Die aktuellen Corona-Bestimmungen schreiben vor: 2 G im Buchladen und das Tragen einer FFP2 Maske. Bitte zeigen Sie uns Ihren digitalen Impfausweis und Ihre Identkarte. Danke!!! ____________________________________________
Am Samstag, den 8.Januar haben wir ganztätig wegen Inventur geschlossen. ____________________________________________
Heute haben Paula Ludwig * 1900 Fred Wander * 1917 Friedrich Dürrenmatt * 1921 Juan Goytisolo * 1931 Umberto Eco * 1932 Geburststag _______________________________________
Johann Wolfgang Goethe Ein großer Teich war zugefroren
Ein großer Teich war zugefroren; Die Fröschlein in der Tiefe verloren, Durften nicht ferner quaken noch springen, Versprachen sich aber, im halben Traum, Fänden sie nur da oben Raum, Wie Nachtigallen wollten sie singen. Der Tauwind kam, das Eis zerschmolz, Nun ruderten sie und landeten stolz Und saßen am Ufer weit und breit Und quakten wie vor alter Zeit. ________________________________________
Thomas Tidholm: „Die Eisreise„ Illustrationen: Anna-Clara Tidholm Aus dem Schwedischen von Anu Stohner dtv / Reihe Hanser € 14,95 Bilderbuch ab 6 Jahren
„Den Polarfahrern Fridtjof Nansen und Ernest Shackleton gewidmet“
Eines Tages im Frühjahr gehen Ida, Max und Jock zum Vogelbach. Jock glaubt, am Ufer Spuren von Ottern gesehen zu haben, und die drei treten aufs Eis, um sie zu suchen. Da hören sie plötzlich ein Knacken. Und bevor sie wieder zurück an Land springen können, löst sich die Eisscholle und beginnt sich zu bewegen. Die drei Kinder treiben vom Ufer weg, immer weiter den Fluß entlang, bis ins offene Meer. Dorthin, wo das ewige Eis ist. An eine baldige Rückkehr ist nicht denken. So heisst es erst einmal eine Übernachtungsmöglichkeit zu suchen. Später finden sie sogar eine verlassene Hütte, in der wohl vor langer Zeit Forscher gelebt haben mussten. Hier erleben die drei Kinder Abenteuer in Sturm und Kälte, mit Pinguinen und der Leckerei „Fischbällchen“, die sie, in Dosen abgefüllt, finden. Das Heimweh wird zu groß. So machen sie sich, mit einem kleinen Boot, auf den Heimweg, durch einen großen Sturm, bis zum Fluß, weiter zum Bach, bis sie wieder am Ausgangspunkt angelangt sind. Die Zeit ist wie im Flug vergangen. Es ist wieder Frühling, der Schnee geschmolzen. Max und Jock verabschieden sich und Ida gibt dem kleinen gebastelten Boot einen Schubs. Ein tolles Abenteuerbilderbuch (zum Vorlesen).
Den Roman hatte ich vor Wochen angefangen und relativ bald wieder weggelegt. Das hat sich als Fehler herausgestellt, wie ich nach einem Video-Abend des Hanser Verlages mit Doris Knecht bemerkt habe. Zu Beginn des Buch ist die Frau ständig mit ihrem Handy unterwegs. Hier ne Nachricht, da noch scrollen und schnell noch mal ne Message losschicken. Das ist nicht meins. Das brauche ich nicht im Roman. Das sehe ich auf der Straße, jeden Tag. An diesem Hanser Abend mit der Autorin wurde mir bewusst, wie wichtig diese Anfangssequenz für das wirklich starke Buch ist. Diese Frau lebt nach dem Tod ihres Mannes alleine im gemeinsamen Haus auf dem Land. Die Kinder sind ausser Haus, Freunde erreichbar, wenn sie sie braucht und das mit der Arbeit hat sie gut im Griff. Sie weiss auch, dass ihr Mann in den letzten Lebensjahren, vor seinem plötzlichen Tod, eine Affäre hat. Dies hat sie nach seinem Ableben erfahren. Was sie aus der Bahn wirft, sind diese Hassmails, diese boshaften Messenger-Nachrichten, die sie verleumden, beschimpfen und aufs Übelste erniedrigen. Diese Botschaften erhält nicht nur sie. Auch im Freundeskreis und bei Arbeitskollegen tauchen sie auf und bringen diese Verhältnisse kräftigen durcheinander. Eine gewisse Verunsicherung bleibt hängen. Doris Knecht erzählt, was sie, in ihrem Umfeld, in dieser Beziehung mitbekommen hat. Wie Frauen sich verzweifelt dagegen wehren und oft am Ende scheitern und die Männer freigesprochen werden. Im Roman spielt die Autorin mit verschiedenen Verdächtigen, bis sich eine Personen als der Täter, die Täterin herausstellt. Aber wenn wir lesen, was mit dieser Person geschieht, sind wir wieder in der Realität angelangt. Ein spannender, aktueller, engagierter Roman, der leicht daherkommt, aber ein schwergewichtiges Thema bearbeitet. Doris Knecht zeigt auf, dass Frauen oft vom Opfer zur Täterin gemacht werden. Absolut lesenswert.
