Mit einem Knall sind wir wieder in Ulm gelandet. Nicht wie geplant mit dem Flugzeug, sondern wegen eines Streikes schön mit dem Hochgeschwindigkeitszug bis nach Norditalien und dann mit viel Sonne durch die Alpen.
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Heute hat
Federica De Cesco * 1938
Geburtstag
und es ist der Todestag von Stendhal, der ja auch oft in Rom war.
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Gabriele Krone-Schmalz:“Russland verstehen“
Der Kampf um die Ukraine und die Arroganz des Westens
C.H.Beck Verlag € 14,95
auch als Ebook erhältlich
Eigentlich wollte Sie diese Buch „Die Russlandversteherin“ nennen, da die Autorin sich sehr an diesem Begriff reibt. Zurecht. Denn diese Wortschöpfung ist natürlich nagativ gemeint, wie auch „Gutmensch“. Aber um jemanden, oder etwas zu verstehen, man sich mit der Person, oder dem Thema befassen. Am Ende des Buches zitiert Frau Krone-Schmalz einen alten Indianerspruch, in dem es heisst, dass man zuerst in den Schuhen des Anderen gehen sollte, bevor man ihn kritisiert. Das heisst: Zuerst genau hinschauen, sich ein möglich objektives Bild machen, bevor man in die gleiche Kerbe haut, die die deutsche Medienlandschaft sehr grob und heftig vorgeholz hat. Und genau dies tut die Journalistin, die jahrelang für die ARD in Russland unterwegs war.
Was fälst und beim Namen Putin ein?, fragt sie in der Mitte des Buches. Geheimdienstmann, Despot, Muskelprotz mit bloßem Oberkörper, … Genau diese Bilder werden dauernd wiederholt und setzen sich bei uns fest und lassen sich schlecht wieder ausblenden. Die Autorin fragt sich, warum das Russlandbild bei uns so schlecht ist, und ob es sein kann, dass dies die ganze Wahrheit ist. Denn wenn alle das gleiche brüllen, ist immer Vorsicht geboten.
Da würde es sich auch lohnen, mal einen genaueren Blick darauf zu werfen, was Putin in seiner ersten Amtszeit gemacht hat und was dann später daraus geworden ist. Da gibt es ja Riesenunterschiede. Die Signale Richtung Westen in der ersten Amtszeit Putins wären es wert gewesen, aufgenommen zu werden. Aber die hat niemand sehen wollen oder niemand gesehen. Das war ein großer Fehler.
Anhand des Krieges in der Ukraine, dem Flugzeugabschusses dort, des Bosnienkrieges, den Anschlägen am 11.9.2001 in New York und vielen anderen weltpolitisch sehr brisanten Themen, präsentiert sie uns Fakten und Zitate, die die jeweiligen Situationen in einem anderen Licht zeigen. Sie will uns nicht die Winterolympiade in Sotschi schönreden, zeigt jedoch, dass Bundpräsident Gauck nicht zu diesen Spielen gereist ist, jedoch zu den Spielen in China und Brasilien. In Russland war es der Protest gegen die Diskriminierung von Homosexuellen (wobei sie aufzeigt, dass die Reform auf Gesetzesebene auch in Deutschland noch nicht lange her ist), über die Vertreibung von Menschen und deren Umsiedlung, über Zerstörung der Natur sowohl in China, als auch in Brasilien, hinweggesehen wird. Dies nur als kleines Beispiel am Rande.
Russland wird aus ihrer Sicht in der großen Politik nicht für voll genommen. Es ist zwar oft in großen Gremien mit am Tisch. Wenn es jedoch ernst wird, übergehen die westlichen Staaten die festgesetzten Regeln und handeln entgegen der ausgemachten Statuten. Russland verliert dadurch immer mehr an Ansehen und in den jeweiligen Ländern, in die die westlichen Armeen einmarschieren, an wirtschaftlicher Macht.
Gabriele Krone-Schmalz schreibt einen kurzen Abriss der Geschichte des Ukraine-Konflikts und zeigt an Originalzitaten, an Tagesschaubeiträgen mit Datum und genauer Uhrzeit, wie Fakten bei uns, durch kleine Weglassungen und Umstellungen im Text, einen komplett anderen Sinn geben. Sie zeigt, dass unsere täglichen Nachrichten immer mit einem negativen Unterton gegenüber Russland unterlegt sind. Diese Zitate lassen einem den Mund offenstehen. Und es wird von Seite zu Seite klar, dass es nicht ganze Wahrheit ist, was wir täglich in den Medien zu lesen, hören und sehen bekommen.
Statt sich international mit der Schadensbeseitigung zu beschäftigen, wurden Sanktionen verhängt, über die der US-Vizepräsident Joe Biden am 3. Oktober 2014 in einer launigen Rede sagte: „Die Europäer wollten keine Sanktionen gegen Russland, wir mussten sie wirklich dahin treiben.“
Muss man nicht stutzig werden, erst recht als Journalist, wenn im Umfeld der Maidan-Unruhen der Sohn von Joe Biden zum Direktor einer Firma ernannt wird, die auf Zypern ansässig ist, einem ukrainischen Oligarchen gehört und sich mit Gasgeschäften befasst?
Frau Krone-Schmalz legt jedoch ihre Finger in viele Wunden und will uns die Augen öffnen. Sie fordert einen anderen Journalismus, der nicht Fakten passend zur Stimmung liefert, sondern genau hinschaut, sich selbt ein Bild macht und dies auch so weitergibt.
„Ich denke, das ist auch die Aufgabe von Journalismus: sich nicht auf eine Seite zu stellen – weder auf eine gute, schon gar nicht auf eine böse. Sondern so gut man kann von allen möglichen Blickwinkeln den Punkt, um den es geht, zu beleuchten.“
Das Buch ist mittlerweile in der 6.Auflage und ich wünsche ihm noch viele mehr.
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Werner Färbers Ungereimtheiten: