Mittwoch, 28.Dezember

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Heute hat
Alfred Wolfenstein
Geburtstag
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Alfred Wolfenstein
Städter

Dicht wie Löcher eines Siebes stehn
Fenster beieinander, drängend fassen
Häuser sich so dicht an, daß die Straßen
Grau geschwollen wie Gewürgte stehn.

Ineinander dicht hineingehakt
Sitzen in den Trams die zwei Fassaden
Leute, wo die Blicke eng ausladen
Und Begierde ineinander ragt.

Unsre Wände sind so dünn wie Haut,
Daß ein jeder teilnimmt, wenn ich weine.
Flüstern dringt hinüber wie Gegröhle:

Und wie stumm in abgeschlossner Höhle
Unberührt und ungeschaut
Steht doch jeder fern und fühlt: alleine.
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Ich will dich – Begegnungen mit Hilde Domin
Ein Film von Anna Ditges
Indigo DVD € 12,99

Zu Beginn dieses Dokumentarfilmes sehen wir Rosen, die in der Hand der Filmemacherin Anna Ditges auf dem Weg zum Haus der Dichterin Hilde Domin unterwegs sind. Mit ihrer anderen Hand filmt sie diesen Weg dorthin und erzählt aus dem Off, wie sie zufällig in einer Buchhandlung über den Namen Domin gestolpert ist und sich den Gedichtband „Nur eine Rose als Stütze“ gekauft und verschlungen hat. Sie nimmt Kontakt zur Domin auf, die als scheu, unzugänglich und arrogant gilt. Zu ihrer Überraschung willigt Hilde Domin eilt, dass Anna Ditges sie mit der Kamera besuchen kann. Der Empfang ist herzlich. Was wir sehen, sind Bücher, Bücher, Bücher. Hilde Domins Wohnung wird von ihnen beherrscht. Alle Zimmer scheinen von ihnen und den Erinnerungen, die mit ihnen verbunden sind, voll zu sein.
Offen erzählt die 95-jährige Dame aus ihrem Leben, ihrer Kindheit, der Flucht, dem Exil und ihrer Rückkehr nach Deutschland. Sie spricht wohl auch zum ersten Mal über ihre einzige Liebe Erwin, mit dem sie 54 Jahre zusammengelebt hat. Nun ist sie alleine in diesen Räumen der Erinnerung.
Mit dabei und immer ganz nah und doch nie indiskret, die Kamera von Anna Ditges und ihre Stimme aus dem Off. Die Filmemacherin fragt nach, bohrt, lässt Pausen und dadurch Möglichkeiten, dass Hilde Domin in Ruhe darauf antworten kann. Über Wochen und Monate, über fast zwei Jahre sind die Beiden in Kontakt, bis Hilde Domin nach einem gemeinsamen Silvesterabend im Februar darauf stirbt.
Es ist diese Offenheit, diese Direktheit, die große Erfahrung der alten Dame, die auch zickig werden kann und sich doch geehrt fühlt, die diesen Film ausmachen. Sie sagt, dass sie Anna liebt, aber die Kamera, die immer mitläuft, überhaupt nicht.
Nebenbei erfahren wir, was ein Gedicht ist, wie es entsteht und wie es war, als Hilde Domin ihr erstes geschrieben und ihrem Mann vorgelesen hat.
„Ich will dich“ ist ein Film, der schon fast 10 Jahre alt ist und es verdient hat, neben die Gedichtbände der Domin im Lyrikregal zu stehen.

Hilde Domin
Ich will dich

Freiheit
ich will dich
aufrauhen mit Schmirgelpapier
du geleckte

Die website zum Film
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Werner Färbers Ungereimtheit der Woche
Nach Weihnachten

Die Tage werden wieder länger,
die Kleidungsstücke sitzen enger.
Ich fühl‘ mich nach der Weihnachtszeit
wieder mal sehr rund und breit …