Die Welt erreicht heute den sogenannten Erdüberlastungstag. Menschen verbrauchen von heute an mehr Ressourcen als binnen eines Jahres auf natürliche Weise erneuert werden können.
Heute haben Peter Altenberg * 1859 Agnes Miegel * 1879 Umberto Saba * 1883 Vita Sackville-West * 1892 Marie Cardinal * 1929 Ota Filip * 1930 Keri Hulme * 1947 Geburtstag. Es ist der Todestag von Charles Bukowski. _______________________________________
Peter Altenberg Winterszeit
Der Kirchthurm ragt – – –. Und wie in Frost erstarrt sind die Geräusche. Da rieselt von überladenen harten Fichtennadeln harter Schnee in Klümpchen ab – – –. Dann wieder Stille, Stille, Stille – – –. Und der Dichter sagt: „Ich höre die Symphonieen der Stille!“ _________________________________________
Michael Bauer hat es wieder geschafft, ein Feuerwerk sprachlicher Akrobatik für Jugendliche zu schreiben. Voller Witz, voller Sympathie für die Schrecken und Unsicherheiten der Teenagerjahre, lässt er den Leser rasant durchs Buch schlittern. Beim „Tag der offenen Tür“ an der Uni begegnet Sebastian erst Elsa, deren Schönheit ihn verwirrt und er auf ein vermeintliches Date reinfällt. Aus dieser Peinlichkeit rettet in Frida, schräg frech und viel Metall im Ohr. So beginnt ein gemeinsamer Tag an der Uni, zu dem auch noch Tolly, Sebastians bester Freund und Filmspezialist gehört. Ein einziger Tag und Michael Bauer macht ein ganzes Buch daraus, voller verrückter Situationen, Geschichten, die von den dreien erfunden werden oder eventuell doch ein Fünkchen Wahrheit enthalten. Dialoge, die klug hin und her springen und natürlich passiert da auch etwas zwischen Sebastian und Frida, die vielleicht gar nicht Frida ist…… Tolles Ende, das wir als Leser atemlos erreichen. Ein purer kluger Lesespass, den ich auch den Großen wärmstens empfehle.
Gewinnspiel:
Beantworte die folgende Gewinnspielfrage und gewinne mit etwas Glück eine von drei Popcornmaschinen von WMF:Auf wen wartet ‘der stinknormale Typ’ aus dem Buch “Dinge, die so nicht bleiben können” im Foyer des Kinos?
A. Auf seine Mutter B. Auf ein PWW (= ein perfektes weibliches Wesen) C. Auf Tolly, seinen besten Freund
Sende die Antwort bis zum 30.06.2021 per Mail an ge******@ha****.de mit dem Betreff “Popcornmaschine”.
Mit dem Absenden deiner Angaben erklärst du dich mit der Verarbeitung deiner angegebenen Daten zum Zweck der Teilnahme am Gewinnspiel einverstanden. Nach Abschluss des Gewinnspiels werden deine Daten gelöscht. Weitere Informationen findest du in unserer Datenschutzerklärung und in den folgenden Teilnahmebedingungen.
Auf der Hanser Seite gefunden: 5 Fragen an Michael Gerard Bauer
Herr Bauer, in Ihrem Jugendroman Dinge, die so nicht bleiben können gibt es die drei Hauptfiguren Tolly, Frida und Sebastian. Welche ist Ihnen am ähnlichsten und warum? Nun, ich denke, Tolly ist wahrscheinlich zu groß gewachsen, zu weise und selbstbewusst, um mir ähnlich zu sein. Frida ist sicherlich zu lebhaft und stark, bleibt Sebastian. Wir haben tatsächlich einige Gemeinsamkeiten, vor allem in den Jahren, als ich ungefähr in seinem Alter, also um die 16 Jahre alt, war. Wie ihm fehlte es mir an Selbstvertrauen, und ich hatte auch keine Ahnung, was mal aus mir werden sollte. In den ersten Jahren auf der Universität schrieb ich mich in einen Handelsrechtskurs ein. Ich weiß nicht, warum, denn meine wahre Leidenschaft war alles, was sich um Worte und Musik drehte – wie bei Sebastian. Und es gab auch bei mir viele Momente, in denen ich mir wünschte, mein Leben würde sich wie in einer romantischen Komödie entwickeln! Aber das tat es selten.
