Mittwoch, 4.Januar

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Heute hat
Jacob Grimm * 1785
Geburtstag
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Heute im Duden Gedichtekalender 2017

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Und wo wir schon bei den Kalendern sind.
Haben Sie sich eigentlich auch dieses Jahr den Arche Kinder Kalender geschnappt? Nein? Na, dann wird es aber Zeit.

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Arche Kinder Kalender 2017
Mit 53 Gedichten und Bildern aus der ganzen Welt
Herausgegeben von der Internationalen Jugendbibliothek, München
Arche Kalender Verlag € 18,00

Alle Jahre wieder, zauberhaft wie immer.
Ein Pinguin, der sehnsüchtig auf ein Schiff wartet. Ein Kind, das auf einem Baum schläft.
53 zweisprachige Gedichte aus über 30 Ländern mit den Originalbildern und in den jeweiligen Sprachen. Auch wenn wir das Gedicht auf Koreanisch gar nicht lesen können, sondern nur die deutsche Übersetzung, ist es doch schön diese Schriftzeichen zu sehen. Einfacher ist es dann bei den europäischen Sprachen, die dann so schön im Rhythmus fließen. Jedes Jahr und immer wieder, Woche für Woche, aufs Neue eine Überraschung und eine Wonne fürs Auge und für die Seele.
Für Kinder in jedem Alter.

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Und das Schöne daran: Wir haben noch welche im Buchladen liegen.

Montag

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Die Kröten sind wieder da und im Teich wimmelt es von ihnen.
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Heute haben
Alexander Roda Roda * 1872
Samuel Beckett * 1906
Stephan Hermlin * 1915
Seamus Heaney * 1939
Zeruya Shalev * 1959
Geburtstag
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Barbara Honigmann: „Chronik meiner Straße“
Hanser Verlag € 16,69
Als eBook € 12,99

Barbara Honigmann verließ mit ihrer Familie 1984 die DDR und zog Richtung Westen. Und zwar gleich soweit, dass sie zwar aus Deutschland rausging und in Frankreich landete. Allerdings dort ganz im Osten, in Straßburg und da auch im Osten, wiederum in Richtung Deutschland. Sie fanden eine Bleibe in der Rue Edel, eigentlich ein Profisorium, wie sie immer wieder im Buch betont, eine Straße für den Anfang. Wenn dann mal alle Koffer ausgepackt sind, dann würden sie sich etwas Besseres suchen. Mittweile leben sie seit 30 Jahren in der gleichen Straße, im gleichen Haus, dem Zweithäßlichsten. Das Hässlichste steht gegenüber und gehört der Telekom. Es sind immer noch nicht alle Koffer ausgepackt, die Kinder sind längst aus dem Haus, aber das Ehepaar Honigmann zieht wohl nicht mehr aus. Obwohl? Eine Grabstätte haben sie sich schon gekauft. Es war ein Schnäppchen, wie ihr Mann meinte. 30 Jahre sind eine lange Zeit, eine Generation und Barbara Honigmann kann viel berichten über die Straße des Anfangs, die eingezwängt zwischen Schulen und großen Alleen liegt und an der man sicherlich nicht vorbeikommt, wenn man Straßburg einen Besuch abstattet. Naja, jetzt vielleicht.
Sie berichtet über die Menschen auf der Straße, die sie von ihrem Schreibtisch aus beobachtet. Sie erzählt Begebenheiten mit Menschen, die aufgetaucht und wieder verschwunden sind. Von Menschen, mit denen sie eine enge Beziehung einging und sie dann tragischerweise wieder verlor. Es gab drei jüdische Witwen, denen sie half Eingaben zur Wiedergutmachung zu schreiben, mit denen sie zu Anwälten und Behörden ging. Es gibt die Jungen auf der Straßen, mit den Kapuzen, die trinken und laute Musik hören. Es gibt die komplett verschleierten Frauen, die meist im Pulk auftreten und den gesamten Gehweg beanspruchen, so dass ihr nur die Flucht auf die Straße bleibt. Kommt jedoch ein dazugehörender Mann, bilden sie schnell eine Gasse, durch die er elegant gleiten kann. Es gibt den Verrückten, der sein nacktes Hinterteil zum Balkon hinaushängt und die Besitzer, der kleinen Läden, die eröffnen und plötzlich wieder geschlossen, oder weiterverkauft sind. Jahrelang trifft sie einen grantigen, stillen Mann, der oft stundenlang an einem alten Mercedes schraubt. Mit laufenden Motor und lauter Musik. Erst als ihr Mann ihn provozierend oft grüßt, fängt er an seine traurige Geschichte zu erzählen. Barbara Honigmann erzählt die Geschichten der einfachen Menschen aus verschiedenen Nationalitäten, ohne auf dem Begriff Multikulti herumzureiten, der auch hier in ihrer Straße nicht existent ist. Neu dazugekommen ist eine neue Nationalität, die sie nicht zuordnen kann. Sie tauchen mit fetten Autos auf, die sie nicht einparken, sondern auf der Straße abstellen. Die Motoren laufen, die Radios brüllen. Die dazugehörenden Typen könnten einem Mafiafilm entsprungen sein und die Damen stolzieren geschickt mit ihren High-Heels zu den passenden Schlitten. So plötzlich, wie er aufgetaucht ist, verschwindet der Convoi und es herrscht wieder Ruhe in der Straße.
Ich könnte noch viele Episoden aus dem Roman erzählen, möchte aber, dass Sie das Buch lesen und sich dabei genau so wohlfühlen, unterhaltenlassen, wie es mir ergangen ist.
Die „Chronik meiner Straße“ ist sicherlich nicht die große Literatur, aber eine gekonnte literarische Verarbeitung ihrer 30 Jahre in Frankreich, im gleichen Haus, in der selben Straße, in der Hoffnungen auftauchen, Träume verfliegen und Enttäuschungen zwangsläufig sind.

