Heute haben Clara Reeve * 1729 Stendhal * 1783 Camilla Collett * 1813 Sergej Eisenstein * 1898 Anna Maria Jokl * 1911 Derek Walcott * 1930 Joao Ubaldo Ribeiro * 1941 Geburtstag _____________________________________________
Else Lasker-Schüler (1860-1945)
Komm mit mir in das Cinema, Dort findet man was einmal war: Die Liebe!
Liegt meine Hand in Deiner Hand Ganz übermannt im Dunkel, Trompetet wo ein Elefant Ganz plötzlich aus dem Dschungel –
Und schnappt nach uns aus heißem Sand Auf seiner Filmenseide, Ein Krokodilweib, hirnverbrannt, Dann – küssen wir uns beide! _____________________________________
Claudia Wiltschek empfiehlt:
Sally J.Pla: „Komische Vögel„ Aus dem Englischen von Susanne Hornfeck dtv € 16.00 Jugendbuch ab 13 Jahren
Charlie muss beim Händewaschen immer bis zwölf zählen: Einseifen, Abspülen, Einseifen. Türklinken findet er eklig, Staubflusen schrecklich und essen will er nur Chicken Nuggets. Aber Charlie kann wunderschön malen. Vögel sind seine Leidenschaft und sein Vogelbuch mit seinen Zeichnungen ist ein kleines Wunderwerk. Sein eh schon kompliziertes Leben gerät aus den Fugen, als sein Vater nach einer schweren Verletzung in ein anderes Krankenhaus, auf der anderen Seite des Landes verlegt wird. Seine Geschwister wollen vor der schrecklichen Babysitterin fliehen, er will Vögel finden, die er und sein Vater schon immer mal sehen wollten und damit beginnt eine chaotische Fahrt dem Vater hinterher. Die schreckliche Babysitterin, die gar nicht schrecklich ist, gesellt sich dann auch noch dazu und unterwegs wird noch ein ausgesetzter Hund mit drei Beinen eingeladen. Charlie kann sich die Hände nicht waschen, muss auf schmutzigen Matratzen schlafen, seine nervigen Zwillingsbrüder ertragen und dazu noch seine Schwester, die sich ständig verliebt. Aber Charlie sieht Vögel. Vögel, von denen er immer fasziniert war, er überwindet viele Ängste und Ludmilla, die Babysitterin wird eine treue Begleiterin auf dieser Fahrt. Auch sie hat ihre Gründe den Vater zu treffen.
Lange schon habe ich nicht mehr ein Buch auf einen Rutsch durchgelesenen. Es ist zum Lachen, zum Weinen, es geht ums Hoffen und Durchhalten und um viele große und kleine Federlinge:
„Hope is the thing with feathers „ Emily Dickinson
Morgen Abend im Stadthaus Ulm: Dienstag, 24.Januar, 19 Uhr „Kommissar Dupin und die Revolution„
Als Jean-Luc Bannalec schreibt er die beliebten Bretagne-Krimis – am 24. Januar, 19 Uhr, kommt Jörg Bong ins Stadthaus zu einem Forum der Südwest Presse.
Heute haben John Dos Passos * 1896 Anatoli Rybakow * 1911 Rudolf Hagelstange * 1912 Yukio Mishima * 1925 Marek Hlasko * 1934 Andreas Steinhöfel * 1962 Geburtstag ____________________________________
„Das habe ich nie vergessen. Dass man liebt, um die Kälte zu vergessen und den Winter zu vertreiben.“ Andreas Steinhöfel aus „Mitte der Welt“ ___________________________________
Nach 25 Jahren in Deutschland will der Autor Deutscher werden. Damit beginnt ein Ritt durch die Bürokratie, die der Autor mit voller Ironie und treffsicher zu Papier bringt. Warum er als Ukrainischstämmiger, der besser sächselt, als die Leipziger Schalterbeamtin, befremdelt die Menschen, bei denen er vorstellig wird. Aber alles scheint klarzugehen, bis er doch noch eine Geburtsurkunde braucht. Also eine Urkunde mit Stempel, direkt abzuholen in Kiew. Dmitrij Kapitelman schreibt locker, witzig, hintergründig ernst, über sein Leben in Leipzig, seine Reise in die Stadt seiner Kindheit und über die Versöhnung mit seinem Vater. Das Buch ist 2021 im Hanser Verlag, in einer Zeit, in der in der Ukraine noch nicht der ganz große Krieg ausgebrochen ist.