Frida hat eine sehr ausgefallene Frisur: Die eine Seite hat einen weißblonden Fransenschnitt, die andere ist dunkel und kurzgeschoren. Gibt es jemanden, der sie inspiriert hat? Hinter der Idee für Fridas Haarschnitt stand keine bestimmte Person. Interessanterweise fiel mir aber als erstes diese Frisur ein, als ich mir ausmalte, wie Frida aussehen sollte. Ich bin mir nicht sicher, warum das so war. Möglicherweise, weil ich diesen Stil wirklich mag und weil er in irgendeiner Weise die Kontraste und Widersprüche in Fridas Charakter zum Ausdruck bringt. Sebastian ist sehr daran interessiert herauszufinden, wer die „echte“ Frida ist, denn sie scheint viele verschiedene Facetten zu haben. Die Mischung aus langen Haaren und halb rasiertem Kopf mit Ohrringen an nur einem Ohr führt dazu, dass sich auch das Aussehen von Frida ständig ändert, je nachdem, aus welchem Blickwinkel man sie betrachtet.
Wer sollte dieses Buch unbedingt lesen? Nun, es wäre schön, wenn alle es tun würden! Ich denke, es ist eine Geschichte, die jeder genießen und aus der jeder etwas ziehen kann. Ich habe sie besonders den „Träumern“ gewidmet, weil ich denke, dass es eine Geschichte über Hoffnung, Freundschaft und Möglichkeiten im Leben ist. Falls du also jemand bist, der an diese Dinge glaubt und der wie Tolly und Sebastian auch denkt, dass man Unrecht und Ungerechtigkeit nicht einfach hinnehmen sollte, dann könnte das Buch vielleicht ganz besonders für dich sein. Und auch, wenn du vielleicht ein Filmfan bist. Oder besonders gerne bei einer Lektüre lachst. Oder vielleicht auch weinst. Ich bin mir nicht sicher. Man muss es nur lesen und selbst herausfinden!
Welchen Film mögen Sie lieber: Die Faust im Nacken oder Casablanca? Was ist Ihr absoluter Lieblingsfilm? Das sind beide wundervolle klassische Filme. Aber meine erste Wahl wäre Casablanca, weil er von Anfang bis Ende brillante Dialoge hat und mit As Time Goes By einen großartigen Soundtrack. Außerdem spielt Bogart mit. Was will man mehr? Ich liebe Filme wirklich, daher ist es fast unmöglich, einen als Favoriten hervorzuheben, aber The Big Lebowski, der in der Geschichte vorkommt und aus dem der Roman seinen Titel ableitet, ist genau das Richtige für mich.
Die Ereignisse Ihrer Geschichte spielen sich alle an einem einzigen Tag ab. Glauben Sie, dass man jemanden in weniger als 24 Stunden wirklich kennenlernen kann? Nein, das glaube ich nicht. Aber an einem Tag kann viel passieren, wie es bei Sebastian und Frida der Fall ist. Vielleicht können die beiden durch die verschiedenen Erfahrungen, die sie zusammen machen, einander gut genug kennenlernen, um zu entscheiden, ob sie das Risiko eingehen möchten, sich noch besser kennenzulernen. Ob sie bereit sind, sich noch mehr auf den anderen einzulassen und noch mehr von sich preiszugeben. Das kann eine schwierige Entscheidung sein. Wie Sebastian betont, gibt es im Leben – im Gegensatz zu romantischen Komödien – keine Garantie für ein Happy End.
Heute haben Samuel Pepys * 1633 Wilhelm Grimm * 1786 Erich Kästner * 1899 Elisabth Langgässer * 1899 Geburtstag und es ist der Todestag von John Keats, der am 23.2.1821 in Rom gestorben ist. Er liegt auf dem Nichtkatholischen Friedhof in Rom bei der Pyramide und auf seinem Grabstein stehen die weltberühmte Worte: „Here lies One Whose Name was writ in Water“ ____________________________________
Cäsar Flaischlen Februar
Schon leuchtet die Sonne wieder am Himmel und schmilzt die Schneelast von den Dächern und taut das Eis auf an den Fenstern und lacht ins Zimmer: wie geht’s? wie steht’s?
