
Heute haben
George Eliot * 1819
André Gide * 1869
Geburtstag
und es ist der Todestag von Erich Fried .
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„Italiener! Das lautet soviel als Hanswurst! Was ist das für ein Schlaraffenland! Ohne vernünftige Gesetze, ohne Polizei, ohne Erziehung, in den Händen des Clerus, ohne Fleiß und Arbeitsamkeit, und für den Fremden ohne alle Bequemlichkeit!“
Wilhelm Waiblinger, der gestern Geburtstag hatte.
(Aus: die Briten in Rom, 1829)
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Unser Taschenbuchtipp:
Deniz Ohde: „Streulicht„
Suhrkamp Taschenbuch € 12,00
„Ich sagte meiner Mutter auf dem Heimweg, welches Wort ich gehört hatte kurz vor dem Stoß. Ich fragte, was es bedeutete. Es ist ein Schimpfwort, sagte sie. Aber du kannst nicht gemeint sein. Du bist Deutsche.“
Aufgewachsen in einem Industrieviertel bei Frankfurt, beschreibt die 1988 geborene Autorin ihre Kindheit und Jugend in der Enge der Arbeitersiedlung mit einem schweigenden Vater und einer türkischen Mutter, die ihre Hoffnungen nach Freiheit schon längst begraben hat. Doppelt stigmatisiert durch ihre Adresse in der Siedlung und durch ihre „fremde“ Mutter, kämpft sie sich durch die Schule, stoßt immer wieder an unsichtbare Grenzen und findet daheim oft keinen Tros,t keine Hilfe.
Deniz Ohde hat für diese Geschichte, die sich hart, düster und deprimierend anhört, einen sehr klaren Ton gefunden. Sie erzeugt eine Atmosphäre, so dass ich mich als Leser sehr gut in die Situation des jungen Mädchens hineinversetzen konnte.
Der Großvater sitzt blind im Sessel, hat seine Arbeitertradition an den Sohn weitergegeben, schweigt und kann nichts wegwerfen. Beide Männer horten jedes Zettelchen, kaufen jedes Sonderangebot, bis die Wohnungen aus allen Nähten platzen. Der Alkoholkonsum des Vaters machen das Zusammenleben mit ihm nicht einfacher. Die Mutter hat sich arrangiert, bis sie es nicht mehr aushält. Und das Mädchen stößt immer wieder an unsichtbare Grenzen aus Standesdünkel, Rassismus und Gefühlskälte. Sie scheitert in der Schule, bis sie in einem zweiten Durchgang den Weg an die Universität schafft. Aber auch dort sieht sie sich mit alten Vorurteilen konfrontiert.
Deniz Ohde hat mit diesem Erstlingswerk ein sehr intensives Buch geschrieben, das durch die Sprache, ihren ruhigen, genauen Blick auf blinde Flecken in unserer Gesellschaft heraussticht aus der Vielzahl der Romane junger SchriftstellerInnen.
Auszeichnungen:
aspekte-Literaturpreis des ZDF (Shortlist) 2020
Literaturpreis der Jürgen Ponto-Stiftung 2020
Shortlist zum Deutschen Buchpreis 2021