Mittwoch, 14.September

Der große Wagen mit Spezialbeleuchtung (Foto: Michel Wiltschek)

Heute haben
Theodor Storm * 1817
Michel Butor * 1926
Ivan Klima * 1931
Gerd Fuchs * 1932
Eckhard Henscheid * 1941
Martin Sperr * 1944
Uli Becker * 1953
Geburtstag
__________________________________

Theodor Storm
Meeresstrand

Ans Haff nun fliegt die Möwe,
und Dämmrung bricht herein;
über die feuchten Watten
spiegelt der Abendschein.

Graues Geflügel huschet
neben dem Wasser her;
wie Träume liegen die Inseln
im Nebel auf dem Meer.

Ich höre des gärenden Schlammes
geheimnisvollen Ton,
einsames Vogelrufen –
so war es immer schon.

Noch einmal schauert leise
und schweiget dann der Wind;
vernehmlich werden die Stimmen,
die über der Tiefe sind.

___________________________________

Zum 90. Geburtstag der Autorin am 27.Oktober 1932


Sylvia Plath: „Das Herz steht nicht still
Späte Gedichte 1960-1963
Zweisprachige Ausgabe. Herausgegeben, aus dem Englischen übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Judith Zander
Suhrkamp Verlag € 25,00

1960 zieht Sylvia Plath nach England und schreibt unermüdlich weiter. Es erscheint ihr Gedichtband Der Koloss. Kurz vor ihrem Tod, 1963, folgt ihr einziger Roman: Die Glasglocke. In diesen Jahren wird sie zweimal Mutter.
„Es ist, als setzte mein Herz ein Gesicht auf und ginge hinaus in die Welt.“
Sylvia Plath schwankt zwischen Mutter sein und sich das Leben nehmen, zwischen Glücksgefühl und Verzweiflung.
Großes Lob an Judith Zander für diese Übersetzungsarbeit und das sehr informative Nachwort.

Stillborn
These poems do not live: it’s a sad diagnosis.
They grew their toes and fingers well enough,
Their little foreheads bulged with concentration.
If they missed out on walking about like people
It wasn’t for any lack of mother-love.
O I cannot understand what happened to them!
They are proper in shape and number and every part.
They sit so nicely in the pickling fluid!
They smile and smile and smile and smile at me.
And still the lungs won’t fill and the heart won’t start.
They are not pigs, they are not even fish,
Though they have a piggy and a fishy air –
It would be better if they were alive, and that’s what they were.
But they are dead, and their mother near dead with distraction,
And they stupidly stare, and do not speak of her.

Totgeboren
Diese Gedichte leben nicht: eine traurige Diagnose.
Dabei wuchsen sie gut, alle Zehen- und Fingertriebe.
Ihre kleinen Stirnen schwollen vor Konzentration.
Wenn sie es versäumten herumzulaufen wie Menschen,
Lag’s nicht an einem Mangel an Mutterliebe.
Ach, ich begreife gar nicht, was mit ihnen passiert ist!
Sie sind proper in Form und Anzahl und allem Drumrum.
Sie hocken so nett in der konservierenden Lake!
Sie lächeln und lächeln und lächeln und lächeln mir zu.
Und doch füllen die Lungen sich nicht und das Herz bleibt stumm.
Sie sind keine Schweine, sie sind noch nicht einmal Fische,
Obwohl sie eine schweinige, fischige Anmutung haben –
Besser wäre, sie wären lebendig, und das ist’s, was sie waren.
Doch sie sind tot, und die Mutter fast tot vor Verzweiflung,
Und sie starren blöde und wollen nichts über sie sagen.


Sleep in the Mojave Desert
Out here there are no hearthstones,
Hot grains, simply. It is dry, dry.
And the air dangerous. Noonday acts queerly
On the mind’s eye, erecting a line
Of poplars in the middle distance, the only
Object beside the mad, straight road
One can remember men and houses by.
A cool wind should inhabit those leaves
And a dew collect on them, dearer than money,
In the blue hour before sunup.
Yet they recede, untouchable as tomorrow,
Or those glittery fictions of spilt water
That glide ahead of the very thirsty.
I think of the lizards airing their tongues
In the crevice of an extremely small shadow
And the toad guarding his heart’s droplet.
The desert is white as a blind man’s eye,
Comfortless as salt. Snake and bird
Doze behind the old masks of fury.
We swelter like firedogs in the wind.
The sun puts its cinder out. Where we lie
The heat-cracked crickets congregate
In their black armourplate and cry.
The day-moon lights up like a sorry mother,
And the crickets come creeping into our hair
To fiddle the short night away.

Übernachten in der Mojave-Wüste
Hier draußen gibt es keine Herdstellen,
Nur heiße Körnchen. Es ist trocken, trocken.
Und die Luft gefährlich. Mittag spielt seltsam
Mit dem inneren Auge, stellt eine Reihe
Pappeln in mittlerer Entfernung auf, die einzigen
Objekte neben der irren, schnurgeraden Straße,
Die einen an Menschen und Häuser erinnern kann.
Ein kühler Wind sollte in diesen Blättern wohnen
Und ein Tau, wertvoller als Geld, sich auf ihnen sammeln
In der blauen Stunde vor Sonnenaufgang.
Doch weichen sie zurück, unnahbar wie morgen
Oder jene glitzernden Einbildungen von vergossenem Wasser,
Die vor den sehr Durstigen herschweben.
Ich denke an die Eidechsen, die ihre Zungen kühlen
Im Spalt eines äußerst schmalen Schattens,
Und die Kröte, die das Tröpfchen ihres Herzens beschirmt.
Die Wüste ist weiß wie das Auge eines Blinden,
Trostlos wie Salz. Schlange und Vogel
Dösen hinter den alten Masken des Zorns.
Wir verschmachten wie Feuerböcke im Wind.
Die Sonne löscht ihre Schlacke aus. Wo wir liegen,
Versammeln sich hitzerissige Heuschrecken
Mit ihren schwarzen Panzern und klagen.
Der Tagmond leuchtet auf wie eine bedauernde Mutter,
Und die Heuschrecken kriechen uns ins Haar,
Um die kurze Nacht zu vergeigen.
____________________________________

Jetzt unterschreiben beim Fuß- und Radentscheid Ulm

Aktive Mobilität, wie das Zufußgehen und Radfahren, haben einen großen Einfluss auf die Lebensqualität in einer Stadt.

