Freitag, 18.November

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Heute haben
Richard Dehmel * 1863
Klaus Mann * 1906
Margaret Atwood * 1939
und Compay Segundo Geburtstag.
Es ist der Todestag von Marcel Proust.
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Richard Dehmel
Die stille Stadt

Liegt eine Stadt im Tale,
ein blasser Tag vergeht;
es wird nicht lange dauern mehr,
bis weder Mond noch Sterne,
nur Nacht am Himmel steht.

Von allen Bergen drücken
Nebel auf die Stadt;
es dringt kein Dach, nicht Hof noch Haus,
kein Laut aus ihrem Rauch heraus,
kaum Türme noch und Brücken.

Doch als den Wandrer graute,
da ging ein Lichtlein auf im Grund,
und durch den Rauch und Nebel
begann ein leiser Lobgesang
aus Kindermund.
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Gleich zwei Bücher mit Gedichten und Texten von Rühmkorf sind diesen Herbst erschienen. Jetzt gerade das Reclam Bändchen „Rühmkorf zum Vergnügen“, das von Susanne Fischer herausgegeben wurde. Zuvor schon das dicke, mächtige Werk „Sämtliche Gedichte“, herausgegeben von Bernd Rauschenbach. Und wer jetzt ein wenig die Ohren gespitzt hat, merkt sicherlich, dass dahinter die Mitarbeiter der Arno Schmidt Stiftung stehen. Fischer und Rauschenbach waren letzten Sommer bei uns in der Buchhandlung, um Briefe von Schmidt vorzutragen. Jetzt also Rühmkorf. Bernd Rauschenbach geht mit einer Combo und Rühmkorf Gedichten auf Tour. Vielleicht können wir diesen Abend auch einmal in der Literaturwoche in Ulm miterleben. Das wäre schön.

978-3-15-019214-6

Rühmkorf zum Vergnügen
Herausgegeben von Susanne Fischer
Reclam Verlag € 6,00

978-3-498-05802-9

Peter Rühmkorf: „Sämtliche Gedichte 1956 – 2008
Mit einer Auswahl der Gedichte von 1947 – 1955
Herausgegeben von Bernd Rauschenbach
Rowohlt Verlag € 39,95

Peter Rühmkorf wurde 1929 geboren und verstarb 2008. Er war ein Künstler in allen Richtungen. Prosa, Lyrik, Zeichnungen … alles kein Problem für ihn. Gekonnt zeigte er sich in allen Bereichen als großer Künstler. Und war es nicht der Umschlag des Buches „Der Hüter des Misthaufens“, der mich als junger Buchhandelslehrling fasziniert hat?
Peter Rühmkorf war nie der ganz einfache Gedichteschreiber, doch eher der politische, der kritiker Dichter, der sich einmischte. Mal frech, mal melancholisch, aber auch als Schriftsteller mit viel Witz. Er steht damit in der Tradition der großen Dichter wie Heine und Bellmann, der seine Liebe zum Leben, zum Alkohol, zur Liebe und zum Jazz in seinen Texten auslebte.
Susanne Fischers Vorwort ist so klug und erhellend, dass wir mit diesem Wissen noch mehr Vergnügen an ihrer Textauswahl haben.

Nichts Höheres möchte der Reim, als freudig mit den Ohren gelöffelt und der Seele als ein Lockruf eingeflüstert werden. Und nichts Edleres hat er im Sinn, als den Zusammenklang des tragisch Getrennten, fatal Auseinandergerissenen, umständehalber Zerteilten wenigstens für einige Atemzüge lang als möglich erscheinen zu lassen.,schreibt Peter Rühmkorf

Bernd Rauschenbach als Herausgeber der sämtlichen Gedichte von 1956 bis 2008 (mit einer Auswahl der Gedichte von 1947 bis 1955) war sicherlich längere Zeit beschäftigt, bis er diesen Prachtband mit über 600 Seiten zusammengestellt hat. Schön in der Ausstattung, prall von mit Gedichten. Einfach großartig.

Ein kleiner Wind, das wars

Ein kleiner Wind, das wars,
Mehr hielt uns nie,
Und des Mondes goldener Arsch
In der luftleeren Melancholie.

Für heut und allemal,
Wohin unser Herz uns trieb,
Es ist scheißegal,
Woran es hängen blieb.

Und ich berufe mich
Auf das was uns sterblich macht.
Süß und septemberlich –
Es ist eine süffige Nacht.

Wildernd im Ungewissen

Wildernd im Ungewissen,
Im Abflußrohr der Zeit,
Etwas Größe unter den Nagel gerissen,
Etwas Vollkommenheit.

Wir haben um neunzehn Uhr Syringen gebrochen
Und brachen Duft und Gram;
Flieder, mein lieber Mann, wir haben Flieder gerochen,
Wenn der Mond über Deutschland kam.

Im wenig Dauerhaften
Von Wind und Schein verführt –
Weiß ich, ob wir die Sterne verkraften
Bis man uns abserviert?

Bis daß wir abtreten müssen,
Schotter des Schicksals über die Fläche gestreut –
Etwas Größe unter den Nagel gerissen,
Etwas Vollkommenheit.

Sanfte Dämmerung, und mit herabgelassener Hose

Sanfte Dämmerung, und mit herabgelassener Hose,
Mit abgelegtem Jackett,
Spür ich noch einmal des Sommers tiefe Narkose
Hinter dem Ektoderm, hinterm Skelett.
Jage noch einmal die Träume, die nichts mehr erfassen,
In das Feld mit dem Klee.
Dies ist die Stunde, sich hemmungslos fallenzulassen,
v = g · t.
Dies ist die Stunde mit gelockerter Sehne,
Schwimmt Hand und Fuß davon,
Schmerzlich hinter der Endmoräne
Tönt das Akkordeon.
Und da ist kein Widerspruch
In allem, was geschieht,
Wenn der seidene Wind den Lupinengeruch
Über die Ebene zieht.

2 Gedanken zu „Freitag, 18.November

  1. Lieber Samy

    Ganz herzlichen Dank für die Weihnachtsgabe, die mir Christel von dir überbracht hat. Ich freue mich, sie meinen Weihnachtswünschen beilegen zu können und hoffe auf einen guten Silvester. Leider hat sich ein Fehler eingeschlichen auf der hintersten Umschlagseite. Die Erzählung stammt aus „Grenzgänge“ (eFeF-Verlag), Erzählband, nicht aus „Nachgetragenes“ (nur Gedichte). Dies nur, falls Kunden bei dir nachfragen würden.

    Ich wünsche dir für die stressige Zeit einen langen Atem! Herzlich Silvia

    1. Liebe Silvia,
      vielen Dank für Deine guten Wünsche und 1.000 verzeihungen wegen des Fehlers. Mist!!!! Das darf nicht passieren.
      Bitte lass es mich wissen, wenn Du noch mehr Heftchen haben willst. Ich lasse sie Dir gerne zukommen.

      Herzlich aus dem Regen,
      Samy

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