Und wenn es auch noch lang nicht Frühling, so laut es überall tropft und rinnt … du sinnst hinaus über deine Dächer … du sagst, es sei ein schreckliches Wetter, man werde ganz krank! und bist im stillen glückselig drüber wie ein Kind. ______________________________
Vor ca. zwei Wochen wurde dieses Buch auf Zoom Präsentiert. Über 100 Interessierte nahmen daran teil und wurden nicht enttäuscht. Das Interview mit dem Autor (ausgesprochen: Grabowatz) war sehr unterhaltsam, witzig pointiert. Immer wieder erwähnte er, dass ihm eine klare, nüchterne, direkte Sprache sehr wichtig war. Nur so konnte er seine Geschichte aufschreiben. Grabovac arbeitet als Journalist und hätte genauso ein Sachbuch schreiben können, über die Eingliederung (oder nicht Eingliederung) von Gastarbeitern in Deutschland. Er sagt, dass auf diesem Gebiet noch nicht viel aufgearbeitet worden ist. Er hat sich jedoch zu einem Roman entschieden, bei dem Orte und Namen zum größten Teil original übernommen worden sind. Seine Mutter arbeitet als Gastarbeiterin in einer Schokoladenfabrik, sein Vater, ein Kleinganove, der viel trinkt, beklaut seine Frau im Krankenhaus, vor der Geburt des Autors, so dass sie zu Fuß nach Hause laufen muss. So der Einstieg. Alem wird zu einem deutschen Pflegefamilie gebracht und ist dort das achte, nach sieben eigenen Kindern. Der Pflegevater ist ein ewig gestriger Nazi. Seine Mutter heiratet wieder, wobei das Verhältnis zu seinem Stiefvater sehr schlecht ist, da er immer wieder brutal zu ihm ist. Dies klingt alles sehr hart und doch schafft es der Autor eine gute Geschichte daraus zu machen. Ein Mann, der sich auf die Suche nach seiner Identität, nach den Biografien der Erwachsenen in seinem Umfeld macht. Dabei hilft ihm seine unverblümte Sprache und ohne zu werten. Gelungen.
Von der Hanser-Seite übernommen: 5 Fragen an Alem Grabovac
Herr Grabovac, worum geht es in Ihrem Roman Das achte Kind? Um Bauern, Diebe, Fabrikarbeiterinnen, Tito, Nationalsozialisten, drei Väter, zwei Familien und das ganze schräge Inventar aus dem kurzen 20. Jahrhundert mit all seinen großen und kleinen Erzählungen, die sich schicksalhaft in die Biografien der Protagonisten eingeschrieben haben.
Die Geschichte hängt sich weitgehend an Ihrer Biografie auf. Wie war der Schreibprozess für Sie? Zunächst: Was kommt hinein, was lasse ich weg, wie ordne ich alles an und was muss ich erfinden, um die Realität glaubhaft und spannend zu erzählen. Es handelt sich um eine Autofiktion, eine Autobiografie, in die fiktionale Handlungsebenen verwoben sind. Und dann habe ich das alles so schlicht und kristallklar wie nur möglich aufgeschrieben. Die Sprache sollte, ganz ohne poetologische Ornamentik, geräuschlos und zugleich lebendig hinter der Handlung verschwinden.
Hätten Sie Ihrer Romanfigur Alem lieber ein anderes Heranwachsen gewünscht? Ach, das überlasse ich meinem kleinen Sohn, der liebevoll und behütet aufwächst und dann irgendwann so seine Probleme damit haben wird.
Maxim Biller bezeichnet Das achte Kind als Bildungsroman. Was meint er damit? Zwei Dinge, vermute ich. Einerseits die noch nicht auserzählte Migrationsgeschichte der BRD und andererseits ein Fortwirken der nationalsozialistischen Ideologie, die in vielen Familien unter den Teppich gekehrt wurde. Mein deutscher Vater war zum Beispiel ein Wehrmachtssoldat, der die Juden gehasst hat. Für ihn war, wie für so viele andere Deutsche, der 8. Mai 1945 ganz bestimmt kein Tag der Befreiung.