Fuß- und Fahrradverkehr sind die umwelt- und stadtfreundlichsten Fortbewegungsarten. Platzsparend stehen sie allen Menschen zur Verfügung, sind günstig, klimaneutral, feinstaub- und schadstofffrei, leise, gesund und fördern nachweislich das individuelle Wohlbefinden. Zudem begünstigen sie die soziale Interaktion und sind die einzigen Fortbewegungsarten mit einem positiven volkswirtschaftliche Nutzen.

Zusammengefasst: Fuß- und Fahrradverkehr sind DIE Grundlage von „Städte für Menschen“.

Wir wollen den Ausbau von attraktiver Fuß- und Radinfrastruktur in unserer Stadt voranbringen. Damit sich Zu Fußgehende und Radfahrende subjektiv sicher und wohl fühlen, egal ob sie 8 oder 88 Jahre alt sind. FuR Ulm, für ein lebenswerteres Ulm für Alle!

Deshalb benötigen wir einen Fuß- und Radentscheid.

Unterschriftenlisten gibt es bei uns in der Buchhandlung.


Donnerstag, 15.Juli

IMG_9968

Heute haben
Walter Benjamin * 1892
Iris Murdoch * 1930
Jacques Derrida * 1930
Jörg Fauser * 1944
Geburtstag
__________________________________________

Annette von Droste-Hülshoff
Sommer

Du gute Linde, schüttle dich!
Ein wenig Luft, ein schwacher West!
Wo nicht, dann schließe dein Gezweig
So recht, dass Blatt an Blatt sich presst.

Kein Vogel zirpt, es bellt kein Hund;
Allein die bunte Fliegenbrut
Summt auf und nieder übern Rain
Und lässt sich rösten in der Glut.

Sogar der Bäume dunkles Laub
Erscheint verdickt und atmet Staub.
Ich liege hier wie ausgedorrt
Und scheuche kaum die Mücken fort.

O Säntis, Säntis! läg‘ ich doch
Dort, – grad‘ an deinem Felsenjoch,
Wo sich die kalten, weißen Decken
So frisch und saftig drüben strecken,
Viel tausend blanker Tropfen Spiel;
Glücksel’ger Säntis, dir ist kühl!
_____________________________________________________

Unser Lyrik-Tipp:

Mara-Daria Cojocaru: „Buch der Bestimmungen
Gedichte
Schöffling Verlag € 20,00

Wie in einem Notizbuch, einem Bestimmungsbuch, geht Mara-Daria Cojocarus mit ihren neuen Gedichten um. Sie notiert Koordinaten nach den Überschriften, dort wo sie wohl ihre beschriebenen Tiere (Katzen, Füchse, Waschbären, Rehe) entdeckt hat und beginnt dann mit ihren Aufzeichnungen. Das liest sich für mich wie Gedankensplitter und Assoziationen und entwickelt dadurch einen ganz eigenen, eigenartigen Kosmos. Sie schreibt über unser Verhältnis zur Tier- und Pflanzenwelt , über Phänomene, die wir nicht wahrnehmen, oder vielleicht sogar nicht mehr existieren und über Zwischenmenschliches.
Ich habe aus dem „Buch der Bestimmungen“ die Rechte bekommen, die drei untenstehenden Gedichte hier auf dem Blog veröffentlichen zu dürfen. Danke dafür. Diese passen irgendwie zu unserer Großwetterlage.
Auf der Leseprobe können Sie die ersten Seiten des Buches entdecken.

Mara-Daria Cojocaru, geboren 1980 in Hamburg, lebt als Schriftstellerin und Philosophiedozentin in England und widmet sich vor allem tierethischen und -politischen Themen. Für ihre vielfach übersetzten Gedichte erhielt sie 2017 den Kunstförderpreis Bayern in der Sparte Literatur, 2021 erreichte sie den zweiten Platz (Alfred-Gruber-Preis) beim Lyrikpreis Meran und wurde mit dem Deutschen Preis für Nature Writing ausgezeichnet.

Leseprobe

Lichtkeimer

Bring die Sonne nach Berlin
Komm
Lass uns Ringbahn fahren
Die gibt es seit
Wann schieben sich diese beiden
Riesen übers Eis? Übers Gleis
Vertreibt ein Winterwind
Gewaltsam diese Zeit
Hinkt ein ersprießliches
Milchschnittenbindenschnipsel
Zum Club der Mittelalterlichen
Werd Viertel, Käse, eimerweise Gift
bekreuz dich südlich
Bring das Licht vor
Mit Gewicht
Halt’s ganz fest
Hab’s nicht eilig mit der
Sonne in Berlin


Und dann fällt der Regen

Und
Wir lieben
Die, die, verwegen, uns das Versprechen
Geben, verwurzelöt in der Welt zu sein
Von wegen
Und dann fällt der Regen und wie wir
Da stehen, neien, eigentlich gehen, sind
Wir
Bewegt und
Wurzellos, wir schützen uns
Vor dem Wolkenbruch
Du und ich, ganz nah am Stamm
Doch immerzu
Der Regen – ungewunden
Ich renne los; wir
Versprechen uns, uns
Zu sehen, bestimmt und
Sicher
Mein Leben – doch
Jetzt fällt erst einmal der Regen


Gegen Mittag ist mit Turbulenzen zu rechnen

Es ist wieder so heiß
Dass die Fliegen
Den Riss in der Mitte jedes Raums umkreisen

Mit über hundert Flügenschlägen pro Sekunde
Lässt sich fast alles flicken
In jeder Mitte vier bis sieben Fliegen

