Samstag, 8.Oktober


Heute haben
John Cowper Powys * 1872
Marina Zwetajewa * 1892
Andrei Donatowitsch Sinjawski * 1925
Hans Joachim Schädlich * 1935
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Georg Heym
Der Herbst

Viele Drachen stehen in dem Winde,
Tanzend in der weiten Lüfte Reich.
Kinder stehn im Feld in dünnen Kleidern,
Sommersprossig, und mit Stirnen bleich.

In dem Meer der goldnen Stoppeln segeln
Kleine Schiffe, weiß und leicht erbaut,
Und in Träumen seiner leichten Weite
Sinkt der Himmel wolkenüberblaut.

Weit gerückt in unbewegter Ruhe
Steht der Wald wie eine rote Stadt.
Und des Herbstes goldne Flaggen hängen
Von den höchsten Türmen schwer und matt.
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Ende September erschienen:


Arno Schmidt: „KAFF auch MARE CRISIUM“ € 18,00
Kühe in Halbtrauer“ € 18,00
Schwarze Spiegel“ € 14,00
Seelandschaft mit Pocahontas“ € 14,00

Kaum habe ich ein paar Zeilen aus der „Seelandschaft“ gelesen, merkte ich, wie großartig dieser Autor ist. Gerade seine schmalen Romane sind voller Witz und böser gesellschaftlicher Kritik. Kritik an der Politik der Adenauer Zeit, Beschreibungen einer postapokalytischen Welt, aber auch voller Zärtlichkeit und Poesie. Die Gespräche an der Kreissäge in „Kühe in Halbtrauer“ sind jedes Mal ein großes Lesevergnügen und zeigen Arno Schmidt als einen genauen Chronisten der deutschen Nachkriegszeit.

Freitag, 7.Oktober

Heute haben
Wilhelm Müller * 1794
Heinrich Federer * 1866
Georg Hermann * 1871
Juan Benet * 1927
Thomas Keneally * 1935
Jesús Díaz * 1941
Geburtstag
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Georg Heym (* 1887)
Die Seiltänzer

Sie gehen über den gespannten Seilen
Und schwanken manchmal fast, als wenn sie fallen.
Und ihre Hände schweben über allen,
Die flatternd in dem leeren Raum verweilen.

Das Haus ist übervoll von tausend Köpfen,
Die wachsen aus den Gurgeln steil, und starren
Wo oben hoch die dünnen Seile knarren.
Und Stille hört man langsam tröpfeln.

Die Tänzer aber gleiten hin geschwinde
Wie weiße Vögel, die die Wandrer narren
Und oben hoch im leeren Baume springen.

Wesenlos, seltsam, wie sie sich verrenken
Und ihre großen Drachenschirme schwingen,
Und dünner Beifall klappert auf den Bänken.
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Ein neues Buch der ukranischen Autorin Tanja Maljartschuk ist gerade erschienen:

Tanja Maljartschuk: „Gleich geht die Geschichte weiter, wir atmen nur
Essays
Kiepenheuer & Witsch Verlag € 20,00

Tanja Maljartschuk, 1983 in Iwano-Frankiwsk, Ukraine geboren, studierte Philologie an der Universität Iwano-Frankiwsk und arbeitete nach dem Studium als Journalistin in Kiew. 2009 erschien auf Deutsch ihr Erzählband »Neunprozentiger Haushaltsessig«, 2013 ihr Roman »Biografie eines zufälligen Wunders«, 2014 »Von Hasen und anderen Europäern«, 2019 ihr Roman »Blauwal der Erinnerung«. 2018 erhielt Tanja Maljartschuk den Ingeborg-Bachmann-Preis. Die Autorin schreibt regelmäßig Kolumnen und lebt in Wien.

Diese Essays aus den Jahren 2014 bis 2022 tragen viel zum Verständnis bei, was gerade in der Ukraine geschieht. Wir haben die Augen verschlossen und die Ohren zugehalten und waren erstaunt, als Russland die Ukraine überfallen hat. Lesen wir jedoch diese Texte, oder die von Zhadan, Andruchowytsch, oder anderen ukrainische, russichen Autor:innen, steht schon alles geschrieben, wie es zu diesem Krieg kommen konnte. Andruchowytsch hat gerade bei Suhrkamp einen Roman veröffentlicht, der vor zwei Jahren im Original erschienen ist, in dem er genau diese Situation beschreibt.
Tanja Maljartschuk schreibt über ihre Sprachlosigkeit, ob dieser Greuel, mal sehr persönlich, dann wieder analytisch, mal verzweifelt, dann wieder spöttisch und voller Humor. Und schreiben ist das, was sie machen muss, um Zeugnis abzulegen, um zu erzählen, um zu widersprechen.

