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Unser heutiger Buchtipp:

Ilija Trojanow und Susann Urban: „Durch Welt und Wiese„
oder Reisen zu Fuß
Andere Bibliothek Bandnummer: 370
Die hier vorliegende Buchnummer: 3887 von 4.444 Exemplaren
€ 42,00





Trojanow. der deutschprachige Weltenbummler, Schriftsteller, politisch engagierter Schreiber, Herausgeber und Hans Dampf in der Literaturwelt, hat hier mit Susann Urban eine Sammlung literarischer Texte zum Thema „Gehen“ herausgebracht. Gegangen wird schon seit Langem und nicht erst seit der neuen Pilgerbewegung und „Ich bin dann mal weg“. Gehen unterscheidet uns auch von den Tieren, denn diese hüpfen, springen, schleichen, rennen. Aber dieses gezielte, gewollte Gehen ist etwas sehr Besonderes, sagt Trojanow. Mit dem Auto fahren wir in unserem Leben ca. 820.000 km. Zu Fuss sind es nur ca. 25.000 km. Gehen ist auch anarchistisch. Wir brauchen keine Wege, Straßen, Autobahnen, Geleise. „Durch Welt und Wiese“ heisst der Band und dies ist auch das Motto, das sich durch die Textausschnitte zieht. Gehen kann zur Droge werden. So hat der Ex-Junkie und jetziger englische Schriftsteller Will Self mit ein paar Meilen angefangen und absolviert mittlerweile locker 100-Meilen-Märsche. Überhaupt die Engländer. Laut Trojanow sind sie die Wanderkönige. Nirgends wird dort in der Literatur so viel gegangen. Inklusive der SchriftstellerInnen, die sich auch dieser Fortbewegungsart verschrieben haben. Bei den Brontes wird über die Felder marschiert, genau so in den Romanen von Jane Austen. Trojanow zählt noch mehr englischer Geher auf, von denen wir nicht ahnten, wieviel sie zu Fuss unterwegs waren.
Werner Herzog sagt: „Nur wer geht, sieht die Mäuse.“
Wenn wir mal schnell Milch holen gehen, dann beanspruchen wir 600 Muskeln und 100 Gelenke und die Outdoor-Industrie hat einen riesigen Markt, den es zu bedienen gilt.
„Gehen ist eine Reise aus der Welt, die wir geschaffen haben, in die Welt, die uns geschaffen hat“, schreibt Trojanow. Es gab große Wanderungen, die in die Literatur eingegangen sind. Nach Italien wurde gewandert, über die Alpen und nach Syrakus. Eichendorffs Taugenichts war zu Fuss unterwegs, wie Tiecks Gestiefelter Kater. Es gab eine große Vagabunden-Bewegung, die dann durch die Nazis ausgelöscht worden ist. Der Tramp von Charlie Chaplin ist uns bekannt, wie die Trapper bei Jack London. Es gab die Grossstadtflaneure wie Franz Hessel, der uns seine Eindrücke von Berlin zu Papier brachte. Und natürlich Robert Walser, zu dessen Ehren ein Robert Walser-Gedächts-Rundweg errichtet worden ist, dessen Begehung lohnt.
Nach einem Vorwort von Ilja Trojanow, ist das Buch in sechs Kapitel aufgeteilt:
Aufbrüche
Betrachtungen
Meditationen
Spaziergänge
Entbehrungen
Verwandlungen
und enthält Texte u.a. von Balzac, Espedal, Thoreau, Stasiuk, Handke, Fermor, Büchner, Dickens, Stifter, Sebald, Robert Walser, Rosenlöcher, Poe, Woolf und natürlich Teju Cole, der ein mehr als grossartiges Erkundungsbuch über Manhattan geschrieben hat. Es folgen noch Basho, Seume, Ransmayr, David-Néel, Moritz und Jack Kerouac. Wobei dies nur ein Teil der AutorInnen ist.
Das würde eigentlich schon reichen für ein prall gefülltes Taschenbuch. Aber die Andere Bibliothek wäre nicht die Andere Bibliothek, wenn sie nicht auch noch Wert auf eine schöne Aufmachung legen würde. So kommt das Buch in einem Schuber und liegt, nach dem Herausschieben, grün und weich, wie Moos in der Hand.