Leseprobe

Barbara Honigmann, 1949 in Ost-Berlin geboren, arbeitete als Dramaturgin und Regisseurin. 1984 emigrierte sie mit der Familie nach Straßburg, wo sie noch heute lebt. Honigmanns Werk wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. dem Kleist-Preis und dem Max-Frisch-Preis der Stadt Zürich.

Die Rue Edel auf google maps.

Donnerstag

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Heute haben
Leonhard Frank 1882
Antonin Artaud * 1896
Richard Wright * 1908
Joan Aiken * 1924
Thorsten Becker * 1958
Geburtstag
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Da Streit ist entbrannt. Hirn oder Darm, Intelligenz oder Charme?
Entscheiden Sie selbst.

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Henning Beck: „Hirnrissig“
Die 20,5 größten Neuromythen – und wie unser Gehirn wirklich tickt
Hanser Verlag € 16,90
als eBook € 12,99

Der Hanser Verlag legt nach dem grandiosen Erfolg von „Darm mit Charme“ nach und lässt einen weiteren Science-Slam-Gewinner an den Start. Ist der Darm in der Öffentlichkeit immer noch ein Tabuthema und wird über das Hirn seit Jahren Unmengen geschrieben. Themen wie Spiegelneuren, Brainfood, usw … füllen Zeitschriften, Bücher und ganze Hallen. Dieses gefurchte Etwas scheint von höchstem Interesse zu sein und ist halt immer noch nicht ganz erforscht. Der ewige Wettstreit zwischen Hirn und Computer kommt sicherlich noch dazu.
Henning Beck räumt mit einigen Mythen zum Hirn auf. Um genau zu sein, sind es exakt 20,5 Mythen. Denn Exaktheit ist hier schon von großer Wichtigkeit.
Wie ist das nun mit der Größe des Hirn? Wie wirkt sich das auf die Intelligenz aus? Je größer je besser? So einfach ist es nun auch nicht. Einsteins Hirn wog etwas weniger als der Durchschnitt. Und wenn wir das Gewicht des Hirns mit dem Gewicht des Körpers in Vergleich setzen, dann steht die kleine Springmaus ganz vorne. Ganz im Gegensatz zum so klugen Wal. Entscheident ist also nicht das puren Gewicht, sondern wie schnell die Verbindungen zwischen den einzelnen Synapsen sind. Gerade das Thema Geschwindigekit taucht immer wieder auf. Ein PC ist um ein Vielfaches schneller und doch schafft es das Gehirn flotter ans Ziel zu kommen. Hier wird nämlich nicht stupide vor sich hingerechnet, sondern es werden Querverbindungen gesucht, in Schubladen gegruschtelt, in denen passende Informationen gelagert sind. Da hinken die PC doch mächtig hinterher. Die EU hat 1 Milliarde Euro(nen) in ein Forschungsprojekt gesteckt, Großrechner in dieser Weise noch besser und effektivier zu machen.
Multitasking? Auch so ein Thema. Wir sollten uns nicht so weit aus dem Fenster lehnen und behaupten, wie toll wir verschiedene Dinge nebeneinander machen können. Kaffee trinken, Musik hören, Emails checken, geht zwar, aber fordert das Hirn extrem und Arbeiten werden deutlich besser erledigt, wenn wir sie einzeln erledigen.
Noch so ein Mythos: Wir benutzen nur 10% unserer Hirnleistung. Da geben vielen Menschen einiges Geld bei Vorträgen aus, um die restlichen 90% zu aktivieren. Alles Humbug. Mumpitz. Sagt Henning Beck. Unser Hirn arbeitet immer volle Pulle. Während wir in unserer Wohnung die Lichter in Zimmern löschen, in denen wir nicht mehr sind (so hoffe ich doch, oder?), brennen im Hirn alles Lichter und zwar immer volle Kraft. Dieses Schloss mit unzähligen Räumen strahlt wie ein Weihnachtsbaum. Denn für alles was wir tun, werden die unterschiedlichsten Dinge dort oben abgerufen und verknüpft. Auch im Schlaf. Damit sind wir auch beim Thema Brainfood, wie das so schön heisst. Studentenfutter, Fischöl, Omega3, … alles recht und gut. Es hat aber keinen Einfluss auf die Hirneistung. Vielleicht auf eine längere Lebenszeit, das schon. Das Hirn holt sich immer und zu jeder Zeit das, was es braucht aus unserem Körper. Es kommt immer als erstes dran. Allerdings nimmt es nicht alles, was wir zu uns nehmen. Beängstigende Bodyguards stehen an der Pforte und lassen nur ganz gezielte Nahrung durch. Henning Beck meint nicht, das wir genausogut Junkfood essen könnten. Nein, gute Ernährung tut unserem Körper immer gut. Aber gezielte Ernährung fürs Hirn ist ein Mythos. „Mit Brainfood essen wir uns schlau“ teilt Beck seinen vegetarischen Lesern zum Beispiel mit, dass sie „nur so klug sind, weil [ihre] Vorfahren kräftig Fleisch und Fisch verzehrten.“
Genauso wie Gehirntraining (gegen Demenz). Sie können zwar nach dem täglichen Lösen von Sudokus besser Sudokus lösen, aber sie traininen Ihr Hirn damit nicht, wie einen Muskel in der Muckibude. Geht einfach nicht, sagt der Autor. Auch können ältere Hirne immer noch prima lernen. Vielleicht etwas langsamer, aber „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr“, stimmt hier auch nicht.
Henning Beck ist aber auch ein guter Verkäufer und schreibt: „An das, was kurz vor dem Schlafen gehen noch schnell gelesen wird, kann man sich am nächsten Morgen besser erinnern.“ und meint sicherlich damit auch sein Buch, das auf möglichst vielen Nachttischen liegen sollte. Auf seiner Homepage zeigt er sich nämlich auch von seiner geschäftstüchtigen Seite und bietet diverse Vorträge und Seminare an. Warum nicht? Wenn die so pfiffig sind, wie dieses Buch, werden das sicherlich lustige und informative Stunden.
Und auch ich will auch Bücher verkaufen und liste Ihnen nicht alle 20,5 Mythen auf. Wenn Sie also mitreden wollen, dann ist diese Lektüre genau das richtige. Zumal das Miteinanderreden extrem entscheidend ist beim Thema Demenz.