Taumelnd, traumgewiss gegen die Hitze
In der wir immer kleiner, klebrig, überheblich
Werden, patroullierend

Copyright:
Mara-Daria Cojocaru, Buch der Bestimmungen © Schöffling & Co.Verlagsbuchhandlung GmbH, Frankfurt am Main 2021, S. 31, 41 und 59


Mittwoch, 2.Juni

Heute haben
de Sade * 1740
Thomas Hardy * 1840
Max Aub * 1903
Marcel Reich-Ranicki * 1920
Sibylle Berg * 1962
Geburtstag
_______________________________________

Unser Tipp für den ganzen Monat Juni:


Juni
Gedichte
Hrsg.: Evelyne Polt-Heinzl und Christine Schmidjell
Reclam Verlag € 5,00

„Frühling lässt sein blaues Band ….“
Naja, es war doch ein arg kühler Mai und es hat immer noch an Regen gefehlt, habe ich gelesen.
Und schon sind wir im Juni, die VerlagsvertreterInnen und -Vertreter scharren mit den Hufen und noch drei Wochen und wir haben den längsten Tag des Jahres.

Im bunten Wiesenstück
Blütenduft und erste Früchte
Düstere Junitage
Der Sommer ist da
Besondere Tage

So nennen die Herausgeberinnen die einzelnen Kapitel.
Herausgesucht habe ich drei Gedichte aus der bunten Auswahl in diesem Reclam Bändchen.

Christian Morgenstern
Butterblumengelbe Wiesen

Butterblumengelbe Wiesen,
sauerampferrot getönt –
o du überreiches Sprießen,
wie das Aug‘ dich nie gewöhnt!

Wohlgesangdurchschwellte Bäume,
wunderblütenschneebereift –
ja, fürwahr, ihr zeigt uns Träume,
wie die Brust sie kaum begreift.

Wilhelm Runge
Blumen flattern Sommer

Blumen flattern Sommer
Duften nimmt beide roten Backen voll
Falter wiegen Wald
Goldkäfer schreien
Mücken strampeln himmelauf und ab
heiß im Arm der Fische hängt das Bächlein
Unken patscht Libellenflügel wach

Zweige lachen
tuscheln
sonnen
strömen
Vögel wogen Wiesen
liegen flach
ziehn die Ahorndolden an den Händen
böse schelten Bienen in den Bart
Zwitschern streckt die sommerschweren Glieder
taumelnd tollt des Atems Flügelschlag
und der Augen wilde Rosen springen.

Das Denken träumt
Gelächter reimt die Straßen
zum Tanz des Blutes
schläfenaufundab
die Adern blinzeln Frühling durch die Knochen
und schlürfen tief den schweren Himmel ein
Wind spielt der Augen froh geschwellte Segel
der Stirne Knoten löst vom Tode sich
weiß über Wiesen schnattern Dörfer hin
die Städte fauchen
und zankend zerrn die Pulse ihre Zügel
nur deine Seele spielt im Sternjasmin
Lieb-Brüderchen Maßloslieb-Schwesterlein

Rosen nicken aus den Junistunden
trällern Sommerblau den Matten hin
mild aus tiefstem Herzen grünt die Heimat
ihre Lippen murmeln wälderschwer
überwelthin schwingt die Sterne Zeit
Kinderwangliebkinderwanggereiht
Krieg brüllt auf
die wilden Blumen schrein
Sonne leckt Gestöhn aus allen Poren
Frieden holt den tiefen Atem ein
und der Nächte durchgewühlte Locken

schmeicheln um der Seele zitternd Knie
Angst zerreißt der Sterne Himmelglanz
und der Abend drückt die Augen blind
einsam geigt
tief hinter Blut geduckt
ewger Kindheit wildumsehntes Glück
und der Sehnsucht über die Welt
hängende Herzen
schlagen

Klabund
Die Wirtschafterin

Drei Wochen hinter Pfingsten,
Da traf ich einen Mann,
Der nahm mich ohne den geringsten
Einwand als Wirtschafterin an.

Ich hab‘ ihm die Suppe versalzen
Und auch die Sommerzeit,
Er nannte mich süße Puppe
Und strich mir ums Unterkleid.

Ich hab‘ ihm silberne Löffel gestohlen
Und auch Bargeld nebenbei.
Ich heizte ihm statt mit Kohlen
Mit leeren Versprechungen ein.

Ich habe ihn angesch…
So kurz wie lang, so hoch wie breit.
Er hat mich hinausgeschmissen;
Es war eine wundervolle Zeit…

Mittwoch, 23.September

Heute haben
Theodor Körner * 1791
Jaroslav Seifert * 1901 (Nobelpreis 1984)
Per Olov Enquist * 1934
Antonio Tabucchi * 1943
Geburtstag
________________________________________________________________

Die schönsten Gedichte für Kinder
Herausgegeben von Matthias Reiner
Mit Illustrationen von Antje Damm
Insel-Bücherei 1490 € 14,00

Wir alle lieben Reime und haben so manche Anfänge noch im Hinterkopf.
„Eine kleine Dickmadam wollte mit der Trambahn fahrn. …“, zum Beispiel. Abzählverse, die oft geliechzeitig Nonsense-Gedichte waren. Zauber- und Gute-Nacht-Gedichte, alte und neue Verse sind hier versammelt und herrlich von Antje Damm illustriert.
Mascha Kaléko und Christine Nöstlinger sind mit dabei. Genauso wie Robert Gernhardt und Chrstian Morgenstern.
„Alarm! Hier spricht die Polizei, Bertolt Biber, der ist frei! …“
Im kleinen Insel-Bücherei-Format ist diese Sammlung wirklich für jede Tasche geeignet.
Gut so.
„I-A-U und drauss bist Du.“

„Ich schenk‘ dir eine kleine Uhr.
Die zeigt nur schöne Stunden.
Um sieben will ich sie zurück,
dann brauch‘ ich selbst ein wenig Glück.“

Leseprobe
__________________________________________________________________________

Mittwoch, 9.Oktober

img_6175

Heute haben
Léopold Sédar Senghor * 1906
Gert Loschütz * 1946
Durs Grünbein * 1962
Yael Hedaya * 1964
Geburtstag
und John Lennon
___________________________

28.Oktober

Johann Wolfgang von Goethe
Breit wie lang

Wer bescheiden ist, muß dulden,
Und wer frech, der muß leiden;
Also wirst du gleich verschulden,
Ob du frech seist, ob bescheiden.

