Donnerstag, 11.Mai


Heute haben
Gerhart Hauptmann * 1858
Rose Ausländer * 1901
Camilo José Cela * 1916
Ruben Fonseca * 1925
Henning Boetius * 1939
Geburtstag
___________________________________

Max Herrmann-Neiße (1886 – 1941)
Die Eisheiligen

Die Eisheiligen stehen mit steif gefrorenen Bärten,
aus denen der kalte Wind Schneekörner kämmt,
früh plötzlich in den blühenden Frühlingsgärten,
Nachzügler, Troß vom Winter, einsam, fremd.

Eine kurze Weile nur sind sie hilflos, betroffen,
dann stürzt die Meute auf den Blumenpfad.
Sie können nicht, sich lang zu halten, hoffen;
so wüsten sie in sinnlos böser Tat.

Von den Kastanien reißen sie die Kerzen
und trampeln tot der Beete bunten Kranz,
dem zarten, unschuldsvollen Knospenglück
bereiten sie hohnlachend Schmerzen,
zerstampfen junges Grün
in geisterhaft verbissenem Kriegestanz.

Plötzlich mitten in all dem Toben und Rasen
ist ihre Kraft vertan,
und die ersten warmen Winde blasen
aus der Welt den kurzen Wahn.
______________________________________

Ein sommerlicher kleiner Roman inmitten des Dauerregens.


Vita Sackville-West: „Das Erbe
Aus dem Englischen von Irmela Erckenbrecht
Schöffling Verlag € 18,00

Vita Sackville-West, bekannt durch ihre Romane und Gartenbücher und natürlich durch ihren selbstangelegten Garten Sissinghurst, hat in jungen Jahren, Anfang der 20er Jahre diesen schmalen Text geschrieben, aber er zwanzig Jahre später wiederentdeckt und veröffentlicht.
Wir können diese 100 Seiten jetzt als Neuerscheinung im Schöffling Verlag genießen. Während es vor der Türe regnet und die Eisheiligen ihrem Namen alle Ehre machen, wird es in diesem Buch immer sommerlicher und es ist die Sprache von Gartenpartys im Park des zu verkaufenden Anwesens.
Der alleinstehende Mr Chase wird plötzlich Erbe dieser vielen Ländereien und des alten Herrenhauses im elisabethanischen Stils ohne Strom, Wasser und Heizung. Sein Geld verdient er als Versicherungsangestelter in Wolverhampton und weiss zu Beginn nichts mit dieser neuen Tatsache anzufangen. Aber irgendwie erliegt er dem Charme des alten Gemäuers und den Menschen drum herum.
Der Makler hat jedoch schon eine große Auktion im Haus organisiert und es wird heftig für die Ländereien geboten, als Chase sich plötzlich unter den Bietenden befindet.
Ein liebenswerter, amüsanter, spannender Roman, bei dem zu erkennen ist, wie sehr die Autorin diese Häuser und Parks geliebt hat und gleichzeitig ein leicht ironischer Blick auf die Veränderungen der Zeiten. Vorbei sind die die herrschaftlichen Anwesen und im Anmarsch die Neureichen aus Londen, die auf ganz anderen Wegen zu viel Geld gekommen sind und nicht mehr von adliger Geburt sind.
________________________________________

Eine Buchpräsentation in Kooperation mit dem HfG-Archiv Ulm bei uns in der Buchhandlung.
Montag, 15.Mai, 19 Uhr

Dorthin gehen, wo die Parallelen sich schneiden
Hotel Kleber Post, Die Gruppe 47 in Saulgau
Texte & Resonanzen

Herausgeberin: Katrin Seglitz
osbert+spenza Verlag € 24,00

Die Geschichte der Ulmer Hochschule für Gestaltung und der Gruppe 47 ist anfangs eng, später locker miteinander verzahnt: Als die Schriftsteller im November 1947 in Herrlingen bei Ulm tagten, lud der damalige Ulmer Oberbürgermeister Robert Scholl die Autoren zu einem Empfang im Rathaus ein. Bei dieser Gelegenheit dürften sich der Gründer der Gruppe 47, Hans Werner Richter, und die HfG-Mitbegründerin Inge Scholl zum ersten Mal begegnet sein. Gemeinsam diskutierten sie in den kommenden Monaten die Idee zu einer neuen, ganz besonderen Hochschule, die in Ulm entstehen und deren Gründungsrektor Hans Werner Richter sein sollte. Zu dieser Zusammenarbeit kam es nicht, doch blieb die Verbindung zwischen der HfG und der Gruppe 47 auch in den folgenden Jahren bestehen.  

In dem Buch „Dorthin gehen, wo die Parallelen sich schneiden“ stellt die Herausgeberin Katrin Seglitz Texte von Mitgliedern der Gruppe 47 vor und lässt heutige SchriftstellerInnen darauf antworten: Nora Gomringer auf Günter Grass, Zsuzsanna Gahse auf Helmut Heißenbüttel, Thommie Bayer auf Otl Aicher und andere mehr. Die Lektüre ermöglicht die Wiederentdeckung von Texten der Gruppe 47, aber auch Einsichten in die unterschiedliche Art und Weise, zu ihnen in Resonanz zu gehen.