13.Dezember mit den Küken von Anke Raum ______________________________________
Heinrich Heine * 1797 Laurens van der Post * 1906 Ross Macdonald * 1915 Robert Gernhardt * 1937 Howard Brenton * 1942 haben heute Geburtstag _______________________________________
Heinrich Heine Es fällt ein Stern herunter
Es fällt ein Stern herunter aus seiner funkelnden Höh, das ist der Stern der Liebe, den ich dort fallen seh.
Es fallen vom Apfelbaume, der weißen Blätter so viel, es kommen die neckenden Lüfte, und treiben damit ihr Spiel.
Es singt der Schwan im Weiher, und rudert auf und ab, und immer leiser singend, taucht er ins Flutengrab.
Es ist so still und dunkel, verweht ist Blatt und Blüt‘, der Stern ist knisternd zerstoben, verklungen das Schwanenlied. _______________________________
Großartig:
Sabine Lemire und Rasmus Bregnhoi: „Mira-Reihe“ aus dem Dänischen von Franziska Gehm Graphic Novel (nicht nur) für Mädchen dtv € 15 / € 16,00
Dieser Comic, besser: Graphic Novel, über Mira ist einfach großartig und ich hoffe, dass Sabine Lemire noch einige Jahre weiterzeichnet. Mira wohnt mit ihrer Mutter, deren Freund und ihrem kleinen Bruder auf einem Hausboot in Kopenhagen. Wir erleben ihren Alltag mit, der genauso ist, wie bei vielen anderen Mädchen. Mira wird von Band zu Band älter und bewegt sich natürlich dann auch auf Instagram, verliebt sich und hat immer wieder mal eine extrem peinliche Mutter. Tja, manchmal halt. Das ist witztig, cool, ganz schön schräg, aber auf jeden Fall sehr einfühlsam erzählt. Die Geschichten machen riesig Spaß und werden sicher mehrfach gelesen und angeschaut.
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Heute, Dienstag,13. Dezember 2022, 19:00 Uhr Lesung und Gespräch im Haus der Begegnung: Im Schatten des Kreml – Unterwegs in Putins Russland
In der Ukraine herrscht seit neun Monaten Krieg. Zehntausende Ukrainerinnen und Ukrainer wurden verletzt oder getötet, fast ein Drittel der Bevölkerung ist auf der Flucht vor Wladimir Putins Truppen. Doch was bewegt diesen autokratischen Herrscher im Kreml, wieso steht ein erheblicher Teil der russischen Bevölkerung hinter seinem brutalen Angriffskrieg? Seit Wladimir Putin 1999 an die Macht kam, hat Udo Lielischkies als ARD-Korrespondent ihn und die Menschen in Russland hautnah erlebt, bei unzähligen Reisen durch dieses riesige Land. Wie leben sie, wie denken sie, in Moskau und auf dem Land, die an der Macht und die „im Schatten des Kreml“?
Udo Lielischkies, geboren 1953 in Köln, war im Moskau von 2014 bis 2018 ARD-Studioleiter. Seine Filme erhielten drei Nominierungen für den Deutschen Filmpreis, weitere für Festivals in New York, Moskau und Monte Carlo.