9783351037727

„Jeden Tag ein Lächeln“
365 komische Gedichte
herausgegeben von Nele Holdack und Catrin Polojachtof
Aufbau Verlag in strahlendem Gelb € 22,00

Schon an das nächste Jahr gedacht? Schon daran gedacht, es heiter anzugehen, trotz widriger Umstände? Zum Frühstück ein lustiges Gedicht?
Nee? Doch? Egal. Hier haben Sie zumindest eine Sammlung mit 365 Gedichten für gute Laune an allen Tagen. Eine lyrische Reise durch die Jahrhunderte und durch die Festtage. Starten Sie mit einem Lächeln in den Tag. Danach gerne wieder rebellieren und auf die Straße gehen.
Mit den amüsantesten Gedichten von Johann Wolfgang Goethe, Heinrich Heine, Theodor Fontane, Wilhelm Busch, Christian Morgenstern, Joachim Ringelnatz, Kurt Tucholsky, Karl Valentin, Erich Kästner, Mascha Kaléko, Ernst Jandl, Robert Gernhardt, Eugen Roth, Rudi Strahl, F. W. Bernstein, Friederike Kempner u. v. m.

9.Oktober

Oscar Blumenthal
Der neue Glaube

Es bildet sich der Glaubenssatz allmählich:
Der liebe Gott ist todt – Gott hab‘ ihn selig!

Dienstag, 5.Juni

IMG_5916

Heute haben Geburtstag:
Federico Garcia Lorca * 1898
Otto F.Walter * 1928
Thomas Kling * 1957
_________________________

978-3-15-019116-3

Juni
Gedichte
Hrsg.: Evelyne Polt-Heinzl und Christine Schmidjell
Reclam Verlag € 5,00

„Frühling lässt sein blaues Band ….“
Von wegen. Der Mai ist vorbei, die Kulturzelte sind aufgebaut, die Theater denken an ihre Sommerpause.
Wir können uns jedoch ganz entspannt zurücklehnen, da wir wissen, dass der Reclam Verlag für jeden Monat ein Gedichtbändchen für uns und unsere Hosentaschen hat. Das Wetter könnte nicht besser sein und so hoffen wir auf keine „Düsteren Junitage“, wie die Herausgeberinnen ein Kapitel überschrieben haben.

Im bunten Wiesenstück
Blütenduft und erste Früchte
Düstere Junitage
Der Sommer ist da
Besondere Tage

IMG_1559

Christian Morgenstern
Butterblumengelbe Wiesen

Butterblumengelbe Wiesen,
sauerampferrot getönt –
o du überreiches Sprießen,
wie das Aug‘ dich nie gewöhnt!

Wohlgesangdurchschwellte Bäume,
wunderblütenschneebereift –
ja, fürwahr, ihr zeigt uns Träume,
wie die Brust sie kaum begreift.

IMG_1561

Wilhelm Runge
Blumen flattern Sommer

Blumen flattern Sommer
Duften nimmt beide roten Backen voll
Falter wiegen Wald
Goldkäfer schreien
Mücken strampeln himmelauf und ab
heiß im Arm der Fische hängt das Bächlein
Unken patscht Libellenflügel wach

Zweige lachen
tuscheln
sonnen
strömen
Vögel wogen Wiesen
liegen flach
ziehn die Ahorndolden an den Händen
böse schelten Bienen in den Bart
Zwitschern streckt die sommerschweren Glieder
taumelnd tollt des Atems Flügelschlag
und der Augen wilde Rosen springen.

Das Denken träumt
Gelächter reimt die Straßen
zum Tanz des Blutes
schläfenaufundab
die Adern blinzeln Frühling durch die Knochen
und schlürfen tief den schweren Himmel ein
Wind spielt der Augen froh geschwellte Segel
der Stirne Knoten löst vom Tode sich
weiß über Wiesen schnattern Dörfer hin
die Städte fauchen
und zankend zerrn die Pulse ihre Zügel
nur deine Seele spielt im Sternjasmin
Lieb-Brüderchen Maßloslieb-Schwesterlein

Rosen nicken aus den Junistunden
trällern Sommerblau den Matten hin
mild aus tiefstem Herzen grünt die Heimat
ihre Lippen murmeln wälderschwer
überwelthin schwingt die Sterne Zeit
Kinderwangliebkinderwanggereiht
Krieg brüllt auf
die wilden Blumen schrein
Sonne leckt Gestöhn aus allen Poren
Frieden holt den tiefen Atem ein
und der Nächte durchgewühlte Locken

schmeicheln um der Seele zitternd Knie
Angst zerreißt der Sterne Himmelglanz
und der Abend drückt die Augen blind
einsam geigt
tief hinter Blut geduckt
ewger Kindheit wildumsehntes Glück
und der Sehnsucht über die Welt
hängende Herzen
schlagen

IMG_1562

Klabund
Die Wirtschafterin

Drei Wochen hinter Pfingsten,
Da traf ich einen Mann,
Der nahm mich ohne den geringsten
Einwand als Wirtschafterin an.

Ich hab‘ ihm die Suppe versalzen
Und auch die Sommerzeit,
Er nannte mich süße Puppe
Und strich mir ums Unterkleid.

Ich hab‘ ihm silberne Löffel gestohlen
Und auch Bargeld nebenbei.
Ich heizte ihm statt mit Kohlen
Mit leeren Versprechungen ein.

Ich habe ihn angesch…
So kurz wie lang, so hoch wie breit.
Er hat mich hinausgeschmissen;
Es war eine wundervolle Zeit…
__________________________

Unsere nächsten Veranstaltungen:

Dienstag, 5.Juni um 19 Uhr
Die erste Seite
Wir stellen vier neue Bücher vor.
Es liest Clemens Grote.
„Voll im Leben“ von John Fante
„Die Frau, die liebte“ von Janet Lewis
„Die Tagesordnung“ von Éric Vuillard
„Bilder deiner großen Liebe“ von Wolfgang Herrndorf mit Sandra Hüller
Eintritt frei

Und dann eines meiner Lieblingsbücher des Jahres:

kampmann_detailseite_preis

100

Montag, 18.Juni um 19 Uhr
Anja Kampmann: „Wie hoch die Wasser steigen“
Auf der Shortlist zum Leipziger Buchpreis
Lesung
Eintritt € 10,00

Dienstag, 16.Mai

Heute haben
Friedrich Rückert * 1788
Jakob van Hoddis * 1887
Juan Rulfo * 1918
Geburtstag
_________________________

Endlich! Wir mussten ein ganzes Jahr warten:

u1_978-3-10-397268-9

Frankfurter Anthologie
Herausgegeben von Hubert Spiegel
Gedichte und Interpretationen
S.Fischer Verlag € 25,00

Als Marcel Reich-Ranicki vor vier Jahrzehnten die „Frankfurter Anthologie“ begründete, war nicht abzusehen, wie lange dieses Experiment Bestand haben würde. Und auch nach vierzig Jahren ist der Vorrat deutscher Poesie keineswegs aufgebraucht.
Inzwischen liegen über 2.150 Gedichte vor.
Ja wirklich, es ist so gut, daß es diese Anthologie noch gibt und auch gut, daß seit dem letzten Band fremdsprachige Lyrik vorgestellt und besprochen wird. Schlecht allerdings ist, und das muß ich Herrn Spiegel unbedingt schreiben, daß diese Gedichte nicht im Original abgedruckt sind. Da verweist der Rezensent auf eine bestimmte Textzeile und wir können diese nur in der deutschen Übertragung nachlesen. Geht gar nicht.
Genug gemeckert. Diese einzigartige Anthologie lädt ein zum Verweilen, zum täglichen Lesen, bevor einem die Augen zufallen. Matthias Claudius, Goethe, Fichte, Schopenhauer, Eichendorff, Heine bis zu Jan Wagner, Ulrich Zieger, Thomas Kling, Hans-Ulrich Treichel sind u.a. vertreten. Nicht zu vergessen den aktuellen Literatur-Nobelpreisträger Bob Dylan.

Matthias Claudius
Der große und der kleine Hund
oder
Packan und Alard

Ein kleiner Hund, der lange nichts gerochen
Und Hunger hatte, traf es nun
Und fand sich einen schönen Knochen
Und nagte herzlich dran, wie Hunde denn wohl tun.

Ein großer nahm sein wahr von fern:
»Der muß da was zum Besten haben,
Ich fresse auch dergleichen gern!
Will doch des Wegs einmal hintraben.«

Alard, der ihn des Weges kommen sah,
Fand es nicht ratsam. daß er weilte;
Und lief betrübt davon, und heulte,
Und seinen Knochen ließ er da.

Und Packan kam in vollem Lauf
Und fraß den ganzen Knochen auf.

Ende der Fabel

»Und die Moral?« Wer hat davon gesprochen? –
Gar keine! Leser, bist du toll?
Denn welcher arme Mann nagt wohl an einem Knochen.
Und welcher reiche nähm‘ ihn wohl?

Walt Whitman
Leaves of Grass
49. City of Orgies

CITY of orgies, walks and joys!
City whom that I have lived and sung in your midst will one day make you illustrious,
Not the pageants of you—not your shifting tableaux, your spectacles, repay me;
Not the interminable rows of your houses—nor the ships at the wharves,
Nor the processions in the streets, nor the bright windows, with goods in them; 5
Nor to converse with learn’d persons, or bear my share in the soiree or feast;
Not those—but, as I pass, O Manhattan! your frequent and swift flash of eyes offering me love,
Offering response to my own—these repay me;
Lovers, continual lovers, only repay me.

Joachim Ringelnatz
Stuttgarts Wein- und Bäckerstübchen

Vor dem heißen Ofen balgen
Katzen sich. Wie dumme Jungen.
Auf dem Tisch an kleinem Galgen
Hängen Brezel, schön geschwungen.

Würdebärte schlürfen kräftig
Wichtig diskutierte Weine. –
Links im Laden bückt die kleine
Bäckerstochter sich geschäftig.

Zinn blitzt von der Holz-Fassade.
Zeichnungen an allen Wänden,
(Stumm, mit mehlbestaubten Händen,
Rückt der Wirt die schiefen gerade.)

Setzte mich so ganz bescheiden hin
Und vergaß auch nicht, sehr laut zu grüßen.
Dennoch ließen Blicke mich leicht büßen,
Daß ich kein Stuttgarter bin.

Dienstag, 2.Mai

Foto: Wolfgang

Heute haben
Novalis * 1772
Gottfried Benn * 1886
Willi Bredel * 1901
Gisela Elsner * 1937
Franz Innerhofer * 1944
Angela Krauß * 1950
Geburtstag
__________________________

Mai
Gedichte passend zum Monat herausgegeben von
Evelyne Polt-Heinzl und Christine Schmidjell
Reclam Verlag € 5,00

Oh, schon wieder ein Monat vorbei. An den Gedichtbändchen des Reclam-Verlages merke ich immer, wie die Zeit rast. Wonne und Sonne und explodierende Natur. Farben, Blumen und gemeinsames Beisammensitzen im Freien. Das steckt hinter diesem Namen Mai.

Es ist Zeit sich zu freuen
an atmenden Farben
zu trauen dem blühenden Wunder
schrieb Rose Ausländer.