Die Herstellungs-Angaben lesen sich dann so ähnlich wie eine Todesanzeige in der FAZ, wenn wir die vielen Namen einer adligen Familie lesen.
Dieses Buch wurde von Katja von Ruville, Frankfurt am Main (da müsste doch jetzt ein Komma hin, oder?) mit der Schrift DTL Documenta gesetzt und gestaltet.
Schlaufe und Bezug gestaltete Katja Holst, Frankfurt am Main.
Die Herstellung betreute Katrin Jaobson, Berlin.
Das Memminger MedienCentrum druckte auf 100 g/qm holz- und säurefreies, ungestrichenes Munken Pure.
Dieses wurde von Artic Paper ressourcenschonend hergestellt.
Den Einband besorgte die Verlagsbinderei Conzella in Aschheim-Dornbach.
Das Bezugsmaterial heißt Softy White. Es wurde im Offset bedruckt und kommt von der Firma Favini.
Jetzt nur noch € 42 auf die Theke der Buchhandlung legen und das Kunstwerk gehört Ihnen.
Johann Gottfried Seume: „Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802„
Erster Teil. Von Leipzig nach Syrakus
Dresden, den 9ten Dez. 1801
Ich schnallte in Grimme meinen Tornister, und wir gingen. Eine Karawane guter gemütlicher Leutchen gab uns das Geleite bis über die Berge des Muldentals, und Freund Großmann sprach mit Freund Schnorr sehr viel aus dem Heiligtume ihrer Göttin, wovon ich Profaner sehr wenig verstand. Unbemerkt suchte ich einige Minuten für mich, setzte mich oben Sankt Georgens großem Lindwurm gegenüber und betete mein Reisegebet, daß der Himmel mir geben möchte billige, freundliche Wirte und höfliche Torschreiber von Leipzig bis nach Syrakus, und zurück auf dem andern Wege wieder in mein Land; daß er mich behüten möchte vor den Händen der monarchischen und demagogischen Völkerbeglücker, die mit gleicher Despotie uns schlichten Menschen ihr System in die Nase heften, wie der Samojete seinen Tieren den Ring.
Nun sah ich zurück auf die schöne Gegend, die schon Melanchthon so lieblich fand, daß er dort zu leben wünschte; und überlief in Gedanken schnell alle glücklichen Tage, die ich in derselben genossen hatte: Mühe und Verdruß sind leicht vergessen. Dort stand Hohenstädt mit seinen schönen Gruppen, und am Abhange zeigte sich Göschens herrliche Siedelei, wo wir so oft gruben und pflanzten und jäteten und plauderten und ernteten, und Kartoffeln aßen und Pfirschen: an den Bergen lagen die freundlichen Dörfer umher, und der Fluß wand sich gekrümmt durch die Bergschluchten hinab, in denen kein Pfad und kein Eichbaum mir unbekannt waren.
Die Sonne blickte warm wie im Frühling, und wir nahmen dankbar und mit der heitersten Hoffnung der Rückkehr von unsern Begleitern Abschied. Noch einmal sah ich links nach der neuen Mühle auf die größte Höhe hin, die uns im Gartenhause zu Hohenstädt so oft zur Grenze unserer Aussicht über die Täler gedient hatte, und wir wandelten ruhig die Straße nach Hubertsburg hinab. In Altmügeln empfing man uns mit patriarchalischer Herzlichkeit, bewirtete uns mit der Freundschaft der Jugend und schickte uns den folgenden Morgen mit einer schönen Melodie von Goethens Liede – Kennst du das Land? – unter den wärmsten Wünschen weiter nach Meißen, wo wir eben so traulich willkommen waren. Wenn wir uns doch die freundlichen Bekannten an der südlichen Küste von Sizilien bestellen könnten! Die Elbe rollte majestätisch zwischen den Bergen von Dresden hinab. Die Höhen glänzten, als ob eben die Knospen wieder hervorbrechen wollten, und der Rauch stieg von dem Flusse an den alten Scharfenberg romantisch hinauf. Das Wetter war den achten Dezember so schwül, daß es unserm Gefühl sehr wohltätig war, als wir aus der Sonne in den Schatten des Waldes kamen.
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Heute abend können Sie auch gerne mit dem Rad kommen und Clemens Grote zuhören, wie er aus vier Büchern vorliest, die wir ab 19Uhr bei uns in der Buchhandlung vorstellen.