Samstag

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Heute haben
Pablo Picasso * 1884
Peter Rühmkorf * 1929
Harold Brodkey * 1930
Jan Schütting * 1937
Anne Tyler * 1941
Jakob Hein * 1971
Geburtstag.
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„Wenn man zu schnell geht, bekommt man Falten“, sagte eine Nachbarin zu mir. Um mir das mitzuteilen, hatte sie mich mitten auf dem West Broadway angehalten. „Tatsächlich“, sagte ich. „Davon bin ich felsenfest überzeugt“, antwortete sie. Ich sah ihr Gesicht an. Sie ist um die Sechzig. Ihr Gesicht war verhältnismäßig faltenlos. „Ich kenne Sie“, sagte sie. „Sie gehen immer sehr schnell.“ Damit hatte sie recht. Ich gehe gern schnell. Es ist gar nicht so einfach auf den überfüllten Straßen Manhattans schnell zu gehen.“

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Liliy Brett: „Immer noch New York“ und „New York“
Deutsch von Melanie Walz
Suhrkamp Verlag € 19,95
Suhrkamp TB € 6,50

„In Downtown Manhattan sah man oft einen Mann, der mit einem Papagei auf dem Kopf herumspazierte. Ein Papagei weckt in New York kein großes Interesse, ein Papagei auf dem Kopf eines Mannes schon.“

Für uns ist Lily Brett die Autorin aus New York. Ihre Romane über ihre jüdische Familie im Großstadtgewühl von Manhatten sind legendär. Dass sie aus Australien kommt, von dort, wohin ihre Eltern vor der Ermordung durch die Nazis geflohen sind, wird uns gar nicht klar. In New York hört das jeder. „Sie reden immer so langsam“ und „Sie mit ihrem Dialekt“ hört sie des öfteren, wenn sie mit Menschen redet. Das langsam reden hat sie sich in New York angewöhnt,  wo die Hektik den Menschen schon in den Genen steckt. Und dass man sich dort auch nicht immer gleich versteht, erklärt sich, das 40 % der Einwohner ursprünglich nicht aus dieser Stadt kommen. Dies alles sagt uns Lily Brett in ihrem neuen Buch mit gesammelten New York Betrachtungen. Sie zeigt uns stille Orte, nimmt uns mit in ihre Lieblingscafés, zu ihren Bäckern mit dem besten Schokoladenbrot. Sie schreibt, dass sie gerne Besorgungen zu Fuß macht und dabei schon mal 50 Minuten zum Bäcker in Kauf nimmt. Sie schwärmt allerdings auch von der U-Bahn, in der sie es genießt, die Menschen zu betrachten. Dem Bahnhof Grand Central widmet sie ein ganzes Kapitel. Sie ist fasziniert von den vielen Menschen, die dort dort täglich aus- und eingehen. Er gilt als der größte Bahnhof der Welt und vielleicht auch als der schönste und sie weiß genau wieviel Gleise er besitzt. Lily Brett rät uns ins Untergeschoss in die Essabteilung zu gehen. Dort empfiehlt sie die Oyster Bar mit ihrem riesigen Angebot an Meeresfrüchten, aber auch zu Käsekuchen und und und. Aber wussten Sie vom Tennisclub im Bahnhof. Dort, wo die Stunde über 100 $ kostet? Sie schreibt darüber, dass in Manhattan niemand regelmäßig kocht und listet dann auch gleich mal alle verschiedenen Nationen auf, aus deren Küche sie sich in ihrem Viertel Essen bestellen kann. Sie schreibt über ihre Manie wahnsinnige Mengen zu kochen und meint, dass ihr Gefrierschrank jetzt noch voll von Produkten ist, die sie vor Jahren gekocht hat. Ihr alter Vater (weit über 90 Jahre) taucht immer wider auf, genauso wie ihre Kinder und Enkel. Sie schreibt über den Kauf zweier Büstenhalter und über Schoßhündchen und die Gespräche mit ihrer Kosmetikerin. Dass New York am Meer liegt, ist Inhalt ihrer letzten Betrachtung. Sie meint, dass das Meer, das Wasser die Menschen prägt und erzählt von ihrer Kindheit, wie sie in einem ganz bestimmten Ritual mit der Familie ans Meer ging. Wie die Mutter Brote schmierte und Wasser in Flaschen abfüllte. Wie sie sich immer einen Platz im Schatten suchten und den Sonntagmittag in der Hitze genossen. Dabei fällt ihr ganz zum Schluss ein, dass sie dort am Meer in Australien, damals in ihrer Kindheit, nie ins Wasser gingen.
Lily Bretts Kolumnen sind grossartig und zeigen in ihrer kurzen Form die biografischen Themen, die sie in Romane verpackt.

Leseprobe

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