Aber nicht zu früh gefreut. Im Mai gibt es auch die Eisheiligen, die mit viel Regen und Frost verbunden sind. Aber insgesamt gesehen, gehen wir stramm in Richtung Frühsommer und lassen den Winter und das Frühjahr in Vergessenheit geraten.

Willkommen
Maienlob
Maienschelte
Maienglück
Feiern im Mai
Endlich im Freien

heißen die einzelnen Kapitel des Gedichtbandes und zeigen schon die Richtung an, auch wenn in der dritten Abteilung noch gescholten wird über den Wonnemonat. Diese Bezeichnung leitet sich womöglich von Weidemonat ab, so die Herausgeberinnen.
Da ich monatelang behauptet habe, dass diese Anthologie ohne Goethe auskommt, taucht er hier gleich zweimal auf.

Johann Wolfgang Goethe
Mit einem gemalten Band

Kleine Blumen, kleine Blätter
Streuen mir mit leichter Hand
Gute junge Frühlingsgötter
Tändelnd auf ein luftig Band.

Zephyr, nimm’s auf deine Flügel,
Schling’s um meiner Liebsten Kleid!
Und so tritt sie vor den Spiegel
All in ihrer Munterkeit,

Sieht mit Rosen sich umgeben,
Selbst wie eine Rose jung.
Einen Blick, geliebtes Leben!
Und ich bin belohnt genung.

Fühle, was dies Herz empfindet,
Reiche frei mir deine Hand,
Und das Band, das uns verbindet,
Sei kein schwaches Rosenband!

Mailied

Wie herrlich leuchtet
Mir die Natur!
Wie glänzt die Sonne!
Wie lacht die Flur!

Es dringen Blüten
Aus jedem Zweig
Und tausend Stimmen
Aus dem Gesträuch

Und Freud‘ und Wonne
Aus jeder Brust.
O Erd‘, o Sonne!
O Glück, o Lust!

O Lieb‘, o Liebe!
So golden schön,
Wie Morgenwolken
Auf jenen Höhn!

Du segnest herrlich
Das frische Feld,
Im Blütendampfe
Die volle Welt.

O Mädchen, Mädchen,
Wie lieb‘ ich dich!
Wie blickt dein Auge!
Wie liebst du mich!

So liebt die Lerche
Gesang und Luft,
Und Morgenblumen
Den Himmelsduft,

Wie ich dich liebe
Mit warmem Blut,
Die du mir Jugend
Und Freud‘ und Mut

Zu neuen Liedern
Und Tänzen gibst.
Sei ewig glücklich,
Wie du mich liebst!

Und dieses Gedicht darf natürlich nicht fehlen:

Eduard Mörike
Er ist’s

Frühling läßt sein blaues Band
wieder flattern durch die Lüfte;
süße, wohlbekannte Düfte
streifen ahnungsvoll das Land.
Veilchen träumen schon,
wollen balde kommen.
Horch, von fern ein leiser Harfenton
Frühling, ja du bist`s!
Dich hab ich vernommen!

Ludwig Uhland
Mailied

Wenig hab ich noch empfunden
Von der werten Frühlingszeit;
All die Lust und Lieblichkeit
Hat zu mir nicht Bahn gefunden.
Ach! was soll ein Herz dabei,
Das sich so zerrissen fühlet?
Jetzt empfand ich erst den Mai,
Seit der Sturm in Blüten wühlet.

Heinrich Heine

Im wunderschönen Monat Mai,
Als alle Knospen sprangen,
Da ist in meinem Herzen
Die Liebe aufgegangen.

Im wunderschönen Monat Mai,
Als alle Vögel sangen,
Da hab ich ihr gestanden
Mein Sehnen und Verlangen.

Neben all den alten Autoren, finden Sie natürlich auch LyrikerInnen des 20.Jahrhunderts, deren Texte ich jedoch hier nicht veröffentlichen darf.
Robert Gernhardt, Friederike Mayröcker, Rose Ausländer, Gottfried Benn, Bertolt Brecht, Ernst Jandl, Karl Krolow und viele mehr.
__________________________

Heute abend gibt es wieder eine „1.Seite“ bei uns in der Buchhandlung.
Es liest, wie immer Clemens Grote.
Diesmal mit einem Ulmer Gast, der sein erstes Buch veröffentlicht hat.
Lassen wir uns überraschen.

Wir beginnen pünktlich um 19 Uhr und freuen usn auf Ihr/Euer Kommen.
___________________________

Mittwoch, 5.April

Heute haben
Robert Bloch * 1917
Arthur Hailey * 1920
Hugob Claus * 1929
Bora Cosic * 1932
Jochen Ziem * 1932
Werner J.Egli * 1943
Geburtstag


___________________________

Anna Maria Bacher:“Augenblicke / Öigublêkch / Colpo d’occhio
Gedichte Deutsch, Walserdeutsch, Italienisch
Übersetzt von Kurt Wanner und mit einem Vorwort von Annibale Salsa
LimmatVerlag € 38,00

Anna Maria Bacher, geboren 1947 in Gurfulu/Grovella im piemontesischen Pomattertal/Val Formazza. Das „Täli“, wie die Autorin es nennt. Sie lebt und arbeitet bei Domodossola und widmet sich vor allem der Erhaltung und Förderung ihrer heimatlichen Walserkultur. Ein zentraler Aspekt ist die alte Walsersprache, mit der sogar viele Schweizer ihre Schwierigkeit haben. Frau Bacher nennt diese Sprache „Titsch“ und einen Eindruck davon erhalten wir in dem hier vorgestellten Gedichtband.

«Diese Texte in walserdeutscher Sprache faszinierten mich sofort durch ihren Klang, die Fantasie und die Knappheit der Darstellung», schreibt der Schweizer Komponist Martin Derungs, der sieben Gedichte von Anna Maria Bacher vertont hat. Die unverwechselbare Stimme der aus dem piemontesischen Val Formazza (Pomatt) stammenden Lyrikerin erregte bereits 2011 an den Solothurner Literaturtagen Aufsehen mit dem Gedichtband Kfarwät Schpurä – Farbige Spuren.
Tracce colorate.

