Guten Morgen, das Lastenrad ist mit Büchern beladen und liefert Kundenbestellungen im Erdapfel Bistro ab. Oder direkt bei Ihnen daheim, falls Sie nicht aus dem Haus wollen oder können. _______________________________________________________
Unser Buchtipp für das Wochenende:
Alan Gratz: „Amy und die geheime Bibliothek“ Aus dem Englischen von Meritxell Janina Piel Kinderbuch ab 9 Jahren dtv € 9,95
Ganz neu als Taschenbuch. Ein großartiges Buch. So witzig, frech und auch ernst und engagiert, wie der US-amerikanische Autor das Leseleben der kleinen Amy erzählt. In der Bibliothek ist nämlich das Lieblingsbuch der kleinen Leseratte aus dem Regal verschwunden. „Gilly Hopkins“, ein geniales Kinderbuch. Auf Nachfrage bei der tollen Bibliothekarin, erfährt sie, dass der Schulausschuss es entfernt hat, da es noch nichts für diese Grundschule sei. So etwas geht gar nicht, denkt Amy. Als noch mehr Bücher der Zensur unterliegen, nimmt die Geschichte ihren rasanten Lauf. Dazu kommt noch, dass Amy als älteste von drei Geschwistern immer die Vernüftige sein soll und nicht mal ein eigenes Zimmer hat. Die vielen Wendungen in der Handlung, die witzigen Dialoge, die neuen Freundschaften machen einfach Spaß zum Lesen. Aber Achtung: Dies ist kein Zukunftsroman. In einem Nachwort schreibt der Autor, dass genau diese im Buch erwähnten Bücher in den USA aus vielen Schulbibliotheken enfernt worden sind
Heute haben Christian Fürchtegott Gellert * 1715 Nathaniel Hawthorne * 1804 Christine Lavant * 1915 Neil Simon * 1927 Dean Meyer * 1958 Geburtstag _______________________ Christian Fürchtegott Gellert Der Kuckuck
Der Kuckuck sprach mit einem Star, der aus der Stadt entflohen war. „Was spricht man“, fing er an zu schrein, Was spricht man in der Stadt von unsern Melodein? Was spricht man von der Nachtigall?“ „Die ganze Stadt lobt ihre Lieder.“ – „Und von der Lerche?“ rief er wieder. „Die halbe Stadt lobt ihrer Stimme Schall.“ „Und von der Amsel?“ fuhr er fort. „Auch diese lobt man hier und dort.“ – „Ich muß dich doch noch etwas fragen: Was“, rief er, „spricht man denn von mir,“ „Das“, sprach der Star, „das weiß ich nicht zu sagen; denn keine Seele red′t von dir.“ – „So will ich“, fuhr er fort, „mich an dem Undank rächen und ewig von mir selber sprechen.“
___________________________________
Thomas Harding: „Sommerhaus am See“ Ein Haus, vier Familien und 100 Jahre deutsche Geschichte Mit Illustrationen von Britta Teckentrup Ab 8 Jahren und für die ganze Familie Jacoby&Stuart € 15,00 und als gleichnamiger Roman von Thomas Harding dtv € 14,90
Was für eine Entdeckung für mich. Ich halte das neuerschienene Bilderbuch von Britta Teckentrup in der Hand und bin begeistert und tief be/gerührt. Der eigene, ruhige, der jeweiligen Situation angepasste Ton der Illustrationen sprachen mich sofort an.
Thomas Harding erzählt die Geschichte des Hauses:
Am Rand von Berlin, am Groß Glienicker See, steht ein Haus. Im Laufe vieler Jahre leben dort nacheinander die jüdische Familie Alexander, ein NSDAP-Mitglied mit Familie, ein Paar, das vor den Bombenangriffen aus der Stadt geflohen ist, sowie ein Stasi-Informant. Das Haus erlebt glückliche Zeiten, aber auch, wie über seinem Dach Flugzeuge am brennenden Himmel fliegen, wie Panzer vorbeirollen, wie auf seinem Grundstück eine Mauer gebaut und wieder abgerissen wird. Und immer wieder ist das Haus allein. Bis eines Tages der Autor dieses Buchs den Sandweg herunterspaziert und sieht, dass das Haus Hilfe braucht. Zusammen mit Menschen aus dem Ort macht er sich an die Arbeit. Heute trägt das kleine Sommerhaus am See den Namen Alexander Haus und ist 2019 als ein Zentrum für Bildung und Versöhnung wiedereröffnet worden. Außerdem hat es Aufnahme in die Denkmalliste des Landes Brandenburg erhalten.
