Mittwoch

Heute haben
Leonhard Frank * 1882
Antonin Artaud * 1896
Richard Wright * 1908
Geburtstag
______________________

Leonhard Frank
Nur wer denkt und die Menschen liebt, kann ihnen den Frieden bringen.
Wir denken nicht und lieben nur uns selbst.

______________________

Gestern haben abend hatten wir einen rappelvollen Laden mit vier neuen Bücher, einer tollen Vorleserin Marion Weidenfeld und Stefan Plöger, der selbst sein Buch kurz vorstellte. Als die Türe dann wieder offen war, gab es noch längere Gespräche und der Rosé kam gut an.
Danke für’s Kommen und Mitmachen.

Der nächste Termin ist
Donnerstag, der 26.9. um 19 Uhr
bei uns in der Buchhandlung.
Jagoda Marinic liest aus ihrem neuen Buch: „Restaurant Dalamtia“.
_______________________

In den nächsten Tagen werde ich Textpassagen aus
Stefan Plögers Buch: „Der Klang der Hingabe“ veröffentlichen.

I
Claus hielt es nicht mehr zuhause. Er musste aus dieser Enge heraus. Er warf sich einen Mantel über und irrte ziellos durch die Straßen. Er hätte nicht sagen können, wo er sich gerade aufhielt. Der schlichte Kubus eines großen Gebäudes zog ihn an. Er betrat den Vorraum. Die Temperatur war ebenso unterkühlt wie das Ambiente des Raums. Die Wände weiß getüncht, klare, einfache Linien. Er war sich nicht sicher, ob er hier sein wollte. Aber nun war er hier. Er hätte nicht gewusst, was es jetzt anderes zu tun gäbe. Eine Ausstellung, deren Thema er nicht kannte. Er schlenderte an den Exponaten vorbei. Schwarz-weiß-Bilder, kaum zu unterscheiden, ob es Fotografien oder Zeichnungen waren. Keines der Bilder sprach ihn wirklich an. Er konnte sich nicht damit verbinden. Er betrat einen abgedunkelten Raum, in dem Spots auf die einzelnen Bilder gerichtet waren, so dass es schien, als würden sie von innen heraus leuchten. Das Portrait einer alten Frau zog ihn an. Er brauchte eine Weile, bis er die Gesichtszüge erkennen konnte. Er merkte, wie sich das Bild von einem zum nächsten Moment neu zusammensetzte. Es schien eine Art Kippbild zu sein, das bei längerer Betrachtung von einer Wahrnehmungsmöglichkeit in eine andere umschlug. Jetzt sah er einen alten Mann, knorrig, abweisend. Er ging einen Schritt auf das Bild zu. Die Leuchtkraft nahm zu. Und wieder sah er eine Veränderung. Ein fratzenhafter Kopf starrte ihn an. Die Backen mit Wülsten wie graumelierte Putzwolle, ein stechender Blick. Ein Zittern ging durch das Bild. Der Kopf schien aus der Bildfläche hervorzutreten. Das hämische Grinsen war unerträglich. Claus konnte eine Stimme hören: „Ich entscheide, wann ich dir begegnen will. Nicht du.“ Erst jetzt sah er die angedeuteten Hörner. Es war die Fratze eines Teufels mit glühenden Augen. Er hätte länger darauf schauen müssen, um das Bild erneut zum Kippen zu bringen. Er konnte nicht. Er schaute weg. Sein Herz klopfte. Er wusste nicht, ob jemand Anderes das sehen konnte, was er hier gesehen hatte. Er verließ das Museum wie auf der Flucht.
________________________

Unser Tipp des Tages ist ein Bilderbuch mit einem sehr „wichtigen“ Thema:

Hopgood

Tim Hopgood: „Sooo groß
Aus dem Englischen von Stephanie Menge
Sauerländer Verlag € 14,99
Bilderbuch ab 3

Welches Kind möchte nicht endlich groß sein? So groß, wie …???
Der kleine Junge in diesem englischen Bilderbuch fragt sich auf der ersten Seite: „Wie groß bin ich?“ und in Klammern steht unten in der Ecke: „(Ich weiß es nicht)“. Dabei trägt er eine kleine Pflanze in einem Topf. Na, zumindest größer als diese Pflanze ist er schon mal. Er kann zwar seine Zehen, aber nicht den Himmel anfassen. Neben seinem Freund Ben ist er nur ein Knirps. Aber warten Sie bis zum Schluss des Buches, ob er neben Ben immer noch klein erscheint. „…ich wachse. Ich bin größer als früher, das weiss ich genau. Ich kann meine Augen im Badezimmerspiegel sehen. Aber wann bin ich GROSS?“, denkt er wieder. Gegenüber einer Ameise ist er riesig, gegenüber einem Bären …, wir wollen gar nicht drandenken. „Neben einem Popcorn bin ich ein BERG. Ich muss mindestens 500 Popcorns hoch sein.“ Aber in den Hochhausschluchten von New York ist er wirklich klein. Endlich groß zu sein, lässt ihn einfach nicht mehr los. Und vielleicht, so denkt er, wird er einmal so groß, wie sein Papa. Denn: Größer geht eh nicht.
Tim Hopgood hat ein sehr angenehmes, einfaches Bilderbuch geschrieben und illustriert. Die Bilder erinnern ein wenig an die alten Büchern aus den 50er Jahren, haben aber überhaupt nichts verstaubtes, sondern strahlen eine Ruhe aus, die wir oft in Bilderbüchern nicht mehr finden. Hopgood arbeitet mit Farben, die gut abgestimmt sind und er benutzt, sehr passend zum Buch, verschiedene Schrifttypen und natürlich verschiedenste Schriftgrößen. So beginnt ein Satz mit einem rieseigen „ABER“ und endet sehr sehr klein mit „klein“.
Ich kann mir vorstellen, dass dieses Buch, den kleinen Kindern sehr gut gefallen wird. Unsere kleine Nachbarin stellt sich jedes Mal an die alte Messlatte, die bei uns der Küche hängt und auf der noch Striche von mir drauf sind. Sie versucht mit allen Mitteln und auf Zehenspitzen auf die jeweiligen Bildchen zu gelangen.
Und: Wollen wir nicht alle ein wenig größer sein / erscheinen?

Leider sind auf der Seite des Verlages keine weiteren Bilder, die ich Ihnen hier zeigen könnte. Aber schauen Sie auf die website von Tim Hopgood, die ist knallvoll mit verschiedensten Arbeiten, u.a. von „Soooo groß“.
Buon divertimento!
_______________________