Diese Gedichtsammlung zeigt mit seinen 67 Gedichten einen Querschnitt aus der Arbeit der Autorin. Die Verbundenheit der Dichterin mit der Sprache und Kultur ihrer walserischen Bergheimat steht im Mittelpunkt. Sie weiß um deren Gefährdung, der sie nicht lautstark, aber umso eindringlicher mit den «rumori del silenzio» (Annibale Salsa), den Geräuschen der Stille, begegnet. Gefährdung, daß ihre Heimat verschwindet, daß niemand mehr diese alte Sprache spricht, daß Menschen aus dem Täli wegziehen.Sie schreibt über die Natur, die Jahreszeiten (wobei ihr der Herbst am Wichtigsten zu sein scheint). Sie schreibt in einem oft sehnsüchtigen, melancholischen Ton, über ihren Mann, ihren Vetter, über die Liebe und deren Verlust. Sie können dabei nicht nur die deutsche Version lesen, sondern auch die italienische, die fließend über die Lippen geht. Mit dem Walserdeutschen hatte ich so meine Probleme, ging dann aber ran, als wäre es Schwäbisch. Und irgendwie ….
Ich habe vom Verlag die Genehmigung zur Veröffentlichung von drei Gedichten bekommen.
Vielen Dank dafür.

Gebet im Morgengrauen

Er gähnt
und streckt sich,
der Morgen.
Der Buchfink beginnt zu singen.
Ein Frösteln geht über die Erde:
Gräser und Bäume richten sich auf
und kämmen ihr Haar,
ich tue es ihnen gleich.
Ach, Sonne, komm
und kraule
mit zärtlichen Fingern
ins Herz des Tales,
reiche seiner Seele
deine Wärme.

Gibätt äm Grawätag

Är geinut
un schtrekchtschi
der Morgä.
Der Schniär faat a singä.
Än Grimä get der dä Härd ferbii:
Gras un Beim schtêtzänschi
un wekkän êru Haar,
êch öw dermêt.
Ach, Sunna, chu
mêt lêplichä Fingru
ins Härtz fam Tälli
chu wêlä,
klenk schir Seel
dini Wermi!

Preghiera all’alba

Sbadiglia
e si stiracchia
il mattino.
Il fringuello inizia il suo canto.
Un brivido attraversa la terra:
erbe e piante si rizzano
e muovono le loro chiome,
anch’ io con loro.
O sole, vieni
con amorevoli dita
a rovistare
nel cuore della valle,
tendi il tuo calore
alla sua anima!
____________________________

Der Frühling

Auf grünen Samtpfoten
ist er unerwartet gekommen:
Jeder Tritt
verwandelt sich in Blumen,
die mit taufrischen Augen
sich öffnen.
Wie ein Schmetterling
schwebe ich
über so viel Schönheit
und überlasse mich
den duftenden Wörtern
des Windes.

Der Langsê

Uf grêêni Samätföössjê
êschtär ineimaal ärschênä:
nêtwädärä Trêtt
ändrätschi in Blêma
wa schi ütöt
mêt Töwöigä.
Wê Fligholderna
leigäni rundum
uf äsoti Hêpschi
un laami la gaa
uf dä kschmakchtä Wertru
fam Wênn.

La primavera

È apparsa all’improvviso
su verdi piedini di velluto:
ogni passo
si trasforma in iore
che si schiude
con occhi di rugiada.
Come farfalla
volteggio
sopra tanta bellezza
e mi abbandono
alle parole profumate
del vento.
___________________________

Augenblicke

Am heiteren Himmel
pulsiert lieblich
das Feuer der Sonne.
Durchsichtig fliesst der Bach,
der Fisch zittert.

Auf einmal
kommt
ein frischer Wind auf,
er küsst das Bächlein
und macht der Sonne den Hof.

Die Sonne erschauert,
zittert vor Lust
und glänzt;
das Wasser kräuselt sich in Wellen
und schäumt vor lauter Liebe.

Öigublêkch

Im hettärä Hêmmel
pulsêrt lêplich
z Fiir fa der Sunnu.
Dêrsêchtigi löit t Riis,
der Fêsch êscht Zêttäriisch.

Ineimaal
grosärtigä
chun der Wênn ingägä,
är muntschänut z Riisjulti
un machut der Sunnu hêpsch.

Der Sunnu gengän t Grimä,
schi zêtträlät for Luscht
un glêtzt;
z Wasser rêmptschi in Wällä
un machutschi Schüm for barär Lêbi.

Colpo d’occhio

Nel cielo terso
il fuoco del sole
palpita lieve.
Limpido scorre il iume,
la trota vibra luce.

All’improvviso
con aria baldanzosa
avanza il vento
che bacia il iumicello
e fa la corte al sole.

Rabbrividisce,
tremula di piacere
e brilla l’astro;
s’increspa l’acqua in onde,
si fa spuma d’amore.

Freitag, 31.März

Heute haben
Francois Villon * 1431
Alexandra Kollontai * 1872
Octavio Paz * 1914
John Robert Fowles* 1926
Hartmut Lange * 1937
Geburtstag.
Und es ist der Todestag von Christian Morgenstern.
__________________________

Christian Morgenstern

Brenne durstig himmelan!
Brenne stumm hinab! Doch – brenne!
Daß dein Los von dem sich trenne,
Der sich nicht verschwenden – kann.
Laß ihm seine Angst und Not!
Du verstehe nur den – Tod.
___________________________

April

April
Gedichte
Herausgegeben von Evelyne Polt-Heinzl und Christine Schmidjell
Reclam Verlag € 5,00

Der April spiegelt alle Höhen und Tiefen der menschlichen Seele wieder und erst im Mai, wenn die Tage endlich beständig wärmer werden, gönnen wir uns etwas Ruhe und genießen die sonnigen Stunden im Freien als etwas Selbstverständliches.
Im Wort April steckte das lateinische aprire = öffnen, so die Herausgeberinnen. Also öffnen, hinausgehen, raus aus der winterlichen Stube. Manche meinen auch, daß apricus = sonnig darinstecken könnte.
Monatelang haben sie auf Goethe verzichtet, hier taucht natürlich sein Osterspaziergang auf. Ein Muss, wenn wir an den großen Festtag denken.

