Heute haben
Johann Gottfried Schnabel * 1692
Fritz Reuter * 1810
Albert Camus * 1913
Antonio Skármeta *1940
Geburtstag
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„November“
Gedichte
Zusammengestellt von Evelyne Polt-Heinzl und Christine Schmidjell
Umschlaggestaltung von Nikolaus Heidelbach
Reclam Verlag € 5,00
Die erste Novembertage sind schon vorbei und es scheint nachmittags fast frühlingshaft. Trotzdem gibt es heute drei Schneegedichte. Einmal hatten wir es ja schon weiss und wird noch mehr vom Himmel fallen.
Ich wünsche Ihnen eine geruhsame Zeit bei der Lektüre.
Die beiden Herausgeberinnen haben einen schönen Reigen aus alten und neuen Gedichten zusammengestellt und es wieder geschafft, auf Goethe zu verzichten.
Adelbert von Chamisso
Der erste Schnee
Der leise schleichend euch umsponnen
Mit argem Trug, eh’ ihr’s gedacht,
Seht, seht den Unhold! über Nacht
Hat er sich andern Rat ersonnen.
Seht, seht den Schneenmantel wallen!
Das ist des Winters Herrscherkleid;
Die Larve läßt der Grimme fallen; –
Nun wißt ihr doch, woran ihr seid.
Er hat der Furcht euch überhoben,
Lebt auf zur Hoffnung und seid stark;
Schon zehrt der Lenz an seinem Mark.
Geduld! und mag der Wütrich toben
Geduld! schon ruft der Lenz die Sonne,
Bald weben sie ein Blumenkleid,
Die Erde träumet neue Wonne, –
Dann aber träum’ ich neues Leid!
Theodor Fontane
Der erste Schnee
Herbstsonnenschein; des Winters Näh’
verrät ein Flockenpaar,
es gleicht das erste Flöckchen Schnee
dem ersten weißen Haar.
Noch wird, wie wohl von lieber Hand
der erste Schnee dem Haupt,
so auch der erste Schnee dem Land
vom Sonnenstrahl geraubt.
Doch habe acht! Mit einemmal
ist Haupt und Erde weiß,
und Liebeshand und Sonnenstrahl
sich nicht zu helfen weiß.
Christian Morgenstern
Erster Schnee
Aus silbergrauen Gründen tritt
ein schlankes Reh
im winterlichen Wald
und prüft vorsichtig Schritt für Schritt,
den reinen, kühlen, frischgefallenen Schnee.
Und Deiner denk ich, zierlichste Gestalt.
Gottfried Keller
Wie nun alles stirbt und endet
Und das letzte Lindenblatt
Müd sich an die Erde wendet
In die warme Ruhestatt,
So auch unser Tun und Lassen,
Was uns zügellos erregt,
Unser Lieben, unser Hassen
Sei zum welken Laub gelegt.
Reiner weisser Schnee, o schneie,
Decke beide Gräber zu,
Dass die Seele uns gedeihe
Still und kühl in Wintersruh!
Bald kommt jene Frühlingswende,
Die allein die Liebe weckt,
Wo der Hass umsonst die Hände
Dräuend aus dem Grabe streckt.
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