Die Veranstaltung im Haus der Begegnung findet statt in Kooperation Reinhold-Maier-Stiftung. Veranstaltungsort: Haus der Begegnung, Grüner Hof 7, 89073 Ulm, www.hdbulm.de
Heute haben George Eliot * 1819 André Gide * 1869 William Kotzwinkle * 1943 Valery Wilson Wesley * 1947 Viktor Pelewin * 1962 Geburtstag __________________________________
Anja Kampmann moorchaussee
am ende beginnt die marsch das land dehnt sich in flachen carrées um die man hunde führt und müde beine laufen alles ist alltäglich im herbst spurten die rehe schneller als der geist zu den aufleuchtenden lichtern laternenumzüge martinsbrot inzwischen sind feuer verboten aber das rauschen hier ist wie der himmel und zeigt oben weitere straßen ums moor ziehen sie jetzt zäune auf den schildern bleiben die entfernungen stets exakt. und der himmel ist geflutet mit heimwegen die im dunkeln unsicher blinken. ___________________________________
Unser Buchtipp:
Yuval Noah Harari: „Wie wir Menschen die Welt eroberten“ Übersetzt von Birgit Niehaus Illustriert von Richard Zaplana Ruiz dtv € 20,00 Kinder/Jugendbuch ab 10 Jahren
Eine kurze Geschichte der Menschheit von Yuval Noah Harari
Den erfolgreichen Buchautor Harari lässt sein Thema „Menschheitsgeschichte“ nicht los und das ist gut so. Nach seinem (immer noch) sehr erfolgreichem Buch „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ folgten noch zwei weitere Bände über die Gegenwart und unsere Zukunft. Danach zwei Graphic Novels „Sapiens“ und jetzt noch einmal ein Buch für Leser:innen ab 10 Jahren. Und wieder spannt er einen großen Bogen von der Entstehung der ersten Menschen, bis hin zu den Problemen unserer heutigen Zeit, wie zum Beispiel Klimakrise, Pandemie und die zunehmende, übergriffige Digitalisierung. Wie konnte sich dieser körperlich relativ schwache Affe zum Herrn der Welt aufschwingen? Und was musste er tun, um sich die Erde untertan zu machen? Und was ist daraus entstanden und was können wir aus dieser Entwicklung lernen? Yuval Noah Harari nimmt sich dafür Zeit und möchte diese Geschichte für Jugendliche in vier Bänden erzählen. Hier also „Unstoppable Us“ Band 1, wie die Reihe im Original heißt.
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Otl Aicher von
Heute Abend:
Dienstag, 22.November, 19 Uhr Dr.Martin Mäntele stellt uns Otl Aicher vor. 100 Jahre Otl Aicher, 100 Plakate im HfG-Archiv Eintritt frei
Achtung!! Alle, die zum Vortrag kommen, erhalten eine Freikarte für die Otl Aicher-Ausstellung oben in der HfG.
Im Nebel ruhet noch die Welt, Noch träumen Wald und Wiesen: Bald siehst du, wenn der Schleier fällt, Den blauen Himmel unverstellt, Herbstkräftig die gedämpfte Welt In warmem Golde fließen. _____________________________________ Jetzt als Taschenbuch:
Helga Schubert: „Vom Aufstehen„ Ein Leben in Geschichten dtv € 12,00
Helga Schubert, 1940 in Berlin geboren, erzählt uns in einzelnen Episoden ihr Leben. Vom Vater, den sie nie kennengelernt hat, da er mit 28 Jahren im Krieg gestorben ist, von der Flucht vor den Russen und dem Aufwachsen mit einer traumatisierten Mutter, die diese Erlebnisse wohl nie richtig verarbeiten konnte. Die erste Episode schildert ihre Sommer bei der Großmutter, wo sie in der Hängematte im Garten liegt und es nach Obst und Gebäck riecht. Dort findet sie als Kind zur Ruhe, während sie in Berlin oft die Schule wechselt und von den Mitschülern gehänselt wird. So öffnen sich immer mehr alte Schachteln mit Geschichten, Erinnerungen, Anektoden. Manchmal die gleichen Begebenheiten aus verschiedenen Perspektiven. In der DDR arbeitet sie als Psychoanalytikerin und Schiftstellerin, darf aber nicht zu Preisverleihungen in den Westen fahren und kann mit über 50, nach der Wende, an den ersten freien Wahlen ihres Lebens teilnehmen. Was sie immer noch beschäftigt, ist das Verhältnis zu ihrer Mutter, denn sie habe drei Heldentaten in ihrem Leben vollbracht: Sie habe sie nicht abgetrieben, sie im Zweiten Weltkrieg auf die Flucht mitgenommen und sie vor dem Einmarsch der Russen nicht erschossen. Erst viele Jahre später hat sie ein Gespräch mit einer jungen Pastorin, die ihr zuhört und ihr in wenigen Sätzen die Last dieser Sätze abnimmt. Eine wunderbare Passage. Helga Schubert hat aber trotz allem nie ihren Lebensmut, ihren Humor und das positive Denken verloren und so ist die letzte Geschichte „Vom Aufstehen“ eine kleine Zusammenfassung, wie sie als alte Dame morgens aus dem Bett steigt, sich um Mann und Frühstück kümmert. Dafür hat sie den Ingeborg Bachmann Preis erhalten.