Danach war es um mich geschehen. Ich entdecke einen Filmtrailer zum Roman, blättere durch die Seite von https://alexanderhaus.org/, schaue mir ein Interview mit Thomas Harding an.
Die Geschichte mit Thomas Harding geht jedoch weiter und das ist das Faszinierende an Literatur. Auf unserem Büchertisch liegt seit Monaten ein Buch, um das ich immer herumstreiche: „Future History 2050„. Ein Buch aus der Zukunft mit gefundenen Briefen aus der Gegenwart. Sehr beeindruckend. Der „Grafiker“ (Der Autor selbst?) des Buches hat mit „Aus dem Papierkorb der Weltgeschichte“ fingierte nicht veröffentlichte Briefe in einem Buch zusammengefasst. Der Buchtitel taucht ganz beiläufig auch im „Future History 2050„-Buch auf.
Im Strudel der Bücher geht es immer weiter und wir finden kein Ende.
Gut so.
Heute haben Alexandre Dumas * 1802 Frank Wedekind * 1864 Hermann Kasack * 1896 Banana Yoshimoto * 1964 Geburtstag ____________________________________
Frank Wedekind
Es war einmal ein Bäcker, Der prunkte mit seinem Wanst, Wie du ihn kühn und kecker Dir schwerlich träumen kannst. Er hat zum Weibe genommen Ein würdiges Gegenstück; Doch sie konnten zusammen nicht kommen Sie waren viel zu dick.
_____________________________________
Prix Goncourt 2019
Jean-Paul Dubois: „Jeder von uns bewohnt die Welt auf seine Weise“ Aus dem Französischen von Nathalie Mälzer und Uta Rüenauver dtv gebunden € 22,00
Warum sitzt ein unauffälliger Mensch wie Paul Hansen im baufälligen Gefängnis von Montréal? Der in Frankreich aufgewachsene Sohn eines dänischen Pastors und einer Kinobesitzerin hatte schon einiges hinter sich, bevor er seine Berufung als Hausmeister in einer exklusiven Wohnanlage in Kanada fand. Ein Vierteljahrhundert lang lief alles rund – die Heizungsanlage ebenso wie die Kommunikation, bis Paul eines Tages die Sicherung durchbrennt. Nun erträgt er mit stoischer Ruhe seinen Zellengenossen Patrick, einen Hells-Angels-Biker, der sich jedoch von einer Maus ins Bockshorn jagen lässt.
Jean-Paul Dubois nimmt uns mit in diese kleine Zelle mit einer freistehende Toilette und erzählt mit feinem Humor, wie die beiden ihren Alltag bewältigen und wie es dazu kam, dass sie hier gelandet sind. Das Schöne an den Goncourt-PreisträgerInnen ist, dass man deren Bücher mit großem Vergnügen lesen kann. So auch hier. Patrick ist das genaue Gegenteil zum ruhigen Paul. Er ist ein Großmaul, ein Geschichtenerzähler, der aber extrem ängstlich ist. Eein großer Freund von Harley Davidson Fan und den Katalogen mit den vielen Ersatzteilen dazu. Das ist seine Bibel. Als er erfährt, dass der Gefängnisdirektor selber so eine Maschine fährt, ist er ganz aus dem Häuschen.
Ein sehr vergnüglicher, hintergründig ernsthafter Roman, bei dem man herzhaft schmunzeln kann. Wir haben gleich einen ganzen Stapel auf dem Neuerscheinungstisch zu liegen.
Jean-Paul Dubois, geboren 1950 in Toulouse, studierte Soziologie und arbeitete zunächst als Sportreporter für verschiedene Tageszeitungen. Später berichtete er für den ›Nouvel Observateur‹ aus den USA. Er hat über zwanzig Romane veröffentlicht und wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem renommierten Prix Femina und dem Prix Goncourt, den wichtigsten französischen Literaturpreis. Er zählt zu den wichtigsten französischen Autoren der Gegenwart.