Ist Das achte Kind auch eine Geschichte des Loslassens und Verzeihens? Nein, das Loslassen und Verzeihen hatte schon lange vor dem Schreiben stattgefunden. Ich habe versucht, die Geschichte ungeschönt und wertfrei zu erzählen. Ganz allein der Leser oder die Leserin sollen entscheiden, welche Schlussfolgerungen sie aus alledem ziehen.
Heute haben Frierich de la Motte Fouché * 1777 George Meredith * 1848 Lou Andreas-Salomé * 1861 Gerhard Rühm * 1930 Janwillem van de Wetering * 1931 Geburtstag _______________________________________
„Glaubt mir, die Welt wird euch nichts schenken. Wenn ihr ein Leben wollt, so stehlt es.“ Lou Andreas-Salomé _______________________________________
Neue Bücher aus dem Hanser Verlag frisch ausgepackt:
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Unser Tagestipp:
Valeria Parrella: „Versprechen kann ich nichts“ Aus dem Italienischen von Verena von Koskull Hanser Verlag € 19,00
Ein starker, einfühlsamer, intensiver Roman auf nicht mal 130 Seiten. Elisabetta bleibt Ihnen in Erinnerung, wenn Sie das Buch durchhaben. Ihre Gefühle, ihre Arbeit, ihre Gedanken hat die Autorin sehr gekonnt in Sprache gesetzt. Elisabetta arbeitet als Lehrerin im Jugendgefängnis Nisida in Neapel. Als ihr Mann stirbt, stürzt sie sich in die Arbeit. Das Gefängnis ist für sie gleichzeitig ein Ort der Ruhe, abgekapselt von der Hektik Neapels. So geht es auch vielen Jugendlichen dort, die sich zum ersten Mal mit Gleichaltrigen zum Sport treffen können und weg sind von der Straße. Dort wo ihr Weg direkt ins Gefängnis ging. Eines Tages taucht Almarina auf, eine junge rumänische junge Frau, die viel Gewalt erleben musste. Nach einer Anlaufzeit spüren die beiden eine Nähe zu einander. Wer kann hier wem helfen? Fesselnd, packend und mit großer Leichtigkeit geschrieben.
Sie haben einen Roman geschrieben, der in Nisida, dem Jugendgefängnis von Neapel, spielt. Wie kamen Sie auf diese Idee? Was ist das Besondere an diesem Ort?
Gemeinsam mit anderen neapolitanischen Schriftstellerinnen und Schriftstellern habe ich vier Jahre lang Kurse für kreatives Schreiben in der Jugendstrafanstalt Nisida gegeben. Dabei sind bereits zahlreiche Erzählungen entstanden, die in einem kleinen lokalen Verlag erschienen sind und deren Gewinn an das Gefängnis zurückfloss. Aber in dem Thema steckte noch viel mehr. Irgendwann ist mir aufgefallen, dass in der Regel angenommen wird, dass Gefängnisse schlimme, überfüllte Orte sind. Dabei ist das Gefängnis von Nisida ein sehr besonderer Ort: Die Jugendlichen finden dort vieles von dem, was sie vorher nicht hatten. Dieser Beobachtung wollte ich in meinem Roman nachgehen.
Erzählt wird Ihr Roman aus Perspektive von Elisabetta Maiorano, die mit großer Hingabe und beeindruckender Geduld als Lehrerin in der Jugendstrafanstalt arbeitet. Woher nimmt sie die Leidenschaft für ihre Arbeit?
Elisabetta Maiorano ist zwar eine erfundene Figur, aber ich glaube, dass diese Leidenschaft für ihre Arbeit unter Lehrerinnen und Lehren sehr verbreitet ist. Bei meinen Eltern, die auch Lehrer sind, und auch als Schülerin habe ich das häufig beobachtet. Bei Elisabetta kommt hinzu, dass sie selbst beschlossen hat, im Gefängnis zu unterrichten. Niemand hat ihr diese Aufgabe zugewiesen, sie hat sie selbst gewählt. Die Rolle, die sie im Gefängnis einnimmt, geht über die normale Lehrerinnenrolle hinaus: Es geht nicht nur um die zu vermittelnden Inhalte, sondern um die ursprüngliche, lateinische Bedeutung des Wortes magister: Eine Lehrerin oder ein Lehrer bringt dir nicht nur etwas bei, sondern kann dir den Weg weisen.
Alles ändert sich für Elisabetta, als eines Tages die junge Rumänin Almarina das Klassenzimmer betritt. Was verbindet die beiden Frauen?