Kräutergarten in Einkaufswagen am Judenhof ______________________________________
Heute haben Samuel Richardson * 1689 Arnolt Bronnen * 1895 Jerzy Andrzejewski * 1909 Frank McCourt * 1930 Barbara Bronnen * 1938 Geburtstag _______________________________________
Max Dauthendey Sommer, der so fröhlich war
Sommer der so fröhlich war, Er entlässt der Vögel Schaar, Tausend Stare weiter ziehn, Tausend Lieder jetzt entfliehn.
Auf der Wiese, die verblüht, Noch der Himmel einsam glüht, Wie die Sehnsucht, die nie stirbt Und um neue Lieder wirbt.
Sitzt das Herz am rechten Fleck, Fällt’s nicht wie ein Herbstblatt weg. Wechselt auch der Baum sein Kleid, Lieb kennt keine Jahreszeit. ______________________________________
Exakt vor einem Jahr auf unserem Blog und jetzt als Taschenbuch:
Alex Schulman: „Die Überlebenden„ Aus dem Schwedischen übersetzt von Hanna Granz dtv Verlag € 13,00
Ein Sommerhaus in Schweden. Hier treffen sich die drei Brüder Benjamin, Pierre und Nils nach Langem wieder zum ersten Mal gemeinsam. Viele Sommer haben Sie hier mit ihren Eltern verbracht. Sommer voller langer Tage, Gemeinsamkeiten und immer wieder der Kampf um die Liebe der Mutter, die abweisend und grob und dann doch wieder voller Zärtlichkeit war. Nach ihrem Tod kehren sie hierher zurück, um ihren letzten Wunsch zu erfüllen, die Asche im See zu verstreuen. Fremd sind sie sich geworden, viel Unausgesprochenes schwebt in der Luft und alte Erinnerungen holen Sie ein. Ein Unfall, der nie richtig aufgeklärt wurde, lässt Benjamin bis heute nicht los. Jeder von ihnen trägt eine andere Erinnerung hiervon mit sich. Dieser Ort, der immer noch so verwunschen und unberührbar von der Außenwelt scheint, wirft sie zurück in die Kindheit. Alles ist so nah, als wäre die Zeit stehen geblieben.
Der neue Bücherbus _______________________________________
Heute haben Raymond Chandler * 1888 Elio Vittorini * 1908 Hubert Selby * 1928 Werner Kofler * 1947 Thea Dorn * 1970 Geburtstag _________________________________________
„Mir ist es piepegal, ob Salz, Butter, Wein oder Frauen schlecht für mich sind; das Leben ist eine unheilbare Krankheit.“ George Tabori ( gestorben am 23.7.2007) __________________________________________
Neu als Taschenbuch:
David Szalay: „Turbulenzen“ übersetzt aus dem Englischen von Henning Ahrens dtv € 11,00
Ein Reigen von von zwölf Erzählungen, zwölf Menschen, zwölf unterschiedliche Situationen, zwölf Ländern, zwölf Städten. Bis sich am Ende der Reigen wieder schließt. Das Leben der Personen gerät unerwartet in Turbulenzen. Also nicht im Flugzeug, sondern auf der Erde, dort wo sie wohnen und leben, fallen sie aus ihrem Alltag. Von der Globalisierung wissen wir, dass alles mit allem zusammenhängt und dass es nicht einfach ist, Situationen losgelöst zu betrachten. Corona hat uns das deutlich vor Augen geführt. Und so lesen wir hier, dass diese individuellen Leben auch nicht einzeln zu betrachten sind. Ein unterhaltsamer, spannender Roman, der mit vielen Wendungen aufwartet und uns zeigt, wie klein unsere Welt und wie wichtig Solidarität in dieser Zeit ist.