Montag

Heute haben
Karl Kraus * 1874
Bruno Apitz * 1900
Harper Lee * 1926
Roberto Bolano * 1953
Ian Rankin * 1960
Geburtstag.
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Einige Zitate des großen Sprachkünstlers und heutigem Geburtstagskindes Karl Kraus

Das Leben ist eine Anstrengung, die einer besseren Sache würdig wäre.

In der Liebe ist jener der Hausherr, der dem anderen den Vortritt läßt.

Das ist das wahre Wunder der Technik, daß sie das, wofür sie entschädigt, auch ehrlich kaputt macht.

Man glaubt gar nicht, wie schwer es oft ist, eine Tat in einen Gedanken umzusetzen.
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Mit flotter Musik die Woche zu beginnen, scheint mir bei dem grauen Wetter genau das Richtige zu sein. Gestern abend habe ich den Film „Chico und Rita“ angeschaut und habe immer noch die Musik im Ohr. Deshalb beginne ich den heutigen Tipp gleich mal mit dem Trailer.

http://www.youtube.com/watch?v=ZTWxB9hRjwI

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„Chico und Rita“
Regie:  Fernando Truebaund /Javier Mariscal
DVD € 12,99
Bei uns im Laden erhältlich.
Die Musik gibt es auch als Soundtrack auf CD.

Dieser 2010 entstandene Animationsfilm wurde u.a. für einen Oscar in der Sparte „Bester animierter Spielfilm“ nominiert, bekam einen Preis beim Trickfilmfestival in Stuttgart und erhielt den Europäischen Filmpreis 2011. Und das alles für einen Film, den wir vor Jahren noch als Trickfilm bezeichnet hätten.
Die Regisseure erzählen in diesen 93 Minuten das Leben des Jazzpianisten Chico, der zusammen mit seinem Freund Ramon, in Havana auf Cuba lebt, und Erfolg haben will mit seiner Musik. Die Stadt ist voller Clubs, überall spielen Bands und es wird getanzt. Es ist das Jahr 1948, als er kurz vor einem Wettbewerb die sehr begabte Sängerin Rita trifft, in die er sich unsterblich verliebt. Sie will zunächst jedoch nichts von ihm wissen und lässt ihn abblitzen. Chico ist hartnäckig, holt sich Rita in seine Band und gemeinsam gewinnen sie den ersten Preis bei dieser nationalen Ausscheidung.
Der Film erzählt aus der Rückblende heraus. Der alte Rico kommt nach Hause, hat seine Holzkiste mit Schuhputzutensilien in der Hand und steigt alt und müde in sein Zimmer im ersten Stock hoch. Mit einem Glas Rum setzt er sich hin und schaltet sein Radio an. Als dort sein vor Jahrzehnten komponiertes Lied „Lily“, das ursprünglich „Rita“ hieß, gespielt wird, kommen ihm seine Erinnerungen hoch und er blättert Fotos und Zeitungsausschnitte durch, die er in einer abgegriffenen Schachtel aufbewahrt hat.
Zurück in die Vergangenheit. Die beiden haben Erfolg in Cuba und ein Managar tritt auf Rita zu, der ihr zu Ruhm in New York verhelfen will. Sie will jedoch den Vertrag nur unterschreiben, wenn Chico auch dabei ist. Da dieser jedoch eifersüchtig an der Bar sitzt, sich volllaufen lässt, kommt es zum Streit zwischen den beiden und Rita unterschreibt später in der Nacht. So trennen sich ihre Wege. Rita hat Erfolg in New York, wird zum Star, Chico und Ramon versuchen weiterhin ihr Glück in Havana. Chico hält es jedoch ohne seine Rita nicht aus, verkauft sein Klavier und gemeinsam mit seinem Freund und Manager Ramon reisen sie auch in die Stadt ihrer Träume. Gemeinsam mit ihnen tauchen wir in die Clubs der Stadt ein. Treffen auf Jazzgrößen wie Chucho Valdes, Dizzy Gillespie, Charlie Parker, Chano Pozo, Tito Puente, Ben Webster und Thelonious Monk, mit denen er zum Teil mitspielen kann. Chico und Rita treffen sich immer wieder. Es ergibt sich aber nicht der richtige Zeitpunkt, dass sie gemeinsam spielen, oder gemeinsam leben können. Rita hat Erfolg in Hollywood und Chico reist mit Dizzy Gillespie nach Europa. Die Geschichte hat ihren Höhepunkt, als Rita in Las Vegas auf einer Neujahrsparty den weissen Gästen von der Bühne herab erzählt, dass sie als schwarze Sängerin nicht hier im Hotel schlafen dürfe, sondern in einem Motel übernachten muss. Somit ist ihre Karriere zu Ende. Und da Ramon seinen Freund Chico betrügt, da er mitbekommen hat, dass Rita und Chico in Las Vegas heiraten wollen und somit seine Karriere als Manager auch gefährdet ist, wird Chico von der Polizei verhaftet und nach Cuba abgeschoben. Dort ist mittlerweile Revolution und Jazzmusik als dekadent verschrieen. Jetzt wissen wir auch, warum der alte Chico mit seiner Schuhputzkiste unterwegs ist. Jetzt in der Gegenwart wird er von amerikanischen Musikern entdeckt und erfährt mit einer jungen Sängerin einen späten, großartigen Erfolg und bekommt die höchsten Preise. Was ihm noch fehlt, ist seine Rita, die er seit 47 Jahren nicht mehr gesehen hat. …
Der Film ist voller Musik, tollen Farben und macht so richtig Spaß zum Zuschauen. Es ist sicherlich dem späten Erfolg des Buena Vista Social Clubs und des Dokumentarfilmes von Wim Wenders zu verdanken, dass dieser Film entstanden ist.