Im allerersten Moment können sich die beiden Frauen nicht ausstehen. Elisabetta verhält sich sehr distanziert, und Almarina nimmt Elisabetta nicht ernst. Doch irgendwann beginnen beide zu verstehen, dass die Schwierigkeiten zwischen ihnen vor allem von ihrer jeweiligen Verletzlichkeit kommen – beide haben in der Vergangenheit schlimme Erfahrungen gemacht: Elisabetta ist seit kurzem Witwe und Almarinas Körper wurde unglaubliches Übel zugefügt. Durch ihre Wunden finden die beiden Frauen zueinander.
Interessanterweise wird der Raum hinter den Mauern für Elisabetta zu einem Ort, an dem sie sich wohler fühlt, ruhiger ist als in der vermeintlich freien Gesellschaft. Und gleichzeitig treffen viele ihrer Schülerinnen und Schüler im Gefängnis das erste Mal auf Personen, die sich wirklich um sie kümmern. Ist das nicht ein Paradox?
Einer Arbeit nachzugehen macht einen immer unabhängiger und freier, vor allem Frauen und vor allem Frauen in Süditalien. Wir befinden uns im Jahr 2020, aber über viele Jahre hinweg war das ein großer Teil der weiblichen Emanzipation. Damit spiele ich in meinem Roman, denn hier findet die Arbeit in einem Gefängnis statt. Ähnlich verhält es sich mit dem anderen Paradox im Roman, und ich bin fest davon überzeugt, dass das der Realität entspricht: Einige der Jugendlichen sind unglaublich frühreif und gezwungen, straffällig zu werden – sich zu prostituieren, zu stehlen – und ihre Jugend auf der Straße zu verpulvern. In Nisida finden sie Freiheiten – die Freiheit, Sport zu machen, die Freiheit, zu lesen, die Freiheit, Erwachsenen zu begegnen, die sie respektieren.
Wie hat Ihre persönliche Erfahrung in Nisida Ihr Schreiben beeinflusst?
In den Schreibkursen habe ich die Häftlinge kennengelernt, mit ihnen gemeinsam gelesen und geschrieben. Ich habe nicht nur in Nisida Kurse gegeben, sondern in unterschiedlichen Gefängnissen in ganz Italien. In Italien sind viele Gefängnisse überfüllt, und um diese Tatsache ein wenig abzumildern, gibt es unterschiedliche Projekte. Viele dieser Projekte stellen Lesen oder Schreiben in den Mittelpunkt. Dafür braucht man kein Handy oder Computer, sondern nur einen Stift, ein Blatt Papier oder ein Buch, und einen Kopf, der denken kann.
Heute haben Pierre Marivaux * 1688 Friedrich Glauser * 1896 Jacques Prévert * 1900 Dietrich Bonhoeffer * 1906 Alfred Andersch * 1914 Betty Friedan * 1921 Werner Schwab * 1958 Stewart O’Nan * 1961 Geburtstag _______________________________________________
„Das Allerschwerste dünkt mich immer, einen ganz fremden Standpunkt gelten zu lassen.„ Friedrich Glauser ______________________________________________
Sarah Wiltschek empfiehlt:
Christina Hesselholdt: „Vivian„ Aus dem Dänischen von Ursel Allenstein Hanser Berlin € 21,00
Der Roman von Christina Hesselholdt begibt sich auf die Spurensuche nach einer Frau, die mittlerweile mit bekannten Fotografien, vornehmlich mit dokumentarischen Straßenszenen und Portraits, in Verbindung gebracht wird. Was keinesfalls selbstverständlich ist, da Vivian Maier (1926-2009) zeitlebens nur im Privaten fotografierte und nie damit in die Öffentlichkeit ging. Ein Großteil ihrer später entdeckten Filmrollen wurde nie von ihr entwickelt. Zum Zeitpunkt der Entstehung des Romans waren gerade mal zwei Drittel ihrer etwa 200.000 Bilder gesichtet worden. Anhand nur wenig vorhandenem biografischen Material versucht die Autorin die fotografische Obsession und das Leben Vivian Maiers zu erfassen. Dabei konzentriert sie sich größtenteils auf ihr erwachsenes Leben und Arbeiten als Kindermädchen. In diesem Setting macht Hesselholdt eine Frau sichtbar, die sich nur sich selbst verpflichtet sieht, vollkommen unabhängig jedweder Konvention agiert, zeitlebens alleinstehend, getrieben von einem unbändigen Schaffensdrang durch die Straßen eilt, die Kamera um den Hals, das ihr anvertraute Kind im Schlepptau. Ein Schreckensmoment für die