Heute haben
Edmund Wilson * 1895
Gertrud Fussenegger * 1912
Thomas Pynchon * 1937
Pat Barker * 1943
Roddy Doyle * 1958
Geburtstag
Unser heutiger Buchtip:
Lena Andersson: „Widerrechtliche Inbesitznahme“
Originaltitel: Egenmägtikt förfarande
Aus dem Schwedischen von Gabriele Haefs
Luchterhand Verlag € 18,99
„Wer verlässt, spürt keinen Schmerz. Wer verlässt, braucht nicht zu reden. Wer verlässt, ist fertig. Das ist der große Schmerz. Wer verlassen wird, muss dagegen bis in alle Ewigkeit reden. Und dieses ganze Gerede ist nur der Versuch, dem anderen zu sagen, dass er sich geirrt hat. Wenn er nur einsähe, wie die Dinge wirklich liegen, würde er sich nicht so verhalten, dann würde er den anderen lieben. Bei dem Gerede geht es nicht darum, sich Klarheit zu verschaffen, was der Redende behauptet, sondern darum, zu überzeugen und zu überreden.“
„Ein Roman über die Liebe“ nennt die Autorin ihren Roman. Allerdings nicht auf dem Schutzumschlag, sondern erst bei dritten Erwähnung des Titels. Damit hat sie auch mehr als recht, denn der Roman ist natürlich kein Liebesroman, der sich zu den anderen Büchern auf dem Sofa und neben dem Bett stapelt. Ganz im Gegenteil. Lena Andersson schreibt gerade über die Nichtliebe, über die Sehnsucht danach, über die Ablehnung der Liebe. Und es geht um die widerrechtliche Besitznahme, wie sie im schwedische Gesetzbuch verankert ist. Was passiert, wenn ich mir etwas aneigne, das mir nicht gehört? Wie werde ich „bestraft“, wenn ich mich an etwas unerlaubt vergreife und es mir einverleibe? Sie merken schon: keine normale Liebesgeschichte.
Ester Nilsson, Journalistin und Autorin, erhält den Auftrag über den bekannten Künstler Hugo Rask ein Portät in einer Kulturzeitschrift zu schreiben. Sie kennt den Künstler, hat sich mit ihm schon befasst und nimmt das Angebot gerne an. Was sich daraus entwickelt, ahnte sie wohl selbst nicht. Sie verliebt sich den deutlich änderen Mann, schläft mit ihm und fordert von ihm mehr, als nur ein, zwei Nächte im Bett. Er jedoch will davon gar nichts wissen, geht immer mehr auf Distanz, umso mehr sie ihm nahe kommt. Diese Psychogeschichte schreibt Ester Nilsson mit einem leichten Stil, dass wir beim Lesen schmunzeln, um im nächsten Moment mit Ester in ein tiefes Loch zu fallen. Aber genauso schnell rappelt sie sich wieder hoch, hält sich selbst auf Distanz, um beim kleinsten Funken wieder zu ihm zu springen. Er muss ja nur mit den Fingern schnippen.
Ein herrliches Lesevergnügen, ein schmales Buch mit großer Literatur.
Nicht umsonst bekam die Autorin für das Buch einen sehr bekannten schwedischen Literaturpreis und das Buch wurde ein Bestseller. Das wünsche ich ihm hier auch.
Lena Andersson (geb. 1970) ist Journalistin und Autorin. Sie arbeitet als Literaturkritikerin für Svenska Dagbladet und ist Kolumnistin bei Dagens Nyheter, Schwedens größter Tageszeitung. Sie wuchs in einem Vorort von Stockholm auf, wechselte aber als Jugendliche nach Torsby, um ihrer Leidenschaft fürs Skifahren nachzugehen. Andersson fuhr jahrelang wettkampfmäßig Ski, lebt inzwischen aber wieder in Stockholm, wo sie sich einen Namen als streitbarste zeitgenössische Kritikerin des Landes gemacht hat. Für „Widerrechtliche Inbesitznahme“ bekam sie den renommiertesten Literaturpreis Schwedens, den Augustpreis, verliehen. Der Roman stand monatelang auf Platz eins der Bestsellerliste., schreibt der Verlag.