Die Veranstaltung ist eine Kooperation von HfG-Archiv Ulm und der Kulturbuchhandlung Jastram.

Dienstag, 23.Juli

0cb8b69a-af30-4750-abd2-7f710eab0bad

Heute haben
Raymond Chandler * 1888
Elio Vittorini * 1908
Hubert Selby * 1928
Alex Capus * 1961
Kai Meyer * 1969
Thea Dorn * 1970
Geburtstag.
__________________________

Heute auf dem Gedichtekalender:

Max Herrmann-Neiße
Heimatlos

Wir ohne Heimat irren so verloren
und sinnlos durch der Fremde Labyrinth.
Die Eingebornen plaudern vor den Toren
vertraut im abendlichen Sommerwind.

Er macht den Fenstervorhang flüchtig wehen
und läßt uns in die lang entbehrte Ruh
des sichren Friedens einer Stube sehen
und schließt sie vor uns grausam wieder zu.

Die herrenlosen Katzen in den Gassen,
die Bettler, nächtigend im nassen Gras,
sind nicht so ausgestoßen und verlassen
wie jeder, der ein Heimatglück besaß

und hat es ohne seine Schuld verloren
und irrt jetzt durch der Fremde Labyrinth.
Die Eingebornen träumen vor den Toren
und wissen nicht, daß wir ihr Schatten sind
__________________________

Susanne Link empfiehlt:

m

Andrea Liebers & Susanne Göhlich; „Das Schulschwein“
Hammer Verlag € 9,90
ab 6 Jahren

Zum Vorlesen wunderbar geeignet und zum Selberlesen mit größeren Buchstaben ab 2.Klasse einfach herrlich.
Laila möchte neben Finn sitzen. Finn findet das in Ordnung, doch Mehmet stört das und wer versöhnt die drei und bringt einen superschnellen Klassenzusammenhalt? Miss Piggy!
Eine munter Schulgeschichte, die Lust macht auf mehr.

Donnerstag, 23.Mai

IMG_3501

Heute haben
Harry Graf Kessler * 1868
Max Herrmann-Neiße * 1886
Pär Lagerkvist * 1891
Annemarie Schwarzenbach * 1908
Geburtstag
_____________________

Max Herrmann-Neiße
Wir altern

Wie wir altern! Ob wir uns auch sträuben,
dieses Bröckeln im Geblüt zu hören, –
jede Stunde muß uns mehr zerstören.
Dieses Wissen kann kein Werk betäuben.

Wenn wir uns im Spiegel noch belügen –
plötzlich läßt das Bild des Photographen
unsern Argwohn nicht mehr ruhig schlafen,
Todeszeichen drohn aus müden Zügen.

Ängstlich sehn wir unsren ungestalten
Wanst wie einen Aschenhang zerfallen.
Feindlich greifen mit den scharfen Krallen
die Gespenster aus den Vorhangfalten.

Doch wir haben niemals Mut und Waffen,
gegen ihre Mordlust uns zu wehren.
Kein Erwachen hilft: Vermehrt nur kehren
bald sie wieder, ganz uns hinzuraffen.

Morgen wird das nur gespielte Sterben,
das wir mit Genuß im Kino sahen,
sich dem eignen Herzen häßlich nahen,
schlägt ein Nachtmahr unsre Welt in Scherben.

Sommerwiese noch mit Duft und Faltern
zeigte dem, der wahr sieht, das Verwesen.
Nur zu spätrem Tod bist du genesen,
und wir atmen heißt: wir altern!
______________________

9783423147071

Peter Graf (Hrsg.): „Eine ungemein eigensinnige Auswahl unbekannter Wortschönheiten aus dem Grimmschen Wörterbuch“
dtv € 12,90

Peter Graf, Verlager, Leiter der Verlagsagentur Walde+Graf, Büchersüchtiger und -entdecker hat sich durch die fast 35.000 Seiten des Grimmschen Wörterbuch durchgeblättert und herausgekommen ist diese Blütenlese auf 350 Seiten. Also: ordentlich eingedampft. Das Buch ist zweifarbig grün und blau gedruckt in bibliophieren Art gesetzt. Ein Schmökerbuch, ein Buch zum Durchblättern und sich Festlesen. Ein kleiner Tipp: Legen Sie sich Stift und Papier zur Seite, damit Sie Worteinträge notieren und bei Ihrem nächsten Brief einsetzen können.

Ausgöffern
Fitznase
Gänsehimmel
Nachtbär
Pams Pams
Tribschen

sind nur einige der vielen besonderen Einträge, die dem großen Werk entnommen und mit den jeweiligen Ergänzungen, Zitaten versehen wurden.
Beachtlich ist auch Peter Grafs Vorwort, in dem er auf die 123jährige Entstehungs-geschichte des Grimmschen Wörterbuchs eingeht. Verwerflich findet er, dass Einträge, die während der Nazi-Zeit getätigt, immer noch unkommentiert zu lesen sind. So auch Einträge aus dem „Völkischen Beobachter“ und aus Hitlers „Mein Kampf“. Es gibt keine positiven Frage zum Stichwort Juden. Nur neutrale und eindeutig negative. Dies möchte Peter Graf gerne geändert haben.