Gast-Familie stellt sich ein, als Vivians, sonst verschlossene, Zimmertür eines Tages offensteht und den Blick freigibt auf ein hehres Chaos aus alten Zeitungen und zusammengetragenen Fundstücken, das gerade noch Platz zum Schlafen ausspart. Im Laufe ihres Lebens wird Vivian Maier Garagen und Depots anmieten, um die schier irre Masse an gesammeltem „Schrott“ irgendwo unterzubringen. Die Autorin hält sich zurück mit Interpretationen und psychologischen Deutungen und überlässt das Erzählen den verschiedenen Protagonisten aus Vivians Maiers Leben, die dabei vor allem mit ihrem eigenen Leben beschäftigt sind. Und Vivian selbst, deren Namen sich ändert, je nachdem wie sie sich gerade fühlt, wo sie sich aufhält, was das Ziel ihrer Unternehmung ist. Von Viv, über Vivien, bis Mrs. Maier. Dies ist vermutlich biografisch belegt und zeigt wie sich ein Mensch hinter Namen verstecken, sich sogar negieren kann. Die Einsamkeit scheint Maier eine ewige Begleiterin gewesen zu sein. In all ihrer Ambivalenz. Ein schöner Kunstgriff ist da die Rolle des Erzählers, der sich immer wieder einklinkt und die Spurensuche der Autorin reflektiert. Dadurch nehmen wir einerseits teil an den biografischen Ausgrabungen der Autorin und erleben wie sich, auf dem Hintergrund einer zutiefst zerrütteten und sozial abgehängten amerikanischen Einwanderfamilie, eine solche Persönlichkeit herausgebildet haben könnte. Gleichsam aber wird klar, dass biografisches Erzählen immer nur eine Annäherung sein kann und immer Fiktion bleiben wird. Der Roman erzählt Vivian Maier als einen Menschen, der eigentlich nirgends hineinpasst. So skurril, anstößig und nahezu empathielos, dass es fast schon verwundert, wie sie doch die Sympathien ihrer Mitmenschen erhält, die sie versuchen zu schützen und ihr beizustehen. Am Ende werden sich ehemalige Ziehkinder um die verarmte Vivian Maier kümmern und ihr eine sichere Bleibe besorgen.
Heute haben Johann Christoph Gottsched * 1700 James Joyce * 1882 Also Palazzeschi * 1885 Ayn Rand * 1905 Joanna Bator * 1968 Geburtstag _______________________________________
Johann Christoph Gottsched Anderer Last unsre Lust
Es hat mir noch an keiner Lust gefehlt; denn Welt und Himmel ist mein eigen; Das reichen Hand hat nur das Geld gezählt, mir täglich neue Lust zu zeugen; sein Haus und Hoff, Staat, Garten, Wald und Feld bringt ihm die Last und mir die Freude, und wenn er gleich den Namen, Herr, behält, geniessen wir’s doch alle beide. ___________________________________
Manchmal kommt Traurigkeit ganz unerwartet und lässt einen nicht mehr los. Dann ist es gut, keine Angst vor ihr zu haben! Am besten gibt man ihr einen Namen, hört ihr zu und verbringt etwas Zeit mit ihr. Vielleicht will sie einfach nur wissen, dass sie willkommen ist. Vielleicht braucht sie nur ein bisschen frische Luft, etwas Musik und heißen Kakao. Vielleicht will sie sich einfach nur neben einen Freund schlafen legen. Und wenn man aufwacht, ist sie weg.
Eva Eland hat nach dem Büchlein mit der Traurigkeit ein Gegenstück über das Glücklichsein geschrieben und illustriert, denn jeder braucht Glück im Leben. Manchmal haben wir so viel davon, dass wir es mit anderen teilen können. Ein anderes Mal verlieren wir es aus den Augen. Und plötzlich ist es wie vom Erdboden verschwunden oder scheint ganz unerreichbar zu sein. Dann können wir versuchen, dem Glück nachzujagen, es einzufangen und festzuhalten. Aber meistens macht das Glück, was es will. Doch selbst dann, wenn wir das Glück nicht sehen können, gibt es einen Ort, wo es stets auf uns wartet.
Heute haben Hugo von Hofmannsthal * 1874 und Günter Eich * 1907 Geburtstag __________________________________________
Hugo von Hofmannsthal Verheißung
Fühlst Du durch die Winternacht Durch der kalten Sternlein Zittern Durch der Eiskristalle Pracht Wie sie flimmern und zersplittern, Fühlst nicht nahen laue Mahnung, Keimen leise Frühlingsahnung?