 

Freitag

Heute haben
Alessandro Manzoni * 1785
Matilde Serao * 1856
Paul Ernst * 1866
Léo Malet * 1909
Milo Dor * 1923
Kobo Abe * 1924
Georges Perec * 1936
Jürgen Theobaldy * 1944
Robert Harris * 1957
Joanne Harris * 1964
Geburtstag

O Mann, was für eine lange Liste mit Namen und tollen Büchern, die sich dahinter verstecken.
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Ferdinand Ernst Albert Avenarius
Im März

Graublaue Nebel schleichen
Durch winterlich Gefild,
Graublaue Berge dämmern
Gleich blassem Traumgebild.

Der Regen rieselt leise
Im blätterlosen Wald,
Vom kühlen Wind das Flüstern
Aus dürren Zweigen hallt.

Dort droben zwitschert ein Vogel
Schüchtern sein kleines Lied –
Weiß nicht, ob Herbst, ob Frühling
Die stille Welt durchzieht.
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Der heutige Buchtipp passt zum kommenden Wochenende, an dem Sonne und gute Temperaturen angekündet sind.

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Chris Haddon: „Mein famoses Fahrrad
Fotografiert von Lyndon McNeil
Knesebeck Verlag € 16,95

Leseprobe

Ich habe die Leseprobe gleich mal nach oben gesetzt. Und eigentlich bräuchte ich dann gar nix mehr schreiben, weil diese Bilder einfach für sich sprechen.
Ein paar Sätze seien doch erlaubt, weil es ein doch gar so schönes Büchlein geworden ist. Ich schreibe Büchlein, weil es zwar ein Bildband ist, aber im mittelgroßen Format und es passt somit auch in jede Satteltasche, oder Radrucksack. Der nichtgekommene Winter hat nun ganz verspielt und die Sonne kämpft sich immer mehr in der Vordergrund. Und obwohl es im Schatten noch empfindlich kühl ist, sehe ich mehr Radler auf den Straßen. Also nicht nur diejenigen, die immer auf zwei Rädern unterwegs sind. Nein, jetzt kommen auch die bunten, gestylten, die mit der schwarzen Hose und dem Trikot darüber und den farbigen Rennern. Radeln ist eh stark im Kommen. E-Bikes sehen wir überall und gleichzeitig gibt es eine Gegenbewegung hin zum alten Fahrrad, zum tradionellen Radl, dem Vintage-Style. Schön. So ähnlich wie wenn die Krokusse aus dem Boden drücken.
Der Buchautor Chris Haddon war um die ganze Welt unterwegs und hat in Europa, den USA, Afrika und Asien nach den wahren Radlenthusiasten gefahndet. Hat er sie gefunden, dann müssen sie über ihr Gefährt und den besonderen Ort dazu erzählen. Sammler, berühmte Designer oder Weltumradler werden ebenso vorgestellt wie exzentrische Fahrrad-Clubs, Fahrrad-Cafés oder Cycle-in-Kinos. Menschen, die ihr Leben dem Fahrrad verschrieben oder ganz eigene Verwendungsarten für ihr Fahrrad gefunden haben, erzählen von ihrer Begeisterung und Motivation. Auch die besonderen Räder all dieser Fahrradfans werden natürlich gewürdigt.
Da gibt es die Lastenfarräder von Peking, die Band, die auf dem Lastenrad spielt (Der Saxophonist muss treten), es gibt die Street Books in Portland (geile Idee) und den Postboten auf dem Hochrad. Es gibt den Radperfektionisten, der sein Radl ans Fenster seines Lofts stellt, damit wir im Hintergrund die Skyline von Manhattan sehen können. Es gibt die radelnden Damen in Amsterdam und den Typen, der mit dem Hochrad um die Welt geradelt ist. Sagt Ihnen das Burning Man-Festival etwas, Kwikfiets, oder das Star Bikes Café? Nein, Na dann schauen Sie ab Seite 48. Und so weiter und so weiter. Ich könnte Ihnen mein Radl noch zeigen, aber dieses olle rote Ding lohnt nicht. Was sich allerdings lohnt, ist die Internetseite von Hartmut Hardy Bögel, der mit dem Rad schon von Ulm nach Peking und zurück geradelt ist. Von Kairo ans Kap und demnächst zu einer Südamerika-Tour aufbricht.
http://hardy-radelt.tumblr.com
Er ist noch in der Vorbereitungsphase, aber auch das lohnt schon ein paar Klicks.
Das ideale Geschenk für die radelnden Freunde und natürlich für sich selbst.
Ich würde Ihnen gerne hier noch ein paar der tollen Fotos zeigen, weiss aber nicht, wie da die Rechtslage ist. Also bitte schauen Sie in die Leseprobe.

Das muss ich jetzt aber schon noch bringen. Obwohl ich es schon zum dritten Mal gepostet habe, passt es einfach zu gut und ist mein absolutes Machmichfit-Video.