Leseprobe


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Wir gratulieren Annie Ernaux zum diesjährigen Literatur Nobelpreis
und freuen uns sehr darüber.
Wir haben noch ein paar wenige Bücher von ihr im Laden, alles andere ist nachbestellt und trudelt dann sicherlich nach und nach ein.
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Gestern auf tagesschau.de

18 Flüchtlinge bei Bootsunglück ertrunken

Nahe der griechischen Insel Lesbos sind beim Kentern eines Flüchtlingsbootes mindestens 18 Menschen ums Leben gekommen. Es ist bereits das zweite Schiffsunglück mit Migranten in Griechenland binnen 24 Stunden. Beim Untergang eines Flüchtlingsbootes in der Nähe der griechischen Insel Lesbos sind mindestens 18 Menschen ums Leben gekommen. Die Toten seien nach dem Untergang eines mit etwa 40 Menschen besetzten Schlauchbootes bei stürmischem Wetter gefunden worden, teilte die griechische Küstenwache mit. Fünf Menschen konnten demnach gerettet werden, etwa 30 Menschen gelten noch als vermisst. …

Freitag, 29.Oktober


Heute haben
Lena Christ * 1881
Ezra Pound * 1885
Georg Heym * 1887
Geburtstag
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Es gibt Leute, für die es überhaupt keinen Beruf gibt. Ich rechne mich dazu.
Georg Heym
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Gerade erschienen:


Der Herbst ist da und mit ihm zwei neue MaroHefte!

In Heft #5 verteidigt Bettina Fellmann die Traurigkeit in einer Welt, in der diese tabuisiert wird, obwohl sie eine logische Reaktion auf die Zumutungen der Gegenwart ist. Ein illustrierter Essay über Entfremdung, Erfahrung und die Gefahr »zu positiv« zu werden.

Heft #6 widmet sich in 13 Fakten Themen wie Artensterben, Waldvernichtung, Landraub und tödliche Grenzen – im Hinblick auf die letzten 50 Jahren. Was geschah in der Wirkungsspanne der sogenannten 68er? Und wie muss man den programmatisch einflussreichen »Bericht zur Lage der Menschheit« des Club of Rome von 1972 bewerten, der noch heute auf Wirtschaftswachstum und rigide Bevölkerungspolitik setzt? Talking ’bout Your Generation!
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Bettina Fellmann: „Zur Verteidigung der Traurigkeit
Ein erschöpftes Heft · MaroHeft #5 € 16,00

Mit Illustrationen von Rebekka Weihofen
36 Seiten, fadengeheftet mit Schutzumschlag und beiliegendem Plakat

Leseprobe

Traurigkeit wird in unserer Gesellschaft verdrängt und zum Krankheitssymptom erklärt, obwohl sie eine logische Reaktion auf die Zumutungen der Gegenwart ist. Bettina Fellmann formuliert die Paradoxie, dass angesichts der alles durchdringenden Verwertungslogik, nach der gewirtschaftet, gelebt und gestorben wird, kaum adäquate Empfindungen zum Ausdruck kommen. Stattdessen passen sich die Menschen an die verkehrten Gegebenheiten an und wiederholen sie in immer neuen Variationen. Das Erleben von Traurigkeit dagegen stärkt die Kritik an jenen Verhältnissen, an denen Menschen zerbrechen. Ein Aufsatz über Anpassung, Entfremdung und Erfahrung – zur Verteidigung der Traurigkeit.

Bettina Fellmann (*1978) arbeitet seit 1998 als Krankenschwester. Sie beschäftigt sich u. a. mit kritischer Theorie, wundert sich oft über die Praxis und schreibt Gedichte, Politisches und Philosophisches.

Rebekka Weihofen (*1991) arbeitet freischaffend im Bereich Illustration und Graphik. Sie beschäftigt sich u. a. mit der Abbildbarkeit von Absurdität, Traum- und Innenwelten und ist (fast) immer müde.
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Talking ’bout Your Generation
Wie die Welt den Bach runtergeht und dabei das Meer überläuft
Mit Texten von Kolja Burmester, Eileen Jahn, Sarah Käsmayr, Lena Schindler und Scherzad Taleqani
Ein katastrophales Heft · MaroHeft #6 € 16,00

Mit Illustrationen von Riikka Laakso
36 Seiten, fadengeheftet mit Schutzumschlag und beiliegender Postkarte

Leseprobe

1968 dröhnte aus den Lautsprechern: I’M NOT TRYING TO CAUSE A BIG SENSATION. I’M JUST TALKING ’BOUT MY GENERATION. Ihr wolltet also nicht viel Aufsehen erregen, sondern nur ein bisschen reden? Na dann reden wir jetzt mal!

