zelt.
Es steigen Monde aus verstaubten
Himmelstruhen.

Wir wollen wie zwei seltene Tiere
liebesruhen
Im hohen Rohre hinter dieser Welt.

Robert Walser
Sommer

Im Sommer ißt man grüne Bohnen,
Pfirsiche, Kirschen und Melonen.
In jeder Hinsicht schön und lang,
bilden die Tage einen Klang.

Durch Länder fahren Eisenbahnen,
auf Häusern flattern lust’ge Fahnen.
Wie ist’s in einem Boote schön,
umgeben von gelinden Höhn.

Das Hochgebirge trägt noch Schnee,
die Blumen duften. Auf dem See
kann man mit Glücklichsein und Singen
vergnügt die lange Zeit verbringen.

Reich bin ich durch ich weiß nicht was,
man liest ein Buch und liegt im Gras
und hört von überall her die dummen
unnützen Mücken, Fliegen summen.

Leseprobe
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Unser Veranstaltungskalender ist fertig.
Werfen Sie einen Blick darauf, vielleicht gibt es die eine oder andere Veranstaltung, die Sie interessiert.

Freitag

Heute haben
José Ortega y Gasset * 1883
Walter Dehmel * 1903
Richard Adams * 1920
Geburtstag.
Aber auch Sophie Scholl * 1921 und
Anne Sofie von Otter * 1955.
Und es ist der Todestag von
Friedrich Schiller + 1805
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Friedrich Schiller
Frühlingsgedicht

Willkommen, schöner Jüngling!
Du Wonne der Natur!
Mit deinem Blumenkörbchen
Willkommen auf der Flur!
Ei! ei! da bist ja wieder!
Und bist so lieb und schön!
Und freun wir uns so herzlich,
Entgegen dir zu gehn.

Denkst auch noch an mein Mädchen?
Ei, Lieber, denke doch!
Dort liebte mich das Mädchen,
Und ’s Mädchen liebt mich noch!

Fürs Mädchen manches Blümchen
Erbat ich mir von dir –
Ich komm‘ und bitte wieder,
Und du? – du gibst es mir?

Willkommen, schöner Jüngling!
Du Wonne der Natur!
Mit deinem Blumenkörbchen
Willkommen auf der Flur!
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Allerletzte

Marc Ritter und Tom Ising:Das Allerletzte
Was Sie schon immer über den Tod wissen wollten
Riemann Verlag € 22,99
150 Abbildungen

Die Themen Sterben und Tod sind im Moment aktuell wie schon lange nicht mehr. Obwohl es doch jeden von uns angeht, war und bleibt es ein Tabuthema. Vor zwei Jahren war eine Bestatterin aus Berlin in Ulm und forderte die ZuhörerInnen intensiv auf, sich rechtzeitig um die eigene Beerdigung zu kümmern. Borasios „Wie wir sterben“ ist ein großer Bucherfolg. Das Buch von Bartholomäus Grill habe ich letzte Woche hier vorgestellt. Dort beschreibt er sowohl seine Erfahrungen mit dem Sterben in der eigenen Familie, als auch in Afrika, wo er als Journalist tätig ist.
„Das Allerletzte“ kommt sehr schön und frech daher. Die Farbe gelb des Leineneinbands symbolisiert die Sonne und ist Farbe der Trauer und des Todes in Ägypten. Das violette Vorsatzpapier deutet auf den Übergang hin, ist im Katholizismus die Trauerfarbe, wie auch in Thailand, so die Hinweise der beiden Autoren.
Das Buch ist in sieben Teile sortiert, in denen es um den Tod und den Geist, den Körper, das Recht, den Glauben, das Geschäft, die Gesellschaft und um den Tod und das Leben geht.
Wir finden die fünf Phasen des Sterbens nach Kübler-Ross (auch wenn die vielleicht nicht mehr aktuell sind), Symbole des Todes, wie die Sanduhr, den Raben, die Sense, usw. Aber auch Sprichwörter, wie „Rom sehen und sterben“, „Einen Tod muss man sterben“, oder auch „Der Tod hat keinen Kalender“. Schön finde ich auch diesen Spruch, der allerdings hier nicht auftaucht: „Das letzte Hemd hat keine Taschen“. Es gibt letzte Worte berühmter Menschen, auch wenn sie nicht immer als echt überliefert sind. Wir finden eine Liste verschiedener Todesarten in Dichtung wahrheit. Aber auch, wie das ist mit den Würmern und den Toten im Sarg. Berühmte Reliqiuen finden sich hier genauso, wie ungewöhnliche Begräbnisstätten. Dies alles ist bunt gemischt und doch genau recherchiert. Praktisches steht neben Schrägem und das liest sich zum Teil skuril, beruht aber auf Tatsachen. Der Tod in der Musik, in der Kunst, im Sport, genauso wie in der Literatur und der Philosophie wird hier thematisiert und Sie merken schon, ich können noch eine halbe Seite mehr schreiben.
Einfach in die Leseprobe schauen, bei uns im Buchladen, oder der Buchhandlung in Ihrer Nähe.

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