Mittwoch

Heute haben
Rosa Luxemburg * 1870
Pier Paolo Pasolini * 1922
Charles H.Fuller * 1939
Mo Yan * 1935
Geburtstag
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Gestern abend gab es in der Kulturbuchhandkung Jastram einen Weltrekord, eine persönliche Weltbestmarke. Haben wir bei unseren Veranstaltungen mit 30-35 Personen ein volles Haus, so hatten wir gestern 80 Personen in unseren Räumlichkeiten.
An jedem erste Dienstag im Monat stellen wir vier literariische Neuheiten vor. Wir nennen die Reihe „Die erste Seite“, da der Ulmer Schauspieler Clemens Grote erste Seiten und mehr aus Texten vorliest, die wir vorher nicht bekanntgeben. Erst nach der Lesung von 12-15 Minuten löse ich das Rätsel und erzähle etwas zu Autor und Buch. Gestern nun hatten wir die Idee, die fünf, für den Buchpreis der Leipziger Buchmesse nominierten Titel, vorzustellen und dann auch abstimmen zu lassen. Nachdem am Samstag die lokale Südwestpresse Ulm unsere Veranstaltung sehr präsent auf der ersten Seite des Ulmer Lokalteiles veröffentlichte, hatten wir am selben Vormittag schon die ersten Nachfragen nach Platzreservierungen. Es wurde uns damit schon etwas mulmig und wir räumten also nicht unseren gemütlichen Raum mit dem großen Holztisch mit den Neuerscheinungen darauf um, sondern den vorderen Raum. Das bedeutet dann auch CD-Tisch raus, drei Tische mit Kinderbüchern raus, Postkartenständer raus. Alles ging dann doch gewohnt fix. Und wenn bei diesen Veranstaltungen 20 Minuten vor 19 Uhr noch niemand im Laden ist und es dann doch kurz vorher noch überquillt, standen zu diesem Zeitpunkt schon die ersten Gäste im Laden. Somit war der große Raum vorne, als auch der gewohnte Raum voll. Mit Sitzplätzen auf jeglichen Hockern, auf den Treppenstufen und im Schaufenster. Wir begannen pünktlich und Clemens Grote begann mit Fabian Hischmann, es folgten Per Leo, Martin Mosebach, Katja Petrowskaja und Sasa Stanisic. Auch hier las Clemens ohne erklärenden Worte, die ich dann nach exakt abgestoppten 10 Minuten Lesung nachlieferte. Aber diesmal las ich nur die biografischen Fakten zum Autor und eine Kurzinhaltsangabe von den Verlagen vor und wertete die Texte nicht. Kurz nach 20 Uhr waren wir dann soweit und wir kamen zur angekündigten Abstimmung. Dabei stellten wir auch die ungefähre Anzahl der Personen fest. Nun würde ich Ihnen gerne das exakte Abstimmungsergebnis durchgeben. Das liegt jedoch im Laden. Was ich noch im Gedächtnis habe, ist Fabian Hischmanns Roman: „Am Ende schmeissen wir mit Gold“ gleich viel Stimmen bekam wie Per Leos Roman: „Flut und Boden“. Wir wollten danach keine Stichwahl machen und beließen es bei diesen beiden Autoren als Doppelsieger, zumal so eine Wahl auch sehr aus einem Bauchgefühl heraus erfolgt. Wie können wir ein Buch bewerten, von dem wir 10 Minuten aus dem Beginn des Romanes gehört haben. Egal, wir hatten großen Spaß dabei und die Gäste verließen unsere kleine Kulturbuchhandlung sehr zufrieden. Da erzählte uns einer der Zuhörer, dass unsere Veranstaltung als Dauerwerbung in den öffentlichen Bussen lief. Sprich, in den Bildschirmen, die dort an der Decke hängen und Kurznachrichten bringen. Da war ich dann doch baff. Das ich so etwas noch erleben durfte, ohne etwas dazugetan zuhaben.
Vielen Dank an alle Gäste und Helfer, vielen Dank an den großartigen Vorleser Clemens Grote, der nach einem Zuruf aus der ersten Reihe einen donnernden Applaus für seine Lesitung bekam.
Unsere nächste „Erste Seite“, die dann wieder mit vier literarischen Neuheiten aufwartet, ist Dienstag, der 1.April (kein Aprilscherz). Wie immer um 19 Uhr. Wie immer mit Clemens Grote als Vorleser. Und: der Eintritt ist wie immer kostenlos.

Hier können Sie den Stand der Online-Abstimmung zum Buchpreis der Leipziger Buchmesse anschauen, wer dort im Moment führt und auch selber eine Stimme abgeben. Und in einer Woche wissen wir dann, ob die Leipziger Jury sich an unser Ergenis orientiert hat, oder doch einen anderen Sieger, eine andere Siegerin präsentiert.

So! Und geht es demnächst los. Zum Aufräumen in den Laden, damit die Bücher wieder dort sind, wo sie hingehören.
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Dienstag

Heute haben
Elias Venesis * 1904
Giorgio Bassani * 1916
Alan Silitoe * 1928
James Ellroy * 1948
Khaled Hosseiini * 1965
Geburtstag
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Beginnen wir heute mit den Autoren und schon sind wir mittendrin in dem, was die beiden in ihrem Buch beschreiben. Ja, es sind diese Gutmenschen, die auf alles eine Antwort haben, dem SUV vor den Biosupermarkt fahren und mit dem Kauf von Bioerdbeeren die Welt retten.

Charlotte Förster arbeitet als freie Journalistin und lebt im Epizentrum des modernen Spießertums – Berlin Prenzlauer Berg. Sie verabscheut Raufasertapete, Discounterlebensmittel und Krieg.
Justus Loring arbeitet als freier Journalist und lebt im Epizentrum des modernen Spießertums – Berlin Prenzlauer Berg. Er verabscheut Raufasertapete, Discounterlebensmittel und Krieg.