In den letzten 50 Jahren hat sich der Tierbestand auf der Welt halbiert. Urwald auf einer Fläche von fast ganz Europa wurde zerstört. Tödliche Grenzen, Erd­erhitzung, Ausbeutung, Landraub, Trinkwassermangel: Wie konnten sich solche Entwicklungen derart verschärfen – ausgerechnet in der Wirkungsspanne der »68er-­Generation«, die sich als besonders solidarisch und nachhaltig versteht? Zeit für einen Blick in das program­matische Grundsatzprogramm der 68er, den »Bericht zur Lage der Menschheit« des Club of Rome, Zeit für eine Bilanz.

Riikka Laakso lebt und arbeitet als Illustratorin in Berlin. Sie studierte Illustration an der Universität der Künste Berlin, ist Mitglied des deutschen Illustrationskollektivs »Parallel Universe« und veröffentlicht ihre eigenen Zines und Bücher in kleinen Auflagen. riikkalaakso.com
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Nehmen Sie sich bitte eine Stunde Zeit und schauen Sie sich das Interview mit Harald Welzer in der Sendung „Sternstunde Philosophie“ an.

Freitag, 24.November

Heute haben
Lawrence Sterne * 1713
Carlo Collodi * 1826
Arundhati Roy * 1961
Geburtstag
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Am 24.11.2018 im Deutsche Gedichte Kalender von Harenberg.

Georg Heym
Letzte Wache

Wie dunkel sind deine Schläfen
Und deine Hände so schwer,
Bist du schon weit von dannen
Und hörst mich nicht mehr?

Unter dem flackenden Lichte
Bist du so traurig und alt,
Und deine Lippen sind grausam
In ewiger Starre gekrallt.

Morgen schon ist hier das Schweigen,
Und vielleicht in der Luft
Noch das Rascheln von Kränzen
Und ein verwesender Duft.

Aber die Nächte werden
Leerer nun, Jahr um Jahr,
Hier, wo dein Haupt lag und leise
Immer dein Atem war.
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2018 steht im Zeichen der Farbe rot. Zumindest bei unseren Jastramplanern.

Unsere Wandkalender sind gerollt und für Sie zur kostenlose Mitnahme bereitgestellt. Wir selbst haben uns schon so an diese Planer gewöhnt, dass wir sie nicht mehr missen wollen.

Also: Mitnehmen, bevor der Vorrat zu Ende geht und Sie planlos ins neue Jahr taumeln.

Aufbau, oder Arche? Das ist jedes Jahr die Frage.
Für viele allerdings auch gar nicht, weil sie seit Jahren immer die literarischen Kalender von dem einen oder anderen Verlag nehmen.

Oder vielleicht doch den Kinder-, oder den Musikkalender?

Es können aber auch wilde Tiere Afrikas sein.

Für ganz Verwegene gibt es auch diesen.
Ob man das allerdings schon morgens an der Wand zu hängen sehen mag?

Mittwoch, 3.Mai

Heute haben
Novalis * 1772
Gottfried Benn * 1886
Georges-Arthur Goldschmidt * 1928
Gisela Elsner * 1937
Franz Innerhofer * 1944
Angela Krauß * 1950
Geburtstag
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Heute auf dem Gedichtekalender:

Georg Heym
Printemps

Ein Feldweg, der in weißen Bäumen träumt,
In Kirschenblüten, zieht fern über Feld.
Die hellen Zweige, feierlich erhellt,
Zittern im Abend, wo die Wolke säumt,

Ein düstrer Berg, den Tag mit goldnem Grat,
Ganz hinten, wo ein kleiner Kirchturm blinkt.
Das Glöckchen sanft im lichten Winde klingt
Herüber goldnen Tons auf grüner Saat.

Ein Ackerer geht groß am Himmelsrand.
Davor, wie Riesen schwarz, der Stiere Paar,
Ein Dämon vor des Himmels tiefer Glut.