Zartes Grün und erstes Zwitschern
Launischer April
Launische Menschen
Karwoche
Ostern
Jetzt wird’s warm

So sind die einzelnen Kapitel überschriebenund zeigen an, dass wir uns im Moment in der launigen Phase des Monats befinden. Warten wir also auf die Kapitel „Ostern“ und „Jetzt wird’s warm“.
Viel Vergnügen bei der Lektüre.

Theodor Storm
April

Das ist die Drossel, die da schlägt,
Der Frühling, der mein Herz bewegt;
Ich fühle, die sich hold bezeigen,
Die Geister aus der Erde steigen.
Das Leben fließet wie ein Traum –
Mir ist wie Blume, Blatt und Baum.

Nikolaus Lenau
Frühlingsgedränge

Frühlingskinder im bunten Gedränge,
Flatternde Blüten, duftende Hauche,
Schmachtende, jubelnde Liebesgesänge
Stürzen ans Herz mir aus jedem Strauche.
Frühlingskinder mein Herz umschwärmen,
Flüstern hinein mit schmeichelnden Worten,
Rufen hinein mit trunkenem Lärmen,
Rütteln an längst verschlossenen Pforten.
Frühlingskinder, mein Herz umringend,

Was doch sucht ihr darin so dringend?
Hab ichs verraten euch jüngst im Traume,
Schlummernd unter dem Blütenbaume?
Brachten euch Morgenwinde die Sage,
Daß ich im Herzen eingeschlossen
Euren lieblichen Spielgenossen,
Heimlich und selig – ihr Bildnis trage?

Eduard Mörike
Zitronenfalter im April

Grausame Frühlingssonne,
Du weckst mich vor der Zeit,
Dem nur in Maienwonne
Die zarte Kost gedeiht!

Ist nicht ein liebes Mädchen hier,
Das auf der Rosenlippe mir
Ein Tröpfchen Honig beut,
So muss ich jämmerlich vergehn
Und wird der Mai mich nimmer sehn
In meinem gelben Kleid.

Joseph von Eichendorff
Ostern

Vom Münster Trauerglocken klingen,
Vom Tal ein Jauchzen schallt herauf.
Zur Ruh sie dort dem Toten singen,
Die Lerchen jubeln: Wache auf!
Mit Erde sie ihn still bedecken,
Das Grün aus allen Gräbern bricht,
Die Ströme hell durchs Land sich strecken,
Der Wald ernst wie in Träumen spricht,
Und bei den Klängen, Jauchzen, Trauern,
Soweit ins Land man schauen mag,
Es ist ein tiefes Frühlingsschauern
Als wie ein Auferstehungstag.

Friedrich Hölderlin
Der Gang aufs Land

An Landauer

Komm! ins Offene, Freund! zwar glänzt ein Weniges heute
Nur herunter und eng schließet der Himmel uns ein.
Weder die Berge sind noch aufgegangen des Waldes
Gipfel nach Wunsch und leer ruht von Gesange die Luft.
Trüb ists heut, es schlummern die Gäng‘ und die Gassen und fast will
Mir es scheinen, es sei, als in der bleiernen Zeit.
Dennoch gelinget der Wunsch, Rechtglaubige zweifeln an Einer
Stunde nicht und der Lust bleibe geweihet der Tag.
Denn nicht wenig erfreut, was wir vom Himmel gewonnen,
Wenn ers weigert und doch gönnet den Kindern zuletzt.
Nur daß solcher Reden und auch der Schritt’ und der Mühe
Wert der Gewinn und ganz wahr das Ergötzliche sei.
Darum hoff ich sogar, es werde, wenn das Gewünschte
Wir beginnen und erst unsere Zunge gelöst,
Und gefunden das Wort, und aufgegangen das Herz ist,
Und von trunkener Stirn‘ höher Besinnen entspringt,
Mit der unsern zugleich des Himmels Blüte beginnen,
Und dem offenen Blick offen der Leuchtende sein.

Denn nicht Mächtiges ists, zum Leben aber gehört es,
Was wir wollen, und scheint schicklich und freudig zugleich.
Aber kommen doch auch der segenbringenden Schwalben
Immer einige noch, ehe der Sommer, ins Land.
Nämlich droben zu weihn bei guter Rede den Boden,
Wo den Gästen das Haus baut der verständige Wirt;
Daß sie kosten und schaun das Schönste, die Fülle des Landes
Daß, wie das Herz es wünscht, offen, dem Geiste gemäß
Mahl und Tanz und Gesang und Stutgards Freude gekrönt sei,
Deshalb wollen wir heut wünschend den Hügel hinauf.
Mög‘ ein Besseres noch das menschenfreundliche Mailicht
Drüber sprechen, von selbst bildsamen Gästen erklärt,
Oder, wie sonst, wenns andern gefällt, denn alt ist die Sitte,
Und es schauen so oft lächelnd die Götter auf uns,
Möge der Zimmermann vom Gipfel des Daches den Spruch tun,
Wir, so gut es gelang, haben das Unsre getan.

Aber schön ist der Ort, wenn in Feiertagen des Frühlings
Aufgegangen das Tal, wenn mit dem Neckar herab
Weiden grünend und Wald und all die grünenden Bäume
Zahllos, blühend weiß, wallen in wiegender Luft,
Aber mit Wölkchen bedeckt an Bergen herunter der Weinstock
Dämmert und wächst und erwarmt unter dem sonnigen Duft.