Spiesser

Der moderne Spießer
Beobachten, erkennen, bestimmen
Mit vielen Illustrationen von Henry Büttner
Tropen Verlag € 14,95

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Was ist eigentlich ein Spießer? Der Duden hat Folgendes aufnotiert:

Spie­ßer, der
Wortart: Substantiv, maskulin
Häufigkeit:
Nach obenRechtschreibung

Worttrennung:
Spie|ßer

Bedeutungen:
[gekürzt aus Spießbürger] (umgangssprachlich abwertend) Spießbürger
(Jägersprache) junger Rehbock, Hirsch, Elch mit Spießen (4)

Synonyme zu Spießer und Spießerin:
Biedermann; (abwertend) Kleinbürger, Kleinbürgerin; (bildungssprachlich abwertend) Philister, Philisterin; (umgangssprachlich abwertend) Spießerin; (veraltend abwertend) Pfahlbürger, Pfahlbürgerin
Nach obenAussprache

Betonung:
Spi̲e̲ßer
Lautschrift:
[ˈʃpiːsɐ]

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Und der Tropen Verlag legt gleich nochmals nach:

Man muss sich den Spießer als einen glücklichen Menschen vorstellen. Endlich wurde ihm nun ein Kompendium in Buchform gewidmet! Mit einem lachenden und einem zwinkernden Auge blättert sich der geneigte Leser durch diese Sammlung geistreicher Bonmots und handverlesener Alltagsbeobachtungen. Welch erbaulicher Genuss, welch Sprachgewalt, welch Wortwitz! Wie eine gute Flasche, die mit jedem Jahr ein wenig besser wird, entfaltet dieses Buch mit jeder Seite seinen komplexen Charakter ein wenig mehr – bis man aus dem Schmunzeln schließlich gar nicht mehr herauskommt. Geschmackvolle Grafiken und lehrreiche Schaubilder runden dieses Kleinod deutscher Verlegerkunst kongenial ab und sorgen für nachhaltiges Lesevergnügen. Guten Geschmack kann man sich nicht kaufen – dieses Buch schon. Distinktionsgewinn und beeindruckte Nachbarn garantiert!

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Richtig dick aufgetragen und das passt auch für dieses Buch. In verschiedene Rubriken aufgeteilt hat es die passenden Sprüche parat, die wir dauernd um die Ohren bekommen. Und was das Schönste ist: Wir alle benutzen sie nämlich auch. Ob beim Einkaufen, oder im Urlaub, den wir natürlich nur in den Ecken verbringen, in denen es ganz bestimmt keine Touristen hat und wir Olivenöl mitbringen vom letzten Bauern in dem engen Tal, der uns auch noch superguten Käse mitgegeben hat, nach dem wir hier lange suchen müssten und dazu noch das dreifache ausgeben müssten. Sie verstehen? Gell!
Um gleich mittenrein zuspringen, schlagen wir Kapitel 27 auf:
„Bücher, die in keinem gutsortierten Regal fehlen dürfen“
Abteilung Bildung:
Daniel Kehlmann: Die Vermessung der Welt
John Irving: Garp
Uwe Tellkamp: Der Turm
Bei Humor darf natürlich das Gesamtwerk von Loriot nicht fehlen. Aber auch Axel Hacke, Bastian Sick und Tommy Jaud sind ein Muss.
Richtige Querdenker haben auf ihrem Regalbrett Henryk M.Broder, Helmut Schmidt, Hannes Jaenicke: „Die große Volksverarsche“ und Eva Hermann: „Das Eva-Prinzip“.
Unter Herzschmerz darf Judith Herrmann, „Der kleine Prinz“, „Salz auf meiner Haut“ und natürlich Milan Kunderas: „Die Unerträglichkeit des Seins“ nicht fehlen.
Ach und für den 50er Jahre vintage Tisch passend: „Cool Hotels Europe“ aus dem Taschen Verlag.

Bei der DVD-Auswahl ist es natürlich auch wichtig die Richtigen dazuhaben und sie natürlich im Original anzuschauen. Manchmal gibt es natürlich auch Ausnahmen, wenn wir die mitgebrachte Raubkopien aus Thailand anschauen, die mit den Untertitel in Thai und Chinesisch und einem Originalton, den wir nicht identifizieren können.
Aber zurück zur Auswahl:
Natürlich: Pulp Fiction, The Big Lebowski, The Royal Tenenbaums, Citizen Cane und Die Fabelhafte Welt der Amelie. Unbedingt Casablanca, Die Ritter der Kokosnuss, Das Leben der Anderen, Die Drei-Farben-Trilogie und Trainspotting.

Sie merken schon, wo es lang geht. Dazu noch die wichtigen Bereiche: Einkaufen (Bio?), Essen (vegan), Trinken (Italien, Neuseeland?), Beruf, Kinder und ihre Kitas, und vieles mehr.

Ein wirklich großer Spaß, zu dem der Verlag noch Postkarten hergstellt hat, auf dem markante Sprüche drauf sind, die sind dann wie gelbe und rote Karten verteilen können. (Alle schon weg bei uns)

Leseprobe

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Samstag

Heute haben
William Somerset Maugham * 1874
Virginia Woolf * 1882
Eva Zeller * 1923
Silvio Blatter * 1946
Geburtstag
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Und dies entdeckte ein Kunde in unserem Arno Schmidt-Fenster, nachdem gestern zum ersten Mal Schnee vom Himmel fiel. In Ulm blieb zwar nichts liegen, auf Alb jedoch schon mal 10 cm.CIMG9565
aus: Arno Schmidt: Zettels Traum

Foto
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Julia-Lezhneva-Alleluia-CD-Cover

Julia Lezhneva: „Alleluia“
Il Gardiono Armonico unter Giovanni Antonini
DECCA  CD € 9,99

Vivaldi: Motette RV 626 „In furore iustissima irae“
Händel: Motette HWV 240 „Saevit tellus inter rigores“
Porpora: „In caelo stele clare fulgescant“
Mozart: „Exsultate, jubilate“ KV 165