Und eine Mühle faßt der Sonne Haar
Und wirbelt ihren Kopf von Hand zu Hand
Auf schwarze Au, der langsam sinkt, voll Blut.
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Unser Bilderbuchtipp:

Susanne Straßer:So müde und hellwach
Hammer Verlag € 14,00
Pappbilderbuch an 2 Jahren

Oh, wer kennst das nicht. Eigentlich sollten die kleinen Lieben schon lange schlafen. Sie sind müde und quengelig, aber ins Bett? Nie! Ihnen fällt immer noch etwas ganz Wichtiges ein.
Hier schlafen die Tiere schon. Alle in einem großen Bett. Eng aneinandergekuschelt liegen sie da. Nicht alle. Denn der Seebär hat die Augen weit aufgerissen. Er muß noch mal aufs Klo. Na klar. Also raus. „Pitsch, patsch. Pitsch, patsch. Tür auf- Tür zu.
Auf dem nächsten Bild schaut das Krokodil ganz verängstigt, weil ihm eingefallen ist, daß es noch Zähneputzen muß. „Schluurf, schluurf, schluurf. Tür auf – Tür zu.“ Wenn wir genauer hinschauen, erkennen wir einen verschmitzten Blick im Gesicht, in den Augen des Krokodils. Irgendwie scheint das Zähneputzen nur ein Vorwand zu sein.
Nach und nach verlassen alle das Bett. Ganz zum Schluß geht auch noch der verpennte Igel und trippelt … Ja wohin eigentlich? Na klar! Ins Bett des Kindes, denn sie wollen alle noch einen Gutenacht-Kuß. Danach sind die Tiere plötzlich sooo müde, daß sie dort auf dem, jetzt hellwachen, Kind eingeschlafen sind.
Wie es dann weitergeht, wie das Kind die Tiere wieder loswird und warum plötzlich sein Schlafhase nicht mehr unter dem Kopfkissen ist, müssen Sie schon selber schauen.
Ein Pappbilderbuch für putzmuntere Kinder. Und eines sei schon mal vorneweggestellt. Mit einmal Vorlesen kommen mit diesem bunten Buch nicht durch.
Viel Vergnügen. Gäääähn.

Dienstag, 10.Januar

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Heute haben
Karel Capek * 1863
Leonardo Sciascia * 1921
Geburtstag
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Heute im Duden Gedichte-Kalender

Georg Heym
Berlin III

Schornsteine stehn in großem Zwischenraum
im Wintertag, und tragen seine Last,
des schwarzen Himmels dunkelnden Palast
Wie goldne Stufe brennt sein niedrer Saum.

Fern zwischen kahlen Bäumen, manchem Haus,
Zäunen und Schuppen, wo die Weltstadt ebbt,
und auf vereisten Schienen mühsam schleppt
Ein langer Güterzug sich schwer hinaus.

Ein Armenkirchhof ragt, schwarz, Stein an Stein,
die Toten schaun den roten Untergang
aus ihrem Loch. Er schmeckt wie starker Wein.

Sie sitzen strickend an der Wand entlang,
Mützen aus Ruß dem nackten Schläfenbein,
zur Marseillaise, dem alten Sturmgesang.

Das Gedicht passt sehr schön zu meinem heutiger Buchtipp, der eine besondere Überraschung ist. Erst jetzt, nach dem Weihnachtsgeschäft, bin ich dazugekommen, das Buch zu Ende zu lesen und bin begeistert.

Buchtipp-Elliot Paul-Das letzte Mal in Paris

Elliot Paul:Das letzte Mal in Paris
Maro Verlag € 20,00

Mich hat das Buch stark an die Erzählungen von Joseph Mitchell erinnert, der in den 30er Jahren durch Manhattan gestromert ist und Reportagen für den „New Yorker“ geschrieben hat. Ihn hat nicht die High Society interessiert, sondern die Menschen von der Straße. Die skurilen Typen, die verrauchten Kneipen, die Verrückten und Außenseiter. So ging es mir auch mit Elliot Paul, der nach dem Ersten Weltkrieg in Paris hängengeblieben ist und Korrespondent für die Chicago Tribune war. Er verkehrte in den Künstlerkreisen um Gertrude Stein, Ernest Hemingway, James Joyce und Henry Miller, gründete eine Literaturzeitung, die u.a. von Miro, Picasso, Kandinsky illustriert worden ist.
Und so wird die kleine Rue de la Huchette zum Mittelpunkt des Buches. Ein Mikrokosmos in der Weltmetropole Paris. In dieser kleinen Gasse lebt und arbeitet er, reist weg, kommt wieder. Und auch hier sind es die einfachen Menschen, die Händler und Kneipenbesitzer, Handwerker, Bordellbesitzer und verschiedenste Nachbarn, die er beschreibt, mit denen er lebt und wir mit ihm. Es wird deftig gegessen und kräftig getrunken, Musik gemacht und getanzt, gelacht und geprügelt.
Vielleicht ist es auch kein stringenter Roman, sondern eine Ansammlung von Erzählungen, von Episoden und doch hat das Alles einen roten Faden und ließ mich nicht mehr los. Die Kapitel sind nicht allzu lang und so war ich immer wieder versucht, noch ein paar Seiten mehr zu lesen, als geplant.
Ähnlich wie im Roman „Der Trafikant“ von Robert Seethaler kommt die Politik ins Spiel und da das Buch 1942 erschienen ist, wissen wir, wie schlimm den Bewohnern Paris von den deutschen Soldaten mitgespielt worden ist. Aber auch hier spüren wir Elliot Pauls Warmherzigkeit, sein großes Mitgefühl mit seinem Personal. Und immer wieder hat er eine humorvolle Wendung parat, die wir nicht erwartet haben. Ähnlich wie in Thelens Mallorca-Roman „Die Insel des zweiten Gesichts“ schildert er die Zeit während des Faschismus, die voller Gefahren und mit viel Leid und Trauer verbunden ist, auch mit einem zwinkernden Auge.
Die letzten Jahre des Krieges bekommen wir nicht mehr mit. Paul ist abgereist, arbeitet in den USA weiter als Journalist und Barpianist und hat uns hier ein wahres Kleinod überlassen, das ich jedem ans Herz lege. Nicht nur Paris-Fans und Frankreich-Liebhaber.
Vielen Dank an Benno Käsmayr und seinen Maroverlag.

