Das Frühjahr kommt und wir haben die passenden Bücher dazu.
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Heute haben
Peter Paul Zahl * 1944
Jochen Schimmang * 1948
Christian Dithfurth * 1953
Geburtstag
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Gestern war der Tod im Ulmer Roxy.
Sehr lustig der Kerl.
Richard Yates: „Easter Parade“
aus dem Amerikanischen von Anette Grube
btb € 9,00
als kleines Leinenbändchen bei btb für € 9,99
als eBook für € 7,99
Nach dem Proust-Hör-Marathon war lange Zeit Schluss mit Hörbuch. Zu sehr lebte Marcels Suche nach der verlorenen Zeit bei mir nach. Erst als mir Richard Yates „Easter Parade“ als Hörbuch in die Finger kam, dachte ich, dass das die richtige Mischung ist. Gelesen von Monika Bleibtreu (was sich als nicht so gut erwies), überspielte ich die acht CDs auf meinen alten iPod und los ging es mit den Schwestern Sarah und Emily, die 1921, bzw. 1925 in den USA geboren wurden. Die Eltern ließen sich 1930 scheiden und seit diesem Moment suchen die beiden Schwestern eine solide Grundlage für ihr Leben.
Ihre Mutter trinkt sehr gerne (eigentlich tun das alle in diesem Roman, inkl. des Autors selber) und stilisiert sich ihre dröge Umwelt als einen heilen Hollywood-Film. Der Vater arbeitet bei einer Zeitung, ist bei diesem Boulevardblatt allerdings nur für die Überschriften zuständig und bleibt während seiner ganzen Arbeitszeit am gleichen Redaktionstisch kleben. Von seiner Ex-Frau wird er allerdings als knapp unter der Chefredaktion angesiedelt, wenn sie nach ihm gefragt wird.
Der Roman erschien im Original 1976 und das dürfte auch mit dem Alter der beiden Schwestern zusammenpassen. Wir erleben also mit ihnen den Zweiten Weltkrieg und die aufkommende Protest- und Hippiebewegung. Allerdings nur so am Rande, dass es schon fast verwundert, in welcher Welt die beiden leben. Mit ihrer Mutter, die Pookie genannt wird, ziehen sie von Vorort zu Vorort, von Wohnung zu Wohnung, aber heimisch werden sie nirgends. Sarah, die ältere der beiden, heiratet früh und bekommt schnell nacheinander drei Söhne, lebt auf dem Land und scheint mehr als glücklich zu sein. Pookie nennt ihr heruntergekommenes, nach Schimmel riechendes Anwesen „Hohen Hecken“ und wir meinen schon in einem Roman der Bronte-Schwestern gelandet zu sein. Emiliy bekommt ein Stipendium an einer New Yorker Universität, studiert Literatur, arbeitet als Buchhändlerin, Journalistin und lange Jahre als Werbetexterin. Nach einem kurzen Intermezzo, in dem sie mit einem an Impotenz leidenden Mann verheiratet war, nimmt viele Männer zu sich mit nach Hause. Ohne dass die Beziehungen von langer Dauer sind. Mit ein, zwei Ausnahmen abgesehen. Auch sie meint, dass sie es gut erwischt hat und nicht in der Vorstadt versumpft, wie ihre Mutter.
Ich mag gar nicht zu viel verraten. Was bei diesem Roman immer erwähnt wird, ist, dass alle Biografien zum Scheitern verurteilt sind. Und das stimmt. Richard Yates gibt keinen der Personen eine große Chance. Er lässt sie arbeiten und werkeln, Hoffnungen aufbauen, aber das Leben meint es nicht gut mit ihnen. Sicherlich hat der eigene Alkoholismus schwer in den Roman mithineingespielt und die Erfahrungen des Autors mit Büchern und Zeitungen erzeugen eine große Authentizität. Wie er jedoch biografische Wendungen einbaut, wie er seine Figuren 180 Grad Kehrwendungen machen lässt, ist schon grossartig. Emily ist dabei diejenige, die am wenigsten einzuordnen ist. Sie spiegelt die große Freiheit. Ihr Neffe sagt ihr auch am Ende, dass er sie als die erste emanzipierte Frau gesehen hat. Hinter dem Spiegel sieht die Realität jedoch anders aus. Das Ende des Romanes ist so verblüffend, dass ich einige Zeit gebraucht habe, dies zu verdauen.
Yates schafft es, seinen Figuren so viel Realität zu unterlegen, dass wir alle Facetten der jeweiligen Biografien mitbekommen und nicht nur plakative Lebensbeschreibungen.
Ein großartiger Roman, der den „Zeiten des Aufruhr“ in nichts nachsteht.
Auf deutsch in Neuübersetzung 2007 erschienen, längst als Taschenbuch erhältlich, ist das Buch schon wieder in Vergessenheit geraten und Richard Yates kaum jemandem mehr bekannt. Es gilt ihn nochmals zu entdecken.
„Ein geradezu unheimlich aktuelles Buch – und ein berückend schönes, tief trauriges dazu, das nun endlich, endlich die Leser finden sollte, die es verdient.“
Frankfurter Allgemeine Zeitung
„Atemberaubend. Ein wunderbarer Roman.“
Die Zeit
„Easter Parade zeigt erneut Yates‘ Meisterschaft , den Lesern schmerzvolle Biographien auf beklemmende Weise nahe zu bringen. Ein makelloses Werk.“
Die Welt
„Je mehr man von ihm liest, umso rätselhafter und zugleich magnetischer wird diese Trostlosigkeit.“
Süddeutsche Zeitung
Leseprobe
Biografisches zu Richard Yates
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Sinn und Form
Heft 2/2015 € 11,00
Das neue Sinn und Form-Heft ist erschienen.
Und aktuell, wie die immer sind, beinhaltet es auch gleich ein Interview mit Jan Wagner, der gerade den Buchpreis der Leipziger Buchmesse erhalten hat.
Hier geht es zum Artikel.