Warum ich diese CD hier vorstelle, ist der neue Preis. Na, das ist jetzt gemein, da ja der preis nicht der Grund ist. Aber diese genial gute Einspielung für diesen Preis zu bekommen ist wirklich unglaublich. Der Preisverfall in der Musikindustrie ist jedoch gigantisch.
Julia Lezhneva ist Jahrgang 1989 (Jawohl, gerade mal 24 Jahre) und hat schon die perfekte Stimme. Angefangen hat es bei ihr mit Einspielung von Rossini und Vivaldi und 2013 kam diese Einspielung mit Vivaldi, Händel, Porpora und Mozart heraus. Nicht erschrecken: hinter dem Titel „Alleluia“ versteckt nicht ein zusammengeschustertes programm für diese junge Stimme, wie so oft zu finden ist. Das Programm der CD ist Musik aus dem 18.Jahrhundert, das speziell für junge Sängerinnen geschrieben worden ist. Und der Sopran von Julia Lezhneva passt wie angegossen.
Entdeckt wurde die russische Sängerin übers Internet. Ihr Moskauer Lehrer meinte, er habe ein Video von ihr auf youtube gesehen und gehört. Da soll mal noch einer sagen, …. und die NSA hätte da auch ruhig mal reinhören können.
Was mich persönlich besonders beeindruckt, ist, dass sie die Motetten ohne Vibrato angeht. Dies tut meinen Ohren doch sehr gut.
Bevor ich mich nun aber verplappere und Unfug schreibe, hier ein paar Musikbeispiele

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=MeXS8S3ftwU]

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=DlIPyey3_YY]

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=Yw1A5TQVwvQ]

Dienstag

Nachdem ich gestern den Montag schon zum Dienstag gemacht hatte (gerade geändert), ist heute tatsächlich Dienstag und ein wirklicher Dienst-Tag.
Das Auto ist voll mit Dingen zum Ausfahren und der erste Vertreter des Jahres hat sich um 11 Uhr angekündigt.
Das heisst, das Hamsterrad dreht sich munter weiter.
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Heute haben
Albrecht Haushofer * 1903
Erwin Wickert * 1915
Roland Topor * 1938
Helga Schubert * 1940
Franz Josef Czernin * 1952
Nicholas Baker * 1957
Geburtstag
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Und als eines ersten Bücher des Jahres, erschien:

Smith

Zadie Smith:London NW
Aus dem Englischen von Tanja Handels
Kiepenheuer&Witsch Verlag € 19,99
Auch es eBook erhältlich.

Was natürlich schön zusammenpasst: der heute angekündigte Vertreter kommt vom selben Verlag. Bin mal gespannt, was er zu diesem Buch zu berichten hat.
Die New York Times hat es zu einem der zehn besten Romane des Jahres 2013 gewählt. Das ist ja auch ein Wort.

London NW ist der Nordwesten der Metropole, weit aber der Touristenströme, weit weg von dem, was wir in den Reisefüher finden und sicher nicht die Gegend, in der wir uns als Urlauber aufhalten wollen. Es ist Caldwell, ein Stadtteil mit allen Nationen der Welt, versammelt in Sozialwohnungen und Hochhaussiedlungen, so wir es aus vielen anderen Grossstädten kennen. Schreibt Jagoda Marinic u.a. über den Wedding in Berlin im Winter mit all seiner Kälte, so ist es hier in diesem multikulti Stadtteil Sommer. Die Hitze ist gross und die Verzweiflung der Personen nicht weniger klein. Dabei hat der Roman eine sehr komische, witzige Seite, die Zadie Smith sehr gut mit dem Tragischen verbindet.
Vier Personen, zwei Pärchen stehen im Mittelpunkt. Leah, Natalie, Felix und Nathan stehen im Mittelpunkt. Alle vier sind in dieser Gegend aufgewachsen und haben gehofft diesen (auch gefährlichen) Stadtteil zu verlassen. Aber nur Natalie scheint als Anwältin die Einzige zu sein, die es wirklich geschafft hat. Auf ihren Dinnerpartys treffen sich viel hohle Leute, mit denen Leah und Michel nichts anfangen können. Leah und Natalie (die diesen Namen angenommen hat und eigentlich Keisha heisst) sind seit ewigen Zeiten Freundinnen. Und wenn Leah viel in Club herumgehangen ist und auch Drogen nahm, war Natalie zielstrebig, fast erfolgssüchtig. Sie hat mittlerweile eine Familie mit zwei Kindern und wohnt in einem vikorianische Häuschen. Leah hingegen arbeitet als einzige Weisse in einem Büro und ihr Mann versucht vergeblich ein Kind mit ihr zu machen. Was jedoch nicht klappen kann, da sie heimlich die Pille nimmt. Sie merken schon, da passiert etwas. Als ganz zu Beginn des Romans eine Fremde an der Tür von Leah klingelt und sie um Geld bittet, eskalieren die Ereignisse und die vier Personen geraten aus ihren abgefahren Wegen.
Und Zadie Smith dreht die Schraube noch weiter. Ihr Sprachstil ist komprimiert und aufs Nötigste verkürzt. Hier gibt es keine ausschweifenden Beschreibungen und lange Schachtelsätze. Smith hat gestrichen und somit den Szene eine sehr genaue Wirklichkeit verpasst. Sie springt von einem zum anderen Kapitel. Von einer Zeit zu einer anderen. Nur als sie die Geschichte von Natalie/Keisha erzählt, sind alle Abschnitte durchnummeriert. Von 1 bis 185. Das könnte das Spiegelbild ihrer geplanten Karriere sein. Aber was bleibt, ist auch eine große Leere und der Neid auf die anderen. Zadie Smiths Hauptpersonen sind die beiden Frauen. Es sind ihre Lebenswege, die sie interessiert und die sich mit ihrer Sprache annähert. Die Männer gehörem dazu, sind aber fast Beiwerk.
London NW, das im Englischen nur NW heisst, besticht durch seine Sprache, durch seinen eigenwilligen Stil und seine Mischung aus Komödie und Tragodie. Smith hat diesem Stadtteil, in dem sie selbst aufgewachsen ist, einen Roman gewidmet und es lohnt sich sehr, ihn zu lesen.