Elliot Harold Paul, 1891 in Massachusetts geboren, studierte an der University of Maine. Nachdem er in den Aufbaulagern des Amerikanischen Nord-Westen gearbeitet hatte, kehrte er nach New England zurück und arbeitete für eine Bostoner Zeitung. Im Ersten Weltkrieg diente er in der Fernmeldetruppe des US-Expeditionskorps in Frankreich. Nach Kriegsende ging er vorerst nach Amerika zurück, wo er als Journalist tätig war. Er begann seine schriftstellerische Karriere. 1925 entschloss er sich, nach Europa zurückzukehren, wo er für die Pariser Ausgaben des Chicago Tribune und des New York Herald arbeitete. Während er im Pariser Zentrum in der Rue de la Huchette lebte, gründete er 1926 zusammen mit Eugène Jolas „Transition“, eine experimentelle Literaturzeitschrift. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs kehrte Paul nach Amerika zurück und begann für Hollywood Drehbücher zu schreiben, darunter „Rhapsody in Blue“ und „New Orleans“, das mit Billie Holiday umgesetzt wurde. Um sein Einkommen aufzubessern, spielte der talentierte Pianist häufig in lokalen Clubs in der Gegend von Los Angeles. 1958 starb der Journalist und Autor im Veteranen-Krankenhaus in Providence, Rhode Island.
Elliot Paul veröffentlichte insgesamt 30 Bücher, darunter Detektiv-Romane, von denen zwei auf Deutsch bei Haffmans verlegt wurden. „Das letzte Mal in Paris“ wurde 1942 von der US-Army als Sonderdruck für die Soldaten, die in Frankreich zum Einsatz kamen, gedruckt. Es erschien 1944 erstmals auf Deutsch im Stockholmer Exilverlag Bermann-Fischer unter dem Titel „Die kleine Gasse“.
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Bitte schauen Sie hier auf unseren Veranstaltungsplan. Vielleicht haben Sie Zeit fürdie eine oder andere besondere Lesung.

Freitag

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Heute haben
Paul Valéry *1871
Lena Christ * 1881
Ezra Pound * 1885
Georg Heym * 1887
Ágota Kristóf * 1935
und Irmi
Geburtstag.
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Bald ist es wieder so weit.

Georg Heym
Allerseelen I

Geht ein Tag ferne aus, kommt ein Abend.
Brennt ein Stern in der Höhe zur Nacht.
Wehet das Gras. Und die Wege alle
Werden in Dämmrung zusammengebracht.

Viele sind über die Steige gegangen.
Ihre Schatten sind ferne zu sehn,
Und sie tragen an schwankenden Stangen
Ihre Fackeln, die wandern und wehn.

Mauern sind viele, und Gräber, und wenige Bäume.
Manche Tore darin, wo der Lorbeer trauert.
Viele sitzen in Haufen über den Kreuzen,
Ihre Lichter behütend, wenn der Regen schauert.

Und ein Rot steckt im Walde, dürr wie ein Finger,
Wo der Abend hänget in wolkiger Zeit
Mit dem wenigen Licht. Und geringer
Rings ist das Nahe, und die Weite so weit.