Wie entstand die Idee, Ihr Buch Turbulenzen zu schreiben, welches auf der ganzen Welt spielt – und wie steht das mit Ihrem letzten Buch Was ein Mann ist in Verbindung? Eine einzige Geschichte kann der Vielfalt des Lebens nicht gerecht werden und erst durch das Nebeneinanderstellen von verschiedenen Geschichten kann etwas Bedeutungsvolles geschaffen werden. Man braucht mehrere Stimmen in einem Buch, um die heutige Welt zu erfassen, weil die Gesellschaft so fragmentiert und zunehmend divers ist. In Turbulenzen wollte ich die geographische Reichweite, die sich in Was ein Mann ist schon auf Europa ausdehnt, noch vergrößern. Die Herausforderung des Buches war es also, in relativ kurzen Geschichten etwas über die Welt zu sagen. Vermutlich eine ehrgeizige Idee.
Das Buch beginnt und endet in London: Gibt es einen Grund, wieso Sie bestimmte Routen eher gewählt haben als andere? Das Buch sollte auf jeden Fall am gleichen Ort beginnen und enden. Die Zirkularität ist für mich ein grundlegender Aspekt des Buches. Ich bin in London aufgewachsen und die Stadt ist ein Zentrum meiner persönlichen Welt – auch wenn ich mittlerweile in Budapest lebe. Auch in Turbulenzen schließt sich der Kreis mit der letzten Geschichte, in der eine Engländerin, die in Budapest lebt, nach London zurückkehrt und sich dort von ihrer Vergangenheit abgetrennt fühlt. Für die anderen Schauplätze des Buches – von Dakar bis São Paulo, Toronto und Delhi – habe ich versucht, Orte zu finden, die ich selbst zumindest schon einmal besucht habe – bis auf zwei Ausnahmen… Ich bin gespannt, ob die Leserinnen und Leser herausfinden, welche das sind.
Sind Entfremdung und Einsamkeit ein relevantes Merkmal unserer kosmopolitischen Welt geworden, trotz der Zunahme von Kontakten und der neuen Möglichkeiten von Begegnungen? Ich denke, dass wir optimistischer sein können. Auf eine Art ist Turbulenzen natürlich auch ein Buch darüber, wie uns unsere Freiheit und Mobilität sowohl physisch als auch virtuell stärker vernetzen ohne jedoch zwangsläufig die Qualität der Begegnungen zu erhöhen. Aber es ist auch ein Buch über die Wichtigkeit der grundlegendsten Verbindungen, wie zum Beispiel der familiären, die unserem Leben Bedeutung geben. Menschliche Fragilität ist eines der Hauptthemen des Buches: In unserer „schönen neuen technologischen Welt“ scheint sich der Mensch seiner Sterblichkeit aber nicht mehr bewusst zu sein. Sehen Sie das in der aktuellen Krise bestätigt? Die Krise bringt uns zu unserer Zerbrechlichkeit zurück – zu unserer Sterblichkeit und unserer letztlichen Hilflosigkeit. Das Buch ist in gewisser Weise auch eine Fallstudie, wie unser Lebensstil die Grundlage dafür legt, dass sich Krankheiten oder ähnliches schnell und einfach um die ganze Welt verbreiten können. Globalisierung ist also nicht nur ein abstraktes Wort, Globalisierung ist eine sehr physische Realität. Ob wir unseren Lebensstil aufgrund des Coronavirus ändern werden, weiß ich nicht und bezweifle es sogar. Aber es hat ganz sicher schon verändert, wie wir uns selbst sehen.
Fliegen Sie gerne und welche besonderen Gedanken gehen Ihnen durch den Kopf, wenn Sie in der Luft sind? Beim Fliegen verdampfen für mich die Orte dazwischen. 2008 bin ich einmal von London nach Timbuktu geflogen und habe dort einen Monat verbracht, Leute getroffen in ganz unterschiedlichen Landschaften, die wüstenähnlicher werden, je südlicher man kommt. Der Rückflug nach London hat nur sechs Stunden gedauert, seitdem habe ich ein tiefsitzendes Bewusstsein dafür, wie Orte nicht zu existieren scheinen, wenn man über sie fliegt. ______________________________________
Hardy on Tour Tag 57
97 km und 1450 HM von Freiburg über Hinterzarten, Titisee und Schluchsee nach kurz hinter Blumberg
Nach ausgiebigem Frühstück am späten Vormittag bei Lisa losgeradelt. Das Navi wollte mich auf die Bundesstraße durch’s Höllental führen (ich hab Rennradmodus eingestellt bei der Tourplanung), aber das wollte ich mir dann doch nicht antun und bin schließlich einfach der Radbeschilderung nach Titisee gefolgt. Gute Entscheidung; denn die Route war völlig verkehrsarm und landschaftlich natürlich sehr sehr schön. Aber echt auch anstrengend. Der Anstieg von Oberied nach Hinterzarten hoch mit durchgängig 9 – 11 % Steigung. Da waren die müden Vogesen-Beine nochmal tüchtig gefordert und genossen wenig später dann das erfrischende und wohlverdiente Bad, im immer wieder schönen Titisee. Dort dann die Zeit verbummelt bevor es weiterging zum nächsten See, dem Schluchsee. Im so lieblichen Abendlicht schließlich noch im Auf und Ab der Straße bis hinter Blumberg gestrampelt und den Blick auf die Hegauberge gerichtet Das Zelt am Ufer des Flüßchens Biber aufgestellt. Ob ich wohl einen zu sehen bekomme????