Zadie Smith liest aus NW

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Ein literarischer Rundgang durch London NW -Kliburn

Und hier geht es durch Camden Lock

Samstag

Heute hat Alfred Wolfenstein (* 1883) Geburtstag
und dies hat er vor fast 100 Jahren veröffentlicht:

Alfred Wolfenstein
Städter

Dicht wie Löcher eines Siebes stehn
Fenster beieinander, drängend fassen
Häuser sich so dicht an, daß die Straßen
Grau geschwollen wie Gewürgte stehn.

Ineinander dicht hineingehakt
Sitzen in den Trams die zwei Fassaden
Leute, wo die Blicke eng ausladen
Und Begierde ineinander ragt.

Unsre Wände sind so dünn wie Haut,
Daß ein jeder teilnimmt, wenn ich weine.
Flüstern dringt hinüber wie Gegröhle:

Und wie stumm in abgeschlossner Höhle
Unberührt und ungeschaut
Steht doch jeder fern und fühlt: alleine.

(1914)
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Und weil Max Dauthendey (1867-1918) heute in meinem Lyrikkalender auftaucht, von ihm auch noch eins:

Max Dauthendey

Nie war die eine Liebesnacht in deinem Schoß
der andern gleich

Nie war die eine Liebesnacht
In deinem Schoß der andern gleich,
Dein Leib ist ein Septembermond
An immer neuen Früchten reich.

Die Brüste sind ein Traubenpaar,
Und drinnen pocht der junge Wein,
Die Augen sind ein Himmelstor
Und lassen meine Wünsche ein.
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Noch so ein Projekt, was ich endlich über die Feiertage geschafft/gelesen habe.

Alan Ilser: „Der Prinz von der West End Avenue“
Das Buch erschien im Berlin Verlag und später bei dtv. Isler hat dieses Buch mit 62 Jahren geschrieben und 1994 in London und ein Jahr später in Berlin veröffentlicht. Es ist längst vergriffen und ich frage mich wirklich warum. Es ist ein grossartiges Buch, ein Erstlingswerk, wie es selten zu finden ist. Und: Es ist in meinem Lesekanon verblüffenderweise mehrfach eingebunden.
Diese Woche hat der Arche Literaturkalender Tristan Tzara auf dem Kalenderblatt, der am 25.12. 1963 gestorben ist. Tzara spielt eine wichtig Rolle in der Zürcher Dada-Zeit der jungen Hauptperson.
Cherubino aus Mozarts „Hochzeit des Figaro“ singt auf Seite 170 „Voi che sapete“, das ich vor Wochen hier mit Christiane Schäfer verlinkt habe. Dazu kommen noch einige Nachnamen, die in meiner Familie mütterlicherseits geläufig waren. Solche Sachen sind mir mehrfach in diesem Buch über den Weg gelaufen. Das macht das Lesen noch viel spannender.
Aber zum Inhalt:
Otto Korner, eigentlich Körner, aber das ö hat er sich bei der Einreise in die USA gespart ist 83 Jahre alt und lebt im Emma-Lazarus-Altersheim, Manhattan, Upper Westside. Dort proben im Sommer 1978 gutbetuchte jüdische Rentner das jährliche Shakespeare Stück Hamlet. Und Korner ist die perfekte Hamlet Figur in seiner inneren Zerissenheit. Alan Isler stellt uns seine Personen in einem sehr witzigen, spritzigen Ton vor. Es ist dieser jüdische Humor, der das ganze Buch durchzieht. Die Treffen in der Lieblingskneipe „Goldstein’s Dairy Restaurant“ sind solche Höhepunkte. Diese schrägen Vögel mit ihren Macken, sind einfach köstlich. Der ewig junge 70jährige, der jedem Rock hinterhersteigt, der nichts dazulernende Revolutionär, die alten reichen Damen, die einer Liebschaft nicht aus dem Weg gehen. Die Gebrechen, die Toten, die Essensdüfte, die Dame am Empfang und der Arzt, der sich seine Liebe zu einer Krankenschwester nicht eingestehen will; erst als Korner ihm auf die Sprünge hilft, wird das was.
Über allem stehen die Proben zu Hamlet, die unter einem schlechten Stern stehen, da es zu sehr großen Zerwürfnissen unter den Rentner kommt. Es kommt sogar zu einem Toten, dessen Rolle neu besetzt werden muss.
Dies ist in dem schon erwähnten lockeren frechen Ton geschrieben und Otto Korner streut immer mehr aus seiner Kindheit in Berlin, seine Zeit bei den Dadaisten in Zürich hinzu. Wir erfahren stückchenweise über seine zwei Ehen, die beide gescheitert sind. Das dramatische Ende einer der Ehen endet im Zug Richtung Auschwitz. Diese Episoden kommen so ziemlich am Ende des Buches. Sie haben Korner geprägt und er hat sie ganz tief unten versteckt gehalten. Jetzt kommen sie hoch, nachdem ein alter Bekannter aus diesen Tagen im Altersheim auftaucht. Und somit wird auch klar, warum es zu einem dramatischen Zusammentreffen mit Korner und seiner Schwester kommt, als sie sich zum ersten Mal wieder in new York treffen können.
Ilser schafft es, so ähnlich wie Seethaler in seinem „Trafikant“ eine dramatische Geschichte mit viel Humor zu erzählen. Wobei Isler noch einen Schritt weitergeht. Er zeigt uns Seite um Seite das Innenleben einer zerbrochenen Figur, die es jahrzehntelang verdrängt hat. oder es zumindest versucht hat.
Selten so ein humorvolles Buch gelesen, in dem sich solche Abgründe auftun. Grossartig und leider vergriffen.
Leihen Sie es sich in der Bibliothek aus, oder suchen Sie im Netz nach gebrauchten Exemplaren. Es lohnt sich.