Doch ewig ist der Wind, der nimmer schweiget
In dunklem Lande, herbstlich schon erbraunet,
Der dunkle Bilder viel vorüber zeiget
Und dunkle Worte flüchtig trübe raunet.
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Unser Buchtipp für Leserinnen und Leser ab 10 Jahren

9783760799360

Frank M. Reifenberg & Gina Mayer:Die Schattenbande legt los!
(Band 1)
Mit Illustrationen von Gerda Raidt
ars edition € 12,99
als E-Book € 10,99
Bei Audiolino auf 3 CDs, gesprochen von Katja Brügger € 14,90
Kinderbuch ab 10 Jahren

Klara, Otto, Paule, Lina sind: Die Schattenbande.
Ihr Spruch:
„Wir sind die Schatten, schnell und schlau,
keiner sieht sie je genau.“

Die Schattenbande legt los – und wie!
Die vier Kinder sind immer hungrig. Da sie aus einem Waisenhaus ausgebrochen sind und in einer alten Tischlerei leben, müssen sie schauen, wie sie an etwas zu Essen kommen. Klara ist die Spezialistin für Taschendiebstahl und hat das perfekte Opfer vor sich. Eine große, stämmige Dame mit einer offenen Handtasche steht vor ihr und kauft ein. Eine Geldbörse spitzelt heraus und es ist normalerweise für Klara eine Kleinigkeit, das Ding an sich zu nehmen. Doch dieses Mal wurde sie getäuscht. Wachtmeister Eltinger hat sich verkleidet, um so den Taschendieben auf die Spur zu kommen. Eine wilde Verfolgungsjagd beginnt, in der Klara mehrfach vo Eltinger geschnappt wird, aber doch noch entweichen kann. Bis sie in allerletzter Sekunde eine kleine Türe entdeckt, hinter der sie sich verstecken kann. Wir sind nach wenigen Seiten mitten im Geschehen und in diesem Tempo geht es weiter.
Der Roman spielt im Berlin der 20er Jahre. Ein Stadtplan zu Beginn und am Ende des Buches zeigt die Orte der Handlung. Auch Zeitungsausschnitte und viele Illustrationen sind im Text verstreut, der sich in 21 Kapitel aufteilt. Spannend bleibt es für die vier Kinder/Jugendlicher der Schattenbande, da Otto des Mordes verdächtigt wird und inhaftiert worden ist. Durch einen Zufall kann er befreit werden und die Bande versucht nun selbst den Mordfall aufzuklären, in den sie geratet sind.
Die Zeiten sind schlecht. Es gibt wenig Arbeit. Die politische Lage ist unsicher. Eine Schule haben die Kinder nicht wirklich von innen gesehen. Nur die kleine Lina, die darunter leidet, dass sie nicht überall mitdarf, kann gut lesen und geht immer wieder in die Bibliothek und verblüfft die anderen mit ihrem Wissen. Ansonsten hat jeder der Figuren eine spezielle Begabung und gemeinsam sind sie fast unschlagbar.
Das erinnert alles ein wenig an „Fünf Freunde“, oder die „Die drei ???“. Klar, wie soll es auch anders sein. So wie bei Krimis für Erwachsene, bestehen solche Bücher natürlich aus vielen Schablonen. Das Besondere an dieser Serie ist, dass sie in sich stimmig ist, das Berlin der 20er Jahre mit einfließt und trotz Verfolgungsjagden, Mord und Schiessereien ein Kinder- und Jugendbuch ab 10 Jahren geblieben ist. Das Autorenteam dreht nicht an der Actionschraube, sondern lässt ihre Bande sehr bodenständig in der großen Stadt agieren. Uns Erwachsenen kommt natürlich gleich „Emil und die Detektive“ ins Gedächtnis und das ist vielleicht gar nicht falsch. Vielleicht würde Erich Kästner genau so schreiben, wenn er im 21.Jahrhundert gelebt hätte.
Es tut gut, so eine Freundschaftsgeschichte zu lesen.
Spannung, Unterhaltung gibt es genügend auf den 230 Seiten und es  ist ein prima Lesespaß gleichermaßen für Mädchen und Jungs.


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Neues aus der Buchhandlung:

Am Sonntag gibt es wieder neue Sonntagsskizzen von Detlef Surrey.
Am Dienstag, den 3.11. stellen wir ab 19 Uhr wieder vier neue Bücher vor.
Diesmal liest Clemens Grote aus:

Patrick Marnham: Schlangentanz / Berenberg Verlag
Marceline Loridan-Ivens: Und du bist nicht zurückgekommen / Insel Verlag
Liliane: Corobca: Der erste Horizont meines Lebens / Zsolnay Verlag
Serhij Zhadan: Mesopotamien / Suhrkamp Verlag

Clemens Grote bringt noch einen Spezialtext mit, der etwas mit der Frankfurter Buchmesse zu tun hat.

Der Eintritt ist wie immer kostenlos.
Wir beginnen pünktlich um 19 Uhr.