Heute haben Léon Bloy * 1846 Richard Beer-Hofmann * 1866 Max Jacob * 1876 Claus Bremer * 1924 Klaus Wagenbach * 1930 Helmut Krausser * 1964 Geburtstag _______________________________
Winfried Hermann Bauer Oh Mann
Wie lebendig du bist Wenn du durch das Wildwasser wirbelst Wenn du über den Gletscher jagst Wenn du Wüsten durchquerst Und den Erdball umrundest Wenn du in der Wand hängst Allein mit dir Mit deinem Schmerz und deiner Lust
Es erregt dich Wenn du auf die Gelegenheit lauerst Wenn das Blut in deinen Ohren rauscht Das Gewehr im Anschlag Die Beute im Blick Den Feind im Visier Zum Sprung bereit In der entscheidenden Konferenz
Entspannt bist du erst Wenn die Oase erreicht ist Wenn der Gipfel hinter dir liegt Auf dem Plateau Wenn man dir ein Orden an die Brust heftet Wenn du feierst Zusammen mit deinen Freunden Vor der nächsten Challenge
Auf die du wartest Bis du wieder in der Wand hängst Allein mit dir Und dein Dasein spürst Im Sowieso und Überhaupt Am Tropf der Vereinigten Blutbanken Solange das Adrenalin sprudelt Und der Dax steigt ____________________________________
Was für ein Debüt der 1986 in Tübingen geborenen Autorin, die in Hamburg lebt und u.a. für die ZEIT schreibt. Mit einer direkten, heutigen Sprache verfolgen wir Juli über 30 Jahre hinweg. Ihre Familie ist angesehen, die Eltern Rechtsanwälte, sie hat Geschwister und sie ist Klassenbeste. Alles könnte gut sein, wenn nicht ihr Vater alle in der Familie tyrannisiert und prügelt. Ihr Brüder wird immer wieder von dessen Onkel, der Arzt ist, versorgt und krankgeschrieben. Ihre Mutter kauft sich ein ganzes Set an Rollkragen-T-Shirts, damit die blauen Flecken nicht zu sehen sind. Die Sprache ist es jedoch, die zuerst in diesem Roman auffällt. Dadurch entseht ein Gegenpol zum Alltag in der Familie, von dem außerhalb niemand weiß. Juli schafft es nicht die Gewalt ihres Vaters anzuzeigen, ihre Mutter verweigert sich der Realität, ihre Geschwister verschwinden aus dem Haus, sobald es die Schule zulässt. Als Juli selbst Gewalt anwendet, verstrickt sie sich noch mehr in dieses System. 30 Jahre später hat sich viel geändert und doch bleiben Erinnerungen, von denen Juli nicht weiß, was war Realität, was meint sie zu erinnern. Sie versucht immer noch über ihr jetziges Leben klar zu werden und es in geordnete Bahnen zu bringen. Ein starker Roman über Familie, Verletzungen, Heilung und das erzählt in einem originellen, warmherzigen Ton.