Drunten schläft der Frühlingsmorgen Quillt in gährenden Gewalten Und, ob heute noch verborgen, Sprengt er rings das Eis in Spalten: Und in wirbelnd lauem Wehen Braust er denen, die’s verstehen.
Hörst Du aus der Worte Hall, Wie sie kühn und trotzig klettern Und mit jugendlichem Prall Klirrend eine Welt zerschmettern: Hörst Du nicht die leise Mahnung, Warmen Lebensfrühlings Ahnung? __________________________________________
Überall wird der Roman besprochen. Alle Zeitungen reißen sich um ihn. Irgendwie scheint die us-amerikanische Autorin den Nerv der Zeit zu treffen. „Ihr Name war Magda. Niemand wird je erfahren, wer sie getötet hat. Hier ist ihre Leiche.“ So beginnt der Roman und Vesta Guhl, eine alte alleinstehende Dame, findet einen Zettel mit diesem Satz auf ihrem Morgenspaziergang mit ihrem Hund. Dieser Satz, dieser Gedanke lässt sie nicht mehr los. Wer ist Magda, wer könnte der Mörder sein? Umso mehr sie darüber nachdenkt, umso intensiver werden ihre Gedanken darüber. Die Aufklärung dieses Vorfalls wird zu ihrer Obsession. Wir bekommen parallel dazu mit, wie ihre Biografie voller Ungereimtheiten und Fallstricke ist. Ist das Ganze nur ein Gedankenspiel einer einsamen Frau, oder lauert tatsächliche eine reale Gefahr? Moshfegh hält uns hin. Und das ab der ersten Seite, ohne dass dies ein Psychothriller ist. Eher ein Kammer-Kopf-Spiel, bei dem die Abgründe immer klare zu Tage treten.
Heute haben Dylan Thomas * 1914 Sylvia Plath * 1932 Gerd Brantenberg * 1941 Margaret Mazzantini * 1961 Zadie Smith * 1975 Geburtstag ____________________________________________
Dylan Thomas Do Not Go Gentle Into That Good Night
Do not go gentle into that good night, Old age should burn and rave at close of day; Rage, rage against the dying of the light.
Though wise men at their end know dark is right, Because their words had forked no lightning they Do not go gentle into that good night. ______________________________________________
Bernward Gesang: „Mit kühlem Kopf“ Über den Nutzen der Philosophie für die Klimadebatte Hanser Verlag € 24,00
Bernward Gesang ist Professor für Philosophie und Wirtschaftsethik in Mannheim und befasst sich in diesem Buch mit den vielen Facetten des Klimawandels, oder vielmehr, wie gehen wir mit dieser kommenden Katastrophe um. Dass sie kommen wird, davon ist er felsenfest überzeugt. Aber wie dagegen vorgehen? Wie können wir sie noch abwenden? Was müssen wir bewegen? Was können wir noch tun und lassen und was muss sofort in die Hand genommen werden? Das Besondere ist Gesangs Art und Weise, wie an die Problematik rangeht. Er analysiert ein Argument und setzt ein Gegenargument daneben. Vergleicht, wägt ab und schließt die Kapitel mit den jeweiligen „Transformationsfallen“ ab. Er hält nichts von plakativen Sprüchen, sondern geht den Dingen auf den Grund. Wie er das allerdings macht, ist besonders. Er vergleicht unsere aktuelle Situation mit einem Science Fiction, mit einem Heldenepos wie „Herr der Ringe“. Wie können wir gegen das Unglaubliche, das Unvorstellbare vorgehen. Das klingt komisch, gibt diesem Fachbuch jedoch auch eine humorvolle Note. Er stellt am Ende Lösungen vor, die mehr als plausibel sind. Aber: Viel Zeit bleibt uns nicht, wenn wir unseren Kindern und Enkelkindern eine lebenswerte Erde hinterlassen wollen.
Bernward Gesang, Jahrgang 1968, studierte in Bonn und Münster Philosophie und habilitierte sich 2000 in Düsseldorf, wohin er 2006 als Professor berufen wurde. Seit 2009 unterrichtet er an der Universität Mannheim auf dem Lehrstuhl für Philosophie mit Schwerpunkt Wirtschaftsethik. Letzte Veröffentlichungen: Wirtschaftsethik und Menschenrechte (UTB 2016), Darf ich das oder muss ich sogar? (Piper 2017).