Donnerstag

Heute haben
Lena Christ * 1881
Paul Valéry *1871
Etra Pound * 1885
Georg Heym * 1887
Kostas Karyotakis * 1896
Agota Kristof * 1935
Geburtstag.
Aber auch die Filmemacher Louis Malle, Claude Lelouch und auch Maradonna.
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[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=YzugVhOmX_U]
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Unser Sommerwettbewerb mit den blauen Tischsets ist beendet. Was nicht heisst, dass sie immer noch Unterlagen von uns haben können. Für den eigenen Bedarf, für das Sonntagsfrühstück, oder den Kindergeburtstag, oder auch wieder zum Ausarbeiten. Wir haben Gewinner gezogen und Buchgutscheine verteilt. Vielen Dank für’s Mitmachen. Es hat uns großen Spaß gemacht, die kleinen, großen Kunstwerk entgegenzunehmen. Ein paar wenige sind in einem Schaufenster zu sehen.

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Alle Einsendungen können Sue unter: jastrammeinbuch.tumblr.com anschauen.
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„Einer der originellsten Köpfe der amerikanischen Literatur heute.“ (The New Yorker)

Die amerikanische Autorin Lydia Davis ist hier noch relativ unbekannt. Für ihr Gesamtwerk, das meist aus Kurzgeschichten besteht, hat sie 2013 den Man Booker International Prize bekommen. Gleichzeitig arbeitet sie als Übersetzerin und hat u.a. Marcel Prousts Mamutwerk: „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ ins Englische übertragen. Alle Achtung!
Im Österreischischen Droschl Verlag ist nun ihr aktueller Kurzgeschichtenband erschienen.

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Lydia Davis: „Kanns nicht und wills nicht“
Aus dem Amerikanischen von Klaus Hoffer
Droschl Verlag € 23,00
Im Original „Can’t and Won’t“ € 21,90

Hier in Deutschland steht das Buch auf der sogenannten Hotlist 2014. Dort kommen Bücher aus unabhängigen Verlage zum Zuge.

Bei Marcel Proust braucht sie für die 4.000 Seiten einen langen Atem und Marathonqualitäten. In ihren Erzählungen ist es oft das Gegenteil. Wie eine Sprinterin auf dem Basketballfeld zieht sie kurz an und ist schon am Ende der Geschichte angekommen. Es sind kleine Betrachtungen, die ähnlich wie Schnappschüsse beim Fotografieren mit einer Polaroidkamera, festgehalten werden. Die Szenen sind zu Beginn banal und sehr alltäglich, bekommen aber durch Wendungen am Ende eine explosive Wirkung. Es sind geduldige Beobachtungen von Kühen im Laufe eines Winters vom Küchenfenster eines Landhauses aus, aber auch ein Beschwerdebrief an einen Tiefkühlerbsenproduzenten. Sie schreibt über einen Hund und verwendet Texte von Flaubert und webt daraus etwas Neues. Diese kurze Form verlangt ein hohes Maß an Präzision und eine messerscharfe Auffassungsgabe. Dazu kommt bei Lydia Davis noch eine ordentliche Portion Witz und Humor, der die Beschreibungen unseres, oft nicht erfreulichen Lebens, zu kleinen Feuerwerken werden lässt. Wir bemerken bei ihr das Neurotische eines Woody Allens, aber auch die Art, Beziehungen zu beschreiben, wie wir sie bei Alice Munro lesen können. Ihr Spektrum ist auch in diesen Kürzesformes sehr groß. Und somit weitet sich auch unser Horizont und wir schauen nach der Lektüre der Texte sicherlich anders auf Kleinigkeitenauf der Straße und in den eigenen vier Wänden.

Kontingenz (versus Notwendigkeit)

Es könnte unser Hund sein.
Aver ist nicht unser Hund.
Also bellt er uns an.

„Sie ist ganz sicher eine Meisterin der Komposition. Sie mischt lange und kurze Stücke mit einer berauschenden Wirkung, wie ein Koch, der eine Speisenabfolge von grenzenloser Geschmacksvielfalt verabreicht.“
(The New York Times)

„Mit der Intensität und Klarheit ihrer Aufmerksamkeit verwandelt Lydia Davis triviale Probleme und transformiert sie zu fundamentalen Macken in der Ordnung der Welt.“
(Times Literary Supplement)

„Einige Schriftsteller besitzen die unheimliche Fähigkeit, deine Erfahrungen zu kippen. Lies genug Lydia Davis und ihre Stories beginnen dir zu widerfahren.“
(The New York Times Book Review)

Das Hundehaar

Der Hund ist weg. Er fehlt uns. Wenn die Türglocke läutet, bellt keiner. Wenn wir spät nach Hause kommen, erwartet uns keiner. Wir finden im Haus und an unseren Kleidern immer noch hier und da seine weißen Haare. Wir zupfen sie ab. Wir sollten sie wegwerfen. Aber sie sind alles, was uns von ihm geblieben ist. Wir werfen sie nicht weg. Wir haben eine unsinnige Hoffnung – wenn wir bloß ausreichend von ihnen aufsammeln, können wir den Hund wieder zusammensetzen.