Das wird heute ein gemütlicher Lesesonntag. Im Gegensatz zu Hartmut, den wir durch England Richtung Süden radeln lassen. _____________________________________
Hardy on Tour
Tag 37 126 km von Belford über Amble und Blyth nach South Shields
Heute habe ich mich mit dem englischen Nordseeküstenradweg versöhnt und wir vertragen uns wieder und ich werde nicht jammern und meckern über ihn. Richtig klasse war das, was ich heut geboten bekam. Ein Tag am Meer sozusagen, weil die Route auf gut radelbaren Wegen, ganz nah an der Küste entlangführte. Dazu die Schloßruine in Warkworth und gleich am Morgen die riesige Burgfestung in Bamburgh. Gebadet hab ich in der Druridge Bay an dem herrlich weiten Sandstrand und das war sehr erfrischend. Am Abend wollte ich unbedingt noch die Fähre von Nord- rüber nach Southshields kriegen, weil am Sonntag die Erste erst gegen 11:00 Uhr fährt und ich nicht recht wusste, ob ich mit dem Fahrrad alternativ durch den Tunnel, der unter dem Fluß Tyne hindurchführt, fahren darf. Da musste ich dann noch bisschen stramm in die Pedale steigen und so hat es dann auch gereicht. Bezahlen musste ich die Überfahrt übrigens nicht;. Das haben zwei Brüder übernommen, die ich an der Fähre getroffen hab und mit denen ich etwas ins Plaudern kam. Danke !!! Jetzt weiß ich auch, dass es extra einen Tunnel für Radfahrer und Fußgänger gibt. 12 m unterm Fluß und 270 m lang, eröffnet bereits 1951 und man kommt mit einem Aufzug dorthin. Sachen gibt’s.
Lange muss man auf Bücher von Judith Zander warten. Wenn dann aber etwas Neues, neue Gedichte auf dem Markt sind, lohnt sich auf jeden Fall ein Blick. In Anklam geboren, ist es immer noch die brandenburgische Landschaft, die die Autorin nicht loslässt. Dieses Mal, in Verbindung mit schwarzweiss Landschaftsfotos, zeigt sie wieder, was für eine Sprachkünstlerin sie ist. Dieses Gewebe aus Liebes-, Landschaftslyrik und Anleihen aus der Geschichte in Verbindung mit ihrer Wortakrobatik, spiegelt ihr großes Können.
Leseprobe mit leider nur einem Gedicht ____________________________________
Tag 23 131 km von Lochmaben über Moffat nach Kirkliston bei Queensferry
Ja, so könnte natürlich gerne jeder Tag beginnen: mit einem köstlichen Frühstück wie dem von Fionna, u.a. mit leckerem Porridge nach traditionellem Hausrezept. Den hier obligatorischen Bacon zum Frühstück konnte ich als Vegetarier in letzter Sekunde grade noch „verhindern“. War mega wohltuend, hier Gast sein zu dürfen und mit dem Plaudern hat es doch auch ganz prima geklappt, trotz schottischem Slang. Und die „fehlenden“ Kilometer von gestern konnte ich heut recht locker wieder reinradeln, auch wenn es danach am Morgen noch gar nicht aussah. Da hab ich mich erst mal prompt 4 km verradelt und dann hat mich auch noch der drehende Westwind geärgert und immer mal wieder gehörig ausgebremst. Aber ich darf absolut nicht klagen, denn am Nachmittag hat der Wind alles wieder wettgemacht und mich gehörig angeschubst. Das war manchmal so ein bisschen wie „sailing in the wind“. Jedenfalls bin ich jetzt wieder exakt im Etappenplan vom Buch. 14 Tagesetappen insgesamt von Land’s End to John o Groats und morgen steht dann schon Nr.10 bei mir an. Nett sind auch die Begegnungen mit anderen End to End – Radler. Meist sind es ja die, die einem entgegenkommen, also die Strecke von Nord nach Süd radeln. Ein kurzes „Hallo“ und „wie geht’s “ gehört schon dazu, wenn sich zwei Radfahrer begegnen. Diese Tour ist unter Radlern sehr beliebt und bekannt und sollte eigentlich schon von jedem einmal im Leben zurückgelegt werden. Und weil es heut gar so gut lief, dachte ich, gönne dir doch im Pub in Burnside noch ein Bier. Doch kaum drin, bekam ich auch schon eines spendiert und war inmitten einer illustren, netten Gesellschaft. Ja doch, Schottland gefällt mir. Ach ja, vielleicht noch ein kurzer Temperaturvergleich: bei mir um die 15 Grad bei sehr bewölktem Himmel und bei Westwind in kräftigen Böen.