Zirkuläre Geschichte

In den frühen Morgenstunden des Mittwoch gibt es draußen auf der Straße immer ein Spektakel. Ich wache davon auf und frage mich jedes Mal, was los ist. Es ist immer der Müllwagen,der den Müll abholt. Der Wagen kommt jeden Mittwoch in den frühen Morgenstunden. Immer weckt er mich auf. Immer frage ich mich, was es ist.

(Alle Textrechte sind beim Droschl Verlag)

Mittwoch

Heute haben
Lena Christ * 1881
Ezra Pound * 1885
Georg Heym *
Agotá Kristóf * 1935
Geburtstag
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Georg Heym
Bruder, im Wein…

Bruder, im Wein sind Geister vergraben
Tief in des Bechers tiefestem Schlund,
Die locken und rufen den törichten Knaben,
Folg nicht der lüsternen Stimme zum Grund.

Weck sie nicht auf, sind traurig zu schaun,
Und drehn sich und drehn sich im ewigen Kreis,
Im Ohre summt dir ihr dumpfes Geraun,
Dann wird dir so schwül und dann wird dir so heiß.

Und du wähnst den Stein der Weisen zu sehn,
Den nichts mehr den trunkenen Augen verhüllt,
Wenn vor dir taumelt in Nachtwindes Wehn
Der Herzallerliebsten verzaubertes Bild.

Dann vergißt du, daß Zeit und Stunden vergehn,
Die Worte sind längst dir entschwunden,
Dann ahnst du in Weiten Gestirne entstehn,
Die nicht an Gesetze gebunden.

Dann verlachst du den Tod, dann verlachst du die Welt
Und du reißt an der Brust das Hemde dir auf,
Wie die Brandung im Sturm an dem Meerschiff zerschellt,
So hältst du den Kurs zu den Sternen hinauf.
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Kinder

Julia Hoersch, Nelly Mager, Claudia Seifert, Gesa Sander:Kinder kocht!
AT Verlag € 24,90

Das Kinderkochbuch reiht sich sehr gut in die Bücher des AT-Verlages ein und zeigt wieder einmal das gute Händchen von Claudia Seifert, die wir u.a. von ihrem Buch „Campingküche“ kennen, das wir hier schon vorgestellt haben. Dieses originelle, liebevoll gestaltete, witzig fotografierte Kochbuch, das den Kindern die Lust und Freude am Kochen und Backen vermittelt, ihre Neugier weckt, Rezepte auszuprobieren, zu schmecken und zu staunen, ist wirklich gelungen. Herrn Schlau oder Omi Kluge, zwei gezeichnete Figuren geben Anregungen und informieren, woher bestimmte Worte kommen und was sie bedeuten. Kinder können mit diesem Gang durch die vier Jahreszeiten vieles entdecken und lernen vielleicht auch eventuell noch Handwerkliches dazu. Wie schnipple ich einen Kürbis, wie dick, wie dünn sollen denn Apfelschnitze für ein Kuchen sein. Welches „Werkzeug“, welches Küchengerät brauche ich für welche Tätigkeit. Bei den über 100 Rezepten dürfte für jeden etwas dabei sein. Salate, Stockbrot, Wraps für das Schwimmbad und Ideen für Silvester. Wie backe ich Kuchen für die jeweilige Jahreszeit und wie geht eigentlich Eis für den Sommer? Ganz aktuell natürlich Pilzrezepte, oder auch Kürbisschnitze auf dem Backblech.
Grundlegende Tipps und Einführungen finden sich am Anfang des Buch. So auch: „Zuerst Händewaschen, dann Gemüsewaschen“.
Gestern abend schaute ich mir Buch im Buchladen an und Sie können sich vorstellen, wie mir das Wasser im Munde zusammengelaufen ist. Zuhause gab es dann Restesalat. Auch nicht schlecht.

Hier können Sie die ersten 50 Seiten anschauen, wenn Sie auf das Buch klicken.
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roxy-sommer

Nächste Woche, am Dienstag, den 5.November
liest Peter Stamm um 20 Uhr im
Ulmer ROXY.
Wir sind dort mit einem Büchertisch.
Die erste Seite“ fällt somit aus.

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